Rede:
ID1109510700

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    Plenarprotokoll 11/95 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 95. Sitzung Bonn, Freitag, den 23. September 1988 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 6481 A Zur Geschäftsordnung Seiters CDU/CSU 6481 B Jahn (Marburg) SPD 6482 B Häfner GRÜNE 6482 C Frau Schilling GRÜNE 6483 D Ronneburger FDP 6484 A Tagesordnungspunkt 21: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Scheer, Dr. Soell, Verheugen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Einberufung einer zweiten Konferenz der Nicht-Kernwaffenstaaten (Drucksache 11/2202) Brandt SPD 6484 C Lummer CDU/CSU 6486 C Ebermann GRÜNE 6487 C Dr. Feldmann FDP 6488 D Schäfer, Staatsminister AA 6490 B Lowack CDU/CSU 6491 D Dr. Scheer SPD 6492 C Tagesordnungspunkt 22: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Konsequenzen aus der Katastrophe des Flugtages in Ramstein am 28. August 1988 (Drucksache 11/2897) Frau Dr. Götte SPD 6493 D Kossendey CDU/CSU 6495 B Frau Schilling GRÜNE 6497 B Ronneburger FDP 6498 C Heistermann SPD 6500 D Dr. Uelhoff CDU/CSU 6502 A Dr. Scholz, Bundesminister BMVg . . . 6504 A Tagesordnungspunkt 23: a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Lammert, Porzner, Beckmann, Bernrath, Biehle, Buschbom, Cronenberg (Arnsberg), Esters, Eylmann, Dr. Göhner, Grunenberg, Günther, Dr. Haussmann, Dr. Hoffacker, Dr. Jenninger, Kleinert (Hannover), Lamers, Lennartz, Louven, Marschewski, Dr. Mertens (Bottrop), Neuhausen, Niggemeier, Reddemann, Frau Renger, Repnik, Reuschenbach, Dr. Scheer, Schmidbauer, Schreiber, Stücklen, Tillmann, Frau Dr. Timm, Frau Traupe, Dr. Unland, Wolfgramm (Göttingen) eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Einsetzung und Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Deutschen Bundestages (Drucksache 11/1896) b) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung des Rechts der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse (Untersuchungsausschußgesetz) (Drucksache 11/2025) Dr. Langner CDU/CSU 6506 B Wiefelspütz SPD 6509 A Kleinert (Hannover) FDP 6510 D Schily GRÜNE 6512B Dr. Lammert CDU/CSU 6513 D Porzner SPD 6515 C II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. September 1988 Zusatztagesordnungspunkt: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurfs zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung, des Versammlungsgesetzes und zur Einführung einer Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten (Drucksache 11/2834) Engelhard, Bundesminister BMJ 6516 C Dr. de With SPD 6517 C Dr. Stark (Nürtingen) CDU/CSU 6520 A Frau Dr. Vollmer GRÜNE 6522 D Kleinert (Hannover) FDP 6524 C Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI . 6525 D Wüppesahl fraktionslos 6526 C Graf SPD 6528 C Dr. Hirsch FDP 6529 D Nächste Sitzung 6530 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 6531* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. September 1988 6481 95. Sitzung Bonn, den 23. September 1988 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 23. 9. Bahr 23. 9. Dr. Bangemann 23. 9. Frau Beck-Oberdorf 23. 9. Bindig** 23. 9. Dr. Bötsch 23. 9. Bohl 23. 9. Borchert 23. 9. Brauer 23. 9. Brück 23. 9. Catenhusen 23. 9. Clemens 23. 9. Frau Conrad 23. 9. Frau Dr. Däubler-Gmelin 23. 9. Dr. Dollinger 23. 9. Dr. Ehrenberg 23. 9. Frau Eid 23. 9. Eylmann 23. 9. Frau Fischer** 23. 9. Francke (Hamburg)** 23. 9. Gansel 23. 9. Gattermann 23. 9. Frau Geiger' ' 23. 9. Dr. Glotz 23. 9. Dr. Götz 23. 9. Dr. Haack 23. 9. Dr. Hauff 23. 9. Freiherr Heereman von Zuydtwyck 23. 9. Frau Hensel 23. 9. Frau Hoffmann (Soltau) 23. 9. Dr. Holtz** 23. 9. Hüser 23. 9. Irmer** 23. 9. Dr. Kappes 23. 9. Frau Kelly 23. 9. Kleinert (Marburg) 23. 9. Dr. Köhler (Wolfsburg) 23. 9. Kolbow' ' 23. 9. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Kraus 23. 9. Dr. Kreile 23. 9. Frau Männle 23. 9. Magin 23. 9. Meyer 23. 9. Müller (Wadern) 23. 9. Niggemeier 23. 9. Frau Odendahl 23. 9. Frau Olms 23. 9. Opel 23. 9. Frau Pack 23. 9. Paintner 23. 9. Pfeifer 23. 9. Dr. Pinger 23. 9. Dr. Pohlmeier** 23. 9. Reschke 23. 9. Reuschenbach 23. 9. Dr. Scheer' 23. 9. Frau Schmidt (Nürnberg) 23. 9. Dr. Schneider (Nürnberg) 23. 9. Schreiber 23. 9. Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd) 23. 9. Schwarz 23. 9. Spilker 23. 9. Spranger 23. 9. Dr. Stavenhagen 23. 9. Dr. Stercken** 23. 9. Dr. Stoltenberg 23. 9. Frau Teubner 23. 9. Tietjen 23. 9. Frau Dr. Timm** 23. 9. Frau Trenz** 23. 9. Vosen 23. 9. Dr. Waigel 23. 9. Westphal 23. 9. Frau Wieczorek-Zeul 23. 9. Dr. Wittmann 23. 9. Zywietz 23. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an der 80. Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Otto Schily


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Da wir hier ja über parlamentarische Untersuchungsausschüsse reden, Herr Kollege Kleinert, werden Sie sich vielleicht daran erinnern, daß z. B. aus Ihren Reihen — vor allen Dingen auch von dem Kollegen Langner — immer höchster Wert darauf gelegt worden ist, die Bundeszuständigkeit ganz strikt einzuhalten. Deshalb werde ich mich auf Ihre Frage hin sehr zurückhalten, zu Vorgängen des niedersächsischen Landtagsausschusses Stellung zu nehmen, zumal mir dazu die Kenntnisse fehlen, die Sie offenbar haben oder nicht haben und die Sie veranlassen, hier etwas in die Bundestagsdebatte einzustreuen, von dem Sie glauben, daß es Ihrer Verteidigung dort dient. Aber ich glaube, wir wollten das Thema jetzt eigentlich verlassen und uns dem Gesetzgebungsvorhaben zuwenden.

    (Kleinert [Hannover] [FDP]: Eingeführt durch Sie! — Dr. Hüsch [CDU/CSU]: Eine sehr schwache Antwort!)

    — Nein, nein, Herr Kollege.
    Wir wissen alle, daß der Bundesregierung eine beachtliche Produktivitätssteigerung gelungen ist, und zwar in der Skandalbranche.

    (Heiterkeit bei den GRÜNEN)

    Daraus ergibt sich die bedauerliche Notwendigkeit, in sehr kurzen zeitlichen Abständen neue Untersuchungsausschüsse einzusetzen. In der vergangenen Legislaturperiode gab es vier; im zweiten Jahr der laufenden Legislaturperiode gibt es immerhin schon drei Untersuchungsausschüsse. An Aktualität fehlt es unserer heutigen faszinierenden Debatte also keineswegs.
    Das in Art. 44 des Grundgesetzes verbriefte Untersuchungsrecht ist eines der bedeutsamen scharfen Kontrollinstrumente des Parlaments, insbesondere der Opposition gegenüber der Regierung. Im Idealfall sollte das Parlament in seiner Gesamtheit das Kontrollinstrument nutzen, und mitunter ist das ja auch der Fall. Ich denke, in Schleswig-Holstein kann man durchaus anerkennen, daß ein Mann wie Graf Kerssenbrock, der dann unglückseligerweise bei seiner eigenen Partei in Verruf geraten ist, den Untersuchungsauftrag in einer objektiven Weise, Herr Kollege Langner, ernstgenommen hat. Das wollen wir hier durchaus anerkennen.
    Da sich die Koalitionsfraktionen aber immer mehr lediglich als Servierer für die Regierung begreifen, haben sie in der Vergangenheit in den Untersuchungsausschüssen ihre Aufgabe meist darin gese-



    Schily
    hen, Beweiserhebungen zu verhindern und eine vollständige Aufklärung zu hintertreiben.

    (Dr. Hüsch [CDU/CSU]: Aha!)

    — Das „Aha", Herr Kollege Hüsch, beweist, daß Sie da auch noch eine gute Erinnerung haben.

    (Dr. Hüsch [CDU/CSU] : Sicher!)

    Besonders beredte Beispiele sind der Flick-Ausschuß und der U-Boot-Untersuchungsausschuß.
    Ein neues Gesetz, das das Verfahren von Untersuchungsausschüssen regelt, muß deshalb vor allem die ungehinderte Ausübung des Kontrollrechts nach Art. 44 des Grundgesetzes sichern.

    (Dr. Hüsch [CDU/CSU]: Das ist richtig!)

    Zur Sicherung des Kontrollrechts aus Art. 44 Grundgesetz ist der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion offenkundig besser geeignet, während der interfraktionelle Antrag wesentliche Mängel aufweist. Nur wenn die Rechte der Minderheit, die die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses nach Art. 44 Grundgesetz beantragen kann, verfahrensrechtlich gestärkt werden, kann künftiger Obstruktion vorgebeugt werden. Beispielsweise muß gewährleistet sein, daß die Durchsetzung von Beweiserhebungen, die Ausübung des Fragerechts und die Prüfung von Akten nicht von der Gnade der Mehrheitsfraktionen abhängt. Das ist ein sehr entscheidender Gesichtspunkt.

    (Beifall bei den GRÜNEN und der SPD — Dr. Penner [SPD]: Und die Reihenfolge der Vernehmungen, Herr Schily!)

    — Zum Beispiel auch das. Wer — gerade im FlickAusschuß — daran denkt, welche erpresserischen Methoden im Rahmen der Reihenfolge von Beweiserhebungen angewendet wurden und wie man auf diese Weise auch den Abschluß einer Beweiserhebung erzwungen hat, weiß, wovon wir sprechen.

    (Dr. Hüsch [CDU/CSU]: Sagen Sie das mal deutlich!)

    — Ja, ja, Herr Hüsch, das wissen Sie doch ganz genau. Sie haben doch vermutlich selber an den Gesprächen teilgenommen.
    Wer erlebt hat, wie in den zurückliegenden Jahren die Koalitionsfraktionen ihre Verfahrensmehrheit in den Untersuchungsausschüssen rücksichtslos mißbraucht haben

    (Dr. Hüsch [CDU/CSU]: Alles falsch!)

    — jetzt werden Sie unruhig, Herr Hüsch, nicht — , darf auf eine klare Festlegung der Minderheitsrechte nach Art. 44 des Grundgesetzes nicht verzichten.
    Allerdings kann ich nicht ganz verstehen — das muß ich kritisch in Richtung der SPD sagen — , daß die SPD seltsamerweise auf zwei Hochzeiten tanzt. Einerseits haben Sie auf der Drucksache 11/2025 einen beachtlichen Entwurf vorgelegt, andererseits unterstützen mehrere SPD-Abgeordnete immer noch den interfraktionellen Antrag. Diesen Widerspruch müßten Sie heute freundlicherweise doch noch einmal klären.

    (Dr. de With [SPD]: Das ist pluralistisch!)

    — Ja, das ist der Pluralismus. — Vielleicht sind die unterschiedlichen Versionen der SPD so zu verstehen, daß die eine für die Zeit der Opposition und die andere für die Zeit nach Übernahme der Regierung gelten soll.

    (Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN)

    Es wäre aber zu wünschen, daß wir uns auf ein Gesetz einigen können, in dem das uneingeschränkte Untersuchungsrecht aus Art. 44 des Grundgesetzes anerkannt und gewährleistet wird — auch von der Seite des Parlaments, die die Regierung stellt. Wir sollten deshalb die entsprechende Gesetzesvorlage mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum versehen.
    Eine rot-grüne Bundesregierung, die wünschenswert wäre,

    (Zurufe von der CDU/CSU: Aha! — Dr. de With [SPD]: Das glaubt er selber nicht!)

    wird sich selbstverständlich von Skandalen frei halten oder — sagen wir vorsichtshalber — die Skandalrate mindestens erheblich senken. Dessen ungeachtet sollte der künftigen Opposition nichts in den Weg gelegt werden,

    (Dr. de With [SPD]: Das ist wieder richtig!)

    ungeschmälert ihre Kontrollrechte aus Art. 44 des Grundgesetzes wahrzunehmen. Dafür wünschen wir Ihnen für die Zukunft alles Gute.

    (Beifall bei den GRÜNEN)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Lammert.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Norbert Lammert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Schily, daß Sie heute bei dieser Tagesordnung die ersten Versatzstücke einer rot-grünen Regierungserklärung vortragen würden, hatten wir in der Tat kaum zu hoffen gewagt.

    (Dr. Langner [CDU/CSU]: Mit Herrn Schily als Vizekanzler! — Wiefelspütz [SPD]: Diese Regierungserklärung rechnen Sie uns bitte nicht zu!)

    — Das ist auch eine bemerkenswerte Erklärung zur Sache. Vielleicht sollten wir doch noch ein bißchen bei diesem Aspekt bleiben.
    Auch ohne ein Untersuchungsausschußgesetz hat es bisher im Deutschen Bundestag fast 40 Untersuchungsausschüsse gegeben: 27 nach Art. 44 des Grundgesetzes und 11 Untersuchungsausschüsse des Verteidigungsausschusses nach Art. 45 a des Grundgesetzes. Sie haben meist sehr erfolgreiche Arbeit geleistet. Dennoch ist die naheliegende Schlußfolgerung falsch, es bedürfe offensichtlich eines eigenen Gesetzes nicht.
    Zum einen reichen die Bestimmungen des Grundgesetzes — für jedermann erkennbar — nicht aus, auch nicht der Hinweis auf die „sinngemäße Anwendung" der Strafprozeßordnung. Die Lücken und die Probleme, die sich aus der Eigenart des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens ergeben, können auch durch die sinngemäße Anwendung der Strafprozeßordnung nicht in verfassungsrechtlich einwand-



    Dr. Lammert
    freier Weise behoben werden. Es ist im übrigen ja auch aufschlußreich — der Kollege Kleinert hat vorhin darauf verwiesen —, daß wir jedenfalls in den letzten Jahren im Deutschen Bundestag regelmäßig eine Vereinbarung herbeigeführt haben, die sogenannten IPA-Regeln als besonderes Geschäftsordnungsrecht anzuwenden.
    Das zeigt zum einen den besonderen Regelungsbedarf, den es offensichtlich über die Bestimmungen des Grundgesetzes hinaus gibt, ist zum anderen aber in der Handhabung geradezu skurril, weil ein Gesetz zwar nicht zustande kommt, man sich aber nahezu ausnahmslos in jedem konkreten Fall darauf verständigt, einen Gesetzentwurf zur verbindlichen Grund lage des Verfahrens zu machen.
    Auch auf dieser Basis sind die Verfahrensprobleme nicht ausgeräumt, was sowohl andere Gremien des Bundestages als inzwischen auch zunehmend ordentliche Gerichte für die Behebung solcher Probleme in Anspruch genommen hat. Dies gilt, wenn man das über die gesamte Zahl der Untersuchungsausschüsse der letzten Jahre verfolgt, inzwischen für beinahe jeden zweiten bisher eingesetzten Untersuchungsausschuß, daß im Ausschuß nicht lösbare Verfahrensprobleme anderen Gremien, bis hin zu ordentlichen Gerichten, vorgelegt werden mußten. Der absolute Kulminationspunkt wurde diesbezüglich im Untersuchungsausschuß „Neue Heimat" mit insgesamt 24 Gerichtsverfahren erreicht, von denen einige noch immer anhängig sind. Die damit verbundene Tendenz zur Entparlamentarisierung eines zentralen Parlamentsrechts ist weder unter grundsätzlichen noch unter praktischen Gesichtspunkten hinnehmbar.
    Zu Recht ist in dieser Debatte darauf hingewiesen worden, daß folgerichtig in den letzten Jahren die Forderung nach einem eigenen Gesetz über Einsetzung, Rechte und Verfahren eines Untersuchungsausschusses immer häufiger erhoben worden ist, sowohl von seiten der Wissenschaft, der Rechtswissenschaft wie der Politikwissenschaft, als auch vom Bundestag selbst, der mehrere vergebliche Anläufe bereits hinter sich hat. Aufschlußreich ist im übrigen auch, daß mindestens sechs Untersuchungsausschüsse in ihren Schlußberichten, zuletzt sowohl der Flick-Untersuchungsausschuß wie der Untersuchungsausschuß „Neue Heimat" ein solches eigenes Gesetz ausdrücklich eingefordert haben.
    Auf genau diesem Hintergrund, meine Damen und Herren, hat der Geschäftsordnungsausschuß des Bundestages im Rahmen seines Selbstbefassungsrechts schon in der letzten Legislaturperiode seine Bemühungen um einen solchen Gesetzentwurf begonnen und im Herbst 1985, also inzwischen vor auch schon wieder fast drei Jahren, in einem weitgehenden Konsens aller Fraktionen im Ausschuß abgeschlossen. Ich schließe mich sehr gerne den Worten des Dankes an den damaligen Vorsitzenden des Geschäftsordnungsausschusses Manfred Schulte an, die einige meiner Vorredner hier bereits vorgetragen haben, der seine jahrzehntelangen parlamentarischen Erfahrungen — übrigens in Regierung und Opposition — in den Dienst dieser Sache gestellt hat und ohne dessen geduldiges Bemühen um ein ausgewogenes konsensfähiges Ergebnis dieser Entwurf vermutlich nicht zustande gekommen wäre.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und bei der SPD)

    Es gehört sich auch deswegen, dies hier vorzutragen, weil sein Name auf dem Gesetzentwurf, der jetzt zur Beratung ansteht, nicht mehr steht, weil er mit Ablauf der letzten Legislaturperiode aus dem Deutschen Bundestag ausgeschieden ist. Wir haben aber aus guten Gründen den damals erarbeiteten Gesetzentwurf unverändert übernommen und nun erneut in den Bundestag zur Beratung eingebracht.
    Ich möchte in wenigen Punkten die grundlegenden Überzeugungen skizzieren, die uns zu diesem vorliegenden Gesetzentwurf veranlaßt haben.
    Erstens. Ein eigenes Untersuchungsausschußgesetz ist dringend erforderlich, sowohl aus politischen wie aus rechtlichen und aus praktischen Gründen. Die angemessene und verbindliche Regelung der offensichtlichen Probleme der Einsetzung und des Verfahrens von Untersuchungsausschüssen ist aus rechtsstaatlichen Grundsätzen ebenso geboten wie aus dem Selbstverständnis des Parlaments.
    Zweitens. Ein Untersuchungsausschußgesetz muß den spezifischen Charakter dieses besonderen parlamentarischen Instruments wahren und praktikabel machen, das der Aufklärung von Sachverhalten dienen und zugleich Mittel der politischen Auseinandersetzung bleiben muß. Untersuchungsausschüsse sind folglich weder parlamentarische Gremien wie alle anderen auch, noch sind sie ordentliche Gerichte.
    Drittens. Untersuchungsausschüsse sind schon durch das Grundgesetz als Minderheitenrecht konstruiert, dem die einzelnen Verfahrensregelungen angemessen Rechnung tragen müssen. Insofern stelle ich ausdrücklich eine weitgehende Übereinstimmung zwischen den beiden Gesetzentwürfen — jedenfalls in ihrer Intention — fest. Für die Unterzeichner dieses Gesetzentwurfs hat jedenfalls nie in Zweifel gestanden, daß es eine solide Berücksichtigung dieses Minderheitsrechts auch in den Verfahrensregeln in der Tat geben muß, wenn dieses Gesetz seinen Zweck überhaupt erfüllen soll. Dabei dürfen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, Minderheitenrechte allerdings nicht als Oppositionsrechte mißverstanden werden. Minderheitenschutz ist auch, aber noch etwas anderes und vielleicht sogar mehr als Oppositionsschutz.
    Viertens — dies erklärt auch den vorhin mehrfach nachgefragten Unterschied in den beiden Gesetzentwürfen — muß die Verantwortlichkeit der parlamentarischen Mehrheit für Verfahren und Beschlüsse in der Sache gewahrt bleiben. Die notwendige Berücksichtigung von Minderheitsrechten darf die Verantwortung des Parlaments als Ganzes und damit das grundlegende Prinzip der Mehrheitsentscheidung nicht aufheben.
    Fünftens. Ein Untersuchungsausschußgesetz muß schon wegen des notwendigen Grundrechtsschutzes die Rechte der Auskunftspersonen und anderer Verfahrensbeteiligter sichern. In diesem Zusammenhang



    Dr. Lammert
    ist gegebenenfalls der Status von Zeugen und Betroffenen zu klären.
    Sechstens. Ein Untersuchungsausschußgesetz muß die bisher gewonnenen Erfahrungen in den Parlamenten sowohl des Bundes wie der Länder sowie die sachkundigen Hinweise der Wissenschaft berücksichtigen, aber möglichst die Neigung zum Regelungsperfektionismus vermeiden. Die Grundsatzfragen müssen ohne Zweifel geklärt werden, aber nicht jedes einzelne denkbare Verfahrensproblem muß durch eine Gesetzesformulierung angepackt werden.
    Siebtens. Der eingebrachte Gesetzentwurf muß und soll Veränderungen ermöglichen, die neue Probleme, Erfahrungen und Fragestellungen berücksichtigen. Hierzu gibt es selbstverständlich auch in meiner Fraktion inzwischen intensive Beratungen, und ich hätte mir gewünscht, daß die beachtlichen Hinweise, die der Kollege Hüsch dazu in unseren internen Beratungen vorgetragen hat, nicht der verkürzten Beratungszeit heute morgen zum Opfer gefallen wären, sondern auch hier in erster Lesung im Deutschen Bundestag hätten vorgetragen werden können.
    Achtens. Dies erklärt vielleicht am besten die allgemeine Linie dieses Gesetzentwurfes: Alle Initiatoren und Unterzeichner sind von der Überzeugung ausgegangen, daß ein Untersuchungsausschußgesetz interfraktionell erarbeitet und verabschiedet werden muß.
    Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ein Untersuchungsausschußgesetz wird in diesem Bundestag entweder im Konsens verabschiedet oder überhaupt nicht.

    (Zuruf von der SPD: Sehr richtig!)

    Nach sorgfältiger Beratung in den Ausschüssen kann es ohnehin erst in der nächsten Legislaturperiode in Kraft treten. Niemand weiß heute, wer nach der Wahlentscheidung des Souveräns dann tatsächlich die Mehrheits- und die Minderheitsrechte in Anspruch nehmen wird.

    (Seiters [CDU/CSU]: Aber in etwa! — Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Aber hoffen darf man doch!)

    Diese im übrigen vielleicht lästige Ungewißheit, Herr Kollege Seiters, könnte uns allen vielleicht das Bemühen um Augenmaß erleichtern.
    Meine Damen und Herren, ich möchte zum Schluß meinen Dank an die Kollegen im Geschäftsordnungsausschuß aus allen Fraktionen sagen, deren Bereitschaft zur Kooperation und zum Kompromiß diesen Gesetzentwurf möglich gemacht hat. Ich möchte mich aber auch bei den Kollegen aus anderen Fachausschüssen, bei den Fraktionsgeschäftsführern, bei Mitgliedern des Präsidiums und des Ältestenrates bedanken, die dem Gruppenantrag beigetreten sind und ihm dadurch besonderes politisches Gewicht gegeben haben. Für die Initiatoren des überfraktionellen Entwurfs kann ich die Bereitschaft zur unvoreingenommenen Prüfung und Weiterentwicklung der vorgelegten Regelungsentwürfe zusagen. Wenn diese Bereitschaft zum Konsens auch bei allen anderen Beteiligten in weiteren Gesetzgebungsverfahren deutlich würde, besteht eine konkrete Chance, zum Ende dieser Legislaturperiode erstmals und endlich ein Untersuchungsausschußgesetz zu bekommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der SPD)