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ID1109501800

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    Plenarprotokoll 11/95 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 95. Sitzung Bonn, Freitag, den 23. September 1988 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 6481 A Zur Geschäftsordnung Seiters CDU/CSU 6481 B Jahn (Marburg) SPD 6482 B Häfner GRÜNE 6482 C Frau Schilling GRÜNE 6483 D Ronneburger FDP 6484 A Tagesordnungspunkt 21: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Scheer, Dr. Soell, Verheugen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Einberufung einer zweiten Konferenz der Nicht-Kernwaffenstaaten (Drucksache 11/2202) Brandt SPD 6484 C Lummer CDU/CSU 6486 C Ebermann GRÜNE 6487 C Dr. Feldmann FDP 6488 D Schäfer, Staatsminister AA 6490 B Lowack CDU/CSU 6491 D Dr. Scheer SPD 6492 C Tagesordnungspunkt 22: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Konsequenzen aus der Katastrophe des Flugtages in Ramstein am 28. August 1988 (Drucksache 11/2897) Frau Dr. Götte SPD 6493 D Kossendey CDU/CSU 6495 B Frau Schilling GRÜNE 6497 B Ronneburger FDP 6498 C Heistermann SPD 6500 D Dr. Uelhoff CDU/CSU 6502 A Dr. Scholz, Bundesminister BMVg . . . 6504 A Tagesordnungspunkt 23: a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Lammert, Porzner, Beckmann, Bernrath, Biehle, Buschbom, Cronenberg (Arnsberg), Esters, Eylmann, Dr. Göhner, Grunenberg, Günther, Dr. Haussmann, Dr. Hoffacker, Dr. Jenninger, Kleinert (Hannover), Lamers, Lennartz, Louven, Marschewski, Dr. Mertens (Bottrop), Neuhausen, Niggemeier, Reddemann, Frau Renger, Repnik, Reuschenbach, Dr. Scheer, Schmidbauer, Schreiber, Stücklen, Tillmann, Frau Dr. Timm, Frau Traupe, Dr. Unland, Wolfgramm (Göttingen) eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Einsetzung und Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Deutschen Bundestages (Drucksache 11/1896) b) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung des Rechts der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse (Untersuchungsausschußgesetz) (Drucksache 11/2025) Dr. Langner CDU/CSU 6506 B Wiefelspütz SPD 6509 A Kleinert (Hannover) FDP 6510 D Schily GRÜNE 6512B Dr. Lammert CDU/CSU 6513 D Porzner SPD 6515 C II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. September 1988 Zusatztagesordnungspunkt: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurfs zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung, des Versammlungsgesetzes und zur Einführung einer Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten (Drucksache 11/2834) Engelhard, Bundesminister BMJ 6516 C Dr. de With SPD 6517 C Dr. Stark (Nürtingen) CDU/CSU 6520 A Frau Dr. Vollmer GRÜNE 6522 D Kleinert (Hannover) FDP 6524 C Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI . 6525 D Wüppesahl fraktionslos 6526 C Graf SPD 6528 C Dr. Hirsch FDP 6529 D Nächste Sitzung 6530 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 6531* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. September 1988 6481 95. Sitzung Bonn, den 23. September 1988 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 23. 9. Bahr 23. 9. Dr. Bangemann 23. 9. Frau Beck-Oberdorf 23. 9. Bindig** 23. 9. Dr. Bötsch 23. 9. Bohl 23. 9. Borchert 23. 9. Brauer 23. 9. Brück 23. 9. Catenhusen 23. 9. Clemens 23. 9. Frau Conrad 23. 9. Frau Dr. Däubler-Gmelin 23. 9. Dr. Dollinger 23. 9. Dr. Ehrenberg 23. 9. Frau Eid 23. 9. Eylmann 23. 9. Frau Fischer** 23. 9. Francke (Hamburg)** 23. 9. Gansel 23. 9. Gattermann 23. 9. Frau Geiger' ' 23. 9. Dr. Glotz 23. 9. Dr. Götz 23. 9. Dr. Haack 23. 9. Dr. Hauff 23. 9. Freiherr Heereman von Zuydtwyck 23. 9. Frau Hensel 23. 9. Frau Hoffmann (Soltau) 23. 9. Dr. Holtz** 23. 9. Hüser 23. 9. Irmer** 23. 9. Dr. Kappes 23. 9. Frau Kelly 23. 9. Kleinert (Marburg) 23. 9. Dr. Köhler (Wolfsburg) 23. 9. Kolbow' ' 23. 9. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Kraus 23. 9. Dr. Kreile 23. 9. Frau Männle 23. 9. Magin 23. 9. Meyer 23. 9. Müller (Wadern) 23. 9. Niggemeier 23. 9. Frau Odendahl 23. 9. Frau Olms 23. 9. Opel 23. 9. Frau Pack 23. 9. Paintner 23. 9. Pfeifer 23. 9. Dr. Pinger 23. 9. Dr. Pohlmeier** 23. 9. Reschke 23. 9. Reuschenbach 23. 9. Dr. Scheer' 23. 9. Frau Schmidt (Nürnberg) 23. 9. Dr. Schneider (Nürnberg) 23. 9. Schreiber 23. 9. Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd) 23. 9. Schwarz 23. 9. Spilker 23. 9. Spranger 23. 9. Dr. Stavenhagen 23. 9. Dr. Stercken** 23. 9. Dr. Stoltenberg 23. 9. Frau Teubner 23. 9. Tietjen 23. 9. Frau Dr. Timm** 23. 9. Frau Trenz** 23. 9. Vosen 23. 9. Dr. Waigel 23. 9. Westphal 23. 9. Frau Wieczorek-Zeul 23. 9. Dr. Wittmann 23. 9. Zywietz 23. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an der 80. Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Willy Brandt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mancher unter uns wird sich noch der dramatischen Warnungen erinnern, mit denen vor zwei Jahrzehnten — auch noch danach — das Projekt Nichtverbreitung von Atomwaffen begleitet worden ist. Die damals, auch im Bundestag, vorgebrachten Befürchtungen wurden nicht bestätigt. Und das ist gut. Bestätigt hat sich jedoch die damalige Einschätzung, daß es erstens schwer sein werde, die Zahl der Kernwaffenstaaten auf fünf begrenzt zu halten, und daß es zweitens von der großen Mehrheit der Staaten im Laufe der Zeit als unzumutbar empfunden werde, sich dauerhaft auf Verzicht einschwören zu lassen, wenn sich die stark herausgehobene Minderheit der Atomwaffenstaaten nicht dazu bequeme, ernste Schritte in Richtung Rüstungsbegrenzung und Abrüstung zu unternehmen.
    Das ist der Hintergrund, vor dem der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion zu sehen ist, die Bundesregierung möge initiativ werden, um eine zweite Konferenz der Nicht-Kernwaffenstaaten einberufen zu helfen.
    Die erste solche Konferenz unter dem Dach der Vereinten Nationen hat 1968 im Frühherbst in Genf stattgefunden. Meine politischen Freunde sind in der schriftlichen Begründung des Antrags irrtümlich davon ausgegangen, ich hätte damals als Außenminister mit dem Zustandekommen dieser Konferenz etwas zu tun gehabt. Dem war nicht so.

    (Heiterkeit bei der SPD)

    Ich hatte genug damit zu tun, Bedenken im Kabinett so weit dämpfen zu helfen, daß wir in Genf präsent sein und uns zu Wort melden konnten.

    (Heiterkeit bei der SPD — Jahn [Marburg] [SPD]: Das war ja auch schon eine Menge!)

    Aber auch das war nur möglich, weil Bundeskanzler
    und Außenminister übereinstimmten. Das ist überhaupt eine Erfahrung, daß es der Außenpolitik gut



    Brandt
    bekommt, wenn Bundeskanzler und Außenminister übereinstimmen.

    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

    Ich darf heute an das anknüpfen, was ich am 4. September 1968 bei der Eröffnung der erwähnten Konferenz sagte, der ersten weltweiten Konferenz, auf der für die Bundesrepublik zu Fragen der Rüstungskontrolle zu reden war. Ich sagte, daß die Bundesrepublik Deutschland auf die Herstellung von Atomwaffen verzichtet und sich entsprechenden internationalen Kontrollen unterworfen habe. Sie strebe keine Verfügungsgewalt über Atomwaffen und keinen Besitz solcher Waffen an. Sie bekräftige ihre Haltung, ihre Sicherheit liege in einer Allianz.
    Im Jahr 1968 hatten 70 Staaten den Nichtverbreitungsvertrag unterzeichnet. Der UN-Generalsekretär — das war damals U Thant — schrieb in einer Botschaft, eine Expertengruppe sei einmütig zu der Folgerung gelangt, Sicherheit könne nicht durch eine Vermehrung der Zahl der Kernwaffenstaaten oder durch einen Fortbesitz von Kernwaffen von jenen Mächten, die sie bereits hatten, gewährleistet werden. Erstrebt werden müsse vielmehr die Sicherheit für alle Länder durch die Liquidierung aller Vorräte von Kernwaffen und ein Verbot ihrer Verwendung auf dem Wege der allgemeinen und vollständigen Abrüstung.
    Heute trägt der Vertrag die Unterschrift von 138 Staaten. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich unter meiner Kanzlerschaft im November 1969 dem Vertrag angeschlossen. Dies war eine der ersten Entscheidungen, die die sozialliberale Koalition nachzuholen hatte. Aber es bedurfte dann — woran sich mancher auch erinnern dürfte — noch erheblicher Auseinandersetzungen, bevor wir diesen Vertrag einige Jahre später ratifizieren konnten. Inzwischen sind die damaligen Kontroversen, wie ich gerne feststelle, weitgehend überholt.
    Die Entwicklung hat wohl auch gezeigt, daß wir kein — wie es damals hieß — atomares Todesurteil akzeptiert hatten, noch daß wir ein Versailles von kosmischen Ausmaßen erleben.

    (Dr. Vogel [SPD]: Das klingt nach Strauß!)

    Unsere Wirtschaft und unsere Forschung haben insoweit nicht Schaden gelitten.
    Die damalige Konferenz der Nicht-Kernwaffenstaaten hatte zum Ziel, Forderungen und Ansprüche der Nichtnuklearen gegenüber den Kernwaffenstaaten zu bekräftigen. Es ging darum, den Atomwaffenstaaten politisch und moralisch die Verpflichtung zur Abrüstung zuzuweisen. Von den Nicht-Kernwaffenstaaten wurde ja erwartet, daß sie mit ihrem Verzicht einen Beitrag zur Friedenssicherung leisteten. Von den Nuklearmächten war zu erwarten, daß sie ihre Atomwaffenarsenale verringerten und, wie es schon damals formuliert wurde, nach Möglichkeit abbauten. Der Nichtweiterverbreitungsvertrag war als eine Brücke auf dem Weg zu Rüstungskontrolle und Rüstungsbegrenzung gedacht. Fast niemand glaubte freilich, daß sich Abrüstung innerhalb ganz kurzer Frist würde realisieren lassen.
    Bei jener Konferenz vor nun 20 Jahren sagte ich, Europa sei nicht in der glücklichen Lage, kernwaffenfrei zu sein. Dann führte ich wörtlich aus:
    Die Entfernung bereits vorhandener Kernwaffen ohne gefährliche Veränderungen des gesamten Gleichgewichts, also unter Berücksichtigung der Sicherheitsinteressen aller Beteiligten, ist eine schwierige und nicht schnell lösbare Aufgabe. Die Bundesregierung hat sich dafür eingesetzt, daß aus Europa eine Zone der Entspannung wird als Vorstufe einer dauerhaften Friedensordnung.
    So habe ich am 4. September 1968 formuliert. Weiter habe ich gesagt, die Kernwaffenmächte seien aufgerufen, konkrete Schritte zu tun. An uns, den NichtKernwaffenstaaten, liege es, sie nicht aus ihren Verpflichtungen zu entlassen und verhandlungsfähige Lösungsvorschläge zu unterstützen.
    Ich darf uns, meine Damen und Herren, daran erinnern, daß Art. VI des Nichtverbreitungsvertrages eine Pflicht zur Abrüstung enthält. Weil sich Fortschritte aber lange Jahre nicht blicken ließen, im Gegenteil die Arsenale weiter angereichert wurden, haben die Nicht-Kernwaffenstaaten bei den alle fünf Jahre stattfindenden Überprüfungskonferenzen ihre Ungeduld deutlich zu machen gehabt, einige stärker als andere. Anlaß zur Sorglosigkeit war gewiß nicht gegeben. Die Zahl der Atomwaffenstaaten ist inzwischen bestimmt nicht kleiner geworden, die Zahl der atomaren Schwellenländer erst recht nicht. Ich will heute vormittag bewußt nicht Adressen nennen, die ohnehin bekannt sind. Daß wir uns insoweit, weltweit gesehen, in einem schwer überschaubaren Gelände befinden, ist bekannt. Gleichwohl verdienen die auf Mäßigung zielenden Schritte hinreichend gewürdigt zu werden. Durch den Vertrag über den Abbau der landgestützten nuklearen Mittelstreckenraketen ist erstmals ein Schritt getan worden, der atomare Rüstung zurücknimmt, statt sie auszuweiten. Die Bilder von der Zerstörung der ersten Trägerwaffen, die auf unserem Teil europäischen Bodens stationiert waren, haben neue Hoffnung keimen lassen, wobei ich jetzt einmal unerörtert lassen will, ob nicht auch bei solcher Art von objektiv vernünftiger Zerstörung nach der Umweltverträglichkeit zu fragen ist.
    Der zweite Schritt, also die Halbierung der interkontinentalen Zerstörungsmaschinen, steht nach allem, was man hört, weiterhin auf dem Fahrplan der beiden nuklearen Weltmächte. Und wer wollte und könnte eigentlich dagegen etwas haben?
    Ich habe übrigens gern gehört, daß beide Männer, die Präsident der Vereinigten Staaten bei den Wahlen im November diesen Jahres werden wollen, dem Problem der Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen, folgt man ihren außenpolitischen Äußerungen, einen hohen Rang einräumen. Ich denke, man sollte sie rechtzeitig in dieser Absicht stärken und ihnen zusätzlich sagen, daß die Chancen zum Beitritt einiger Staaten, die noch immer abseits stehen, zum Nichtverbreitungsvertrag in dem Maße wachsen könnten, in dem die Interessen der Nicht-Kernwaffenstaaten künftig stärker berücksichtigt werden.



    Brandt
    Der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion enthält in Punkt 3 die Forderungen, um die es auf einer neuen Konferenz der Nichtnuklearen ginge.
    Für eine Forderung der meisten Nicht-Kernwaffenstaaten stehen die Zeichen heute etwas günstiger als vor 20 Jahren. Ich meine das Verbot nuklearer Testexplosionen. Es wird über die seit langem fertiggestellten Verträge, die solche Explosionen erst begrenzen und dann beenden sollen, wieder ernsthaft geredet. Wer heute morgen die Nachrichten gehört hat, wird wissen, daß sich wahrscheinlich noch am heutigen Tage oder morgen die Außenminister Shultz und Schewardnadse diesem Thema neu zuwenden werden.
    Die Vier-Kontinente-Initiative zum nuklearen test ban behält ihre Aktualität, und es wäre viel, wenn sich die betroffenen Weltmächte in diesem Bereich ein gutes Stück hin zum Verzicht bewegten.
    Ich weiß, meine Damen und Herren, es fällt nicht leicht, sich auszumalen, daß die zerstörerische Kraft des Atoms eines Tages nicht mehr als Mittel von Krieg oder Abschreckung zur Verfügung stehen wird. Doch weshalb eigentlich hinter jener Vorstellungskraft zurückbleiben, mit der die Führungspersonen der beiden Weltmächte bei ihren Begegnungen über Zwischenlösungen hinausgedacht und eine Welt ohne Atomwaffen ins Auge gefaßt haben?

    (Beifall bei der SPD und der Abg. Frau Unruh [GRÜNE])

    Auch aus dem, was Reagan und Gorbatschow anpeilten, ergibt sich Futter für eine neue Konferenz der Nicht-Kernwaffenstaaten.
    In keinem Teil der Welt sind weiterhin so viele Atomwaffen auf engsten Raum angehäuft wie auf deutschem Boden. Keine Region der Erde ist weiterhin unmittelbar Kernwaffen so ausgesetzt wie die Mitte Europas. Deshalb sind wir in besonderem Maße gefordert. Deshalb beschäftigen uns mehr als andere neue Strukturen im Ost-West-Verhältnis, eine neue Sicht gemeinsamer Sicherheit, eine neue internationale Ordnung, die die Nord-Süd-Dimension so gut wie irgend möglich mit einbezieht, ein weltweit wirksames System, durch das Massenvernichtungswaffen geächtet werden und nach deren Abrüstung jedes Wiederaufrüsten mit solchen Waffen verhindert wird.
    Ich möchte, daß die Bundesrepublik Deutschland nicht durch unvernünftiges Zögern auffalle oder sich noch einmal den Ruf eines überregionalen Bedenkenträgers zuziehe, sondern daß sie durch fundierte friedenssichernde Initiativen auf sich aufmerksam mache, durchaus auch durch solche, die ein Stück über die Schwelle des Jahres 2000 hinausreichen. Es wäre gut, könnten wir dies gemeinsam deutlich machen.
    Schönen Dank.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der Abg. Frau Unruh [GRÜNE])



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lummer.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Heinrich Lummer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben den Nichtverbreitungsvertrag ja nun seit 20 Jahren. Bis heute ist immer wieder die Gefahr des Scheiterns beschworen worden. Immer wieder war er auch Gegenstand unterschiedlichster Kritik. So haben manche Länder der Dritten Welt darauf hingewiesen, dieser Vertrag führe zu ihrer Diskriminierung durch die entwickelten Länder. Dennoch, so denke ich, darf man nach 20 Jahren feststellen, daß dieser Vertrag einen wertvollen Beitrag zum Frieden in der Welt geleistet hat, und zwar weil er einerseits die Weiterverbreitung von Kernwaffen verhinderte und andererseits die friedliche Nutzung der Kernenergie förderte.
    Ich sehe vorwiegend drei Faktoren, die für eine positive Bewertung in Anspruch genommen werden können.
    Zunächst einmal ist die Zahl der Länder, die dem Vertrag beigetreten sind, ständig gestiegen. 1968 wurde der Vertrag von den Vereinigten Staaten, Großbritannien und der Sowjetunion sowie 58 weiteren Staaten unterzeichnet. Inzwischen ist die Zahl der Staaten, die ihm beigetreten sind, auf 138 gestiegen; in Ihrem Antrag spricht die Opposition noch von 131. Das sind vier Fünftel der Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, und das, finde ich, ist beachtlich. Die Tendenz wird hoffentlich so sein, daß weitere Beitritte erfolgen.
    Zweitens — das ist nun ein sicher problematischer Punkt — ist die Zahl der Kernwaffenstaaten nicht größer geworden, obwohl es gewiß manches Land an der Schwelle gibt, das ohne Schwierigkeiten in der Lage wäre, Atomwaffen zu produzieren. Wenn ich dies sage, geschieht das nicht blauäugig, denn man weiß um die Problematik, die Indien, Israel und vielleicht auch Südafrika betrifft.

    (Frau Nickels [GRÜNE]: Sagen Sie doch einmal, wie das kam, Herr Lummer!)

    Dennoch wird man sagen dürfen, daß der Erfolg des Vertrages erkennbar ist.
    Drittens, meine ich, spricht dafür die Tatsache, daß wir heute im Gegensatz zu früher, auf Art. VI bezogen, Erfolge vermelden können, nämlich in Fragen der Abrüstung. Sicher ist das noch längst nicht das, was wir alle gemeinsam wollen. Aber nachdem die Balance zwischen der Verzichtsverpflichtung der Nicht-Kernwaffenstaaten und der Abrüstungsverpflichtung der Atomwaffenstaaten lange Zeit nicht stimmte, können wir nach dem INF-Vertrag doch sagen: Hier hat sich Wesentliches gebessert. Kollege Brandt hat zu Recht darauf hingewiesen, daß auch bezogen auf Teststopps Hoffnungen durchaus angemessen sind, und auch im Bereich der strategischen Raketen haben sich Dinge nennenswert bewegt, so daß die Balance, die im Vertrag angelegt ist, heute besser stimmt als in früheren Zeiten.
    Aus diesen Gründen, meine ich, ist die Bilanz des Vertrages positiv, zumal auch die Entwicklung der internationalen Zusammenarbeit bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie Fortschritte gemacht hat. Immerhin hat es früher viel Skepsis gegeben, die in manchen Punkten widerlegt ist. Manche gaben dem Vertrag keine Chance. Ich habe nachgelesen: Manche sahen die CDU/CSU als eine Gruppe, die sich der



    Lummer
    Abrüstung überhaupt verschließt; Herr Kollege Scheer, Sie haben das gesagt. Ich denke, heute kann man nicht mehr davon sprechen.

    (Dr.Scheer [SPD]: Sie haben ja noch rechtzeitig die Kurve gekriegt!)

    — Ja, rechtzeitig. Es ist doch schön, wenn das so heißt. Das ist doch die entscheidende Geschichte. — Heute kann man auch nicht sagen, die Regierung der Bundesrepublik Deutschland sei gewissermaßen überregionaler Bedenkenträger. Ganz im Gegenteil, die Bundesregierung erfährt gelegentlich Dämpfer, weil sie zu eifrig und zu heftig auf Abrüstungsbemühungen drängt. Ich denke, die Opposition sollte inzwischen doch auch einmal honorieren, was auf diesem Gebiet an Erfolgen zustande gekommen ist.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Man erkennt ihn gar nicht wieder! Das ist ja wie bei Rotkäppchen!)

    Meine Damen und Herren, nun wünscht die Sozialdemokratie in ihrem Antrag, es möge vor der vertraglich vorgesehenen Überprüfungskonferenz eine Vorkonferenz der Nicht-Kernwaffenstaaten stattfinden. Im Hinblick auf die Wichtigkeit des Themas bin ich schon der Meinung, das Für und Wider ausgiebig im zuständigen Ausschuß zu diskutieren. Die Koalition hat einen weitgehend vergleichbaren Antrag 1985 zurückgewiesen. Natürlich, die Welt verändert sich, und wir sollten allesamt stets offen sein für neue Fragen und auch für die Prüfung neuer Argumente.
    Dennoch möchte ich schon jetzt auf zwei Gründe hinweisen, die man nicht einfach vom Tisch wischen kann: Die erste Konferenz der Nicht-Kernwaffenstaaten fand vor dem Vertragsabschluß statt.

    (Dr. Scheer [SPD]: Nein, nein! Am 1. Juli 1968 war der Vertragsabschluß, und die Konferenz war zwei Monate später!)

    — Entschuldigung, ich meine: vor Inkrafttreten des Vertrags. — Es hat seit dem Vertrag 1975, 1980 und 1985 Überprüfungskonferenzen gegeben; 1990 folgt eine weitere. Diese Überprüfungskonferenzen waren sicherlich schwierige Konferenzen. Es hat heftige Diskussionen gegeben, manchmal war es schwierig, ein Kommuniqué zustande zu bringen. Dennoch war es möglich, auf diesen Überprüfungskonferenzen alle anstehenden Fragen zu besprechen. Ich meine, das wird auch 1990 der Fall sein.
    Deshalb taucht hier die Frage auf: Warum soll eigentlich eine Vorkonferenz notwendig sein? Auch die Ausführungen des Kollegen Brandt haben mich jedenfalls zu diesem Zeitpunkt von der Notwendigkeit nicht überzeugen können.
    Zweiter Punkt: Der Antrag der SPD sieht bewußt eine inhaltliche Erweiterung des Vertrages vor. In der Begründung wird befürchtet, daß eine Verlängerung des Vertrages über 1995 hinaus nur erreicht werden könne, wenn eine inhaltliche Erweiterung erfolge. Das ist eine Einschätzung zu politischen Chancen, die man nicht teilen muß. Man kann auch die Befürchtung äußern, daß bei dem Bemühen um eine inhaltliche Erweiterung dieser aus vielen Kompromissen zusammengebrachte Vertrag nicht mehr wieder gefügt werden kann, daß dann gewissermaßen durch
    allzu viele Änderungsinitiativen das Ende des Vertrags in Sicht ist, wenn man ihn zu sehr mit neuen Dingen befrachtet.
    In jedem Falle sollten wir diese Fragen ausgiebig diskutieren. Dabei sollte eines klar sein: Weil sich der Vertrag bewährt hat und eine Alternative nicht erkennbar erscheint, sollte er auch nach 1995 weiter gelten. Wir fordern die Bundesregierung auf, in diesem Sinne tätig zu bleiben; wenn ich es recht sehe, gibt es dafür auch gute Chancen, zumal die im SPD-Antrag vertretene Auffassung, der Vertrag laufe 1995 einfach aus, falsch ist. Dort wird nur auf eine Konferenz verwiesen, bei der über die Verlängerung der Fristen zu reden ist. Er läuft nicht einfach aus. In jedem Falle sollten wir uns in dem Punkt einig sein, diesen Vertrag über 1995 hinaus zu tragen. Ich fände es gut, wenn wir die Verlängerung eines bewährten Vertrages zum gemeinsamen Anliegen machen würden.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)