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ID1109501600

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 11/95 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 95. Sitzung Bonn, Freitag, den 23. September 1988 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 6481 A Zur Geschäftsordnung Seiters CDU/CSU 6481 B Jahn (Marburg) SPD 6482 B Häfner GRÜNE 6482 C Frau Schilling GRÜNE 6483 D Ronneburger FDP 6484 A Tagesordnungspunkt 21: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Scheer, Dr. Soell, Verheugen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Einberufung einer zweiten Konferenz der Nicht-Kernwaffenstaaten (Drucksache 11/2202) Brandt SPD 6484 C Lummer CDU/CSU 6486 C Ebermann GRÜNE 6487 C Dr. Feldmann FDP 6488 D Schäfer, Staatsminister AA 6490 B Lowack CDU/CSU 6491 D Dr. Scheer SPD 6492 C Tagesordnungspunkt 22: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Konsequenzen aus der Katastrophe des Flugtages in Ramstein am 28. August 1988 (Drucksache 11/2897) Frau Dr. Götte SPD 6493 D Kossendey CDU/CSU 6495 B Frau Schilling GRÜNE 6497 B Ronneburger FDP 6498 C Heistermann SPD 6500 D Dr. Uelhoff CDU/CSU 6502 A Dr. Scholz, Bundesminister BMVg . . . 6504 A Tagesordnungspunkt 23: a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Lammert, Porzner, Beckmann, Bernrath, Biehle, Buschbom, Cronenberg (Arnsberg), Esters, Eylmann, Dr. Göhner, Grunenberg, Günther, Dr. Haussmann, Dr. Hoffacker, Dr. Jenninger, Kleinert (Hannover), Lamers, Lennartz, Louven, Marschewski, Dr. Mertens (Bottrop), Neuhausen, Niggemeier, Reddemann, Frau Renger, Repnik, Reuschenbach, Dr. Scheer, Schmidbauer, Schreiber, Stücklen, Tillmann, Frau Dr. Timm, Frau Traupe, Dr. Unland, Wolfgramm (Göttingen) eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Einsetzung und Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Deutschen Bundestages (Drucksache 11/1896) b) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung des Rechts der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse (Untersuchungsausschußgesetz) (Drucksache 11/2025) Dr. Langner CDU/CSU 6506 B Wiefelspütz SPD 6509 A Kleinert (Hannover) FDP 6510 D Schily GRÜNE 6512B Dr. Lammert CDU/CSU 6513 D Porzner SPD 6515 C II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. September 1988 Zusatztagesordnungspunkt: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurfs zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung, des Versammlungsgesetzes und zur Einführung einer Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten (Drucksache 11/2834) Engelhard, Bundesminister BMJ 6516 C Dr. de With SPD 6517 C Dr. Stark (Nürtingen) CDU/CSU 6520 A Frau Dr. Vollmer GRÜNE 6522 D Kleinert (Hannover) FDP 6524 C Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI . 6525 D Wüppesahl fraktionslos 6526 C Graf SPD 6528 C Dr. Hirsch FDP 6529 D Nächste Sitzung 6530 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 6531* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. September 1988 6481 95. Sitzung Bonn, den 23. September 1988 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 23. 9. Bahr 23. 9. Dr. Bangemann 23. 9. Frau Beck-Oberdorf 23. 9. Bindig** 23. 9. Dr. Bötsch 23. 9. Bohl 23. 9. Borchert 23. 9. Brauer 23. 9. Brück 23. 9. Catenhusen 23. 9. Clemens 23. 9. Frau Conrad 23. 9. Frau Dr. Däubler-Gmelin 23. 9. Dr. Dollinger 23. 9. Dr. Ehrenberg 23. 9. Frau Eid 23. 9. Eylmann 23. 9. Frau Fischer** 23. 9. Francke (Hamburg)** 23. 9. Gansel 23. 9. Gattermann 23. 9. Frau Geiger' ' 23. 9. Dr. Glotz 23. 9. Dr. Götz 23. 9. Dr. Haack 23. 9. Dr. Hauff 23. 9. Freiherr Heereman von Zuydtwyck 23. 9. Frau Hensel 23. 9. Frau Hoffmann (Soltau) 23. 9. Dr. Holtz** 23. 9. Hüser 23. 9. Irmer** 23. 9. Dr. Kappes 23. 9. Frau Kelly 23. 9. Kleinert (Marburg) 23. 9. Dr. Köhler (Wolfsburg) 23. 9. Kolbow' ' 23. 9. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Kraus 23. 9. Dr. Kreile 23. 9. Frau Männle 23. 9. Magin 23. 9. Meyer 23. 9. Müller (Wadern) 23. 9. Niggemeier 23. 9. Frau Odendahl 23. 9. Frau Olms 23. 9. Opel 23. 9. Frau Pack 23. 9. Paintner 23. 9. Pfeifer 23. 9. Dr. Pinger 23. 9. Dr. Pohlmeier** 23. 9. Reschke 23. 9. Reuschenbach 23. 9. Dr. Scheer' 23. 9. Frau Schmidt (Nürnberg) 23. 9. Dr. Schneider (Nürnberg) 23. 9. Schreiber 23. 9. Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd) 23. 9. Schwarz 23. 9. Spilker 23. 9. Spranger 23. 9. Dr. Stavenhagen 23. 9. Dr. Stercken** 23. 9. Dr. Stoltenberg 23. 9. Frau Teubner 23. 9. Tietjen 23. 9. Frau Dr. Timm** 23. 9. Frau Trenz** 23. 9. Vosen 23. 9. Dr. Waigel 23. 9. Westphal 23. 9. Frau Wieczorek-Zeul 23. 9. Dr. Wittmann 23. 9. Zywietz 23. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an der 80. Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Uwe Ronneburger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich nehme zunächst — übrigens nicht zur Sache, sondern zur Geschäftsordnung — zu der Aufsetzung des Artikelgesetzes Stellung. Ich sage dazu mit allem Nachdruck entgegen dem Sprecher der GRÜNEN, daß die Aufsetzung ja gerade deswegen erfolgt, um in den Ausschüssen eine ausreichende Zeit zur sachlichen und ruhigen Beratung dieses Komplexes zu haben.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Ich meine, für meine Fraktion hinzufügen zu sollen, daß wir keine Bedenken dagegen haben, die heutige Redezeit um etwa 30 Minuten zu verlängern, um auch hier im Plenum einer ausreichenden Anzahl von Rednern Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
    Zu der zweiten Frage, nämlich der Verbindung zwischen Tiefflugübungen, dem Ausbildungsbetrieb und dem Unglück von Ramstein, sage ich allerdings mit aller Entschiedenheit: Eine solche Verbindung ist absurd, und sie läßt ohne weiteres erkennen, daß hier im Grunde genommen nicht Ramstein, nicht das Verbot von Kunstflugübungen gemeint sind, sondern daß es hier darum geht, die Ausbildungsmöglichkeiten der Luftwaffe für ihren tatsächlichen Auftrag einzuschränken. Gegen eine solche Verbindung wehre ich mich daher im Namen meiner Fraktion mit aller Entschiedenheit. Wir werden im Ausschuß und hier beides zu diskutieren haben, aber nicht in Verbindung miteinander.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Wir kommen zur Abstimmung.
Wer stimmt für den Erweiterungsantrag der Fraktion der CDU/CSU? Den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei Enthaltung der SPD und Gegenstimmen der GRÜNEN angenommen.
Wer stimmt für den Erweiterungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN? — Gegenstimmen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 21 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Scheer, Dr. Soell, Verheugen, Bahr, Fuchs (Verl), Horn, Gansel, Jungmann, Stobbe, Voigt (Frankfurt), Catenhusen, Matthäus-Maier, Schäfer (Offenburg), Bachmaier, Dr. Ehmke (Bonn), Dr. Vogel und der Fraktion der SPD
Einberufung einer zweiten Konferenz der Nicht-Kernwaffenstaaten
— Drucksache 11/2202 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Ausschuß für Wirtschaft
Verteidigungsausschuß
Ausschuß für Forschung und Technologie
Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat ist für die Beratung eine Stunde vorgesehen. — Das Haus ist einverstanden. Es ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Brandt.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Willy Brandt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mancher unter uns wird sich noch der dramatischen Warnungen erinnern, mit denen vor zwei Jahrzehnten — auch noch danach — das Projekt Nichtverbreitung von Atomwaffen begleitet worden ist. Die damals, auch im Bundestag, vorgebrachten Befürchtungen wurden nicht bestätigt. Und das ist gut. Bestätigt hat sich jedoch die damalige Einschätzung, daß es erstens schwer sein werde, die Zahl der Kernwaffenstaaten auf fünf begrenzt zu halten, und daß es zweitens von der großen Mehrheit der Staaten im Laufe der Zeit als unzumutbar empfunden werde, sich dauerhaft auf Verzicht einschwören zu lassen, wenn sich die stark herausgehobene Minderheit der Atomwaffenstaaten nicht dazu bequeme, ernste Schritte in Richtung Rüstungsbegrenzung und Abrüstung zu unternehmen.
    Das ist der Hintergrund, vor dem der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion zu sehen ist, die Bundesregierung möge initiativ werden, um eine zweite Konferenz der Nicht-Kernwaffenstaaten einberufen zu helfen.
    Die erste solche Konferenz unter dem Dach der Vereinten Nationen hat 1968 im Frühherbst in Genf stattgefunden. Meine politischen Freunde sind in der schriftlichen Begründung des Antrags irrtümlich davon ausgegangen, ich hätte damals als Außenminister mit dem Zustandekommen dieser Konferenz etwas zu tun gehabt. Dem war nicht so.

    (Heiterkeit bei der SPD)

    Ich hatte genug damit zu tun, Bedenken im Kabinett so weit dämpfen zu helfen, daß wir in Genf präsent sein und uns zu Wort melden konnten.

    (Heiterkeit bei der SPD — Jahn [Marburg] [SPD]: Das war ja auch schon eine Menge!)

    Aber auch das war nur möglich, weil Bundeskanzler
    und Außenminister übereinstimmten. Das ist überhaupt eine Erfahrung, daß es der Außenpolitik gut



    Brandt
    bekommt, wenn Bundeskanzler und Außenminister übereinstimmen.

    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

    Ich darf heute an das anknüpfen, was ich am 4. September 1968 bei der Eröffnung der erwähnten Konferenz sagte, der ersten weltweiten Konferenz, auf der für die Bundesrepublik zu Fragen der Rüstungskontrolle zu reden war. Ich sagte, daß die Bundesrepublik Deutschland auf die Herstellung von Atomwaffen verzichtet und sich entsprechenden internationalen Kontrollen unterworfen habe. Sie strebe keine Verfügungsgewalt über Atomwaffen und keinen Besitz solcher Waffen an. Sie bekräftige ihre Haltung, ihre Sicherheit liege in einer Allianz.
    Im Jahr 1968 hatten 70 Staaten den Nichtverbreitungsvertrag unterzeichnet. Der UN-Generalsekretär — das war damals U Thant — schrieb in einer Botschaft, eine Expertengruppe sei einmütig zu der Folgerung gelangt, Sicherheit könne nicht durch eine Vermehrung der Zahl der Kernwaffenstaaten oder durch einen Fortbesitz von Kernwaffen von jenen Mächten, die sie bereits hatten, gewährleistet werden. Erstrebt werden müsse vielmehr die Sicherheit für alle Länder durch die Liquidierung aller Vorräte von Kernwaffen und ein Verbot ihrer Verwendung auf dem Wege der allgemeinen und vollständigen Abrüstung.
    Heute trägt der Vertrag die Unterschrift von 138 Staaten. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich unter meiner Kanzlerschaft im November 1969 dem Vertrag angeschlossen. Dies war eine der ersten Entscheidungen, die die sozialliberale Koalition nachzuholen hatte. Aber es bedurfte dann — woran sich mancher auch erinnern dürfte — noch erheblicher Auseinandersetzungen, bevor wir diesen Vertrag einige Jahre später ratifizieren konnten. Inzwischen sind die damaligen Kontroversen, wie ich gerne feststelle, weitgehend überholt.
    Die Entwicklung hat wohl auch gezeigt, daß wir kein — wie es damals hieß — atomares Todesurteil akzeptiert hatten, noch daß wir ein Versailles von kosmischen Ausmaßen erleben.

    (Dr. Vogel [SPD]: Das klingt nach Strauß!)

    Unsere Wirtschaft und unsere Forschung haben insoweit nicht Schaden gelitten.
    Die damalige Konferenz der Nicht-Kernwaffenstaaten hatte zum Ziel, Forderungen und Ansprüche der Nichtnuklearen gegenüber den Kernwaffenstaaten zu bekräftigen. Es ging darum, den Atomwaffenstaaten politisch und moralisch die Verpflichtung zur Abrüstung zuzuweisen. Von den Nicht-Kernwaffenstaaten wurde ja erwartet, daß sie mit ihrem Verzicht einen Beitrag zur Friedenssicherung leisteten. Von den Nuklearmächten war zu erwarten, daß sie ihre Atomwaffenarsenale verringerten und, wie es schon damals formuliert wurde, nach Möglichkeit abbauten. Der Nichtweiterverbreitungsvertrag war als eine Brücke auf dem Weg zu Rüstungskontrolle und Rüstungsbegrenzung gedacht. Fast niemand glaubte freilich, daß sich Abrüstung innerhalb ganz kurzer Frist würde realisieren lassen.
    Bei jener Konferenz vor nun 20 Jahren sagte ich, Europa sei nicht in der glücklichen Lage, kernwaffenfrei zu sein. Dann führte ich wörtlich aus:
    Die Entfernung bereits vorhandener Kernwaffen ohne gefährliche Veränderungen des gesamten Gleichgewichts, also unter Berücksichtigung der Sicherheitsinteressen aller Beteiligten, ist eine schwierige und nicht schnell lösbare Aufgabe. Die Bundesregierung hat sich dafür eingesetzt, daß aus Europa eine Zone der Entspannung wird als Vorstufe einer dauerhaften Friedensordnung.
    So habe ich am 4. September 1968 formuliert. Weiter habe ich gesagt, die Kernwaffenmächte seien aufgerufen, konkrete Schritte zu tun. An uns, den NichtKernwaffenstaaten, liege es, sie nicht aus ihren Verpflichtungen zu entlassen und verhandlungsfähige Lösungsvorschläge zu unterstützen.
    Ich darf uns, meine Damen und Herren, daran erinnern, daß Art. VI des Nichtverbreitungsvertrages eine Pflicht zur Abrüstung enthält. Weil sich Fortschritte aber lange Jahre nicht blicken ließen, im Gegenteil die Arsenale weiter angereichert wurden, haben die Nicht-Kernwaffenstaaten bei den alle fünf Jahre stattfindenden Überprüfungskonferenzen ihre Ungeduld deutlich zu machen gehabt, einige stärker als andere. Anlaß zur Sorglosigkeit war gewiß nicht gegeben. Die Zahl der Atomwaffenstaaten ist inzwischen bestimmt nicht kleiner geworden, die Zahl der atomaren Schwellenländer erst recht nicht. Ich will heute vormittag bewußt nicht Adressen nennen, die ohnehin bekannt sind. Daß wir uns insoweit, weltweit gesehen, in einem schwer überschaubaren Gelände befinden, ist bekannt. Gleichwohl verdienen die auf Mäßigung zielenden Schritte hinreichend gewürdigt zu werden. Durch den Vertrag über den Abbau der landgestützten nuklearen Mittelstreckenraketen ist erstmals ein Schritt getan worden, der atomare Rüstung zurücknimmt, statt sie auszuweiten. Die Bilder von der Zerstörung der ersten Trägerwaffen, die auf unserem Teil europäischen Bodens stationiert waren, haben neue Hoffnung keimen lassen, wobei ich jetzt einmal unerörtert lassen will, ob nicht auch bei solcher Art von objektiv vernünftiger Zerstörung nach der Umweltverträglichkeit zu fragen ist.
    Der zweite Schritt, also die Halbierung der interkontinentalen Zerstörungsmaschinen, steht nach allem, was man hört, weiterhin auf dem Fahrplan der beiden nuklearen Weltmächte. Und wer wollte und könnte eigentlich dagegen etwas haben?
    Ich habe übrigens gern gehört, daß beide Männer, die Präsident der Vereinigten Staaten bei den Wahlen im November diesen Jahres werden wollen, dem Problem der Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen, folgt man ihren außenpolitischen Äußerungen, einen hohen Rang einräumen. Ich denke, man sollte sie rechtzeitig in dieser Absicht stärken und ihnen zusätzlich sagen, daß die Chancen zum Beitritt einiger Staaten, die noch immer abseits stehen, zum Nichtverbreitungsvertrag in dem Maße wachsen könnten, in dem die Interessen der Nicht-Kernwaffenstaaten künftig stärker berücksichtigt werden.



    Brandt
    Der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion enthält in Punkt 3 die Forderungen, um die es auf einer neuen Konferenz der Nichtnuklearen ginge.
    Für eine Forderung der meisten Nicht-Kernwaffenstaaten stehen die Zeichen heute etwas günstiger als vor 20 Jahren. Ich meine das Verbot nuklearer Testexplosionen. Es wird über die seit langem fertiggestellten Verträge, die solche Explosionen erst begrenzen und dann beenden sollen, wieder ernsthaft geredet. Wer heute morgen die Nachrichten gehört hat, wird wissen, daß sich wahrscheinlich noch am heutigen Tage oder morgen die Außenminister Shultz und Schewardnadse diesem Thema neu zuwenden werden.
    Die Vier-Kontinente-Initiative zum nuklearen test ban behält ihre Aktualität, und es wäre viel, wenn sich die betroffenen Weltmächte in diesem Bereich ein gutes Stück hin zum Verzicht bewegten.
    Ich weiß, meine Damen und Herren, es fällt nicht leicht, sich auszumalen, daß die zerstörerische Kraft des Atoms eines Tages nicht mehr als Mittel von Krieg oder Abschreckung zur Verfügung stehen wird. Doch weshalb eigentlich hinter jener Vorstellungskraft zurückbleiben, mit der die Führungspersonen der beiden Weltmächte bei ihren Begegnungen über Zwischenlösungen hinausgedacht und eine Welt ohne Atomwaffen ins Auge gefaßt haben?

    (Beifall bei der SPD und der Abg. Frau Unruh [GRÜNE])

    Auch aus dem, was Reagan und Gorbatschow anpeilten, ergibt sich Futter für eine neue Konferenz der Nicht-Kernwaffenstaaten.
    In keinem Teil der Welt sind weiterhin so viele Atomwaffen auf engsten Raum angehäuft wie auf deutschem Boden. Keine Region der Erde ist weiterhin unmittelbar Kernwaffen so ausgesetzt wie die Mitte Europas. Deshalb sind wir in besonderem Maße gefordert. Deshalb beschäftigen uns mehr als andere neue Strukturen im Ost-West-Verhältnis, eine neue Sicht gemeinsamer Sicherheit, eine neue internationale Ordnung, die die Nord-Süd-Dimension so gut wie irgend möglich mit einbezieht, ein weltweit wirksames System, durch das Massenvernichtungswaffen geächtet werden und nach deren Abrüstung jedes Wiederaufrüsten mit solchen Waffen verhindert wird.
    Ich möchte, daß die Bundesrepublik Deutschland nicht durch unvernünftiges Zögern auffalle oder sich noch einmal den Ruf eines überregionalen Bedenkenträgers zuziehe, sondern daß sie durch fundierte friedenssichernde Initiativen auf sich aufmerksam mache, durchaus auch durch solche, die ein Stück über die Schwelle des Jahres 2000 hinausreichen. Es wäre gut, könnten wir dies gemeinsam deutlich machen.
    Schönen Dank.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der Abg. Frau Unruh [GRÜNE])