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ID1109201600

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    Plenarprotokoll 11/92 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 92. Sitzung Bonn, Freitag, den 9. September 1988 Inhalt: Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung): a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1989 (Haushaltsgesetz 1989) (Drucksache 11/2700) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Der Finanzplan des Bundes 1988 bis 1992 (Drucksache 11/2701) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt (Fortsetzung): Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1988 (Nachtragshaushaltsgesetz 1988) (Drucksache 11/2650) Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 6297 A Frau Verhülsdonk CDU/CSU 6301 A Frau Schoppe GRÜNE 6302 D Zywietz FDP 6304 A Dr. Hoffacker CDU/CSU 6305 C Frau Dr. Süssmuth, Bundesminister BMJFFG 6307 C Jaunich SPD 6312 C Möllemann, Bundesminister BMBW 6313 C Frau Odendahl SPD 6315 B Daweke CDU/CSU 6317D Wetzel GRÜNE 6318 C Dr. Struck SPD 6320 A Austermann CDU/CSU 6321D Ebermann GRÜNE 6323 C Dr. Weng (Gerlingen) FDP 6325 A Walther SPD 6326 D Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF 6329 D Nächste Sitzung 6334 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 6335* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 6335* C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 92. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. September 1988 6297 92. Sitzung Bonn, den 9. September 1988 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens* 9. 9. Bahr 9. 9. Dr. Bangemann 9. 9. Frau Beck-Oberdorf 9. 9. Dr. Becker (Frankfurt) 9. 9. Böhm (Melsungen) * 9. 9. Büchner (Speyer)* 9. 9. Dörflinger 9. 9. Eylmann 9. 9. Gattermann 9. 9. Dr. Gautier 9. 9. Dr. Geißler 9. 9. Glos 9. 9. Dr. Glotz 9. 9. Dr. Götz 9. 9. Dr. Hauchler 9. 9. Dr. Hauff 9. 9. Dr. Haussmann 9. 9. Heimann 9. 9. Heyenn 9. 9. Hiller (Lübeck) 9. 9. Höpfinger 9. 9. Frau Hoffmann (Soltau) 9. 9. Ibrügger** 9. 9. Jung (Düsseldorf) 9. 9. Dr.-Ing. Kansy** 9. 9. Frau Karwatzki 9. 9. Frau Kelly 9. 9. Kiechle 9. 9. Klein (Dieburg) 9. 9. Klose 9. 9. Dr. Kreile 9. 9. Kroll-Schlüter 9. 9. Kuhlwein 9. 9. Dr. Kunz (Weiden)** 9. 9. Leidinger 9. 9. Frau Luuk 9. 9. Niegel* 9. 9. Oostergetelo 9. 9. Dr. Probst 9. 9. Rappe (Hildesheim) 9. 9. Reddemann* 9. 9. Reschke 9. 9. Reuschenbach 9. 9. Frau Rust 9. 9. Schäfer (Mainz) 9. 9. Schmidt (München) 9. 9. Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd) 9. 9. Frau Dr. Sonntag-Wolgast 9. 9. Frau Steinhauer 9. 9. Tietjen 9. 9. Tillmann 9. 9. Voigt (Frankfurt) 9. 9. Dr. Vondran 9. 9. Vosen 9. 9. Frau Weiler 9. 9. Westphal 9. 9. Frau Wieczorek-Zeul 9. 9. Frau Wilms-Kegel 9. 9. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Wissmann 9. 9. Würtz 9. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 8. Juli 1988 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Steuerreformgesetz 1990 Gesetz zur Änderung von Vorschriften des Sozialgesetzbuches über die Übertragung, Verpfändung und Pfändung von Ansprüchen auf Sozialleistungen, zur Regelung der Verwendung der Versicherungsnummer und zur Änderung anderer Vorschriften (Erstes Gesetz zur Änderung des Sozialgesetzbuches -1. SGBÄndG) Gesetz zur Bildung von Jugend- und Auszubildendenvertretungen in den Betrieben Gesetz zur Bildung von Jugend- und Auszubildendenvertretungen in den Verwaltungen Neuntes Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und Siebtes Gesetz zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes Fünftes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung einer Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder" Drittes Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes Gesetz zu den Protokollen vom 25. Mai 1984 zur Änderung des Internationalen Übereinkommens von 1969 über die zivilrechtliche Haftung für Ölverschmutzungsschäden und zur Änderung des Internationalen Übereinkommens von 1971 über die Errichtung eines Internationalen Fonds zur Entschädigung für Ölverschmutzungsschäden Gesetz über die Haftung und Entschädigung für Ölverschmutzungsschäden durch Seeschiffe (Ölschadengesetz - ÖlSG) Gesetz zu dem Übereinkommen Nr. 53 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Oktober 1936 über das Mindestmaß beruflicher Befähigung der Schiffsführer und Schiffsoffiziere auf Handelsschiffen Gesetz zu dem Übereinkommen Nr. 125 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 21. Juni 1966 über die Befähigungsnachweise der Fischer Gesetz zu dem Abkommen vom 11. April 1984 zur Änderung des Anhangs zur Satzung der Europäischen Schule Gesetz zur Umsetzung der Apotheker-Richtlinien der EG (85/ 432/EWG und 85/433/EWG) in deutsches Recht Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" Gesetz zur steuerlichen Begünstigung von Zuwendungen an unabhängige Wählervereinigungen Zu den drei letztgenannten Gesetzen hat der Bundesrat nachfolgende Entschließungen gefaßt bzw. angenommen. 1. Entschließung zum Gesetz zur Umsetzung der Apotheker-Richtlinien der EG (85/432/EWG und 85/433/EWG) in deutsches Recht: 6336* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 92. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. September 1988 Der Bundestag hat in einer zusammen mit dem Gesetzesbeschluß gefaßten Entschließung für eine Apothekerausbildung plädiert, die ein vollwertiges achtes Hochschulsemester umfaßt und erwartet alsbald die Vorlage eines entsprechenden Gesetzentwurfs durch die Bundesregierung. Der Bundesrat, der sich bereits im ersten Durchgang für eine baldmögliche Klärung der Frage der Ausbildungsdauer eingesetzt hat, vertritt demgegenüber die Auffassung, daß die Bundesregierung vor der Vorlage ihres Gesetzentwurfs das Ergebnis der Beratungen der gemeinsamen Arbeitsgruppe von BMJFFG, KMK und GMK abwarten sollte, die derzeit auf der Grundlage des Beschlusses der Kultusministerkonferenz vom 24./25. April 1988 Vorschläge für die Ausfüllung eines zusätzlichen Semesters und für eine stoffliche Entlastung des Studiums der Pharmazie erarbeitet; das Ergebnis der Beratungen wird zum Herbst 1988 vorliegen. Er bittet die Bundesregierung, im Anschluß hieran die Klärung der Frage der Ausbildungsdauer so rechtzeitig abzuschließen, daß ein entsprechender Gesetzentwurf noch in diesem Jahr eingebracht werden kann. Die Anpassung der deutschen Apothekerausbildung an das EG-Recht duldet keinen weiteren Aufschub. 2. Entschließung zum Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes": Der Bundesrat stellt zu dem zwischen den Regierungschefs von Bund und Ländern am 19. Mai 1988 vereinbarten Kompromiß, Maßnahmen nach dem Extensivierungsgesetz (Stillegung von Ackerflächen, Extensivierung und Umstellung der Erzeugung gemäß Verordnung [EWG] Nr. 1094/88 des Rates) in einem Sonderrahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe bei einem begrenzten Plafond im Verhältnis von 70 : 30 von Bund und Ländern zu finanzieren, folgendes fest: — Durch den Sonderrahmenplan wird die grundsätzliche Finanzierung der Gemeinschaftsaufgabe im Verhältnis 60 : 40 nicht berührt. — Die Formulierung in Artikel 1 Nr. 1 Buchstabe a in § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b schafft nur die Rechtsgrundlage für Extensivierungsmaßnahmen gemäß dem Beschluß der Regierungschefs von Bund und Ländern vom 19. Mai 1988. — Die Mitfinanzierung stellt kein Präjudiz für eine Finanzbeteiligung der Länder bei vergleichbaren künftigen Fällen dar. Der Bundesrat stimmt dem Änderungsgesetz in der vom Deutschen Bundestag verabschiedeten Fassung ausdrücklich nur unter der Maßgabe des Artikels 8 Abs. 2 zu, wonach die neu eingefügten Bestimmungen „Anpassung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe an die Marktentwicklung" (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b) und die Finanzierung im Verhältnis 70 : 30 (im § 10 Abs. 1 die Worte „Nr. 1 Buchstabe b und") mit Ablauf des 30. Juni 1993 außer Kraft treten. Der Bundesrat erklärt, daß die Länder keine über den Rahmen von 250 Millionen DM Bundesmittel hinausgehende Verpflichtung bei Überzeichnung oder Aufstockung der Maßnahmen anerkennen. Die Bundesregierung wird gebeten, die Finanzierungsgrundlagen für eine kontinuierliche Durchführung der Maßnahmen gemäß Verordnung (EWG) Nr. 1094/88 des Rates sicherzustellen. Der Bundesrat stellt fest, daß die von der Bundesregierung initiierte Änderung des § 11 Abs. 3 hinsichtlich der Abführung von anteiligen Zinsen (siehe die Gegenäußerung der Bundesregierung vom 6. August 1987) der Auffassung der Länder nicht entspricht. Dem Bundesrat ist es durch das von der Bundesregierung gewählte Verfahren nicht möglich, seine abweichende Auffassung noch im laufenden Gesetzgebungsverfahren zur Geltung zu bringen, da das Gesetz bereits am 1. Juli 1988 in Kraft treten soll. Er hält seinen abweichenden Rechtsstandpunkt weiterhin aufrecht und wird zu gegebener Zeit eine entsprechende Änderung anstreben. Der Bundesrat weist darauf hin, daß zur Finanzierung von EG-Maßnahmen seit 1973 unterschiedliche Auffassungen zwischen Bund und Ländern bestehen und die Frage der Finanzierung von EG-Maßnahmen einer grundsätzlichen rechtlichen Klärung bedarf. Der Bundesrat ist der Auffassung, daß Maßnahmen der Marktentlastung in die Zuständigkeit der EG und des Bundes fallen und von ihnen zu finanzieren sind. 3. Entschließung zum Gesetz zur steuerlichen Begünstigung von Zuwendungen an unabhängige Wählervereinigungen: Der Bundesrat hält es für erforderlich, daß entsprechend der Handhabung bei den Parteien den Finanzämtern jeweils rechtzeitig vor der Einkommen- und Körperschaftsteuerveranlagung ein Verzeichnis der für den Veranlagungszeitraum zum Abzug berechtigten unabhängigen Wählervereinigungen zur Verfügung gestellt wird. Die Finanzämter wären im einzelnen Besteuerungsfall häufig kaum oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand in der Lage festzustellen, ob ein Verein die Voraussetzungen des steuerwirksamen Spenden- und Beitragsabzugs erfüllt. Da die Zahl der einschlägigen Vereine zudem sehr groß sein dürfte, kann die ordnungsgemäße Besteuerung nur gewährleistet werden, wenn den Finanzämtern rechtzeitig ein Verzeichnis aller berechtigten Vereine zur Verfügung gestellt wird. Dies sollte im Verwaltungswege möglichst einheitlich für das Bundesgebiet geschehen. Die Vorsitzende des Ausschusses für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu nachstehenden Vorlagen absieht: Drucksache 10/5627 Drucksache 11/1027 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß sie die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen haben: Innenausschuß Drucksache 11/2465 Nr. 2.1 Drucksachen 11/2580 Nr. 1 und 3 Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/1895 Nr. 2.37 Haushaltsausschuß Drucksache 11/2266 Nr. 2.2 Drucksachen 11/2580 Nr. 7 und 8 Der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland hat mit Schreiben vom 3. August 1988 gemäß § 30 Absatz 4 des Bundesbahngesetzes den Wirtschaftsplan nebst Stellenplan der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1988 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Ein Abdruck des Genehmigungserlasses ist dem Wirtschaftsplan und dem Stellenplan vorgeheftet. Die Unterlagen liegen im Parlamentsarchiv zur Einsicht aus.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Rita Süssmuth


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir debattieren heute den Haushalt des Bundesministeriums für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit, und wir sprechen über Zahlen: 19,68 Milliarden DM, 450 Millionen DM mehr für Erziehungsgeld, 100 Millionen DM mehr beim Zivildienst, 21 Millionen DM für das Eingliederungsprogramm.
    Wir haben im Verlauf der Haushaltsdebatte mehrfach von den günstigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gehört. Das ist eine gute Nachricht. Aber wirtschaftliches Wachstum ist kein Selbstzweck. Genauso wichtig ist die Frage: Tun wir nicht nur für den Wohlstand der Menschen, sondern auch für das Wohl der Menschen genug? Beides muß als Einheit verstanden werden und darf nicht auseinanderdividiert werden. Mehr denn je erlebe ich, daß immer mehr Menschen die Frage nach den immateriellen Lebensbedingungen stellen und daß diese Frage sie bewegt. Wir stehen vor neuen wirtschaftlichen, technischen und damit auch menschlichen Herausforderungen — eine große Chance für uns, aber auch zugleich begleitet von Ängsten, oft tiefsitzenden Ängsten: Angst der Älteren vor Ausgrenzung und Alleinsein, Ängsten der Jüngeren vor Schäden in der Umwelt, vor unübersehbaren Manipulationen im Bereich des menschlichen Lebens durch Gentechnik und Reproduktionsmedizin.
    Für jedes neu auftretende Problem wird ein weiteres Gesetz oder zumindest eine weitere Verordnung erwartet. Ich werde oft gefragt — und heute morgen setzt sich der alte Mechanismus unentwegt fort — : Wieviel Gesetze haben Sie schon gemacht? Ist das neue Gesetz zum Kindergeld, zum Familienlastenausgleich da? Es ist gewiß ein Recht, aber auch eine Spezialität der Opposition. Wenn man dann aufzählt, was erledigt ist, was in die Wege geleitet wurde — ob es nun der Referentenentwurf zur Reform der Jugendhilfe ist, der Beitrag zur Neuregelung und Verbesserung im Arzneimittelbereich, das Beratungsgesetz oder anderes — , Sie messen den Erfolg von Politik an Gesetzen und Verordnungen.

    (Zuruf von der SPD: Nein, es geht um die Inhalte!)

    Aber Gesetze und Verordnungen allein sind kein Gradmesser für eine erfolgreiche Politik und geben auch keine Antwort darauf, ob die Dinge gut gelöst sind. Wenn hier heute morgen in einem solchen Maß gefragt worden ist, was denn der Staat getan habe, dann muß ich sagen: Wenn unsere Gesellschaft in ihrer Lebensqualität und in dem, was das Wohl der Menschen ausmacht, an bundesstaatlichen Ausgaben



    Bundesminister Frau Dr. Süssmuth
    gemessen wird, ist das eine Verarmung der Gesellschaft.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Abg. Jaunich [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    Ich denke, daß wir immer mehr in der Gefahr sind, Menschen zuwendig zu gewinnen für gegenseitige Hilfe, für mehr Solidarität mit den Kranken, den Fremden. Ein jüngstes Beispiel ist unsere begrenzte Fähigkeit, Aussiedlerfamilien vorurteilsfrei aufzunehmen und ihnen ein Zuhause zu geben. In der Tat gilt bei vielen menschlichen Problemen, beim Lebensschutz nicht anders wie bei AIDS, daß wir eine Menge von Vorurteilen durch Aufklärungsarbeit verändern müssen.


Rede von Dr. Philipp Jenninger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Bundesministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Rita Süssmuth


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Nein, ich möchte zunächst meinen Text fortführen. Ich habe nur begrenzte Zeit.
    Ich meine, daß gerade Aufklärungsarbeit, wenn hier in schäbiger Weise von Informationskampagnen gesprochen wird, diffamiert wird, wenn gleichzeitig gefragt wird, ob es nun beim Hormonskandal oder bei anderen Dingen ist, wo denn die Informationskampagnen der Bundesregierung blieben, was denn für den Verbraucherschutz getan werde.
    Entwicklungs- und Lebenschancen sind oftmals gerade bei den Menschen und Personengruppen bedroht, die nicht über eine mächtige Lobby verfügen. Unser Ministerium ist mehr als alle anderen ein Sprachrohr für diejenigen, die in dieser Gesellschaft weitgehend lobbylos sind. Dazu zählen in der Bundesrepublik immer mehr die Familien. Aber ich sage genauso klar: Der Staat kann kein Übervater und auch keine Übermutter sein. Auch dies hat nichts mit Quoten zu tun.

    (Frau Blunck [SPD]: Aber er muß für gleiche Lebensbedingungen sorgen!)

    Das unterscheidet uns ganz gewiß. Sie wollen immer mehr Staat, wir wollen weniger Staat, nicht in dem Sinne, daß sich der Staat der Verantwortung entzieht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

    Ich bin mit dem Staat, in dem ich lebe, sehr zufrieden. Ich muß sagen: Ich bin stolz auf diesen Staat, wohlwissend, daß wir ihn ständig weiterentwickeln müssen.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der SPD)

    Wir wissen, daß die Zunahme an Entscheidungsfreiheit auch eine Zunahme an Entscheidungsbelastungen mit sich bringt. Die Antwort kann in einer Demokratie nicht sein, in allem Zuflucht beim Staat zu suchen, sondern der Staat ist verpflichtet, dem Menschen Eigenverantwortung und Eigenentscheidung zuzumuten, zuzutrauen, aber auch zu ermöglichen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Der Staat ist überfordert, wenn er in erster Linie oder gar allein Wohlstand und Wohlbefinden garantieren soll, wenn er allein allen nur denkbaren Risiken vorbeugen, alle bestehenden Gefahren abwehren und jede ich-bezogene Interessendurchsetzung verhindern soll.
    Je mächtiger sich jedoch die Ich-Bezogenheit, das Interesse am Eigenwohl, durchsetzt, desto schwächer ist die Chance für das Gemeinwohl. Ich denke, im Gemeinwohl haben wir inzwischen Nachholbedarf in der Bundesrepublik.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Ich habe schon gesagt: Der Mensch lebt nicht allein, er lebt auch nicht vom Brot allein. Deshalb brauchen wir keine individualisierte Gesellschaft, sondern eine Gesellschaft des Miteinander, in der Eigenwohl und Gemeinwohl wieder eine fruchtbare Verbindung eingehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich denke, die Verbindung von Eigenwohl und Gemeinwohl hat bei uns eine Tradition. Ich erinnere an die Zeit, als Millionen Menschen aus dem Osten flohen. Was damals keiner für möglich hielt, nämlich diese Menschen zu integrieren, wurde erreicht. Die Vertriebenen leisteten wie alle anderen ihren Beitrag beim Aufbau der Bundesrepublik Deutschland.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Wir können heute von diesen Männern und Frauen lernen. Ich möchte zugleich unseren älteren Mitbürgern und Mitbürgerinnen für diese enorme Leistung danken.
    Ältere Menschen wollen nicht in einen zweifelhaften Ruhestand abgedrängt werden. Ihr Sachverstand, ihre Erfahrung und nicht zuletzt ihr politisches und moralisches Engagement sind für unsere Gesellschaft, vor allem für die Jugend, unverzichtbar.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Wir stehen vor einer neuen Herausforderung, was das Verhältnis zwischen den Generationen angeht. Die Zahl der älteren Mitbürger steigt an. Im Jahr 2000 wird die Zahl der Älteren die der Jüngeren unter 20 um 4 Millionen übersteigen.
    Was bedeutet dies für politisches Handeln? Es erfordert Antworten auf neue Anforderungen. Das betrifft den Umgang miteinander, den Austausch der Erfahrungen, die Möglichkeiten des gemeinsamen Handelns, die in Modellprojekten in der Tat auch ihren Niederschlag finden: die Jungen für die Alten, Alte für Junge und Alte für Alte. Ich denke, daß gerade in unserer Gesellschaft diese Möglichkeiten verstärkt angeregt und unterstützt werden müssen.
    Ältere Menschen brauchen Aufgaben, wollen beteiligt sein. Es darf aber nicht zu dem kommen, was viele schon heute befürchten: daß das richtige und wichtige Engagement für die Älteren uns dazu veranlaßt, die Jungen aus dem Blick zu verlieren.
    Das für die Jugendförderung 1989 bereitgestellte Finanzvolumen kann sich sehen lassen. Ihre ständig



    Bundesminister Frau Dr. Süssmuth
    wiederholte Behauptung, die Jugendpolitik finde nicht statt, trifft ins Leere. Das beweist das Finanzvolumen, das gegenüber den ursprünglichen Ansätzen für 1988 um 24,5 % gewachsen ist.
    Das betrifft u. a. den Garantiefonds, der um 230 Millionen DM erweitert wird, und das Eingliederungsprogramm mit weiteren 62 Millionen DM. Hinzu kommen die Mittel aus dem Sonderprogramm Aussiedler, die dieses Finanzvolumen insgesamt um weitere 58,4 Mio. DM erweitern.

    (Jaunich [SPD]: Da laufen Sie den Entwicklungen nur hinterher!)

    Eines haben wir in den letzten Jahren bestätigt bekommen: Die große Mehrheit der Jugendlichen will nicht aussteigen, sondern einsteigen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Jaunich [SPD]: Dann lassen Sie sie!)

    Heute liegt, von einigen Regionen abgesehen, das Hauptproblem nicht mehr in mangelndem Angebot an Ausbildungsplätzen — leider kann dies für Mädchen immer noch nicht gesagt werden —; andere Probleme, die eine Lösung durch die Jugendpolitik erfordern, drängen sich in den Mittelpunkt.

    (Frau Odendahl [SPD]: Da tun wir nichts!) — Wir tun was.

    Für eine Reihe von Jugendlichen bleibt das Problem von geringen oder nicht vorhandenen Ausbildungschancen. Die sozial Benachteiligten — das ist ein Anteil von 10 bis 12 % einer Altersgruppe — brauchen weiterhin unsere besondere Unterstützung und Mittel aus Programmen.

    (Frau Blunck [SPD]: Wo hatten Sie das offene Ohr des Herrn Stoltenberg, damit das alles passieren kann?)

    Wir haben ein erweitertes Programm für arbeitsweltbezogene Jugendarbeit unabhängig von dem, was durch die Bundesanstalt und in den Ländern für Jugendliche geschieht, aufgelegt; denn es geht darum, daß wir die Jugend nicht in die, die integriert sind, und die, die außen stehen, aufspalten. Ich denke, hier gilt es um so mehr, daß Betriebe benachteiligte Jugendliche in Ausbildungs- oder Anlernverhältnisse nehmen und wir ihnen dabei helfen.
    Wir stehen vor der Neuordnung des Jugendhilferechts, die Willy Brandt schon Anfang der 70er Jahre angekündigt hatte. Frau Schmidt, wir haben den Entwurf in diesen Tagen an die Länder verschickt. Jugendhilfe soll nicht länger nur ein Interventionsinstrument sein.

    (Dr. Vogel [SPD]: Sehr gut! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Ich glaube, für ein gutes Gesetz braucht man auch eine gewisse Vorbereitung. Zunächst sollten Sie zur Kenntnis nehmen, daß Ihre Behauptung, das Jugendhilfegesetz würde nicht vorgelegt, nicht zutrifft. Der Entwurf ist verschickt! Das ist die Tatsache, die es klarzustellen galt.
    Jugendhilfe soll nicht an Stelle der Familie, sondern mit der Familie das Kindes- und Jugendwohl fördern helfen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Es geht um Prävention durch Ausbau der familienpädagogischen Hilfe und besonders um die Entlastung der Alleinerziehenden. Hier nenne ich an erster Stelle nicht nur die Beratungshilfen, sondern auch den Ausbau der Kinderbetreuung.
    Meine Damen und Herren, Sie können nicht auf der einen Seite Hilfen fordern und gleichzeitig nach den finanziellen Auswirkungen fragen. Entweder Sie sagen A, oder Sie sagen B. Man kann nicht immer das eine gegen das andere ausspielen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Abg. Frau Schoppe [GRÜNE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)