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ID1109200600

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    Plenarprotokoll 11/92 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 92. Sitzung Bonn, Freitag, den 9. September 1988 Inhalt: Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung): a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1989 (Haushaltsgesetz 1989) (Drucksache 11/2700) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Der Finanzplan des Bundes 1988 bis 1992 (Drucksache 11/2701) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt (Fortsetzung): Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1988 (Nachtragshaushaltsgesetz 1988) (Drucksache 11/2650) Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 6297 A Frau Verhülsdonk CDU/CSU 6301 A Frau Schoppe GRÜNE 6302 D Zywietz FDP 6304 A Dr. Hoffacker CDU/CSU 6305 C Frau Dr. Süssmuth, Bundesminister BMJFFG 6307 C Jaunich SPD 6312 C Möllemann, Bundesminister BMBW 6313 C Frau Odendahl SPD 6315 B Daweke CDU/CSU 6317D Wetzel GRÜNE 6318 C Dr. Struck SPD 6320 A Austermann CDU/CSU 6321D Ebermann GRÜNE 6323 C Dr. Weng (Gerlingen) FDP 6325 A Walther SPD 6326 D Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF 6329 D Nächste Sitzung 6334 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 6335* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 6335* C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 92. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. September 1988 6297 92. Sitzung Bonn, den 9. September 1988 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens* 9. 9. Bahr 9. 9. Dr. Bangemann 9. 9. Frau Beck-Oberdorf 9. 9. Dr. Becker (Frankfurt) 9. 9. Böhm (Melsungen) * 9. 9. Büchner (Speyer)* 9. 9. Dörflinger 9. 9. Eylmann 9. 9. Gattermann 9. 9. Dr. Gautier 9. 9. Dr. Geißler 9. 9. Glos 9. 9. Dr. Glotz 9. 9. Dr. Götz 9. 9. Dr. Hauchler 9. 9. Dr. Hauff 9. 9. Dr. Haussmann 9. 9. Heimann 9. 9. Heyenn 9. 9. Hiller (Lübeck) 9. 9. Höpfinger 9. 9. Frau Hoffmann (Soltau) 9. 9. Ibrügger** 9. 9. Jung (Düsseldorf) 9. 9. Dr.-Ing. Kansy** 9. 9. Frau Karwatzki 9. 9. Frau Kelly 9. 9. Kiechle 9. 9. Klein (Dieburg) 9. 9. Klose 9. 9. Dr. Kreile 9. 9. Kroll-Schlüter 9. 9. Kuhlwein 9. 9. Dr. Kunz (Weiden)** 9. 9. Leidinger 9. 9. Frau Luuk 9. 9. Niegel* 9. 9. Oostergetelo 9. 9. Dr. Probst 9. 9. Rappe (Hildesheim) 9. 9. Reddemann* 9. 9. Reschke 9. 9. Reuschenbach 9. 9. Frau Rust 9. 9. Schäfer (Mainz) 9. 9. Schmidt (München) 9. 9. Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd) 9. 9. Frau Dr. Sonntag-Wolgast 9. 9. Frau Steinhauer 9. 9. Tietjen 9. 9. Tillmann 9. 9. Voigt (Frankfurt) 9. 9. Dr. Vondran 9. 9. Vosen 9. 9. Frau Weiler 9. 9. Westphal 9. 9. Frau Wieczorek-Zeul 9. 9. Frau Wilms-Kegel 9. 9. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Wissmann 9. 9. Würtz 9. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 8. Juli 1988 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Steuerreformgesetz 1990 Gesetz zur Änderung von Vorschriften des Sozialgesetzbuches über die Übertragung, Verpfändung und Pfändung von Ansprüchen auf Sozialleistungen, zur Regelung der Verwendung der Versicherungsnummer und zur Änderung anderer Vorschriften (Erstes Gesetz zur Änderung des Sozialgesetzbuches -1. SGBÄndG) Gesetz zur Bildung von Jugend- und Auszubildendenvertretungen in den Betrieben Gesetz zur Bildung von Jugend- und Auszubildendenvertretungen in den Verwaltungen Neuntes Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und Siebtes Gesetz zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes Fünftes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung einer Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder" Drittes Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes Gesetz zu den Protokollen vom 25. Mai 1984 zur Änderung des Internationalen Übereinkommens von 1969 über die zivilrechtliche Haftung für Ölverschmutzungsschäden und zur Änderung des Internationalen Übereinkommens von 1971 über die Errichtung eines Internationalen Fonds zur Entschädigung für Ölverschmutzungsschäden Gesetz über die Haftung und Entschädigung für Ölverschmutzungsschäden durch Seeschiffe (Ölschadengesetz - ÖlSG) Gesetz zu dem Übereinkommen Nr. 53 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Oktober 1936 über das Mindestmaß beruflicher Befähigung der Schiffsführer und Schiffsoffiziere auf Handelsschiffen Gesetz zu dem Übereinkommen Nr. 125 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 21. Juni 1966 über die Befähigungsnachweise der Fischer Gesetz zu dem Abkommen vom 11. April 1984 zur Änderung des Anhangs zur Satzung der Europäischen Schule Gesetz zur Umsetzung der Apotheker-Richtlinien der EG (85/ 432/EWG und 85/433/EWG) in deutsches Recht Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" Gesetz zur steuerlichen Begünstigung von Zuwendungen an unabhängige Wählervereinigungen Zu den drei letztgenannten Gesetzen hat der Bundesrat nachfolgende Entschließungen gefaßt bzw. angenommen. 1. Entschließung zum Gesetz zur Umsetzung der Apotheker-Richtlinien der EG (85/432/EWG und 85/433/EWG) in deutsches Recht: 6336* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 92. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. September 1988 Der Bundestag hat in einer zusammen mit dem Gesetzesbeschluß gefaßten Entschließung für eine Apothekerausbildung plädiert, die ein vollwertiges achtes Hochschulsemester umfaßt und erwartet alsbald die Vorlage eines entsprechenden Gesetzentwurfs durch die Bundesregierung. Der Bundesrat, der sich bereits im ersten Durchgang für eine baldmögliche Klärung der Frage der Ausbildungsdauer eingesetzt hat, vertritt demgegenüber die Auffassung, daß die Bundesregierung vor der Vorlage ihres Gesetzentwurfs das Ergebnis der Beratungen der gemeinsamen Arbeitsgruppe von BMJFFG, KMK und GMK abwarten sollte, die derzeit auf der Grundlage des Beschlusses der Kultusministerkonferenz vom 24./25. April 1988 Vorschläge für die Ausfüllung eines zusätzlichen Semesters und für eine stoffliche Entlastung des Studiums der Pharmazie erarbeitet; das Ergebnis der Beratungen wird zum Herbst 1988 vorliegen. Er bittet die Bundesregierung, im Anschluß hieran die Klärung der Frage der Ausbildungsdauer so rechtzeitig abzuschließen, daß ein entsprechender Gesetzentwurf noch in diesem Jahr eingebracht werden kann. Die Anpassung der deutschen Apothekerausbildung an das EG-Recht duldet keinen weiteren Aufschub. 2. Entschließung zum Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes": Der Bundesrat stellt zu dem zwischen den Regierungschefs von Bund und Ländern am 19. Mai 1988 vereinbarten Kompromiß, Maßnahmen nach dem Extensivierungsgesetz (Stillegung von Ackerflächen, Extensivierung und Umstellung der Erzeugung gemäß Verordnung [EWG] Nr. 1094/88 des Rates) in einem Sonderrahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe bei einem begrenzten Plafond im Verhältnis von 70 : 30 von Bund und Ländern zu finanzieren, folgendes fest: — Durch den Sonderrahmenplan wird die grundsätzliche Finanzierung der Gemeinschaftsaufgabe im Verhältnis 60 : 40 nicht berührt. — Die Formulierung in Artikel 1 Nr. 1 Buchstabe a in § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b schafft nur die Rechtsgrundlage für Extensivierungsmaßnahmen gemäß dem Beschluß der Regierungschefs von Bund und Ländern vom 19. Mai 1988. — Die Mitfinanzierung stellt kein Präjudiz für eine Finanzbeteiligung der Länder bei vergleichbaren künftigen Fällen dar. Der Bundesrat stimmt dem Änderungsgesetz in der vom Deutschen Bundestag verabschiedeten Fassung ausdrücklich nur unter der Maßgabe des Artikels 8 Abs. 2 zu, wonach die neu eingefügten Bestimmungen „Anpassung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe an die Marktentwicklung" (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b) und die Finanzierung im Verhältnis 70 : 30 (im § 10 Abs. 1 die Worte „Nr. 1 Buchstabe b und") mit Ablauf des 30. Juni 1993 außer Kraft treten. Der Bundesrat erklärt, daß die Länder keine über den Rahmen von 250 Millionen DM Bundesmittel hinausgehende Verpflichtung bei Überzeichnung oder Aufstockung der Maßnahmen anerkennen. Die Bundesregierung wird gebeten, die Finanzierungsgrundlagen für eine kontinuierliche Durchführung der Maßnahmen gemäß Verordnung (EWG) Nr. 1094/88 des Rates sicherzustellen. Der Bundesrat stellt fest, daß die von der Bundesregierung initiierte Änderung des § 11 Abs. 3 hinsichtlich der Abführung von anteiligen Zinsen (siehe die Gegenäußerung der Bundesregierung vom 6. August 1987) der Auffassung der Länder nicht entspricht. Dem Bundesrat ist es durch das von der Bundesregierung gewählte Verfahren nicht möglich, seine abweichende Auffassung noch im laufenden Gesetzgebungsverfahren zur Geltung zu bringen, da das Gesetz bereits am 1. Juli 1988 in Kraft treten soll. Er hält seinen abweichenden Rechtsstandpunkt weiterhin aufrecht und wird zu gegebener Zeit eine entsprechende Änderung anstreben. Der Bundesrat weist darauf hin, daß zur Finanzierung von EG-Maßnahmen seit 1973 unterschiedliche Auffassungen zwischen Bund und Ländern bestehen und die Frage der Finanzierung von EG-Maßnahmen einer grundsätzlichen rechtlichen Klärung bedarf. Der Bundesrat ist der Auffassung, daß Maßnahmen der Marktentlastung in die Zuständigkeit der EG und des Bundes fallen und von ihnen zu finanzieren sind. 3. Entschließung zum Gesetz zur steuerlichen Begünstigung von Zuwendungen an unabhängige Wählervereinigungen: Der Bundesrat hält es für erforderlich, daß entsprechend der Handhabung bei den Parteien den Finanzämtern jeweils rechtzeitig vor der Einkommen- und Körperschaftsteuerveranlagung ein Verzeichnis der für den Veranlagungszeitraum zum Abzug berechtigten unabhängigen Wählervereinigungen zur Verfügung gestellt wird. Die Finanzämter wären im einzelnen Besteuerungsfall häufig kaum oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand in der Lage festzustellen, ob ein Verein die Voraussetzungen des steuerwirksamen Spenden- und Beitragsabzugs erfüllt. Da die Zahl der einschlägigen Vereine zudem sehr groß sein dürfte, kann die ordnungsgemäße Besteuerung nur gewährleistet werden, wenn den Finanzämtern rechtzeitig ein Verzeichnis aller berechtigten Vereine zur Verfügung gestellt wird. Dies sollte im Verwaltungswege möglichst einheitlich für das Bundesgebiet geschehen. Die Vorsitzende des Ausschusses für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu nachstehenden Vorlagen absieht: Drucksache 10/5627 Drucksache 11/1027 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß sie die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen haben: Innenausschuß Drucksache 11/2465 Nr. 2.1 Drucksachen 11/2580 Nr. 1 und 3 Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/1895 Nr. 2.37 Haushaltsausschuß Drucksache 11/2266 Nr. 2.2 Drucksachen 11/2580 Nr. 7 und 8 Der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland hat mit Schreiben vom 3. August 1988 gemäß § 30 Absatz 4 des Bundesbahngesetzes den Wirtschaftsplan nebst Stellenplan der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1988 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Ein Abdruck des Genehmigungserlasses ist dem Wirtschaftsplan und dem Stellenplan vorgeheftet. Die Unterlagen liegen im Parlamentsarchiv zur Einsicht aus.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Waltraud Schoppe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt ein Dokument, das sich gegen Personen beiderlei Geschlechts richtet, die mit ihren Bezauberungen die Geburten der Weiber umkommen machen; das ist verboten, und wer sich erkühnt, dagegen zu verstoßen, der zieht den Zorn Gottes auf sich. Ich spreche nicht vom § 218, sondern von der Hexenbulle von 1484. Aber wenn es um die Verhetzung von Frauen geht, die abtreiben, dann fragt man sich, ob in den Jahrhunderten, die vergangen sind, eigentlich viel passiert ist.
    Ich will die Gelegenheit benutzen und heute von den Frauen in Memmingen sprechen. Es sind 135 Frauen, die bisher verurteilt worden sind. Gucken wir uns einmal an, was diese Frauen gemacht haben. Sie haben die Regelung des § 218 nicht eingehalten und haben abgetrieben. Sie haben nichts anderes gemacht als beispielsweise die Frauen, die nach Holland fahren — es werden von Jahr zu Jahr mehr —; sie haben nichts anderes gemacht, als die Frauen, die genug Geld haben, um sich unter Umgehung des § 218 eine Abtreibung zu erkaufen — auch das sind sehr viele Frauen — . Darauf weise ich hin.
    Frau Süssmuth, ich verstehe Sie nicht, daß Sie an diesem Punkt nicht eingegriffen haben. Ich habe das



    Frau Schoppe
    Gefühl, daß Sie schon eine sehr lange Zeit hier unter der Knute der fundamentalistischen Lebensschützer in Ihrer Partei stehen. Sie haben auf Ihrem Parteitag, nachdem Herr Stoiber sich durchgesetzt hat und jetzt nicht mehr von Abtreibung, sondern von Tötung menschlichen Lebens geredet wird,

    (Strube [CDU/CSU]: Das ist ja auch richtig! — Dr. Hoffacker [CDU/CSU]: Wissenschaftlich bewiesen!)

    nicht eingegriffen und sich nicht dagegen gewehrt. — Herr Hoffacker, es gibt einen Unterschied. Ich sage: Es ist Tötung werdenden Lebens. Daran ist überhaupt nicht zu rütteln. Aber es gibt eine Differenz zwischen werdendem Leben und menschlichem Leben, und auf dieser Differenz bestehe ich.

    (Strube [CDU/CSU]: Das meinen Sie!)

    Wenn man diese Differenz verschwinden läßt, dann kommt man zu dem, was Renate gesagt hat. Dann kommt man nämlich dazu, daß diese Frauen Mörderinnen sind.

    (Dr. Hoffacker [CDU/CSU]: Frau Schoppe, Sie sind wissenschaftsfeindlich und wissen nicht, wovon Sie sprechen!)

    Ein parteiliches Wort für diese Frauen, Frau Süssmuth, die da vor Gericht stehen, weil sie Pech gehabt haben, und die anderen Frauen, die viel Geld haben und das anonym tun und kein Pech haben, wäre notwendig gewesen. Reden Sie sich nicht damit heraus, Sie wollten nicht in laufende Prozesse eingreifen. Darum geht es überhaupt nicht. Aber von der Frauenministerin dieser Republik haben wir diese Parteilichkeit zu erwarten. Daß sie nicht gekommen ist, finde ich sehr beschämend.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Ich gehe ein bißchen näher auf das ein, was sich da unten in Bayern eigentlich abspielt. Dort werden den Frauen jetzt die sogenannten Freistellungsangebote gemacht. Was heißt denn das: Freistellungsangebote? Heute ist eine Adoption möglich, wenn die Frau das Kind sechs Wochen nach der Geburt zur Adoption freigibt. Jetzt will man den Frauen schon während der Schwangerschaft das Angebot machen, sich freistellen zu lassen, d. h. freistellen von finanzieller Belastung, die ein Kind mit sich bringt, freistellen von Versorgung. Das heißt: Die Frauen sollen nicht mehr die Möglichkeit haben, sich bei einer ungewollten Schwangerschaft dafür zu entscheiden, dieses Kind, das zwar ungewollt ist, zu kriegen und als ihres zu behalten oder sich für eine Abtreibung zu entscheiden. Nein, diese Möglichkeit wäre damit weg. Denn man sagt: In eine finanzielle Notlage kannst du ja gar nicht kommen; das Kind wird dir von Staats wegen abgenommen.
    Man hat — gründlich, wie man ist — auch daran gedacht, daß unter den Kindern, die unter solchen Umständen geboren werden, auch behinderte Kinder sind.
    Und man ist — weitsichtig, wie man in Bayern ist — dazu gekommen, zu sagen: 2 % dieser Kinder sind behindert. Selbstverständlich ist man dann — ich kann es Ihnen aus dem Schreiben aus Bayern zitieren — davon ausgegangen, daß behinderte Kinder
    nicht adoptiert werden. Man hat gesagt: Diese Kinder, die nicht adoptiert werden, kommen in Heime, und zehn Leute, die Steuern zahlen — so ein Heimplatz kostet 1 800 bis 2 300 DM — , können das finanzieren. Meine Herren, da ist doch noch allerhand drin. Denn wenn man es für die Behinderten in den Heimen ein bißchen schlichter macht, für Behinderte, die sich ja sowieso nicht wehren können, und deren Eltern auch nicht für sie kämpfen, weil sie im ganz zarten Alter, nämlich nach der Geburt, schon ihre Eltern verloren haben, weil ihre eigenen Mütter ihre Leihmütter sind, dann reichen z. B. schon acht Steuerzahler aus. Wer sich so etwas ausdenkt, so etwas Menschenverachtendes und Menschenfeindliches, der braucht Widerstand, Frau Süssmuth.

    (Beifall bei den GRÜNEN und der SPD sowie der Abg. Frau Folz-Steinacker [FDP])

    Wenn wir dann noch hören, daß in Bayern formuliert wird, daß diese Freistellung in das Beratungsgesetz in Bayern aufgenommen werden soll, und wenn die Bayern dann noch sagen, der bayerische Standard, von dem wir hier gehört haben, soll Bundesstandard für ein Beratungsgesetz werden — wir haben hier also die „Verbayerisierung" der Bundesrepublik — , dann muß da Widerstand kommen, Frau Süssmuth. Wie kommt es, daß wir das hier von Ihnen nicht gehört haben?
    Weiter wissen wir, daß man in Bayern jetzt festgestellt hat, daß die Frauen bei der Inanspruchnahme von Mitteln aus der „Stiftung Mutter und Kind" wieder „liederlich" handeln, weil es beispielsweise einen Mitnahmeeffekt gibt, weil die Frauen einfach kommen und das Geld fordern. Da handeln die Bayern dann mal eben — das haben sie schon getan — und setzen den Betrag, ab dem man in den Genuß der Gelder der „Stiftung Mutter und Kind" kommt, mit Wirkung vom 1. Oktober 1988 einfach herab. Man nimmt den Frauen also auch noch das Geld weg.
    Das sind Ihre bayerischen Verhältnisse, die Sie auf die Bundesrepublik übertragen wollen. Da möchte ich auch den Widerstand von Frau Süssmuth und von Ihnen in der Koalition. Sie wissen, ich bin immer Befürworterin von Koalitionen und stelle mir die Arbeit in solchen Koalitionen schon ganz schwierig vor. Aber unter diesen Bedingungen in einer solchen Koalition zu arbeiten stelle ich mir geradezu grauslich vor. Ich stelle es mir besonders für die Frauen ganz, ganz schrecklich vor; denn es richtet sich gegen die Frauen, und es richtet sich gegen die Kinder. Da möchte ich hier auch einmal Ihren Widerstand aus der FDP ein bißchen vehementer hören. Das können wir so ohne weiteres nicht durchgehen lassen.
    Meine Damen und Herren, ich bin gespannt darauf, Frau Süssmuth, was Sie dazu sagen.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)



Rede von Dr. Philipp Jenninger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Zywietz.

(Zuruf von der CDU/CSU: Werner, bist du die Quoten-Frau?)





  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Werner Zywietz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß, daß ich es hier nach den Vorrednerinnen schwer habe. Die eine kündigte sich als Quotenfrau an, die andere sprach von Hexen, ich hoffe: nicht Hexenverbrennung. Sie sind mir als Kolleginnen lieb, und ich wage es, zu diesem Etat hier in dieser Runde als Haushälter wenige Minuten zu sprechen.
    Ich habe vernommen, Frau Kollegin Schmidt, daß Sie nach einer kurzen Verbeugung — vielleicht besser gesagt: einen Knicks — gegenüber der besonderen Leistung der Frau Ministerin, die wir voll unterstützen können, vom Grundsätzlichen gleich sehr zu einer Abfolge von Geldforderungen gekommen sind. Diese habe ich als Haushaller nachdrücklich im Ohr. Das ist zwar nicht schlecht, aber ich habe über die Debattentage doch — auch von Ihnen — hören können, wie es um den Haushalt steht. Wir haben die Meinungen teilweise sehr realistisch ausgetauscht. Ich habe auch gehört, welche steuerlichen Überlegungen Sie haben. Wenn ich das dem Forderungskatalog gegenübersetze, den ich hier in wenigen Minuten gehört habe, so muß ich sagen, daß hier doch etwas der Realitätssinn verlorengegangen zu sein scheint.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Jaunich [SPD]: Also Familie doch nur als Restgröße, nicht Zentrum?)

    — Nein, Familie nicht als Restgröße. Aber auch wenn wir Sozialpolitik, Gesundheits-, Familien-, Frauenpolitik betreiben, müssen wir, bei aller Sympathie für manche Forderungen, immer die Finanzierbarkeit im Auge behalten. Alles andere wäre unrealistisch. Das heißt nicht, daß es nicht wichtig wäre, Ziele zu setzen. Aber wir würden der Sache nicht gerecht, wenn wir Mittel korbweise ausschütteten und meinten, alles müsse morgen realisiert werden.
    Der Forderungskatalog darf doch nicht den Blick dafür verstellen, was geschehen ist. Schauen Sie sich diesen Haushalt von 19 Milliarden DM nüchtern an. Jeder kundige Thebaner sieht mit einem Blick, daß rund 13 Milliarden DM für Kindergeldzahlungen ausgegeben werden und 4 Milliarden DM für das Erziehungsgeld. Das heißt, 17 Milliarden DM von 19 Milliarden DM in diesem Haushalt werden im weitesten Sinne für die Ziele ausgegeben, die Sie angesprochen haben.

    (Frau Schmidt [Nürnberg] [SPD]: Das waren schon mal viel mehr!)

    Was die Familienleistungen anlangt, ist es nicht mit diesen, ich sage es einmal etwas verkürzt: Barzahlungen getan; denn die Unterstützung der Familien mit Kindern, der Familienlastenausgleich, hat noch eine zweite Säule, nämlich die steuerliche. Ich halte es auch für gut so, daß auf der einen Seite direkte Transferzahlungen geleistet werden und es auf der anderen Seite steuerliche Erleichterungen — Grundfreibeträge usw. — gibt, hier also ein sozial differenziertes Instrumentarium benutzt wird.

    (Dr. Struck [SPD]: Aber nicht die Kinderfreibeträge!)

    Wir halten also diese beiden Säulen für ein gutes
    Instrumentarium; denn eine allein wäre etwas gleichmachend. Die Zahlung an jeden, unabhängig von Einkommen und Vermögen, ist also nur eine Seite. Dafür kann man argumentieren. Aber über das Steuerinstrumentarium kann man besser sozial und leistungsgerecht differenzieren. Und das ist gut so. Aufpassen muß man allerdings, daß das Ganze nicht zu kompliziert wird. Ich bin zwar nicht hinreichend Fachmann, aber manche Warnung dringt an mein Ohr, daß die Systeme an die Grenze der Überschaubarkeit und damit auch der Praktikabilität herangeführt worden sind.
    Ich möchte festhalten, daß wir auf einem außerordentlich guten, vorzeigbaren Niveau angelangt sind, was den Familienlastenausgleich anbelangt. Über 70 % dieses Etats werden also für diesen Zweck zur Verfügung gestellt.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Aber sicherlich kommt es bei Familienpolitik, Frauenpolitik nicht allein auf Geld an. Natürlich gibt es auch eine ideelle Komponente. Ich meine die Frage, wie kinder- und familienfreundlich sich die Gesellschaft zeigt. Auch dafür sind hier Beispiele genannt worden. Ich habe da zweierlei vor Augen.
    Wenn auch von einer anderen Seite, so ist das Beratungsgesetz doch ein Stichwort. Ein wichtiger Aspekt ist aber auch, wie sich unsere gesamte Gesellschaft, die Politik in Kommunen, Kreisen und Ländern, aber auch die Wirtschaft, zur Familie mit Kindern stellt.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Zum Beratungsgesetz: Das ist ein Anliegen aller in der Koalition. Wir von der SPD haben uns für die Abschaffung — —

    (Heiterkeit bei der SPD — Dr. Vogel [SPD]: Herzlich willkommen!)

    — So intensiv ist die Zuneigung nun auch nicht, auch wenn ich zu Ihnen etwas länger herübergeschaut habe und mich vielleicht zu einer Freudschen Fehlleistung habe provozieren lassen. Aber Sie werden schon merken, ich werde die Grenze nicht überschreiten. Wir wissen schon Unterschiede zu machen.
    Richtig ist allerdings, daß die Änderung des § 218
    — und ich denke zehn Jahre zurück, an die Diskussionen, die da geführt worden sind — im Grunde eine gemeinsame Leistung war. Wir, die FDP, stehen zu dieser Leistung. Wir stehen zum Leben. Wir meinen auch, eine Beratung ist nötig. Aber ich möchte hier in aller Deutlichkeit sagen — das hat nichts mit fachspezifischer Sichtweise zu tun — : Jede Beratung muß so sein, daß sie am Ende der Frau, der Betroffenen, eine faire Chance ohne Pression — so möchte ich es einmal sagen — , ohne Druck und nach gleichen Kriterien für alle Frauen in der gesamten Bundesrepublik, ob im Norden, Süden, Osten oder Westen,

    (Beifall bei der FDP und der SPD sowie der Abg. Frau Pack [CDU/CSU])

    zur individuellen Entscheidung gibt. Das müssen Absicht und Grundlage einer Beratung sein. Dann wird das in unseren Reihen zu akzeptieren sein. Ich bin sicher, dann werden wir einen vernünftigen Kompro-



    Zywietz
    miß finden, der der gemeinsamen Idee, Schutz und Hochachtung vor dem Leben, gerecht wird.

    (Beifall des Abg. Dr. Weng [Gerlingen] [FDP])

    Ich sehe nur noch zwei, drei Minuten Redezeit angezeigt. Daher müssen meine Ausführungen von der Zeit her sehr unvollkommen bleiben, vielleicht auch deswegen, weil ich kein Experte in diesem Bereich bin. Aber das nehme ich in Kauf. Jede Expertenrunde braucht vielleicht auch ihren Laien. Das kann der Sache manchmal nur gut tun.

    (Heiterkeit und Beifall bei der FDP, der CDU/ CSU und der SPD — Jaunich [SPD]: Aber ein Generalist fehlt noch!)

    — Ich werde es schon nicht übertreiben. Haben Sie keine Angst.
    Zurück zur familienfreundlichen Gesellschaft. Hier möchte ich ein paar ganz praktische Dinge ansprechen, die mir auffallen. Wem ist es nicht so gegangen: Man hört Klagen, daß Spielplatzgeräusche durch Kinder als ruhestörender Lärm betrachtet werden, daß Hunde im Hotel gern gesehen sind, aber bei Kindern Fragezeichen gemacht werden? Wir haben bei uns die Tendenz, daß Urlaubsquartiere — wenn man mit Kindern in der Hochsaison verreist, ist es sowieso schon teurer — nach Betten abgerechnet werden. Es gibt einige Länder auf diesem Globus — das können wir als reisende Abgeordnete auch feststellen —, wo nach Zimmern abgerechnet wird. Welch ein Entgegenkommen für Familien, die mit ein oder zwei Kindern reisen! Das sind ganz praktische Dinge. Dasselbe gilt für Kinderteller oder Kindermenüs.
    Ich habe ohne große Vorbereitung aufgezählt, was mir im praktischen Leben begegnet. Ich sage mir: Familienlastenausgleich, familienfreundliche Gesellschaft ist nicht nur das, was wir geldlich über den Bundeshaushalt tun können.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Das ist eine wichtige Sache, aber lange nicht alles. Die anderen politischen Entscheidungsgremien sollen mithelfen. Aber auch die, die nicht in der politischen Szene sind, sondern im Kultur- und Wirtschaftsbereich, haben ein gerüttelt Maß Verantwortung in diesem Bereich. Das ist nötig — ich muß leider zum Schluß kommen, obwohl ich noch das eine oder andere sagen wollte — , damit wir den Generationenvertrag auch in Zukunft aufrechterhalten können. Denn wenn wir jetzt über Familie, über Kinder, über die Unterstützung der Familien mit Kindern sprechen, geht es auch darum — das ist die Verknüpfung der Sozial- und der Wirtschaftspolitik — , daß wir auch in Zukunft Steuerzahler haben und daß wir auch in Zukunft diejenigen haben, die in die Rentenkassen einzahlen. Das sind die heutigen Kinder. Sie müssen erst einmal dasein. Sie müssen aufwachsen können und Ausbildung und Motivation erhalten und sich in unser demokratisches Gefüge einfügen, so daß sich die Demokratie weiterentwickelt, daß unser Staat ein leistungsfähiger Staat bleibt. Erst dann werden wir einen Teil der Ziele — über die wir uns vermutlich einig sind — sukzessive finanzieren können. Wie gesagt: sukzessive. Auf dieser Ebene wird die FDP mitmachen. Ich möchte aber vor übertriebenen Hoffnungen warnen. Das geht nicht alles holterdiepolter von heute auf morgen, was die Finanzen anbelangt.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)