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ID1109001400

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    Plenarprotokoll 11/90 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 90. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 7. September 1988 Inhalt: Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung): a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1989: (Haushaltsgesetz 1989) (Drucksache 11/2700) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Der Finanzplan des Bundes 1988 bis 1992 (Drucksache 11/2701) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt (Fortsetzung): Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1988: (Nachtragshaushaltsgesetz 1988) (Drucksache 11/2650) Dr. Vogel SPD 6113 B Dr. Waigel CDU/CSU 6124 C Frau Vennegerts GRÜNE 6133 B Dr. Bangemann FDP 6136B Dr. Kohl, Bundeskanzler 6141 B Dr. Ehmke (Bonn) SPD 6152 B Rühe CDU/CSU 6160A Genscher, Bundesminister AA 6165 C Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE 6168 C Wimmer (Neuss) CDU/CSU 6170D Kühbacher SPD 6174 A Frau Seiler-Albring FDP 6179A Frau Beer GRÜNE 6181 C Dr. Scholz, Bundesminister BMVg 6183 D Gerster (Worms) SPD 6188 C Dr. Friedmann CDU/CSU 6190 B Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 6193 D Dr. Hauchler SPD 6197 B Hoppe FDP 6201 A Volmer GRÜNE 6202 B Nächste Sitzung 6205 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 6207* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 90. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1988 6113 90. Sitzung Bonn, den 7. September 1988 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens* 9. 9. Andres 7. 9. Dr. Becker (Frankfurt) 9. 9. Böhm (Melsungen)* 9. 9. Brandt 7. 9. Büchner (Speyer) 7. 9. Dr. von Bülow 8. 9. Clemens 7. 9. Frau Dr. Däubler-Gmelin 7. 9. Gallus 8. 9. Dr. Glotz 7. 9. Dr. Hauff 9. 9. Hiller (Lübeck) 9. 9. Höpfinger 9. 9. Frau Hoffmann (Soltau) 9. 9. Ibrügger** 9. 9. Dr.-Ing. Kansy** 9. 9. Frau Karwatzki 9. 9. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Frau Kelly 8. 9. Kuhlwein 9. 9. Dr. Kunz (Weiden)** 9. 9. Lutz 7. 9. Dr. Meyer zu Bentrup 8. 9. Niegel* 9. 9. Oostergetelo 9. 9. Frau Pack* 7. 9. Dr. Probst 9. 9. Rappe (Hildesheim) 9. 9. Dr. Riedl (München) 7. 9. Seidenthal 7. 9. Frau Steinhauer 9. 9. Frau Terborg 7. 9. Tietjen 9. 9. Toetemeyer 8. 9. Frau Weiler 9. 9. Westphal 9. 9. Frau Wilms-Kegel 9. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Theodor Waigel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Nein danke.
    Ich meine, daß wir uns diesem Thema ohne Emotion mit einer klugen Abwägung zuwenden und versuchen sollten, das sachgerecht zu lösen. Ich glaube, wenn man die Alternative so sieht, dann ist man auch bereit, diese nicht einfache Einsparung mitzutragen.
    Eine weitere große Herausforderung auf sozialpolitischem Gebiet ist die Rentenversicherung. Hier wird eine in der Zukunft eintretende Entwicklung, die auch andere Gebiete berührt, besonders deutlich, nämlich die Bevölkerungsentwicklung. Ich glaube, daß wir uns in vielen Bereichen der Politik überhaupt noch nicht im klaren darüber sind, was hier in den nächsten Jahrzehnten auf uns zukommt. Durch die demographische Kurve verschiebt sich das Verhältnis zwischen Beitragszahlern und Leistungsempfängern in einer beträchtlichen Weise.
    Verstärkt wurden diese Probleme durch eine Verlängerung der Ausbildungszeiten auf der einen Seite, durch eine stetige Vorziehung des Renteneintrittsalters auf der anderen Seite. Das zahlenmäßige Verhältnis zwischen jüngeren und älteren Menschen wird sich umkehren; unsere Bevölkerung wird älter.
    Solidarität, gepaart mit dem Gedanken der Subsidiarität, gibt uns nicht nur im Gesundheitswesen Halt und Orientierung. Auch für die Neuordnung des Alterssicherungssystems wird dadurch die Zielrichtung angegeben.
    In der Rentenversicherung gilt es, den Generationenvertrag zu sichern. Eine Reform ist nicht nur notwendig, sie ist auch dringlich. Die absehbare finanzielle Entwicklung duldet keine Vertagung.
    Meine Damen und Herren, es zeichnet diese Koalition gegenüber anderen Regierungen aus, daß wir das, was auch nach dem Wahltag notwendig ist, rechtzeitig in Angriff nehmen und beschließen. Eine SPD-Regierung würde diese Frage mit Sicherheit erst nach dem Wahltag 1990 beschließen.

    (Bundeskanzler Dr. Kohl: Sehr gut!)

    Eine SPD-Regierung wäre mit Sicherheit nach dem Wahltag an die Verlängerung des Wehrdienstes herangegangen. Wir sagen den Bürgern vor den Wahlen die Wahrheit und unterscheiden uns damit von Ihrer Politik in den 70er Jahren.

    (Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Dr. Philipp Jenninger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Penner?

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    Rede von Dr. Theodor Waigel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Nein. — Wir wollen bei der Reform an dem bewährten Rentensystem mit lohn- und beitragsbezogener Alterssicherung festhalten. Teile der Reform — wir treten dabei vor allem für einen deutlich höheren Bundeszuschuß ein — müssen bereits Anfang der 90er Jahre stufenweise in Kraft gesetzt werden. Auch Maßnahmen, die erst langfristig wirksam werden. müssen beizeiten klar sein. Der Versicherte soll seine Lebensplanung darauf einstellen können. Das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der Rentenversicherung muß erhalten bleiben, Belastungen müssen gleichmäßig verteilt werden. Die Rentenreform wird um so besser gelingen, je mehr sich die Betroffenen solidarisch verhalten. Wir brauchen die Freundschaft zwischen den Generationen. Das große Reformwerk kann nur gemeinsam bewältigt werden. Wir würden es begrüßen, wenn es hier zu einer gemeinsamen Lösung unter den demokratischen Parteien und den Tarifpartnern käme.
    Ein wichtiger Punkt ist für uns der Schutz des Lebens, auch der Schutz des ungeborenen Lebens. Wir werden weiter auf die Verabschiedung des Beratungsgesetztes drängen. Gerade in diesem Bereich kommt der Schutzgedanke, der einer Politik aus christlicher Verantwortung zugrunde liegt, deutlich zum Ausdruck. Hier ist auch der Verantwortungsbereich der Kirchen berührt, an die ich appelliere, uns hier wie bisher zu unterstützen oder zu kritisieren, wenn es notwendig ist.
    Herr Kollege Vogel, Sie sind laut Handbuch des Deutschen Bundestages seit 1952 Mitglied der ÖTV. Was geht eigentlich in dieser Organisation vor, wenn nur noch ein Bewerber, der sich ausdrücklich zur bedingungslosen Freigabe der Schwangerschaftsabbrüche bekennt, die Möglichkeit erhält, in den Vorstand dieser Organisation gewählt zu werden? Sie sind doch ein Mann, der sonst immer für die politische Kultur im Lande eintritt. Warum haben Sie sich damals zu dieser Frage als Mitglied der ÖTV eigentlich nicht geäußert?

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Vogel [SPD]: Das wissen Sie ja gar nicht!)

    — Herr Vogel, wenn ich es nicht weiß, dann wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie es mir mitteilen könnten. Ich werde dann für die Verbreitung sorgen, die Sie bisher unterlassen haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Vogel [SPD]: Danke schön, zu liebenswürdig! — Roth [SPD]: Im Bayernkurier!)

    — Durchaus.
    In schwierigen Gebieten der Innenpolitik hat die Bonner Koalition ihre Handlungsfähigkeit ebenfalls unter Beweis gestellt. Das Artikelgesetz zur inneren Sicherheit wurde auf den Weg gebracht. Wir stehen zum Demonstrationsrecht, wir sind jedoch nicht bereit, gewalttätige Demonstrationen tatenlos hinzunehmen. Wer vermummt oder bewaffnet an einer Demonstration teilnimmt, steht nicht unter dem Schutz



    Dr. Waigel
    des Grundgesetzes, sondern gehört in den Anwendungsbereich des Strafrechts.

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Wer Zustände, wie wir sie in der Hafenstraße in Hamburg erlebt haben, akzeptiert oder hinnimmt, darf sich nicht wundern, wenn das Rechtsbewußtsein breitester Schichten unserer Bevölkerung ins Wanken gerät.
    Auf dem Parteitag in Münster und heute wieder sprach der Kollege Vogel von der politischen Ausbeutung des Geiseldramas. Wer die zuständigen Landesinnenminister für die fatalen Fehler dieses Dramas in die politische Verantwortung nehmen will, verstößt nach den moralischen Vorstellungen des Kollegen Vogel gegen die Mindeststandards politischer Kultur. Ich kann Ihnen darauf nur antworten: Wir sind nicht bereit, den Täterschutz vor den Opferschutz zu stellen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Herr Kollege Vogel, ich kann mich gut erinnern, wie Sie vor zwei Jahren bei der Flucht des Spions Tiedge den Bundesinnenminister persönlich und politisch angegriffen haben, einen Untersuchungsausschuß verlangt haben und in einer an Schäbigkeit nicht mehr zu überbietenden Form Vorwürfe gemacht haben. Hier ausgerechnet sind Sie nicht bereit, die politische Verantwortung derer, die wirklich wußten, was geschieht, und Einflußmöglichkeiten hatten, zu akzeptieren.

    (Klein [München] [CDU/CSU]: Und die total versagt haben!)

    Daß Sie in diesem Zusammenhang Gott anrufen, er möge uns vor gewissen Menschen schützen, das ist eine unglaubliche Blasphemie, für die Sie sich schämen und entschuldigen sollten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    In die Ost-West-Beziehungen ist seit dem Amtsantritt Gorbatschows Bewegung gekommen. Die Bonner Koalition hat entscheidend zur Verbeserung der Beziehungen zwischen Ost und West beigetragen. Wir stehen fest im westlichen Bündnis und verwirklichen auf dieser Grundlage eine Politik des Dialogs und der politischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit den Staaten Osteuropas und sind deshalb auch ein für die östliche Supermacht kalkulierbarer Gesprächspartner.
    Obwohl die Spannungsursachen fortbestehen, ist die Zeit der offenen Konfrontation vorüber. Der bevorstehende Besuch Bundeskanzler Kohls in Moskau und der Besuch des Generalsekretärs Gorbatschow in Bonn werden ein deutlicher Beweis für den erreichten Fortschritt in den gegenseitigen Beziehungen sein.
    Eine neue Eiszeit in den Ost-West-Beziehungen, wie sie von der Opposition befürchtet worden war, fand ausschließlich in den Köpfen einiger Sozialdemokraten und am Nordpol und am Südpol statt. Das Gegenteil ist eingetreten. Das Ergebnis bei den Abrüstungsverhandlungen der beiden Großmächte im Bereich der Mittelstreckenflugkörper wäre ohne die feste Haltung dieser Bundesregierung und ohne den
    Vollzug des NATO-Doppelbeschluses nicht möglich gewesen.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU und der FDP)

    Durch unsere konsequente Politik konnte mehr Abrüstung erreicht werden, als die SPD je gefordert hat. Wäre es nach der SPD gegangen, hätten die Sowjets keine einzige ihrer SS-20-Raketen vernichten müssen. Der Verlauf der Verhandlungen bei den Mittelstreckenraketen hat gezeigt: Nicht mit Vorleistungen, nicht mit einseitigen Abrüstungsschritten, nicht mit bedingungsloser Übernahme sowjetischer Verhandlungspositionen, sondern einzig und allein durch die Demonstration von Entschlossenheit, durch Berechenbarkeit und Realismus sind echte Fortschritte im Bereich der Abrüstung und der Rüstungskontrolle möglich.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU und der FDP — Klein [München] [CDU/CSU]: Entgegen allen SPD-Voraussagen!)

    Zu abrüstungspolitischen Vorleistungen besteht kein Anlaß. Immer wieder muß daran erinnert werden: Abrüstung, Rüstungsbeschränkung und Rüstungskontrolle sind kein Selbstzweck, sondern müssen der Verbesserung der Sicherheit und der Sicherung des Friedens dienen. Eine Abrüstungspolitik, die das sowjetische Übergewicht festschreibt oder sogar neue Ungleichgewichte schafft, dient diesem Ziel nicht. Sie würde vielmehr die Bedrohung von Frieden und Freiheit verstärken.
    Solange noch keine weiteren ausgewogenen Abrüstungsverträge vorliegen, dürfen wir in unseren Anstrengungen für Frieden und Sicherheit nicht nachlassen. Die Erhöhung des Verteidigungshaushalts im Haushaltsjahr 1989 ist dafür ein deutliches Signal. Die Soldaten der Bundeswehr haben einen Anspruch darauf, zur Erfüllung ihres schwierigen Auftrags zur Sicherung des Personalumfangs der Streitkräfte und für die Materialbeschaffung ausreichende Finanzmittel zu erhalten.
    Auch mit der Deutschlandpolitik können wir im Rahmen dessen, was ereichbar ist, zufrieden sein. Heute genau vor einem Jahr begann Erich Honecker seinen Besuch in der Bundesrepublik Deutschland. Ein großer Teil der Vorhaben, die vor Jahresfrist vereinbart worden waren, konnte verwirklicht werden.
    Die Bundesregierung ist in dem Bemühen vorangekommen, die schmerzlichen Folgen der Teilung unseres Vaterlandes zu lindern und die Menschen einander näherzubringen. Das Bewußtsein für die Einheit der Nation ist wach wie eh und je, und der Wille, sie zu bewahren, ist ungebrochen.
    Ein deutliches Zeichen der Verbesserung der OstWest-Beziehungen ist die sprunghaft gestiegene Zahl der Aussiedler. Mit der Bereitstellung von Sondermitteln im Bereich des Wohnungsbaus hat die Bundesregierung einen entscheidenden Beitrag zur Eingliederung der Aussiedler geleistet.
    Es geht jedoch nicht nur um die Bereitstellung finanzieller Mittel, um diesen Deutschen ein menschenwürdiges Leben in der Bundesrepublik



    Dr. Waigel
    Deutschland zu ermöglichen. Entscheidend ist vielmehr — und hier stimme ich dem Bundeskanzler und auch dem Oppositionsführer zu — , manche Verwirrung in der Offentlichkeit zu beseitigen. Allen muß klar sein: Aussiedler sind Deutsche. Sie sind Deutsche, die bis heute unter den Folgen des Zweiten Weltkriegs besonders schwer zu leiden haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der SPD sowie der Abg. Frau Vennegerts [GRÜNE])

    Es ist beschämend, wenn die Aussiedler, die sich allen Widrigkeiten und Schwierigkeiten zum Trotz immer wieder zu ihrer deutschen Herkunft und Kultur bekannt haben, von manchem als Belastung für die Bundesrepublik Deutschland empfunden werden oder ihnen mit Gleichgültigkeit oder manchmal sogar mit Ablehnung gegenübergetreten wird. Einer wirtschaftlich gesunden Bundesrepublik Deutschland muß es möglich sein, diese Deutschen einzugliedern, wie es der Bundesrepublik Deutschland in ihrer Aufbauphase mit rund 12 Millionen Heimatvertriebenen und Flüchtlingen aus dem Osten gelungen ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der SPD)

    Angesichts dieser unbestreitbaren Leistung in einer schwierigen Zeit des Aufbaus der Bundesrepublik bin ich mir der Zustimmung der Bürger unseres Landes, die diese Integrationsleistung selbst erlebt und durch ihre Arbeit ermöglicht haben, und ihrer Aufnahmebereitschaft für die Ausiedler sicher. Den Jüngeren unter uns muß dieses Vorbild Ansporn und Verpflichtung sein. Wir werben niemanden ab, wir gewähren aber denen Heimat, die in ihrer bisherigen Heimat heimatlos geworden sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der SPD)

    Viele dieser Aussiedler würden es sicherlich vorziehen, in ihrer bisherigen Heimat zu bleiben. Was sie zur Ausreise bewegt, ist nicht nur die Hoffnung auf einen materiell höheren Lebenstandard, sondern vor allem der Mangel an Freiheit als das grundlegende Kennzeichen jeden Systems des real existierenden Sozialismus. Ob sich an diesem Zustand in den kommenden Jahren Entscheidendes ändern wird, werden wir in der Sowjetunion und in anderen Völkern beobachten können.
    Weite Teile der Weltöffentlichkeit sind gegenwärtig fasziniert von den innenpolitischen Vorgängen in der Sowjetunion. Glasnost und Perestroika sind für viele Menschen Ausdruck der Hoffnung auf innere Reformen, Liberalisierung, Demokratisierung, vielleicht auch Marktwirtschaft innerhalb des kommunistischen Systems der Zentralverwaltungswirtschaften. Gorbatschows Ziel ist es, die wirtschaftliche Effizienz in den Staaten des real existierenden Sozialismus zu steigern.
    Es stellt sich die Frage, warum Glasnost und Perestroika erforderlich sind, warum eine Steigerung der wirtschaftlichen Effizienz im Laufe der Jahre zu einer Überlebensbedingung des kommunistischen Machtbereichs unumgänglich geworden ist. Die Antwort liegt auf der Hand: Glasnost und Perestroika sind Ausdruck der grundlegenden politischen und gesellschaftlichen Fehlentwicklungen im real existierenden Sozialismus. Ein politisches System, in dem alle Lebensbereiche vom Staat gesteuert werden, in dem die Volkswirtschaft unter einen zentralen Plan gestellt wird, in dem eine offene politische Willensbildung fehlt, ist nicht in der Lage, die Probleme von heute und morgen zu lösen. Es ist eigentlich kein Wunder, wenn diese Systeme in praktisch allen zivilen Sektoren der Technik mit Ausnahme der Weltraumforschung, in der Produktivität der Arbeit und des eingesetzten Realkapitals, in den Bemühungen zur Bekämpfung der Fehlentwicklungen im Umweltbereich zunehmend den Anschluß an die Entwicklungen im Westen verloren haben. In allen diesen Bereichen haben sich die freiheitlichen Systeme des Westens gegenüber dem real existierenden Sozialismus im Osten als eindeutig überlegen erwiesen. Dies sollte all jenen politischen und gesellschaftlichen Gruppierungen zu Denken geben, die unser System mit all seinen kleineren und größeren Fehlern teilweise oder ganz in Frage stellen, wirtschaftliche und soziale Gleichheit prinzipiell vor die Freiheit stellen und bei der Lösung politischer, wirtschaftlicher und sozialer Probleme ausschließlich auf die Allmacht des staatlichen Apparates setzen.

    (V o r s i t z : Vizepräsident Stücklen)

    Inwieweit Glasnost und Perestroika Wirklichkeit werden, hängt von den innenpolitischen Kräftekonstellationen in der Sowjetunion ab. Wir können Gorbatschows Kurs nicht durch einseitige Vorleistungen oder wirtschaftliche Geschenke unterstützen. Wir können ihn jedoch unterstützen, indem wir die Aufrechterhaltung unserer Verteidigungsfähigkeit mit der Bereitschaft zur Kooperation in wirtschaftlichen und technologischen Fragen verbinden, diese wirtschaftlich-technische Kooperation mit der Forderung nach dem Abbau der militärischen Übermacht Moskaus, und unsere Vorstellungen von politischen und menschlichen Grundrechten immer wieder verdeutlichen, die letztendlich den Reformprozeß in der Sowjetunion ausgelöst haben. Wir sollten uns auch nicht scheuen, nicht nur die Bewunderung für das, was Gorbatschow will oder vorhat, dann und wann zum Ausdruck zu bringen, sondern auch unsere wirkliche Bewunderung für jene, die nicht bereit waren, sich und ihren Geist knechten zu lassen, für Männer, die jeder Unbill des Systems widerstanden, wie Sacharow und viele andere.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir haben unsere Politik in den vergangenen Jahren in den Zusammenhang übergreifender Ideen und Prinzipien gestellt. Unsere Ordnungspolitik im weitesten Sinne des Begriffs ist von liberalen und sozialen Grundsätzen geprägt. Bei der Bewältigung der wirtschaftlichen Probleme haben wir mit Erfolg den Schwerpunkt auf die Freiheit und Eigenverantwortung der Bürger sowie auf die Kräfte des Marktes gelegt. Unsere Steuerpolitik orientiert sich gleichermaßen an der Leistungsfähigkeit wie — ich möchte das betonen — an der Leistungsbereitschaft der Bürger. Grundlage unserer Reformmaßnahmen im Bereich des Gesundheitswesens bildet ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Solidarität und Subsidiarität.



    Dr. Waigel
    Freundschaft zwischen den Generationen ist unser Leitgedanke bei der Strukturreform in der Rentenversicherung. Personalität und Achtung der menschlichen Würde leiten unsere Bemühungen beim Schutz des Lebens, vor allem des ungeborenen Lebens.
    Unsere Umwelt- und Energiepolitik stellt die voraussehbaren Folgen und Nebenfolgen aller alternativen Wege in Rechnung und ist mithin verantwortungsethisch ausgerichtet, wie es der Preisträger Jonas von uns fordert. In der Landwirtschaftspolitik bemühen wir uns um einen Ausgleich zwischen ökonomischen, ökologischen und sozialen Herausforderungen. Unsere Außen- und Sicherheitspolitik orientiert sich an Bergsträssers Weltkonzeption einer freiheitlichen Ordnung, d. h. einer freien Gemeinschaft freier Völker.
    Die Koalition der Mitte hat in allen Bereichen der Politik ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis gestellt.

    (Dr. de With [SPD]: Besonders bei den Arbeitslosen!)

    Sie wird die noch ausstehenden Vorhaben auf den Weg bringen und verabschieden, und sie wird auf der Grundlage eines positiven Wählervotums mit Bundeskanzler Kohl ihre Arbeit über 1990 hinaus fortsetzen.
    Ich danke Ihnen.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)