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ID1108807600

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    Plenarprotokoll 11/88 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 88. Sitzung Bonn, Freitag, den 24. Juni 1988 Inhalt: Abweichung von den Richtlinien für die Fragestunde und den Richtlinien für Aktuelle Stunden in der Sitzungswoche ab 5. September 1988 5999 A Erweiterung der Tagesordnung 5999 A Glückwünsche für den ausscheidenden Abg Dr. Wörner 6041 B Tagesordnungspunkt 20: a) Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung: Rückblick auf den Weltwirtschaftsgipfel in Toronto und Ausblick auf den Europäischen Rat in Hannover b) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 11. April 1984 zur Änderung des Anhangs zur Satzung der Europäischen Schule (Drucksache 11/3555, 11/1988) c) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Europäischer Rat am 27./28. Juni 1988 in Hannover (Drucksache 11/2327) d) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Schaffung eines europäischen Finanzraums (Drucksachen 11/1656 Nr. 3.3, 11/1707, 11/2575) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 11: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Bilanz der deutschen EG-Präsidentschaft und Europäischer Rat am 27./28. Juni 1988 in Hannover Dr. Kohl, Bundeskanzler . . . . 5999D, 6023 A Roth SPD 6004 C Spilker CDU/CSU 6006 B Sellin GRÜNE 6007 C Dr. Haussmann FDP 6009 A Brück SPD 6011 A Kittelmann CDU/CSU 6013 A Volmer GRÜNE 6014 C Irmer FDP 6016 B Dr. Wulff CDU/CSU 6017 D Dr. Vogel SPD 6018C, 6024 C Dr. Schwörer CDU/CSU 6025 B Dr. Wieczorek SPD 6026 C Tagesordnungspunkt 21: a) Beratung der Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur Erklärung der Bundesregierung über die Ergebnisse des Europäischen Rates und der Gespräche in Washington zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur Erklärung der Bundesregierung über die Ergebnisse des Europäischen Rates und der Gespräche in Washington zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur Erklärung der Bundesregierung über die Ergebnisse des Europäischen Rates und der Gespräche in Washington (Drucksachen 11/1869, 11/1870, 11/1886, 11/2332) II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Juni 1988 b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Fortsetzung des atomaren Abrüstungsprozesses (Drucksache 11/2438) Dr. Ehmke (Bonn) SPD 6027 A Lamers CDU/CSU 6030 A Frau Beer GRÜNE 6032 B Genscher, Bundesminister AA 6034 B Dr. Scheer SPD 6036 B Lowack CDU/CSU 6038 B Ronneburger FDP 6039 D Zusatztagesordnungspunkt 10: Aktuelle Stunde betr. das neue Ausländergesetz — Zielsetzung und Zeitvorstellung der Bundesregierung Frau Trenz GRÜNE 6041 D Gerster (Mainz) CDU/CSU 6042 D Schröer (Mülheim) SPD 6043 C Dr. Hirsch FDP 6044 D Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär BMI 6045 C Wartenberg (Berlin) SPD 6047 A Dr. Olderog CDU/CSU 6048 B Frau Olms GRÜNE 6049 B Dr. Blens CDU/CSU 6049 D Frau Dr. Sonntag-Wolgast SPD 6050 D Lüder FDP 6051 D Duve SPD 6052 C Dr. Kappes CDU/CSU 6053 C Fellner CDU/CSU 6054 C Nächste Sitzung 6055 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 6053* A Anlage 2 Erklärung des Abg. Müller (Wesseling) (CDU/CSU) nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Steuerreformgesetzes (Drucksache 11/2157) 6057* B Anlage 3 Amtliche Mitteilungen 6053* C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Juni 1988 5999 88. Sitzung Bonn, den 24. Juni 1988 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 24. 6. Dr. Ahrens* 24. 6. Dr. Bangemann 24. 6. Frau Beck-Oberdorf 24. 6. Dr. Biedenkopf 24. 6. Bohlsen 24. 6. Dr. Böhme (Unna) 24. 6. Börnsen (Ritterhude) 24. 6. Frau Brahmst-Rock 24. 6. Büchner (Speyer) * 24. 6. Catenhusen 24. 6. Eimer (Fürth) 24. 6. Engelhard 24. 6. Feilcke 24. 6. Dr. Häfele 24. 6. Frau Dr. Hartenstein 24. 6. Dr. Hauff 24. 6. Frau Hoffmann 24. 6. Hoppe 24. 6. Ibrügger 22. 6. Frau Kelly 24. 6. Dr. Klejdzinski 24. 6. Kolb 24. 6. Menzel 24. 6. Dr. Müller * 24. 6. Frau Rust 24. 6. Sauer (Salzgitter) 24. 6. Schartz (Trier) 24. 6. Frau Schilling 24. 6. Schmidt (München) 24. 6. Dr. Schmude 24. 6. Dr. Schneider (Nürnberg) 24. 6. Stahl (Kempen) 24. 6. Verheugen 24. 6. Westphal 24. 6. Frau Wieczorek-Zeul 24. 6. Frau Wollny 24. 6. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Müller (Wesseling) (CDU/CSU) nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Steuerreformgesetzes (Drucksache 11/2157) Bei der heutigen namentlichen Abstimmung zur Flugbenzinsteuer werde ich für die Befreiung von der Anlagen zum Stenographischen Bericht Flugbenzinsteuer stimmen, obwohl ich diese Entscheidung für falsch halte. Diese Entscheidung zerstört in den Augen der Öffentlichkeit die Glaubwürdigkeit der Steuerreform und verletzt das Gerechtigkeitsgefühl vieler Bürger und ist auch sachlich nicht geboten. Lediglich wegen der Gefährdung der Steuerreform und der dann vorliegenden Handlungsunfähigkeit der Koalition und des drohenden Verlustes der Regierungsfähigkeit werde ich meine Zustimmung erteilen. Anlage 3 Amtliche Mitteilungen Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 10/6192 Drucksache 10/6380 Drucksache 11/201 Drucksache 11/484 Drucksache 11/883 Nr. 5 Drucksache 11/1213 Drucksache 11/1484 Drucksache 11/1546 Innenausschuß Drucksache 11/2350 Nr. 1.1 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 10/6562 Drucksache 10/6796 Drucksache 11/1317 Drucksache 11/1728 Drucksache 11/1733 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß sie die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen haben: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 11/883 Nr. 22 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/1656 Nr. 3.20-3.32 Drucksache 11/2089 Nr. 9-14, 16-26 Drucksache 11/2198 Nr. 2.6-2.8 Ausschuß für Forschung und Technologie Drucksache 11/1526 Nr. 3.4 Drucksache 11/2089 Nr. 32 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 11/1998 Nr. 2.9 Drucksache 11/2089 Nr. 35
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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


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    Wir dürfen nicht haltmachen; es ist noch viel mehr zu tun.
    Das INF-Abkommen muß zur Initialzündung eines breit angelegten Abrüstungsprozesses werden. Wir appellieren mit aller Dringlichkeit an die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion, eine Einigung über die 50 %ige Reduzierung der strategischen Waffen noch in diesem Jahr herbeizuführen. Dauerhafte Festigung der strategischen Stabilität zwischen den Großmächten liegt auch in unserem Sicherheitsinteresse.
    Ich appelliere auch an alle Beteiligten, auf die Überwindung der letzten Hindernisse für die weltweite Beseitigung der C-Waffen noch in diesem Jahr hinzuarbeiten.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Ehmke [Bonn] [SPD])

    Chemische Waffen — in Wahrheit sind es Menschen-und Naturvernichtungsmittel — dürfen keinen Platz mehr in den Waffenarsenalen dieser Welt haben.
    Das Kernproblem der militärischen Sicherheit ist die Schaffung konventioneller Stabilität in Europa.

    (Lamers [CDU/CSU]: So ist es!)

    Wir wollen für Europa ein System kooperativer Sicherheit, das es unmöglich macht, einen konventionellen Krieg vom Zaun zu brechen und zu führen. Die Brüsseler NATO-Erklärung über konventionelle Abrüstung von 1986 fordert ein stabiles und gesichertes Gleichgewicht der konventionellen Streitkräfte auf niedrigerem Niveau. Ungleichgewichte müssen durch asymmetrische Reduzierungen abgebaut werden. Die Fähigkeit zu Überraschungsangriffen und zu raumgreifenden Offensiven soll beseitigt werden, wie es auf westlicher Seite heute schon der Fall ist.
    Der sowjetische Außenminister Schewardnadse hat am B. Juni 1988 vor den Vereinten Nationen mit dem Einverständnis, die auszutauschenden Daten am Ort überprüfen zu lassen und mit der Beseitigung der bestehenden Ungleichgewichte zu beginnen, eine bemerkenswerte Annährung an westliche Positionen gezeigt.
    Wirkliche konventionelle Stabilität und weitere Vertrauensbildung verlangen auch die Verständigung über die der Verteidigung zugrunde liegenden Philosophien. Wir wollen ein gemeinsames Verständnis über die Aufgabenstellung der Streitkräfte auf beiden Seiten.

    (Bahr [SPD]: Ja!)

    Das muß sich in Umfang, Ausrüstung und Führungsgrundsätzen für die Streitkräfte auf beiden Seiten ausdrücken.

    (Bahr [SPD]: Ja!)

    Die Brüsseler Erklärung von 1986 fordert deshalb: Die Aufgabe von Streitkräften darf nur darin bestehen, Kriege zu verhindern und die Selbstverteidigung sicherzustellen; sie soll nicht dazu da sein, um Aggressionen zu begehen und als Mittel der politischen oder militärischen Einschüchterung zu dienen.

    (Bahr [SPD]: Ja!)

    Wir besprechen zur Zeit mit der polnischen Regierung die Veranstaltung eines Seminars über Militärdoktrinen bzw. Verteidigungsphilosophien

    (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD — Bahr [SPD]: Sehr gut! — Frau Beer [GRÜNE]: Da nehmen Sie den Lamers mal mit!)

    unabhängig von der vorgesehenen Behandlung in den Verhandlungen. Wir wollen dazu Teilnehmer aus allen KSZE-Staaten einladen.
    In Wien haben die Arbeiten an dem Verhandlungsmandat als Teil eines ausgewogenen Schlußdoku-



    Genscher
    ments der KSZE-Folgekonferenz schon weitreichende Einigung erbracht. Das gilt auch für die Frage des Verhandlungsgegenstands, d. h. für die Frage, welche Waffen und Streitkräfte einbezogen werden sollen.
    Zwischen West und Ost besteht auch Einigkeit, daß die Verhandlungen über die konventionelle Rüstungskontrolle zwischen den 23 Mitgliedstaaten der beiden Bündnisse stattfinden werden.
    Das Kommuniqué der NATO-Außenminister von Reykjavik umfaßt die Abrüstungsziele für die strategischen, die chemischen und die konventionellen Waffen sowie für die amerikanischen und sowjetischen nuklearen Flugkörper kürzerer Reichweite. Das Atlantische Bündnis hat in Reykjavik ein kohärentes Gesamtkonzept für Rüstungskontrolle und Abrüstung erarbeitet, das unter Mitwirkung der künftigen amerikanischen Administration umfassend weiterentwikkelt werden wird.
    Jede sicherheitspolitische Entscheidung setzt eine gründliche Analyse der Bedrohung, der Ziele und der realistischen Perspektiven der Abrüstung und Rüstungskontrolle sowie der Entwicklung des Kräfteverhältnisses und der politischen Lage durch die politischen Instanzen des Bündnisses voraus.

    (Dr. Feldmann [FDP]: Sehr richtig!)

    Es wäre deshalb falsch, Vorgriffe in Einzelfragen herbeiführen zu wollen.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Wir sind heute gefordert, durch kooperative Sicherheitsstrukturen die sicherheitspolitischen Elemente für eine europäische Friedensordnung zu schaffen.
    Bei der weiteren Entwicklung des rüstungskontrollpolitischen Gesamtkonzepts werden wir darauf achten, daß sich Art und Umfang des für unsere Sicherheit erforderlichen militärischen Potentials ausschließlich an dem unverrückbaren Ziel des westlichen Bündnisses ausrichtet, nämlich der Kriegsverhinderung. Abrüstungsschritte müssen mehr Sicherheit schaffen. Der Ersatz von Abrüstung in einem Bereich durch neue Rüstungen an anderer Stelle schafft neue Instabilität und gefährdet damit sicherheitsbildende Abrüstung.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Sehr wahr!)

    Es ist verständlich, daß sich immer mehr Menschen Gedanken über die Zukunft der atomaren Waffen machen. Die doppelte Null-Lösung für die Mittelstreckenraketen und die START-Verhandlungen entsprechen deshalb den Wünschen und den Sehnsüchten der Menschen. Dieser Vertrag und diese Verhandlungen sind keine Illusionen; sie sind Realitäten. Sie schaffen mehr, nicht weniger Sicherheit.
    Wir wissen: Es gibt für die voraussehbare Zeit für die Kriegsverhinderung keine Alternative zu einer Abschreckungsstrategie, die auf einer geeigneten Zusammensetzung angemessener und wirksamer nuklearer und konventioneller Streitkräfte beruht. Als Realisten können wir die Sicherheit von heute nicht auf Hoffnungen und Erwartungen für morgen stützen, aber wir müssen alles dafür tun, daß diese Hoffnungen und Erwartungen Wirklichkeit werden.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

    Diese Verantwortung bedeutet aber auch, daß auch in Zukunft gelten muß: Nukleare Waffen dienen im Verständnis des westlichen Bündnisses der Kriegsverhinderung. Sie haben damit eine politische Funktion. Eine Verwischung der qualitativen Grenzen zwischen atomaren und konventionellen Waffen würde den abschüssigen Weg in Kriegführungsszenarien und damit in die Führbarkeit von Kriegen und in gefährliche Gedankenspiele über regionale atomare Kriegsschauplätze eröffnen.

    (Bahr [SPD]: Völlig richtig!)

    Wir waren und sind uns immer bewußt, daß es die Grundvoraussetzung der nuklearen Abschreckung ist, daß sich auch die östliche Seite in höchstem Maße rational und verantwortlich verhält.

    (Bahr [SPD]: Ja!)

    Was aber, meine Damen und Herren, kann dagegen sprechen, das gleiche Maß an Vertrauen der östlichen Seite dann einzuräumen, wenn es darum geht, Grundlagen unserer Sicherheit durch kooperative Strukturen zu verbreitern, d. h. das große Ziel der Kriegsverhinderung immer weniger allein der nuklearen Abschreckung anzuvertrauen?

    (Beifall bei der FDP und des Abg. Bahr [SPD])

    Über das Netz der Abschreckung mit nuklearen und konventionellen Mitteln, das Auffangnetz der Ultima ratio, muß ein zusätzliches Netz gespannt werden, das die Risiken reduziert, die sich bei einer ausschließlichen Abstützung auf militärische Abschreckung ergeben.
    Es geht also zum einen im engeren militärischen Sinne um die Beseitigung der Fähigkeit zu Überraschungsangriffen und zur raumgreifenden Offensive. Zum anderen geht es in einem breiteren politischen Sinne darum, verläßliche kooperative Strukturen der Stabilität und des Vertrauens zu erarbeiten und die Ursachen für Spannungen und Mißtrauen und damit letztlich auch für das gegenwärtige Maß an militärischer Rüstung zu beseitigen.
    Die gegenwärtige Abrüstungsdiskussion vollzieht sich in einer sich verändernden internationalen Lage, die die Chance zu tiefgreifenden Umgestaltungen im West-Ost-Verhältnis eröffnet. Die selbstkritische sowjetische Auseinandersetzung mit der früheren Außenpolitik der Sowjetunion ist ein wichtiger Beitrag zur Vertrauensbildung und zur Stabilisierung der internationalen Beziehungen.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

    Denn es waren ja in der Tat Entwicklungen wie die SS-20-Rüstung und die sowjetische Invasion in Afghanistan, die die Früchte der Entspannungspolitik nicht so haben reifen lassen, wie der kühne Entwurf der Schlußakte von Helsinki, aber auch die ihr vorangegangenen Verträge der Bundesrepublik Deutschland



    Genscher
    mit der Sowjetunion, der Volksrepublik Polen, der CSSR und der DDR es möglich gemacht hätten.

    (Zuruf von der FDP: So ist es!)

    Wir erkennen ein neues Denken in der sowjetischen Außenpolitik, dem auch neue Taten folgen, wie die Beseitigung der Mittelstreckenvorrüstung, wie die Einräumung von Vor-Ort-Inspektionen, wie asymmetrische Abrüstung und wie der beginnende Rückzug aus Afghanistan belegen.
    Die eigentliche Bedeutung dieser Entwicklung liegt darin, daß damit die Sowjetunion auf das schon im Harmel-Bericht vorgesehene Konzept der Modernisierung der West-Ost-Beziehungen mit Elementen einer kooperativen Philosophie konstruktiv eingeht. Wir werden die geschichtliche Chance, die in der neuen sowjetischen Denkweise, liegt, nutzen und die WestOst-Beziehungen in ihrer ganzen Breite, politisch, wirtschaftlich, technologisch, ökologisch und kulturell, entwickeln und vertiefen. Es ist Europa, unser Europa, das die Chance erhält, eine Friedensordnung von politischer Qualität, von Zusammenarbeit und von kooperativer Sicherheit zu schaffen, die Maßstäbe des Zusammenlebens setzen kann, die über unseren Kontinent hinaus wirken.
    Achtung der Menschenwürde, Öffnung nach innen und außen, auch der östlichen Gesellschaften, und ihre Humanisierung,

    (Dr. Todenhöfer [CDU/CSU]: Selbstbestimmungsrecht!)

    Zusammenarbeit bei kooperativen Sicherheitsstrukturen, kurzum die Verwirklichung der Schlußakte von Helsinki, sind die Fundamente für eine europäische Friedensordnung oder auch für ein gemeinsames europäisches Haus.

    (Dr. Todenhöfer [CDU/CSU]: Selbstbestimmungsrecht!)

    Da lohnt es sich schon für uns Deutsche, im Interesse aller Europäer und aller Deutschen auf eine solche Entwicklung konstruktiv einzugehen und sie auch konstruktiv mitzugestalten.

    (Dr. Todenhöfer [CDU/CSU]: Gilt das auch für das Selbstbestimmungsrecht?)

    Wir bekräftigen dabei die besondere Bedeutung der deutsch-sowjetischen Beziehungen. Wir bekräftigen die Verantwortungsgemeinschaft der beiden deutschen Staaten. Hier kann und hier wird sich unsere europäische Friedensverantwortung bewähren.

    (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Scheer.

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    Rede von Dr. Hermann Scheer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die SPD hat zwei Anträge vorgelegt, einen vom Februar und einen im Juni abgefaßten. Diese Initiativen enthalten zwei Schwerpunkte, die besonders in dem im Juni abgefaßten Antrag, der heute dem Bundestag erstmals vorliegt und debattiert wird, festgehalten und verdeutlicht sind, nämlich daß eine Modernisierung und eine Neurüstung von Atomraketen in Nachfolge der vorhandenen Kurzstreckenrakete Lance abgelehnt wird und daß es auch keine Marschflugkörper und Raketen auf Flugzeugen geben darf, die ein gezieltes Unterlaufen des Mittelstreckenraketen-Abkommens bedeuten würden.

    (Lamers [CDU/CSU]: Wieso denn?)

    Denn wenn Sie die Reichweite von Flugzeugen mit der Reichweite von Kurzstreckenraketen unter 500 km zusammenfügen —

    (Dr. Todenhöfer [CDU/CSU]: Es gibt keine Null-Lösung für Flugzeuge!)

    das sind flugzeuggestützte Waffen —, dann kommen Sie auf die Reichweite von Mittelstreckenraketen.
    Wenn wir schon, Herr Kollege Todenhöfer und Herr Kollege Lamers, die Debatte im Kammerton führen, sollten wir die Gelegenheit, die Argumente präzise auszutauschen, nicht verstreichen lassen.
    Ein zweiter Punkt, warum wir diesen Antrag einbringen: Wir meinen, daß Verhandlungen über die Abschaffung atomarer Kurzstreckenwaffen eröffnet werden sollen, die parallel zu denen über konventionelle Abrüstung stattfinden sollen, die also daneben und gesondert stattfinden sollen. Mit anderen Worten: Sie sollen nicht mit den Bemühungen um konventionelle Rüstungsreduzierungen verschränkt sein.
    Die SPD hält eine Willenserklärung des Bundestages für zwingend erforderlich, weil die Bundesregierung trotz der Worte, wie wir sie eben vom Außenminister gehört haben und wie sie unseren Auffassungen entsprechen, nicht in der Lage war, einen klaren Willen zu formulieren. Das gilt für die Bundesregierung in ihrer Gesamtheit.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Sehr wahr!)

    Nun möchte ich zunächst sagen, warum wir einen zusätzlichen Antrag gestellt haben.

    (Lamers [CDU/CSU]: Da bin ich gespannt!)

    Wir haben im Februar einen Antrag gestellt, in dem wir sowohl die Notwendigkeit der Abrüstung bei atomaren Kurzstreckenwaffen betont als auch bestimmte Kriterien und Ziele für konventionelle Abrüstungsverhandlungen formuliert haben. Wir haben gesagt: Dieses muß natürlich im thematischen Zusammenhang gesehen werden.
    Wir haben in den folgenden Wochen und Monaten beobachtet, wie denn die Mandatsverhandlungen aussehen. Wir mußten feststellen, daß von den vollmundigen Absichtserklärungen aller Parteien aus der Koalitionsregierung, die im Dezember nach dem Abschluß des INF-Vertrages gegeben worden waren und bis in den Januar/Februar anhielten, nämlich daß jetzt atomare Kurzstreckenwaffen abgerüstet werden müßten, immer weniger übrig blieb.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Sendepause!)

    Wir haben seit vielen Monaten eine Sendepause erlebt, wenn es um das Mandat, also um die Zielsetzung einer konventionellen Abrüstungskonferenz, geht. Dies macht es selbstverständlich erforderlich, einen zusätzlichen Antrag zu stellen, der

    (Lamers [CDU/CSU]: Mit einem anderen Inhalt!)




    Dr. Scheer
    — darauf komme ich gleich — die Notwendigkeit der Abrüstung atomarer Kurzstreckenwaffen besonders hervorhebt, je mehr Sie dieses in den Hintergrund gedrängt haben. Das ist der eigentliche Grund, warum wir dies tun.
    Natürlich gab es bei uns eine Debatte, Herr Lamers, über die Frage: Wie sieht denn der thematische Zusammenhang aus? Soll verbunden verhandelt werden? In welcher Weise soll ein Zusammenhang hergestellt werden? Nie haben wir die These eines Junktims vertreten, d. h. einer wechselseitigen Abhängigkeit von Ergebnissen bei Rüstungskontrollverhandlungen auf dem konventionellen Sektor mit Möglichkeiten der Abrüstung bei Kurzstreckenwaffen. Aber die Frage, wie Verhandlungsrunden aussehen sollen, haben wir selbstverständlich erörtert.
    Wir haben, um zu einem Ergebnis zu kommen, drei Monate gebraucht. Wir haben darüber debattiert. Aber Sie debattieren ja heute noch, und es wird immer nebulöser. Das ist der entscheidende Unterschied.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Wir beanspruchen doch gar nicht, alles von vornherein zu wissen. Natürlich diskutieren wir.
    Damit sind wir bei dem Antrag. Ich möchte betonen, daß dieser Antrag auch die Funktion haben soll zu drängen. Ich möchte in Erinnerung bringen, was unser Drängen bewirkt hat. Ohne unser Drängen im letzten Jahr hätten sich diejenigen in der Koalitionsregierung — wir denken hierbei auch an den Außenminister — , die für die doppelte Nullösung waren gegen den Widerstand der CDU/CSU nicht durchsetzen können. Ohne unser Drängen hätten sich diejenigen in der Bundesregierung, die am Schluß einsehen mußten,

    (Koschnick [SPD]: Da sieht keiner was ein!)

    daß die Pershing I a mit beseitigt werden muß, nicht durchsetzen können.

    (Lamers [CDU/CSU]: Überschätzen Sie sich nicht zu sehr! — Zuruf von der FDP: Woher wissen Sie das? — Gegenruf Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Das erzähle ich Ihnen nachher!)

    Ohne unser Drängen — das war doch offensichtlich — hätte Herr Genscher nicht den Spielraum, den er auszuweiten versucht, um deutliche Abrüstungspositionen von deutscher Seite aus zu artikulieren.

    (Beifall bei der SPD)

    Dies sind Tatbestände; die weiß doch jeder.
    Damit komme ich zu den Dingen, die in unserem Antrag enthalten sind, nämlich klare Worte über Ziele. Klare Worte über Ziele sind notwendig, wenn diesen nebulösen Nachrichten tatsächliche Entwicklungen gegenüberstehen. In Amerika geht man heute fest davon aus, daß die Bundesregierung an dem Modernisierungsprozeß — sprich: Neurüstungsprozeß — atomarer Waffen beteiligt ist.

    (Koschnick [SPD]: Scholz!)

    Man geht fest davon aus. Wir können ja lesen, wir
    können ja hören, was im amerikanischen Kongreß
    gesagt wird. Es wird ja von Ihrer Seite nicht widersprochen.
    Wenn das alles falsch wäre, was dort gesagt wird, müßten Sie sich doch eigentlich verbitten, daß Ihnen ständig unterstellt wird, Sie würden sich an der Modernisierung beteiligen, obwohl Sie es doch — vorgeblich — nicht tun. Das ist der Punkt, der uns aufmerksam machen sollte.
    Offensichtlich steht die Modernisierungsabsicht — sprich: Neurüstungsabsicht — der NATO fest. Offen ist nur noch die Entscheidung, wann und für welche Systeme. Solange diese Entscheidung des Wann und für welche Systeme noch nicht endgültig ist, gibt es natürlich noch Spielraum, es zu verhindern. Den wollen wir nutzen; wir wollen ja nicht den Teufel an die Wand malen. Aber dieses Abwiegeln von Ihrer Seite aus, als ginge es im Moment um gar nichts, entspricht nicht den Tatsachen.

    (V o r sitz : Vizepräsident Stücklen)

    Ich will einmal eine neutrale Quelle zitieren. Die „Stuttgarter Zeitung" hat vor wenigen Wochen geschrieben:
    Wer das Wort Modernisierung aus offiziellen NATO-Kommuniqués heraushalten will,
    — darum hat sich die Bundesregierung bemüht —
    erweckt den falschen Eindruck, als sei die Entscheidung darüber noch offen. Dabei geht es lediglich noch um die Frage, welches Waffensystem zuerst und welches später modernisiert werden soll.
    Und weiter:
    Wer dennoch wie die Bundesregierung behauptet, es bestehe kein Entscheidungsbedarf etwa für die Modernisierung des Systems atomarer Kurzstreckenraketen, der irrt schon wieder. Das Bonner Votum ist nicht erst dann gefragt, wenn es um die Beschaffung des Systems geht. Schon bei der Konzipierung und der Entwicklung sind entscheidende Worte nötig. Und um die Entwicklung geht es bereits jetzt.
    Dem ist nichts hinzuzufügen.

    (Zuruf von der SPD: Korrekt!)

    Deswegen ist unser Antrag jetzt erforderlich in der Hoffnung, daß ihm möglichst viele zustimmen. Da hilft auch kein Verweis auf ein Gesamtkonzept, auf das man in der Regel immer dann verweist, wenn man kein konkretes im einzelnen hat.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Offensichtlich wehrt sich die Bundesregierung nicht gegen eine solche Neurüstung in ihrer Gesamtheit, weil die CDU/CSU an einer Konzeption atomarer Abschreckung festhält, zu der auf jeden Fall Atomwaffen auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland gehören.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: So ist es!)

    Das ist der Punkt. Deswegen trennt die Position, wie sie in einem Beschluß des CDU-Bundesparteitags festgelegt ist — Zitat: „Die Bündnisstrategie der Kriegsverhinderung durch Abschreckung muß glaub-



    Dr. Scheer
    würdig und durchsetzbar bleiben. "; das ist prinzipiell und offensichtlich auf Dauer formuliert — , Welten von der Position der Überwindung der Abschreckung, wie wir sie formuliert haben und wie sie eben von Herrn Genscher bekräftigt worden ist. Das muß festgehalten werden. Darüber findet die eigentliche Auseinandersetzung statt.
    Es gibt Kollegen in der CDU/CSU, wie etwa Herr Todenhöfer, die das offen sagen. Er ist darin ehrlicher als viele, die so denken, aber sich dabei im Grunde genommen möglichst nicht erwischen lassen wollen und eben im Zusammenhang mit der möglichen Modernisierung davon reden, es bestehe kein Zeitbedarf, das sei nicht aktuell usw.
    Dieses Tauziehen hinter und in den Kulissen der Bundesregierung schadet unseren Möglichkeiten, deutsche Abrüstungsinteressen durchzusetzen. Wir wollen eine politische Klärung. Wir wollen, wie gesagt, daß möglichst das gesamte Haus daran mitwirkt, daß es Abrüstungsverhandlungen über atomare Kurzstreckenwaffen in gesonderter Weise gibt.
    Wir sollten uns nichts vormachen: Ein Verhandlungsforum von 23 NATO- und Warschauer-Pakt-Staaten, auf dem über konventionelle Abrüstung verhandelt wird, ist nicht das geeignete Forum, um über den Abbau amerikanischer und sowjetischer Kurzstreckenraketen in Mitteleuropa zu verhandeln. Wer meint, das sei das geeignete Forum, der irrt und macht sich mitverantwortlich dafür, daß auf diesem Sektor nichts passiert.
    Ein zweiter Punkt in dem Zusammenhang: Diese Verhandlungen, die wir für notwendig halten, sollten nicht von den Ergebnissen der Verhandlungen über die Kontrolle konventioneller Rüstung abhängig gemacht werden. Wer dies nämlich macht, der muß wissen und sollte das dann auch sagen: Auch gut laufende , schnell laufende konventionelle Rüstungskontrollverhandlungen haben einen Zeitbedarf von vielen Jahren, von fünf bis zehn Jahren. Bei MBFR wird schon 14 Jahre ohne Ergebnis verhandelt. Diejenigen, die erst dann über den Abbau atomarer Kurzstreckenwaffen verhandeln wollen, wie Sie es deutlich unterstrichen haben, Herr Lamers, können doch der deutschen Bevölkerung nicht zumuten, daß jetzt bei atomaren Kurzstreckenwaffen zehn Jahre politischer Stillstand, zehn Jahre Verhandlungspause herrschen. Das ist doch wohl nicht möglch. Diese Dinge wollen wir auf den Weg bringen. Wir werden uns nach der Sommerpause wieder sprechen.

    (Beifall bei der SPD)