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ID1108807400

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    Plenarprotokoll 11/88 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 88. Sitzung Bonn, Freitag, den 24. Juni 1988 Inhalt: Abweichung von den Richtlinien für die Fragestunde und den Richtlinien für Aktuelle Stunden in der Sitzungswoche ab 5. September 1988 5999 A Erweiterung der Tagesordnung 5999 A Glückwünsche für den ausscheidenden Abg Dr. Wörner 6041 B Tagesordnungspunkt 20: a) Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung: Rückblick auf den Weltwirtschaftsgipfel in Toronto und Ausblick auf den Europäischen Rat in Hannover b) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 11. April 1984 zur Änderung des Anhangs zur Satzung der Europäischen Schule (Drucksache 11/3555, 11/1988) c) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Europäischer Rat am 27./28. Juni 1988 in Hannover (Drucksache 11/2327) d) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Schaffung eines europäischen Finanzraums (Drucksachen 11/1656 Nr. 3.3, 11/1707, 11/2575) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 11: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Bilanz der deutschen EG-Präsidentschaft und Europäischer Rat am 27./28. Juni 1988 in Hannover Dr. Kohl, Bundeskanzler . . . . 5999D, 6023 A Roth SPD 6004 C Spilker CDU/CSU 6006 B Sellin GRÜNE 6007 C Dr. Haussmann FDP 6009 A Brück SPD 6011 A Kittelmann CDU/CSU 6013 A Volmer GRÜNE 6014 C Irmer FDP 6016 B Dr. Wulff CDU/CSU 6017 D Dr. Vogel SPD 6018C, 6024 C Dr. Schwörer CDU/CSU 6025 B Dr. Wieczorek SPD 6026 C Tagesordnungspunkt 21: a) Beratung der Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur Erklärung der Bundesregierung über die Ergebnisse des Europäischen Rates und der Gespräche in Washington zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur Erklärung der Bundesregierung über die Ergebnisse des Europäischen Rates und der Gespräche in Washington zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur Erklärung der Bundesregierung über die Ergebnisse des Europäischen Rates und der Gespräche in Washington (Drucksachen 11/1869, 11/1870, 11/1886, 11/2332) II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Juni 1988 b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Fortsetzung des atomaren Abrüstungsprozesses (Drucksache 11/2438) Dr. Ehmke (Bonn) SPD 6027 A Lamers CDU/CSU 6030 A Frau Beer GRÜNE 6032 B Genscher, Bundesminister AA 6034 B Dr. Scheer SPD 6036 B Lowack CDU/CSU 6038 B Ronneburger FDP 6039 D Zusatztagesordnungspunkt 10: Aktuelle Stunde betr. das neue Ausländergesetz — Zielsetzung und Zeitvorstellung der Bundesregierung Frau Trenz GRÜNE 6041 D Gerster (Mainz) CDU/CSU 6042 D Schröer (Mülheim) SPD 6043 C Dr. Hirsch FDP 6044 D Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär BMI 6045 C Wartenberg (Berlin) SPD 6047 A Dr. Olderog CDU/CSU 6048 B Frau Olms GRÜNE 6049 B Dr. Blens CDU/CSU 6049 D Frau Dr. Sonntag-Wolgast SPD 6050 D Lüder FDP 6051 D Duve SPD 6052 C Dr. Kappes CDU/CSU 6053 C Fellner CDU/CSU 6054 C Nächste Sitzung 6055 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 6053* A Anlage 2 Erklärung des Abg. Müller (Wesseling) (CDU/CSU) nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Steuerreformgesetzes (Drucksache 11/2157) 6057* B Anlage 3 Amtliche Mitteilungen 6053* C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Juni 1988 5999 88. Sitzung Bonn, den 24. Juni 1988 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 24. 6. Dr. Ahrens* 24. 6. Dr. Bangemann 24. 6. Frau Beck-Oberdorf 24. 6. Dr. Biedenkopf 24. 6. Bohlsen 24. 6. Dr. Böhme (Unna) 24. 6. Börnsen (Ritterhude) 24. 6. Frau Brahmst-Rock 24. 6. Büchner (Speyer) * 24. 6. Catenhusen 24. 6. Eimer (Fürth) 24. 6. Engelhard 24. 6. Feilcke 24. 6. Dr. Häfele 24. 6. Frau Dr. Hartenstein 24. 6. Dr. Hauff 24. 6. Frau Hoffmann 24. 6. Hoppe 24. 6. Ibrügger 22. 6. Frau Kelly 24. 6. Dr. Klejdzinski 24. 6. Kolb 24. 6. Menzel 24. 6. Dr. Müller * 24. 6. Frau Rust 24. 6. Sauer (Salzgitter) 24. 6. Schartz (Trier) 24. 6. Frau Schilling 24. 6. Schmidt (München) 24. 6. Dr. Schmude 24. 6. Dr. Schneider (Nürnberg) 24. 6. Stahl (Kempen) 24. 6. Verheugen 24. 6. Westphal 24. 6. Frau Wieczorek-Zeul 24. 6. Frau Wollny 24. 6. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Müller (Wesseling) (CDU/CSU) nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Steuerreformgesetzes (Drucksache 11/2157) Bei der heutigen namentlichen Abstimmung zur Flugbenzinsteuer werde ich für die Befreiung von der Anlagen zum Stenographischen Bericht Flugbenzinsteuer stimmen, obwohl ich diese Entscheidung für falsch halte. Diese Entscheidung zerstört in den Augen der Öffentlichkeit die Glaubwürdigkeit der Steuerreform und verletzt das Gerechtigkeitsgefühl vieler Bürger und ist auch sachlich nicht geboten. Lediglich wegen der Gefährdung der Steuerreform und der dann vorliegenden Handlungsunfähigkeit der Koalition und des drohenden Verlustes der Regierungsfähigkeit werde ich meine Zustimmung erteilen. Anlage 3 Amtliche Mitteilungen Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 10/6192 Drucksache 10/6380 Drucksache 11/201 Drucksache 11/484 Drucksache 11/883 Nr. 5 Drucksache 11/1213 Drucksache 11/1484 Drucksache 11/1546 Innenausschuß Drucksache 11/2350 Nr. 1.1 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 10/6562 Drucksache 10/6796 Drucksache 11/1317 Drucksache 11/1728 Drucksache 11/1733 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß sie die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen haben: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 11/883 Nr. 22 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/1656 Nr. 3.20-3.32 Drucksache 11/2089 Nr. 9-14, 16-26 Drucksache 11/2198 Nr. 2.6-2.8 Ausschuß für Forschung und Technologie Drucksache 11/1526 Nr. 3.4 Drucksache 11/2089 Nr. 32 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 11/1998 Nr. 2.9 Drucksache 11/2089 Nr. 35
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    Rede von Dr. Annemarie Renger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ich bin ein freundlicher Mensch, aber ich kann nicht vertragen, daß jemand, der schon zwei Minuten über die Zeit geredet hat, dies dann immer noch ausnutzt. Also bitte!

    (Frau Olms [GRÜNE]: Dann redet der Minister eben zwei Minuten weniger!)

    Jetzt hat der Herr Bundesminister des Auswärtigen, Herr Genscher, das Wort.


Rede von Hans-Dietrich Genscher
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Abrüstungsprozeß zwischen West und Ost findet unter grundlegend veränderten Voraussetzungen statt. Die Aussichten, durch Rüstungskontrolle und Abrüstung mehr Sicherheit herstellen zu können, haben sich durch die Entwicklung der letzten Zeit erheblich verbessert; die Bundesregierung hat wesentlich dazu beigetragen. Herr Kollege Ehmke, es gibt überhaupt kein Element der westlichen Abrüstungsstrategie und der westlichen Abrüstungskonzepte, das nicht maßgeblich von der Bundesregierung — der jetzigen und früheren — beeinflußt worden ist.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
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    Wir dürfen nicht haltmachen; es ist noch viel mehr zu tun.
    Das INF-Abkommen muß zur Initialzündung eines breit angelegten Abrüstungsprozesses werden. Wir appellieren mit aller Dringlichkeit an die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion, eine Einigung über die 50 %ige Reduzierung der strategischen Waffen noch in diesem Jahr herbeizuführen. Dauerhafte Festigung der strategischen Stabilität zwischen den Großmächten liegt auch in unserem Sicherheitsinteresse.
    Ich appelliere auch an alle Beteiligten, auf die Überwindung der letzten Hindernisse für die weltweite Beseitigung der C-Waffen noch in diesem Jahr hinzuarbeiten.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Ehmke [Bonn] [SPD])

    Chemische Waffen — in Wahrheit sind es Menschen-und Naturvernichtungsmittel — dürfen keinen Platz mehr in den Waffenarsenalen dieser Welt haben.
    Das Kernproblem der militärischen Sicherheit ist die Schaffung konventioneller Stabilität in Europa.

    (Lamers [CDU/CSU]: So ist es!)

    Wir wollen für Europa ein System kooperativer Sicherheit, das es unmöglich macht, einen konventionellen Krieg vom Zaun zu brechen und zu führen. Die Brüsseler NATO-Erklärung über konventionelle Abrüstung von 1986 fordert ein stabiles und gesichertes Gleichgewicht der konventionellen Streitkräfte auf niedrigerem Niveau. Ungleichgewichte müssen durch asymmetrische Reduzierungen abgebaut werden. Die Fähigkeit zu Überraschungsangriffen und zu raumgreifenden Offensiven soll beseitigt werden, wie es auf westlicher Seite heute schon der Fall ist.
    Der sowjetische Außenminister Schewardnadse hat am B. Juni 1988 vor den Vereinten Nationen mit dem Einverständnis, die auszutauschenden Daten am Ort überprüfen zu lassen und mit der Beseitigung der bestehenden Ungleichgewichte zu beginnen, eine bemerkenswerte Annährung an westliche Positionen gezeigt.
    Wirkliche konventionelle Stabilität und weitere Vertrauensbildung verlangen auch die Verständigung über die der Verteidigung zugrunde liegenden Philosophien. Wir wollen ein gemeinsames Verständnis über die Aufgabenstellung der Streitkräfte auf beiden Seiten.

    (Bahr [SPD]: Ja!)

    Das muß sich in Umfang, Ausrüstung und Führungsgrundsätzen für die Streitkräfte auf beiden Seiten ausdrücken.

    (Bahr [SPD]: Ja!)

    Die Brüsseler Erklärung von 1986 fordert deshalb: Die Aufgabe von Streitkräften darf nur darin bestehen, Kriege zu verhindern und die Selbstverteidigung sicherzustellen; sie soll nicht dazu da sein, um Aggressionen zu begehen und als Mittel der politischen oder militärischen Einschüchterung zu dienen.

    (Bahr [SPD]: Ja!)

    Wir besprechen zur Zeit mit der polnischen Regierung die Veranstaltung eines Seminars über Militärdoktrinen bzw. Verteidigungsphilosophien

    (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD — Bahr [SPD]: Sehr gut! — Frau Beer [GRÜNE]: Da nehmen Sie den Lamers mal mit!)

    unabhängig von der vorgesehenen Behandlung in den Verhandlungen. Wir wollen dazu Teilnehmer aus allen KSZE-Staaten einladen.
    In Wien haben die Arbeiten an dem Verhandlungsmandat als Teil eines ausgewogenen Schlußdoku-



    Genscher
    ments der KSZE-Folgekonferenz schon weitreichende Einigung erbracht. Das gilt auch für die Frage des Verhandlungsgegenstands, d. h. für die Frage, welche Waffen und Streitkräfte einbezogen werden sollen.
    Zwischen West und Ost besteht auch Einigkeit, daß die Verhandlungen über die konventionelle Rüstungskontrolle zwischen den 23 Mitgliedstaaten der beiden Bündnisse stattfinden werden.
    Das Kommuniqué der NATO-Außenminister von Reykjavik umfaßt die Abrüstungsziele für die strategischen, die chemischen und die konventionellen Waffen sowie für die amerikanischen und sowjetischen nuklearen Flugkörper kürzerer Reichweite. Das Atlantische Bündnis hat in Reykjavik ein kohärentes Gesamtkonzept für Rüstungskontrolle und Abrüstung erarbeitet, das unter Mitwirkung der künftigen amerikanischen Administration umfassend weiterentwikkelt werden wird.
    Jede sicherheitspolitische Entscheidung setzt eine gründliche Analyse der Bedrohung, der Ziele und der realistischen Perspektiven der Abrüstung und Rüstungskontrolle sowie der Entwicklung des Kräfteverhältnisses und der politischen Lage durch die politischen Instanzen des Bündnisses voraus.

    (Dr. Feldmann [FDP]: Sehr richtig!)

    Es wäre deshalb falsch, Vorgriffe in Einzelfragen herbeiführen zu wollen.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Wir sind heute gefordert, durch kooperative Sicherheitsstrukturen die sicherheitspolitischen Elemente für eine europäische Friedensordnung zu schaffen.
    Bei der weiteren Entwicklung des rüstungskontrollpolitischen Gesamtkonzepts werden wir darauf achten, daß sich Art und Umfang des für unsere Sicherheit erforderlichen militärischen Potentials ausschließlich an dem unverrückbaren Ziel des westlichen Bündnisses ausrichtet, nämlich der Kriegsverhinderung. Abrüstungsschritte müssen mehr Sicherheit schaffen. Der Ersatz von Abrüstung in einem Bereich durch neue Rüstungen an anderer Stelle schafft neue Instabilität und gefährdet damit sicherheitsbildende Abrüstung.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Sehr wahr!)

    Es ist verständlich, daß sich immer mehr Menschen Gedanken über die Zukunft der atomaren Waffen machen. Die doppelte Null-Lösung für die Mittelstreckenraketen und die START-Verhandlungen entsprechen deshalb den Wünschen und den Sehnsüchten der Menschen. Dieser Vertrag und diese Verhandlungen sind keine Illusionen; sie sind Realitäten. Sie schaffen mehr, nicht weniger Sicherheit.
    Wir wissen: Es gibt für die voraussehbare Zeit für die Kriegsverhinderung keine Alternative zu einer Abschreckungsstrategie, die auf einer geeigneten Zusammensetzung angemessener und wirksamer nuklearer und konventioneller Streitkräfte beruht. Als Realisten können wir die Sicherheit von heute nicht auf Hoffnungen und Erwartungen für morgen stützen, aber wir müssen alles dafür tun, daß diese Hoffnungen und Erwartungen Wirklichkeit werden.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

    Diese Verantwortung bedeutet aber auch, daß auch in Zukunft gelten muß: Nukleare Waffen dienen im Verständnis des westlichen Bündnisses der Kriegsverhinderung. Sie haben damit eine politische Funktion. Eine Verwischung der qualitativen Grenzen zwischen atomaren und konventionellen Waffen würde den abschüssigen Weg in Kriegführungsszenarien und damit in die Führbarkeit von Kriegen und in gefährliche Gedankenspiele über regionale atomare Kriegsschauplätze eröffnen.

    (Bahr [SPD]: Völlig richtig!)

    Wir waren und sind uns immer bewußt, daß es die Grundvoraussetzung der nuklearen Abschreckung ist, daß sich auch die östliche Seite in höchstem Maße rational und verantwortlich verhält.

    (Bahr [SPD]: Ja!)

    Was aber, meine Damen und Herren, kann dagegen sprechen, das gleiche Maß an Vertrauen der östlichen Seite dann einzuräumen, wenn es darum geht, Grundlagen unserer Sicherheit durch kooperative Strukturen zu verbreitern, d. h. das große Ziel der Kriegsverhinderung immer weniger allein der nuklearen Abschreckung anzuvertrauen?

    (Beifall bei der FDP und des Abg. Bahr [SPD])

    Über das Netz der Abschreckung mit nuklearen und konventionellen Mitteln, das Auffangnetz der Ultima ratio, muß ein zusätzliches Netz gespannt werden, das die Risiken reduziert, die sich bei einer ausschließlichen Abstützung auf militärische Abschreckung ergeben.
    Es geht also zum einen im engeren militärischen Sinne um die Beseitigung der Fähigkeit zu Überraschungsangriffen und zur raumgreifenden Offensive. Zum anderen geht es in einem breiteren politischen Sinne darum, verläßliche kooperative Strukturen der Stabilität und des Vertrauens zu erarbeiten und die Ursachen für Spannungen und Mißtrauen und damit letztlich auch für das gegenwärtige Maß an militärischer Rüstung zu beseitigen.
    Die gegenwärtige Abrüstungsdiskussion vollzieht sich in einer sich verändernden internationalen Lage, die die Chance zu tiefgreifenden Umgestaltungen im West-Ost-Verhältnis eröffnet. Die selbstkritische sowjetische Auseinandersetzung mit der früheren Außenpolitik der Sowjetunion ist ein wichtiger Beitrag zur Vertrauensbildung und zur Stabilisierung der internationalen Beziehungen.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

    Denn es waren ja in der Tat Entwicklungen wie die SS-20-Rüstung und die sowjetische Invasion in Afghanistan, die die Früchte der Entspannungspolitik nicht so haben reifen lassen, wie der kühne Entwurf der Schlußakte von Helsinki, aber auch die ihr vorangegangenen Verträge der Bundesrepublik Deutschland



    Genscher
    mit der Sowjetunion, der Volksrepublik Polen, der CSSR und der DDR es möglich gemacht hätten.

    (Zuruf von der FDP: So ist es!)

    Wir erkennen ein neues Denken in der sowjetischen Außenpolitik, dem auch neue Taten folgen, wie die Beseitigung der Mittelstreckenvorrüstung, wie die Einräumung von Vor-Ort-Inspektionen, wie asymmetrische Abrüstung und wie der beginnende Rückzug aus Afghanistan belegen.
    Die eigentliche Bedeutung dieser Entwicklung liegt darin, daß damit die Sowjetunion auf das schon im Harmel-Bericht vorgesehene Konzept der Modernisierung der West-Ost-Beziehungen mit Elementen einer kooperativen Philosophie konstruktiv eingeht. Wir werden die geschichtliche Chance, die in der neuen sowjetischen Denkweise, liegt, nutzen und die WestOst-Beziehungen in ihrer ganzen Breite, politisch, wirtschaftlich, technologisch, ökologisch und kulturell, entwickeln und vertiefen. Es ist Europa, unser Europa, das die Chance erhält, eine Friedensordnung von politischer Qualität, von Zusammenarbeit und von kooperativer Sicherheit zu schaffen, die Maßstäbe des Zusammenlebens setzen kann, die über unseren Kontinent hinaus wirken.
    Achtung der Menschenwürde, Öffnung nach innen und außen, auch der östlichen Gesellschaften, und ihre Humanisierung,

    (Dr. Todenhöfer [CDU/CSU]: Selbstbestimmungsrecht!)

    Zusammenarbeit bei kooperativen Sicherheitsstrukturen, kurzum die Verwirklichung der Schlußakte von Helsinki, sind die Fundamente für eine europäische Friedensordnung oder auch für ein gemeinsames europäisches Haus.

    (Dr. Todenhöfer [CDU/CSU]: Selbstbestimmungsrecht!)

    Da lohnt es sich schon für uns Deutsche, im Interesse aller Europäer und aller Deutschen auf eine solche Entwicklung konstruktiv einzugehen und sie auch konstruktiv mitzugestalten.

    (Dr. Todenhöfer [CDU/CSU]: Gilt das auch für das Selbstbestimmungsrecht?)

    Wir bekräftigen dabei die besondere Bedeutung der deutsch-sowjetischen Beziehungen. Wir bekräftigen die Verantwortungsgemeinschaft der beiden deutschen Staaten. Hier kann und hier wird sich unsere europäische Friedensverantwortung bewähren.

    (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD)