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ID1108805300

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    Plenarprotokoll 11/88 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 88. Sitzung Bonn, Freitag, den 24. Juni 1988 Inhalt: Abweichung von den Richtlinien für die Fragestunde und den Richtlinien für Aktuelle Stunden in der Sitzungswoche ab 5. September 1988 5999 A Erweiterung der Tagesordnung 5999 A Glückwünsche für den ausscheidenden Abg Dr. Wörner 6041 B Tagesordnungspunkt 20: a) Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung: Rückblick auf den Weltwirtschaftsgipfel in Toronto und Ausblick auf den Europäischen Rat in Hannover b) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 11. April 1984 zur Änderung des Anhangs zur Satzung der Europäischen Schule (Drucksache 11/3555, 11/1988) c) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Europäischer Rat am 27./28. Juni 1988 in Hannover (Drucksache 11/2327) d) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Schaffung eines europäischen Finanzraums (Drucksachen 11/1656 Nr. 3.3, 11/1707, 11/2575) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 11: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Bilanz der deutschen EG-Präsidentschaft und Europäischer Rat am 27./28. Juni 1988 in Hannover Dr. Kohl, Bundeskanzler . . . . 5999D, 6023 A Roth SPD 6004 C Spilker CDU/CSU 6006 B Sellin GRÜNE 6007 C Dr. Haussmann FDP 6009 A Brück SPD 6011 A Kittelmann CDU/CSU 6013 A Volmer GRÜNE 6014 C Irmer FDP 6016 B Dr. Wulff CDU/CSU 6017 D Dr. Vogel SPD 6018C, 6024 C Dr. Schwörer CDU/CSU 6025 B Dr. Wieczorek SPD 6026 C Tagesordnungspunkt 21: a) Beratung der Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur Erklärung der Bundesregierung über die Ergebnisse des Europäischen Rates und der Gespräche in Washington zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur Erklärung der Bundesregierung über die Ergebnisse des Europäischen Rates und der Gespräche in Washington zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur Erklärung der Bundesregierung über die Ergebnisse des Europäischen Rates und der Gespräche in Washington (Drucksachen 11/1869, 11/1870, 11/1886, 11/2332) II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Juni 1988 b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Fortsetzung des atomaren Abrüstungsprozesses (Drucksache 11/2438) Dr. Ehmke (Bonn) SPD 6027 A Lamers CDU/CSU 6030 A Frau Beer GRÜNE 6032 B Genscher, Bundesminister AA 6034 B Dr. Scheer SPD 6036 B Lowack CDU/CSU 6038 B Ronneburger FDP 6039 D Zusatztagesordnungspunkt 10: Aktuelle Stunde betr. das neue Ausländergesetz — Zielsetzung und Zeitvorstellung der Bundesregierung Frau Trenz GRÜNE 6041 D Gerster (Mainz) CDU/CSU 6042 D Schröer (Mülheim) SPD 6043 C Dr. Hirsch FDP 6044 D Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär BMI 6045 C Wartenberg (Berlin) SPD 6047 A Dr. Olderog CDU/CSU 6048 B Frau Olms GRÜNE 6049 B Dr. Blens CDU/CSU 6049 D Frau Dr. Sonntag-Wolgast SPD 6050 D Lüder FDP 6051 D Duve SPD 6052 C Dr. Kappes CDU/CSU 6053 C Fellner CDU/CSU 6054 C Nächste Sitzung 6055 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 6053* A Anlage 2 Erklärung des Abg. Müller (Wesseling) (CDU/CSU) nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Steuerreformgesetzes (Drucksache 11/2157) 6057* B Anlage 3 Amtliche Mitteilungen 6053* C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Juni 1988 5999 88. Sitzung Bonn, den 24. Juni 1988 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 24. 6. Dr. Ahrens* 24. 6. Dr. Bangemann 24. 6. Frau Beck-Oberdorf 24. 6. Dr. Biedenkopf 24. 6. Bohlsen 24. 6. Dr. Böhme (Unna) 24. 6. Börnsen (Ritterhude) 24. 6. Frau Brahmst-Rock 24. 6. Büchner (Speyer) * 24. 6. Catenhusen 24. 6. Eimer (Fürth) 24. 6. Engelhard 24. 6. Feilcke 24. 6. Dr. Häfele 24. 6. Frau Dr. Hartenstein 24. 6. Dr. Hauff 24. 6. Frau Hoffmann 24. 6. Hoppe 24. 6. Ibrügger 22. 6. Frau Kelly 24. 6. Dr. Klejdzinski 24. 6. Kolb 24. 6. Menzel 24. 6. Dr. Müller * 24. 6. Frau Rust 24. 6. Sauer (Salzgitter) 24. 6. Schartz (Trier) 24. 6. Frau Schilling 24. 6. Schmidt (München) 24. 6. Dr. Schmude 24. 6. Dr. Schneider (Nürnberg) 24. 6. Stahl (Kempen) 24. 6. Verheugen 24. 6. Westphal 24. 6. Frau Wieczorek-Zeul 24. 6. Frau Wollny 24. 6. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Müller (Wesseling) (CDU/CSU) nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Steuerreformgesetzes (Drucksache 11/2157) Bei der heutigen namentlichen Abstimmung zur Flugbenzinsteuer werde ich für die Befreiung von der Anlagen zum Stenographischen Bericht Flugbenzinsteuer stimmen, obwohl ich diese Entscheidung für falsch halte. Diese Entscheidung zerstört in den Augen der Öffentlichkeit die Glaubwürdigkeit der Steuerreform und verletzt das Gerechtigkeitsgefühl vieler Bürger und ist auch sachlich nicht geboten. Lediglich wegen der Gefährdung der Steuerreform und der dann vorliegenden Handlungsunfähigkeit der Koalition und des drohenden Verlustes der Regierungsfähigkeit werde ich meine Zustimmung erteilen. Anlage 3 Amtliche Mitteilungen Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 10/6192 Drucksache 10/6380 Drucksache 11/201 Drucksache 11/484 Drucksache 11/883 Nr. 5 Drucksache 11/1213 Drucksache 11/1484 Drucksache 11/1546 Innenausschuß Drucksache 11/2350 Nr. 1.1 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 10/6562 Drucksache 10/6796 Drucksache 11/1317 Drucksache 11/1728 Drucksache 11/1733 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß sie die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen haben: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 11/883 Nr. 22 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/1656 Nr. 3.20-3.32 Drucksache 11/2089 Nr. 9-14, 16-26 Drucksache 11/2198 Nr. 2.6-2.8 Ausschuß für Forschung und Technologie Drucksache 11/1526 Nr. 3.4 Drucksache 11/2089 Nr. 32 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 11/1998 Nr. 2.9 Drucksache 11/2089 Nr. 35
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Horst Ehmke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Redner der SPD-Fraktion haben eben die Bundesregierung in Sachen EGPräsidentschaft gelobt. Wir wünschen Ihnen, Herr Außenminister, auch für den Europäischen Rat in Hannover Erfolg.
    Hinsichtlich der Fortsetzung des Abrüstungsprozesses ist die Lage leider schwieriger, denn die Bundesregierung redet zwar viel von einem Gesamtkonzept, hat dafür aber keine eigenen Vorschläge vorgelegt. Im Bündnis, Herr Außenminister, wird schon gespottet, Bonn sei „comprehensive unklar" . Kollege Rühe hat selbstkritisch von einem „Kult der Mehrdeutigkeit" gesprochen.
    Neben den Unklarheiten bestehen auch Widersprüche. So beschwört der Minister Shultz etwa die Abschreckungsstrategie als unverzichtbar, während der Herr Kollege Genscher in seiner bemerkenswerten Potsdamer Rede vom 11. Juni 1988 immerhin gesagt hat: „Wenn also ohnehin höchste politische Vernunft und Verantwortung gefordert sind, sollten sie sich nicht darin erschöpfen, Sicherheit allein auf das Prinzip der wechselseitigen Abschreckung zu stützen. "
    Wir Sozialdemokraten haben gegenüber solchen Unklarheiten und Widersprüchen in der Regierungskoalition mit dem Konzept der gemeinsamen Sicherheit eine Alternative zu der selbstmörderischen Politik und Strategie der gegenseitig gesicherten Vernichtung entwickelt. Wir wollen im gemeinsamen Überlebensinteresse die auf A-Waffen gestützte Abschrekkung durch eine stufenweise zu verwirklichende Ordnung gegenseitiger vereinbarter Sicherheit ersetzen. Der Weg dahin ist weder kurz noch einfach. Ob wir, wie uns Präsident Reagan und Generalsekretär Gorbatschow gemeinsam versichert haben, unser Ziel, die Welt von Atomwaffen zu befreien, wirklich erreichen können, kann heute niemand mit Gewißheit sagen. Aber auf dem mühsamen Weg zu diesem Ziel ist uns jeder willkommen, der auch nur ein Stück dieses Weges mitzugehen bereit ist.
    Da es ein sicherheitspolitisches Konzept der Union und der Koalition, mit dem sich eine Auseinandersetzung lohnen würde, nicht oder nicht mehr gibt, möchte ich versuchen, an Hand konkreter Fragen die heutige Gemengelage zwischen Übereinstimmungen, Differenzen und Unklarheiten kritisch zu sortieren und dabei die sicherheitspolitische Linie der SPD noch einmal nachzuzeichnen. Dabei fange ich mit den Übereinstimmungen an.
    Was immer die Krämpfe und Verrenkungen in der Union hinsichtlich der Null- und erst recht hinsichtlich der doppelten Null-Lösung gewesen sind, heute wird das INF-Abkommen in diesem Hause von einer breiten Mehrheit getragen, und das obwohl es nicht logisch, sondern nur historisch zu erklären ist, daß wir mit dem Abrüstungsprozeß gerade bei Mittelstrekkenraketen begonnen haben.
    Übereinstimmung besteht auch über die generelle Notwendigkeit der Fortsetzung des Rüstungskontrollund Abrüstungsprozesses, und zwar sowohl nach oben hin zu den strategischen Waffen als auch nach unten bis hin zu den nuklearen Gefechtsfeldwaffen und den konventionellen Waffen und Streitkräften.
    In den konkreten Fragen, verehrte Kollegen der Union, besteht dann aber schon darum keine Übereinstimmung mehr, weil die Äußerungen aus der Union und auch aus der Koalition voller Unklarheiten und Widersprüche sind. So haben z. B. ebenso kritische wie nebulöse Äußerungen des neuen Verteidigungsministers Zweifel daran aufkommen lassen, ob die gesamte Bundesregierung eine Halbierung des strategischen Arsenals der Vereinigten Staaten im Rahmen eines START-Vertrages wirklich begrüßen würde.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Aber selbstverständlich!)

    — Lesen Sie die Rede nach, Herr Kollege!
    Völlig unklar ist die Position der Bundesregierung und der Koalition zu der Frage, wann, wo, in welchem Forum und mit welchem Ziel über nukleare Kurzstreckenraketen, nuklearfähige Flugzeuge und nukleare Gefechtsfeldwaffen verhandelt werden soll. Ich überspringe diese Stufe aber zunächst einmal, um noch bei den Übereinstimmungen zu bleiben. Ich komme darauf zurück.
    Übereinstimmungen zwischen uns bestehen in nicht unwesentlichem Maße im Bereich der Verhandlungen über ein KRK-Mandat für konventionelle Abrüstung vom Atlantik bis zum Ural. Leider besteht die Gefahr, daß eine Einigung über ein KSZE-Schlußdokument wegen fehlender Übereinstimmung in der Menschenrechtsfrage über den Sommer hinaus verzögert werden wird.
    Aber auch hinsichtlich des KRK-Mandats selbst harren noch einige Fragen der Lösung. Die wichtigste noch offene Frage ist die Einbeziehung doppelverwendungsfähiger Trägersysteme in die KRK-Verhandlungen. Die SPD-Position ist auch in diesem Punkte klar: Wir halten die Einbeziehung solcher Trägersysteme nicht nur für möglich, wir halten sie für geboten.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Haltung der Bundesregierung, Herr Außenminister, ist insoweit nicht klar. Ich billige der Regierung aber mildernde Umstände zu. Denn sie mag Rücksicht auf französische und britische Wünsche nehmen.
    Was sind das für Wünsche? Es ist der Wunsch, sich möglichst auf nichts einzulassen, was die Einbeziehung französischer und britischer A-Waffen in die Rd-



    Dr. Ehmke (Bonn)

    stungskontroll- und Abrüstungsverhandlungen näherbringen könnte. Ich sage Ihnen ganz offen: Mit einer solchen Haltung werden erfolgreiche KRK-Verhandlungen nicht geführt werden können. Die doppelverwendungsfähigen Trägersysteme — ich rede hier nicht von den nuklearen Sprengsätzen — werden, wie die Militärs sagen, im verbundenen Gefecht geführt. Wie kann man sie dann aus der Kontrolle der konventionellen Rüstung und der Abrüstung herauslösen wollen? Sie brauchen allerdings nicht als gesonderte Waffenkategorie behandelt zu werden.
    Ich hoffe, daß sich der Westen bald auf eine praktische Kompromißformel einigt. Ich meine, auch unseren französischen und britischen Freunden muß klar sein: Das westliche Bündnis kann es sich weder politisch noch moralisch leisten, die Erteilung eines KRKMandats aus solchen in der Sache nicht überzeugenden Gründen an seiner eigenen Uneinigkeit scheitern zu lassen.
    Damit sind wir bei der nächsten Frage: Was soll das Ziel der KRK-Verhandlungen sein? Unsere übereinstimmende Antwort lautet: die Herstellung vereinbarter konventioneller Angriffsunfähigkeit beider Seiten, die vor allem Überraschungsangriffe und raumgreifende Offensiven ausschließt. Während wir Sozialdemokraten, unter anderem zusammen mit der polnischen Seite, inzwischen erste Kriterienkataloge für strukturelle Angriffsunfähigkeit entwickelt haben und diese Arbeit fortsetzen, wird es bei der Regierung hier nun schon wieder ziemlich dünn. Das gilt erst recht für die NATO. Es müssen aber endlich konkrete westliche Vorschläge auf den Tisch, und zwar solche, von denen ihre Autoren nicht im letzten Satz sagen, diese Vorschläge seien zwar sehr gut, aber leider nicht verhandlungsfähig.
    Die Bundesregierung, die in der NATO großspurig ein Gesamtkonzept einfordert, muß endlich ihre eigenen Vorschläge auf den Tisch legen.

    (Beifall der Abg. Frau Traupe [SPD])

    Solange sie das nicht tut, ist auch die Kritik an dem von Generalsekretär Gorbatschow und Außenminister Schewardnadse vorgelegten Dreistufenplan für konventionelle Abrüstung nicht mehr als Politikersatz.

    (Frau Traupe [SPD]: Richtig, Herr Kollege!)

    Hapert es schon an konkreten Vorschlägen für die KRK-Verhandlungen — die den konventionellen Teil betreffen —, so besteht über die Frage, wo, in welcher Form und mit welchem Ziel über nukleare Bomben und Granaten der doppelverwendungsfähigen Trägersysteme sowie über nukleare Kurzstreckenwaffen verhandelt werden soll, in der Union und Koalition ein geradezu wüstes Durcheinander und bei der Regierung völlige Sendepause. Dabei haben doch der Bundeskanzler, der Bundesaußenminister, die Bundesregierung, die Union und die FDP nach Abschluß des INF-Abkommens mit großer Emotion und noch größerer Lautstärke verkündet, daß die Verhandlungen über diese Waffen für uns Deutsche existentiell und darum vorrangig seien.
    Ich sehe aber in dem Spruch: Je kürzer die Reichweite, um so toter die Deutschen, den Ausdruck einer bedauerlichen deutschen Larmoyanz. Denn die Hunderttausende bei uns stationierten Amerikaner, Engländer und Franzosen mit ihren Familien, die Holländer und Belgier sind genauso gefährdet. Aber ich stimme Ihnen zu: Diese Frage ist für uns von großer Bedeutung. Um so bedenklicher ist das Schweigen der Bundesregierung und das Durcheinander in Ihren Reihen.
    Es ist auch beunruhigend, daß das NATO-Treffen in Madrid vor einigen Wochen in allen diesen Fragen nicht einen Schritt weitergekommen ist. Statt dessen haben sich die Vereinigten Staaten, Frankreich und England über den Luftverkehr von und nach West-Berlin gestritten. Ich sage Ihnen ganz offen, daß ich mich dabei des Eindrucks nicht erwehren konnte, daß man Berlin-Status sagt und das Geschäft meint.

    (Beifall bei der SPD)

    Glaubt man wirklich, das Bündnis so voranbringen zu können, und glaubt die Bundesregierung, das Bündnis mit weiterem Aussitzen nach vorn bewegen zu können?
    Lassen Sie mich einmal für die Bundesregierung laut nachdenken. Vielleicht hilft es ja etwas. Herr Außenminister, es mag klug sein, zunächst das KRKMandat über die Bühne zu bringen, bevor man die Frage der Verhandlungen über nukleare Kurzstrekken- und Gefechtsfeldwaffen zur Entscheidung stellt. Ich sehe das. Es mag klug sein. Andererseits darf der Beginn solcher Verhandlungen aber nicht zu lange hinausgeschoben werden, da sie im Ergebnis — wegen des Zusammenhangs dieser Waffen mit den konventionellen Waffen als Elemente militärischer Optionen — mit dem Ergebnis der KRK-Verhandlungen verzahnt werden müssen. Parallelverhandlungen über die nuklearen Raketen und Sprengsätze müssen also bald beginnen.
    Dabei ist bereits deutlich, daß es kaum eine Einigung dahin geben wird, auch diese Frage im Forum der 23 blockgebundenen KSZE-Staaten zu verhandeln. Aber, Herr Außenminister, welches Forum hält denn die Bundesregierung für geboten und vernünftig? Bilaterale Verhandlungen der Großmächte? Sind diese zur baldigen Aufnahme solcher Verhandlungen bereit? Oder ein Forum der vier Atommächte unter den 23 blockgebundenen KSZE-Staaten?
    Wird die Bundesregierung die französische und die britische Regierung bewegen können, ihre nuklearen Waffen dieser Kategorie in die Verhandlungen einzubringen, noch bevor die Supermächte den STARTVertrag über eine Halbierung ihrer strategischen Arsenale abgeschlossen haben? Oder will die Bundesregierung etwa so lange warten, trotz der existentiellen Bedrohung unseres Volkes durch diese Waffen? Lange kann sich die Bundesregierung nicht mehr um eine Antwort drücken. Sie ist sie unserem Volk wie unseren Verbündeten schuldig. Und lange kann das Durcheinander in Union und Koalition, Herr Dregger, nicht weitergehen, wenn deutsche Interessen nicht Schaden leiden sollen.
    Was soll das Ziel dieser Verhandlungen sein? Unsere Antwort ist klar: die notfalls stufenweise Beseitigung dieser nuklearen Waffen. — Mit einer Denuklearisierung Europas hat das übrigens angesichts der



    Dr. Ehmke (Bonn)

    nach wie vor in großer Zahl vorhandenen see-, land-und luftgestützten strategischen Systeme beider Seiten leider noch sehr wenig zu tun. Aber in der Koalition gibt es über das Ziel dieser Verhandlungen mehr Meinungen, als die FDP Mitglieder hat.
    Zunächst einmal scheinen Sie nuklearfähige Flugzeuge, ja, Flugzeuge überhaupt, am liebsten ganz aus den Verhandlungen heraushalten zu wollen, weil insoweit nämlich in wichtigen Bereichen eine Überlegenheit der NATO besteht. Welch kleinkarierte Schlaumeierei. Wer so denkt, wird überhaupt keine Asymmetrien in den Militärpotentialen beseitigen können.

    (Frau Olms [GRÜNE]: Das wollen sie auch nicht!)

    Aufgeschlosseneres hören wir dagegen jedenfalls von den Kollegen Dregger und Rühe zu den nuklearen Gefechtsfeldwaffen.
    Sie könnten entschieden reduziert werden, in einem gewissen Umfang sogar einseitig, und nach Herstellung konventioneller Angriffsunfähigkeit des Warschauer Paktes könnten sie vielleicht sogar ganz verschwinden. Da sage ich: Bravo, Herr Dregger. — Nur, dann sollten Sie auch für die Einstellung der in Montebello beschlossenen Modernisierung dieser Waffen eintreten. Vor allen Dingen bitten wir Sie dann: Holen Sie sich doch für diese Meinung eine Mehrheit in der Union, in der Koalition, in der Regierung. Unserer Unterstützung können Sie dabei gewiß sein.
    Bleiben die nuklearen Kurzstreckenraketen. Hier ist der Unionsnebel besonders dicht; denn einerseits ist die sowjetische Überlegenheit in diesem Bereich besonders groß, was Regierung und Koalition ja noch vor wenigen Monaten laut in die Welt hinausgeschrieen haben; andererseits haben aber dieselbe Bundesregierung und dieselbe Koalition nicht auf schnelle Verhandlungen über den Abbau dieser sowjetischen Überlegenheit gedrängt. Als Ziel lehnen Sie, soweit ich das sehe, ziemlich übereinstimmend, eine dritte Null-Lösung ab und fordern statt dessen die Einführung von Obergrenzen. Ob Obergrenzen auf das im Westen bestehende Niveau der 88 Lance-Trägersysteme oder auf höhere Obergrenzen,

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Oder geringere!)

    was Nach- und Aufrüstung bedeuten würde, ist schon wieder unklar. Einige von Ihnen scheinen bereit zu sein, bei Schaffung konventioneller Stabilität nicht nur auf nukleare Gefechtsfeldwaffen, sondern zusätzlich auf die Lance-Raketen zu verzichten, wenn dafür neue Raketen größerer Reichweite, am liebsten — ein kleiner Streit mit den Amerikanern — bis möglichst dicht unter die 500-km-Grenze, eingeführt würden. Sie nennen das Modernisierung. Aber das ist eine Täuschung der Öffentlichkeit; denn in Wirklichkeit würde es sich um eine Nach-, ja, um eine Aufrüstung handeln.
    Es ist eine Tatsache, leider, daß die amerikanische, die britische und unsere eigene Regierung Pläne zur Einführung solcher neuen nuklearen Raketen und flugzeuggestützten Marschflugkörper verfolgen und diese Pläne bereits ziemlich weit fortgeschritten sind.
    Der amerikanische Verteidigungsminister Carlucci sagt das auch ganz offen, während die Bundesregierung unsere Bürger einmal mehr hinters Licht zu führen versucht.
    Wie verräterisch war doch insoweit die Debatte auf dem CDU-Parteitag darüber, ob im sogenannten Programmsatz „Frieden schaffen mit immer weniger Waffen" das Wort „immer" nicht gestrichen werden müßte. Ich sage dazu, wer das macht, für den wird das Wort gelten: Wer Sturm sät, wird Sturm ernten.
    Wir Sozialdemokraten würden eine Vereinbarung von Obergrenzen, die keine Zusatzrüstung bedeuten, als Zwischenschritt auf einem Weg zur Null-Lösung ansehen. Eine Null-Lösung selbst, Herr Kollege Dregger, hätte aber demgegenüber — ich bitte, das noch einmal zu überlegen; wir haben das ja bei den Mittelstreckenraketen gesehen — große Vorteile. Eine Null-Lösung würde anders als eine Einigung auf Obergrenzen einen Rüstungsqualitätswettlauf ausschließen, würde weit geringere Verifikationsprobleme aufwerfen und würde als weltweite Lösung auch für andere Weltregionen von Bedeutung sein. Ich kann Ihnen das aus frischen Gesprächen sagen. Unsere chinesischen Freunde z. B. würden es sehr begrüßen, wenn wir auch in diesem Bereich zu einer solchen Lösung kämen.
    Eine Modernisierung genannte Nach- und Aufrüstung — das möchte ich Ihnen hier noch einmal, bevor wir in die Ferien gehen und nach den Ferien zur Entscheidung kommen, völlig klarmachen — kommt für uns Sozialdemokraten nicht in Betracht. Sie würde nicht nur einen neuen Rüstungswettbewerb im Bereich neuer nuklearer Raketen und flugzeuggestützter Abstandswaffen auslösen, sondern zusätzlich einen Aufrüstungswettbewerb im Bereich von Antiraketenraketen auslösen. Die Hardthöhe hat ja schon unter Herrn Wörner fleißig an EVI- und ATBM-Systemen gearbeitet. Dazu zitiere ich noch einmal — und ich bitte Sie, gut zuzuhören — , was Außenminister Genscher kürzlich in Potsdam gesagt hat. Ich zitiere Genscher:
    Abrüstungsschritte müssen mehr Sicherheit schaffen. Der Ersatz von Abrüstung in einem Bereich durch neue Rüstung an anderer Stelle schafft neue Instabilität und gefährdet damit die Abrüstung.
    Wie wahr, Herr Außenminister!
    Als Sozialdemokrat habe ich dem nur hinzuzufügen: Verehrte Kollegen von der Union, wir streben — und ich sage das von dieser Stelle nicht zum erstenmal — aus staatspolitischen wie aus friedenspolitischen Gründen in diesem Hause eine möglichst breite außen- und sicherheitspolitische Übereinstimmung an. Ein bißchen hat es da auch schon Fortschritte gegeben. Wenn Sie uns aber in dieser Frage der Nachrüstung durch Unvernunft oder Denken in abgestandenen Klischees dazu zwingen, werden wir auch vor einer erneuten harten Auseinandersetzung nicht zurückscheuen. Daher möchte ich Sie bitten, in der Muße der Ferien all dies noch einmal zu bedenken.
    Schönen Dank für Ihre Geduld.

    (Beifall bei der SPD)






Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Lamers.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Karl Lamers


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Ehmke, das Ziel eines breitestmöglichen Konsenses in der Sicherheitspolitik ist auch unser Ziel. Wir müssen dann aber Klarheit über die Positionen schaffen. Sie haben versucht, Klarheit über unsere zu schaffen. Ich will ein wenig auf die Widersprüche in Ihren eigenen Reihen eingehen.
    Wir beraten heute zwar zwei Anträge der SPD, die, obwohl nur gut drei Monate auseinanderliegend, im Kern demselben Thema gewidmet sind, eben den atomaren Kurzstreckensystemen, ihrer Modernisierung und ihrer Behandlung im Abrüstungsprozeß. In der Sachlage hat sich in diesen dreieinhalb Monaten selbstverständlich überhaupt nichts geändert. Die Erklärung für die rasche Aufeinanderfolge dieser Anträge muß also woanders gesucht werden. Sie liegt ganz offensichtlich in Ihren eigenen Reihen, in dem Streit, den Sie darüber führen.
    In der Debatte über das Ratifizierungsgesetz zum INF-Begleitabkommen erklärte der Kollege Voigt in diesem Haus, daß die SPD die Null-Lösung für die nuklearen Kurzstreckensysteme nunmehr nicht mehr von der Bedingung abhängig mache, daß zuvor konventionelle Stabilität in Europa erreicht sei.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD] und Frau Fuchs [Verl] [SPD]: Das haben wir noch nie gemacht!)

    Diese Behauptung ist dem Text des Antrages übrigens keineswegs klar zu entnehmen. Man könnte ihn auch umgekehrt interpretieren.
    Dieser Text vom 24. Februar ist ganz offensichtlich das Ergebnis eines internen Kompromisses in Ihren Reihen zwischen dem Kollegen Voigt und seinen Anhängern und wohl dem Kollegen Bahr, denn der Kollege Bahr hat oftmals — sehr oft, ungezählte Male — erklärt, etwa in einem ppp-Interview vom 10. Juli 1987 — Zitat — :
    Die Chance ist eröffnet worden, Sicherheit auch ohne Atomwaffen auf unserem Boden zu erreichen, wenn, also nicht bevor, konventionelle Stabilität erreicht ist.
    Und noch am 8. Juni dieses Jahres, meine verehrten Kollegen von der SPD, hat er in einem Interview im Bonner „General-Anzeiger" gesagt, daß „bei einer konventionellen Stabilität alle Nuklearwaffen verschwinden sollen". Und der Kollege Gerster hat in der Debatte am 9. März dieses Jahres unzweideutig formuliert — Zitat — : „Wenn es konventionelle Stabilität in Europa gibt — das ist wohlgemerkt die Voraussetzung —, dann ist das längerfristige Ziel ..." die Entfernung aller nuklearen Kurzstreckensysteme.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Ich freue mich, daß wir zu Ihrer sicherheitspolitischen Bildung beitragen!)

    — Herr Kollege Ehmke, das sind klare und unzweideutige Aussagen, die in völligem Widerspruch zu dem stehen, was jetzt gesagt worden ist.

    (Voigt [Frankfurt] [SPD]: Der Antrag ist doch jetzt klar!)

    — Darauf komme ich noch.
    Der Unterschied hat natürlich gravierende Folgen, denn die Position der Kollegen Bahr und Gerster schließt selbstverständlich die Bereitschaft zur Modernisierung ein, solange es konventionelle Stabilität nicht gibt. Sonst gäbe es eine einseitige Null-Lösung.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Reden Sie doch mal zur Sache!)

    Diese Konsequenz hat der Kollege Bahr nie zu formulieren gewagt, aber sie war ihm und wohl auch der Fraktion der SPD bewußt. Da bei Ihnen niemand mehr die Kraft zu einer solchen logischen Entscheidung aufbringt, haben sich die Anhänger eines bedingungslosen und einseitigen Verzichts innerhalb der SPD offensichtlich durchgesetzt.
    Jetzt lautet die Formulierung, daß eine Modernisierung, „die die strategische Situation verändert" , abgelehnt wird. Das ist nichts anderes als eine Verbrämung des Rückzuges derjenigen, die bislang die soeben geschilderte Position vertreten haben. Es macht aber übrigens schlichtweg keinen Sinn, so zu argumentieren, weil jedermann weiß — das wissen Sie sehr gut — , daß jede Modernisierung, Umrüstung, Neustrukturierung die strategische Situation tangiert. Darüber brauchen wir doch wohl nicht zu streiten. Aber sie kann sie doch selbstverständlich auch verbessern, wie wir das durch den ersten Beschluß von Montebello schon getan haben. Wir haben 2 400 Sprengköpfe abgezogen. Meine verehrten Kollegen, gerade das wird auch das Kriterium für unsere Entscheidung sein, die wir zum gegebenen Zeitpunkt und im Rahmen eines Gesamtkonzeptes treffen werden.
    Im übrigen wirft Ihre Formulierung doch die Frage auf, ob die SPD einer Modernisierung, welche die strategische Lage nicht verändert, zustimmen würde und wie sie sich dann eine solche vorstellt. Solange Sie sich, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, dazu nicht äußern, werde ich behaupten, daß Sie zwar für eine Modernisierung eintreten, jedoch gegen eine solche, die die strategische Lage verbessert.

    (Dr. Penner [SPD]: Das wird uns umwerfen!)

    — Sie werden dann dazu Stellung nehmen können.
    Man könnte viele weitere Belege finden, die beweisen, daß die Haltung der SPD widersprüchlich ist und immer stärker — Herr Kollege Ehmke, ich muß das trotz Ihres sachlichen Vortrags hier so sagen — zu einem billigen Abrüstungspopulismus tendiert. Damit wird die Opposition ihrer sicherheitspolitischen Verantwortung nicht gerecht, denn ihre Haltung hat fatale Folgen in Ost wie West. Die SPD unterstellt der Sowjetunion doch Altruismus, denn was eigentlich soll die Sowjetunion veranlassen, ein gewaltiges Arsenal an nuklearen Kurzstreckensystemen völlig preiszugeben, wenn der Westen ohnehin auf seine eigenen Systeme verzichtet?

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: So ist es!)

    Meine verehrten Kollegen, ich traue Michail Gorbatschow wirklich viel zu, aber nicht die Überwindung allgemein menschlicher Verhaltensweisen.



    Lamers
    Die Wirkung der Haltung der SPD im Westen ist nicht weniger fatal. Jedermann weiß, daß bei der Entwicklung eines Gesamtkonzepts für Sicherheit und Abrüstung im Zusammenhang mit der Modernisierungsfrage gewisse Schwierigkeiten aufgetreten sind. Der Eindruck, den Sie, die SPD, leider im trauten Bündnis mit den GRÜNEN von der Situation in unserem Lande bei unseren Alliierten erzeugen, ist nicht gerade dazu angetan, diese Schwierigkeiten überwinden zu helfen — das ist sehr zurückhaltend ausgedrückt — , im Gegenteil.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Sie haben noch nicht ein Wort zur Sache gesagt!)

    Ich sage Ihnen hier, Herr Kollege Ehmke, ohne Zögern: Sie irren, wenn Sie glauben, Sie könnten mit Hilfe des Themas des Kampfes gegen die Modernisierung die Bundestagswahl 1990 gewinnen.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Dafür haben wir doch die Steuerreform!)

    Im Gegenteil, Sie werden denselben Fehler machen, den Sie bereits einige Male gemacht haben, nämlich mit lechzender Zunge den GRÜNEN auf einem Felde hinterherlaufen, wo Sie nie so schnell und radikal sein können, wie die Kollegen von den GRÜNEN das sind.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Das ist eine pädagogische Veranstaltung, euch zur Vernunft zu bringen!)

    Die Wähler werden nicht bereit sein, die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland dem Bündnis von pazifistischen GRÜNEN und abrüstungspolitischen Sozialdemokraten anzuvertrauen.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Genscher muß euch wieder herausreißen! Ich sehe das schon!)

    Doch ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, Herr Kollege Ehmke, daß es möglich sein wird, einen rationalen Dialog über die Sicherheitspolitik miteinander zu führen und ein Mindestmaß an Grundkonsens zu erzielen. Der Bundesaußenminister hat am 20. Juni 1988 noch einmal gesagt, was auch unsere Überzeugung ist, nämlich: „Das konventionelle Ungleichgewicht in Europa ist das Kernproblem der europäischen Sicherheit. " Darin stimmen wir sicherlich überein. Ich meine, wenn wir darin übereinstimmten, dann müßten wir auch in den Zielen — das haben Sie eben auch gesagt — der KRK-Verhandlungen übereinstimmen, nämlich konventionelle Stabilität auf der Basis eines Gleichgewichts in Europa.
    Der Weg dahin ist das Gesamtkonzept des Westens.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Die Basis ist die eigentliche Grundlage des Fundaments!)

    Denn — das ist das Entscheidende, Herr Kollege Ehmke — ohne Einigkeit im Westen werden wir überhaupt nichts erreichen. Ein Gesamtkonzept ohne Modernisierung wird es nicht geben, ebensowenig wie es eine Modernisierung ohne Gesamtkonzept gibt. Vor
    dieser klaren Situation versuchen Sie sich fortwährend zu drücken.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Wir hätten gern einmal ein klares Gesamtkonzept!)

    Wenn es eines hoffentlich nicht allzu fernen Tages — aber doch gewiß noch nicht übermorgen — konventionelle Stabilität geben sollte, wenn wir wirklich das Prinzip der gleichen Sicherheit nicht nur verbal anerkannt, sondern in den Streitkräftestrukturen auf beiden Seiten zum Ausdruck gebracht haben sollten, dann, meine ich, müßte doch eine Einigung auch über die Forderung des Bundeskanzlers möglich sein, die er am 4. Juni des vergangenen Jahres hier erhoben hat. Er hat damals gesagt: die Rolle der atomaren Waffen auf das quantitativ und qualitativ absolut notwendige Mindestmaß zu beschränken.
    Ich meine, darüber müßte eine Verständigung möglich sein, Herr Kollege Ehmke, weil Sie in Ihrer Rede am 23. Mai d. J. in Peking eigentlich genau dasselbe gesagt haben, indem Sie von einer Minimumabschreckung gesprochen haben. Wenn es in Europa wirklich konventionelle Stabilität gäbe, dann, meine ich, könnten wir in der Tat — wir wären sicher dazu bereit — über vieles miteinander reden. Ich glaube, daß dann eine Verständigung über diese Strategie möglich sein sollte.

    (Abg. Dr. Ehmke [Bonn] [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage. Gestatten Sie eine Zwischenfrage? Bitte sehr. Herr Kollege Ehmke, bitte. Dr. Ehmke [Bonn)