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ID1108802500

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    Plenarprotokoll 11/88 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 88. Sitzung Bonn, Freitag, den 24. Juni 1988 Inhalt: Abweichung von den Richtlinien für die Fragestunde und den Richtlinien für Aktuelle Stunden in der Sitzungswoche ab 5. September 1988 5999 A Erweiterung der Tagesordnung 5999 A Glückwünsche für den ausscheidenden Abg Dr. Wörner 6041 B Tagesordnungspunkt 20: a) Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung: Rückblick auf den Weltwirtschaftsgipfel in Toronto und Ausblick auf den Europäischen Rat in Hannover b) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 11. April 1984 zur Änderung des Anhangs zur Satzung der Europäischen Schule (Drucksache 11/3555, 11/1988) c) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Europäischer Rat am 27./28. Juni 1988 in Hannover (Drucksache 11/2327) d) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Schaffung eines europäischen Finanzraums (Drucksachen 11/1656 Nr. 3.3, 11/1707, 11/2575) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 11: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Bilanz der deutschen EG-Präsidentschaft und Europäischer Rat am 27./28. Juni 1988 in Hannover Dr. Kohl, Bundeskanzler . . . . 5999D, 6023 A Roth SPD 6004 C Spilker CDU/CSU 6006 B Sellin GRÜNE 6007 C Dr. Haussmann FDP 6009 A Brück SPD 6011 A Kittelmann CDU/CSU 6013 A Volmer GRÜNE 6014 C Irmer FDP 6016 B Dr. Wulff CDU/CSU 6017 D Dr. Vogel SPD 6018C, 6024 C Dr. Schwörer CDU/CSU 6025 B Dr. Wieczorek SPD 6026 C Tagesordnungspunkt 21: a) Beratung der Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur Erklärung der Bundesregierung über die Ergebnisse des Europäischen Rates und der Gespräche in Washington zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur Erklärung der Bundesregierung über die Ergebnisse des Europäischen Rates und der Gespräche in Washington zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur Erklärung der Bundesregierung über die Ergebnisse des Europäischen Rates und der Gespräche in Washington (Drucksachen 11/1869, 11/1870, 11/1886, 11/2332) II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Juni 1988 b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Fortsetzung des atomaren Abrüstungsprozesses (Drucksache 11/2438) Dr. Ehmke (Bonn) SPD 6027 A Lamers CDU/CSU 6030 A Frau Beer GRÜNE 6032 B Genscher, Bundesminister AA 6034 B Dr. Scheer SPD 6036 B Lowack CDU/CSU 6038 B Ronneburger FDP 6039 D Zusatztagesordnungspunkt 10: Aktuelle Stunde betr. das neue Ausländergesetz — Zielsetzung und Zeitvorstellung der Bundesregierung Frau Trenz GRÜNE 6041 D Gerster (Mainz) CDU/CSU 6042 D Schröer (Mülheim) SPD 6043 C Dr. Hirsch FDP 6044 D Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär BMI 6045 C Wartenberg (Berlin) SPD 6047 A Dr. Olderog CDU/CSU 6048 B Frau Olms GRÜNE 6049 B Dr. Blens CDU/CSU 6049 D Frau Dr. Sonntag-Wolgast SPD 6050 D Lüder FDP 6051 D Duve SPD 6052 C Dr. Kappes CDU/CSU 6053 C Fellner CDU/CSU 6054 C Nächste Sitzung 6055 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 6053* A Anlage 2 Erklärung des Abg. Müller (Wesseling) (CDU/CSU) nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Steuerreformgesetzes (Drucksache 11/2157) 6057* B Anlage 3 Amtliche Mitteilungen 6053* C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Juni 1988 5999 88. Sitzung Bonn, den 24. Juni 1988 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 24. 6. Dr. Ahrens* 24. 6. Dr. Bangemann 24. 6. Frau Beck-Oberdorf 24. 6. Dr. Biedenkopf 24. 6. Bohlsen 24. 6. Dr. Böhme (Unna) 24. 6. Börnsen (Ritterhude) 24. 6. Frau Brahmst-Rock 24. 6. Büchner (Speyer) * 24. 6. Catenhusen 24. 6. Eimer (Fürth) 24. 6. Engelhard 24. 6. Feilcke 24. 6. Dr. Häfele 24. 6. Frau Dr. Hartenstein 24. 6. Dr. Hauff 24. 6. Frau Hoffmann 24. 6. Hoppe 24. 6. Ibrügger 22. 6. Frau Kelly 24. 6. Dr. Klejdzinski 24. 6. Kolb 24. 6. Menzel 24. 6. Dr. Müller * 24. 6. Frau Rust 24. 6. Sauer (Salzgitter) 24. 6. Schartz (Trier) 24. 6. Frau Schilling 24. 6. Schmidt (München) 24. 6. Dr. Schmude 24. 6. Dr. Schneider (Nürnberg) 24. 6. Stahl (Kempen) 24. 6. Verheugen 24. 6. Westphal 24. 6. Frau Wieczorek-Zeul 24. 6. Frau Wollny 24. 6. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Müller (Wesseling) (CDU/CSU) nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Steuerreformgesetzes (Drucksache 11/2157) Bei der heutigen namentlichen Abstimmung zur Flugbenzinsteuer werde ich für die Befreiung von der Anlagen zum Stenographischen Bericht Flugbenzinsteuer stimmen, obwohl ich diese Entscheidung für falsch halte. Diese Entscheidung zerstört in den Augen der Öffentlichkeit die Glaubwürdigkeit der Steuerreform und verletzt das Gerechtigkeitsgefühl vieler Bürger und ist auch sachlich nicht geboten. Lediglich wegen der Gefährdung der Steuerreform und der dann vorliegenden Handlungsunfähigkeit der Koalition und des drohenden Verlustes der Regierungsfähigkeit werde ich meine Zustimmung erteilen. Anlage 3 Amtliche Mitteilungen Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 10/6192 Drucksache 10/6380 Drucksache 11/201 Drucksache 11/484 Drucksache 11/883 Nr. 5 Drucksache 11/1213 Drucksache 11/1484 Drucksache 11/1546 Innenausschuß Drucksache 11/2350 Nr. 1.1 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 10/6562 Drucksache 10/6796 Drucksache 11/1317 Drucksache 11/1728 Drucksache 11/1733 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß sie die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen haben: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 11/883 Nr. 22 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/1656 Nr. 3.20-3.32 Drucksache 11/2089 Nr. 9-14, 16-26 Drucksache 11/2198 Nr. 2.6-2.8 Ausschuß für Forschung und Technologie Drucksache 11/1526 Nr. 3.4 Drucksache 11/2089 Nr. 32 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 11/1998 Nr. 2.9 Drucksache 11/2089 Nr. 35
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    Rede von Dr. Ludger Volmer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der bundesdeutsche Kanzler hat sich einen großartigen Auftritt in Toronto und einen starken Abgang in die Sommerpause verschaffen wollen durch die großspurige Ankündigung, Auslandsschulden der Dritten Welt sollten gestrichen und gleichzeitig die Regenwälder in diesen Ländern geschützt werden.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Jawohl!)

    Das wären bestimmt bemerkenswerte Worte, wenn sie nicht vom Kanzler kämen;

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Aber von Ihnen, was?!)

    denn was wir von seinen Sprüchen zu halten haben, wissen wir. Klopft man seine Äußerungen genauer ab, dann stellt sich heraus: Nichts als heiße Luft.
    Das sich der Kanzler zu einer solchen Erklärung gezwungen sah, zeigt aber, daß er an den Forderungen der internationalen Opposition nicht mehr vorbeikommt. Er muß sie zumindest in den Mund nehmen.

    (Sellin [GRÜNE]: Aber dabei bleibt es!)

    Es ist ein Erfolg unserer Oppositionsarbeit, daß der Kanzler die internationalen Ökologieprobleme nicht mehr leugnen kann. Es ist unser Erfolg, daß der Kanzler von der Regierungslinie abrücken mußte, Entschuldung nur case by case, im Einzelfall zu gewähren; denn immerhin spricht er jetzt schon von ganzen Ländergruppen. Ein Fortschritt ist das, auch wenn er noch weit entfernt ist von unserer Forderung nach globaler, umfassender Schuldenstreichung.
    Weit entfernt sind seine Worte auch von jeder Realisierung. Dafür gibt es einige Belege. Im Abschlußkommuniqué des Gipfels taucht sein Spruch überhaupt nicht mehr auf. Er war so substanzlos, daß er nicht einmal in diesem dürftigen und unverbindlichen Papier einen Platz fand.
    Die weiterführenden Vorschläge Großbritanniens und Frankreichs hat der Kanzler nicht unterstützt. Großbritannien hat vorgeschlagen, daß den afrikanischen Ländern südlich der Sahara bei Umschuldungen im Pariser Club drei Prozentpunkte Nachlaß auf Zinsen gewährt werden. Wir halten diesen Vorschlag für zu kurz gegriffen. Aber nicht einmal diesen Vorschlag hat der Kanzler unterstützt. Er hat ein klares Nein dazu gesagt.
    Auch als Präsident Mitterrand im Vorfeld von Toronto gefordert hat, ein Drittel aller staatlichen und



    Volmer
    staatlich garantierten Kredite zu erlassen, kam vom Kanzler ein klares Nein.

    (Wissmann [CDU/CSU]: Es ist genau umgekehrt!)

    Der von der Bundesregierung nun groß angekündigte Schuldenerlaß für die Ärmsten ist völlig unzureichend; denn er bezieht sich nur auf die Mittel der Finanziellen Zusammenarbeit, also der offiziellen Entwicklungshilfe. Insgesamt stehen die Drittweltländer mit 30 Milliarden DM bei der Bundesrepublik in der Kreide, was FZ-Mittel angeht. Die knapp 3 Milliarden DM, die nun erlassen werden, machen gerade ein Zehntel dieses Betrages aus. Dieser Erlaß trifft nur für die Länder zu, bei denen überhaupt nichts mehr herauszuquetschen ist. Wo noch Hoffnung auf Rückflüsse besteht, damit der marode Bundeshaushalt nicht noch weiter aus dem Lot gerät, wird weiterhin gepreßt und gequetscht.
    So können wir als Ergebnis dieser mickrigen Schuldenstreichung festhalten, daß sich die Mindereinnahmen für den Bundeshaushalt, wie nun die Kreditanstalt für Wiederaufbau ausrechnete, für 1989 gerade auf 10 Millionen DM belaufen. Dies ist ein geradezu lächerlicher Betrag. Dieser Auffassung ist im übrigen auch der Präsident von Misereor, Herr Prälat Herkenrath, der deutlich gesagt hat: Diese mickrige Schuldenstreichung reicht bei weitem nicht aus.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Wissmann [CDU/CSU]: Und der das als einen Schritt begrüßt hat! — Kittelmann [CDU/CSU]: Halbzitate bringen Sie!)

    Aufgenommen wurde auch nicht die Diskussion um die Streichung der Forderungen aus Hermes-Zahlungen. Die Drittweltländer haben Verbindlichkeiten von 7 Milliarden DM gegenüber der Bundesregierung aus Hermes-Exportgarantien. Diese Problematik wurde von der Bundesregierung überhaupt noch nicht angepackt. Wir fordern, daß auch dieser Teil der Schulden erlassen wird.
    Statt zu wirklich substantiellen Zugeständnissen in der Schuldenfrage zu kommen, begann der Bundeskanzler, über Ökologie und Regenwälder zu philosophieren. Ich sage „philosophieren" , denn präzise Vorschläge kamen von ihm nicht. Dies ist kein Wunder, denn auf dem Hintergrund seiner Wirtschaftsstrategie ist ein wirksamer Umweltschutz überhaupt nicht möglich. Die Bundesregierung deutet einige Schuldenerleichterungen auf monetärer Ebene an. Diese verbindet sie aber immer mit einer Verpflichtung der Drittweltländer, mit einer verstärkten politischen Auflage, ihre Wirtschaft auf den Export zu orientieren. Dies bedeutet Zwangsintegration in den Weltmarkt, dies bedeutet Ausverkauf des Landes, dies bedeutet verstärkte Ausbeutung von Mensch und Natur. Auf einer solchen Grundlage ist eine Ökologiepolitik überhaupt nicht möglich.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Ich möchte das am Beispiel der Regenwälder klarmachen. Das Problem eignet sich für den Kanzler zu Propagandazwecken,

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Sie wiederholen sich, Herr Kollege, bei der knappen Redezeit!)

    weil kein Tag vergeht, an dem nicht der bedrohliche Zusammenhang von Abholzung und Klimaveränderung thematisiert wird. Um so mehr muß er sich aber fragen lassen, was er wirklich tut. Zur Zeit läuft eine internationale Kampagne gegen die Vergabe eines zweiten Energiesektorkredits der Weltbank an Brasilien in Höhe von 500 Millionen US-Dollar. Wir fordern, daß die Bundesregierung diesem Kredit nicht zustimmt; denn mit diesem Kredit werden weitere Großstaudämme gebaut, die dazu führen werden, daß weitere Areale des Regenwaldes zerstört werden und daß die einheimische Bevölkerung vertrieben wird. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit hat auf Protestbriefe sehr leger reagiert und hat nur müde abgewunken. Meines Erachtens läßt sich die Glaubwürdigkeit dieser Regierung, was Ökologiepolitik angeht, schon im August festmachen, wenn über diesen Energiesektorkredit abgestimmt wird.
    Auch die bundesdeutsche Entwicklungshilfe leistet ihren Beitrag zur Zerstörung der Wälder. Mit BMZ-Geldern werden Sägewerke finanziert, damit Wälder abgeholzt und die Bäume exportiert werden können. Hier sehen wir den deutlichen Zusammenhang zwischen Exportzwang und Umweltzerstörung. Dies ist ein nicht zu leugnender Zusammenhang der systematischen Politik dieser Bundesregierung.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Bundesdeutsche Holzfirmen, an der Spitze der BDIChef Stihl, sind an der kommerziellen Abholzung des Tropenwaldes stark beteiligt.

    (Wissmann [CDU/CSU]: Seit wann ist der beim BDI?)

    Malaysia ist das Hauptlieferland. Riesige Flächen in Sabah und Sarawak werden zerstört, die ortsansässige Bevölkerung wehrt sich seit Jahren mit Giftpfeilen gegen Bulldozer. Dies sind die deutschen Wirtschaftsinteressen, und die müssen zurückgedrängt werden.
    Was versteht denn der Kanzler nun konkret unter Umweltschutz? Will er diesem Treiben, das zum Teil nur noch als verbrecherisch bezeichnet werden kann, den Boden entziehen? Wenn er das wollte, müßte er von seiner Politik der Zwangsintegration der Drittweltländer in den Weltmarkt abrücken, wo diesen Ländern der totale Ausverkauf der Umwelt droht.
    Der Kanzler wird sich nicht abhalten lassen, mit seinem angeblichen Umweltengagement hausieren zu gehen. Wir haben jetzt gut zwei Monate Zeit, zu rätseln, mit welcher ökologischen Sprechblase der Kanzler aus dem Sommerloch auftauchen wird. Wir jedenfalls stellen uns auf die Seite der einheimischen Volksgruppen in den Drittweltländern, in den Regenwäldern, die eines ganz gewiß nicht wollen, und das ist die Verzooung ihrer Heimat, die Verzooung durch den Ausbau von Nationalparks, die als Inseln stehen-



    Volmer
    bleiben, während der gesamte Regenwald abgeholzt und durch schnellwachsende marktgängige Produkte wie Eukalyptusbäume usw. ersetzt wird.

    (Sellin [GRÜNE]: Monokulturen!)

    Was die Schuldenfrage angeht, finden wir eine weitere Bestätigung unserer Position. Die bundesdeutsche Sektion des Internationalen Versöhnungsbundes hat in einem Brief an den Bundeskanzler gefordert:
    Wir bitten Sie daher, sich für folgende Vorschläge einzusetzen:
    1. die bedingungslose Streichung aller Forderungen der Bundesrepublik Deutschland an Länder der Dritten Welt aus Entwicklungshilfekrediten und Schadenszahlungen für Hermes-Bürgschaften,
    2. Maßnahmen, die erreichen, daß die bundesdeutschen Großbanken den Ländern der Dritten Welt ihre Schulden bedingungslos erlassen; die dafür nötigen Rückstellungen sind bereits zu einem großen Teil erfolgt.
    Wir teilen diese Position des Internationalen Versöhnungsbundes, und wir werden diese und ähnliche Positionen bei der Kampagne, bezogen auf die Jahrestagung von IWF und Weltbank in Berlin, in den nächsten Wochen sehr, sehr deutlich machen.
    Danke.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Kittelmann [CDU/CSU]: Stören! Krawall machen!)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Irmer.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Ulrich Irmer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erinnern wir uns einmal zurück. Vor einem halben Jahr hätte niemand geglaubt, daß es in der Europäischen Gemeinschaft überhaupt noch wesentliche Fortschritte geben würde. Der Kopenhagener Gipfel war gescheitert. Das Delors-Paket war festgefahren. Agrar- und Finanzprobleme waren ungelöst. Es richteten sich auf die deutsche Präsidentschaft damals zwar hohe Erwartungen, vielleicht zu hohe Erwartungen, aber niemand hat eigentlich richtig geglaubt, daß es vernünftig weitergehen würde. Um so überraschender ist, daß wir heute feststellen können: Dieses halbe Jahr deutscher Präsidentschaft war die erfolgreichste Präsidentschaft, an die sich überhaupt jemand erinnern kann.

    (Beifall des Abg. Dr. Haussmann [FDP] und bei der CDU/CSU)

    Der Brüsseler Gipfel — das müssen wir selbstkritisch einräumen — hat die Agrarprobleme zwar nicht auf Dauer gelöst. Auch die Finanzsituation der Europäischen Gemeinschaft muß noch abschließend geklärt werden. Wir müssen in der Agrarpolitik zu mehr Markt zurückführen, bei Wahrung der Interessen der bäuerlichen Familienbetriebe, denen wir nach wir vor verpflichtet sind.
    Aber der Brüsseler Gipfel hat dazu geführt, daß zumindest in der Landwirtschaft wieder der Hauch einer Perspektive deutlich wurde, daß man wieder erkennen konnte, wo es hingehen soll, und insbesondere, daß die Landwirtschaft wieder Mut gefaßt hat und sich aus dem Geist des Scheiterns heraus nach vorn entwickelt hat.

    (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)

    Ich will nicht auf die gesamte Erfolgsbilanz eingehen. Wir haben hierzu einiges in unserem Entschließungsantrag vorgelegt. Ich möchte nur einige wenige Punkte herausstellen, bei denen noch vor einem Vierteljahr kaum jemand gedacht hätte, daß man hier zum Durchbruch kommen würde.
    Ich nenne hier die Liberalisierung und Harmonisierung des Güterkraftverkehrs. Ich nenne als zweites die gegenseitige Anerkennung der Hochschulabschlüsse. Lieber Kollege Brück, Sie sind mit Ihrer Bangemann-Beschimpfung weit unter Ihr übliches Niveau gegangen.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Ich kenne Sie sonst ganz anders. Es war doch niemand anders als Martin Bangemann,

    (Frau Olms [GRÜNE]: Das war doch Möllemann! )

    der sich hier ganz große Verdienste erworben hat. Das ist ein altes Anliegen von ihm und von uns allen. Das muß man einmal anerkennen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Vor allem muß man sehen, daß uns dieser Fortschritt in der Europäischen Gemeinschaft eine völlig neue kulturelle Dimension erschließt.

    (Frau Olms [GRÜNE]: Wo ist der Möllemann? — Dr. Vogel [SPD]: Bangemann, die neue kulturelle Dimension!)

    Wir sind ja nicht nur Wirtschaftsgemeinschaft, wir sind auch Kulturgemeinschaft. Durch diesen Erfolg sind wir dem ein gutes Stück nähergerückt.

    (Beifall bei Abgeordneten der FDP — Volmer [GRÜNE]: UEFA!)

    — Herr Volmer, nach dem, was Sie vorhin gesagt haben, reagiere ich noch nicht einmal mehr auf Ihre Zwischenrufe.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Dr. Vogel [SPD]: Schon wieder einer weniger!)

    Meine Damen und Herren, ich möchte als nächstes die Liberalisierung des Kapitalverkehrs erwähnen. Auch das ist ein Schritt nach vorn zur Europäischen Union. Natürlich dürfen wir hierbei nicht stehenbleiben. Wir müssen jetzt auf dem Gipfel in Hannover erste Schritte in Richtung auf eine Währungsunion in Angriff nehmen. Da verstehe ich nicht ganz diesen etwas kleinlichen Streit zwischen denen, die sagen: Wir müssen zuerst einmal eine gemeinsame Wirtschaftspolitik in allen EG-Ländern haben, und denen, die sagen: Wir müssen zuerst die gemeinsame Währung einführen. — Meine Damen und Herren, das ist so absurd wie der Streit darüber, was zuerst da war, die Henne oder das Ei. Man kann doch das eine tun, ohne das andere zu lassen. Machen wir jetzt in Hannover einen Anfang! Setzen wir deutliche Signale!



    Irmer
    Dann kriegen wir die Währungsunion, und zwar noch vor Ende dieses Jahrhunderts.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Kittelmann [CDU/CSU]: Das ist der Optimismus, den wir brauchen!)

    Ein weiteres Wort zu etwas, wo es noch hakt — auch das sollten wir sehen — : Wenn wir die Grenzkontrollen abschaffen wollen — und das wollen wir; das gehört zur Europäischen Union —, dann müssen wir auch die rechtlichen Fragen klären, die damit verbunden sind, ausländerrechtliche Fragen, asylrechtliche Fragen,

    (Frau Olms [GRÜNE]: Außengrenzen schließen!)

    und wir müssen die Kontrollen an die Außengrenzen verlagern. — Wissen Sie, ich finde es manchmal etwas traurig, daß wir von Ostblockländern, denen wir doch sonst vorwerfen, sie schotteten sich ab, in der Freizügigkeit überboten werden. Die Ungarn haben das angeboten. Die Tschechen sind großzügiger bei der Erteilung von Visa, als wir es gegenüber tschechischen Staatsangehörigen sind.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Das sollten wir ändern. Das richtet sich insbesondere an die Adresse des Bundesinnenministers, der hier wirklich aus seiner Sicht Opfer für die europäische Integration bringen muß.

    (Beifall bei der FDP — Sellin [GRÜNE]: Was sind das für Opfer?)

    Meine Damen und Herren, das Wesentliche an der deutschen Präsidentschaft war aber, insgesamt gesehen, die Rolle, die die Europäische Gemeinschaft zusätzlich im außenpolitischen Feld erringen konnte. Wichtig ist die europäische politische Zusammenarbeit. Wichtig ist, die Europäische Union zu einer starken Kraft auszubauen, die sich zwischen den Großmächten behaupten kann, die eigenständig ist und bei fester Einbindung in das westliche Staatenbündnis und die westliche Wertegemeinschaft zugleich Verständigung und Ausgleich mit dem Osten sucht. Hier kann man nur sagen: Dieses ist ein außenpolitisches Gesamtkonzept. Es ist eine Außenpolitik aus einem Guß, die, ausgehend von unserer Rolle in der Europäischen Gemeinschaft, ihre Rolle in der Welt sieht.
    Jetzt richte ich einmal eine Frage an so manchen aus den Reihen unseres Koalitionspartners. Da wird gesagt, diese Außenpolitik sei konzeptionslos. Meine Damen und Herren, ich kann das nicht erkennen. Ich würde mir wünschen, daß einmal Alternativen vorgetragen würden; aber es gibt doch zu dieser Außenpolitik keine Alternative.

    (Beifall bei der FDP — Dr. Vogel [SPD]: Da hat er recht!)

    Dieses ist ein außenpolitisches Gesamtkonzept — ich wiederhole es — , das den deutschen Interessen dient, den europäischen Interessen und auch dem Frieden und den Menschenrechten in der Welt.

    (Beifall bei der FDP — Dr. Vogel [SPD]: Er redet gegen Rühe! Wo ist Rühe?)

    Ich will in diesem Zusammenhang auch ein Thema ansprechen, nach dem man immer wieder gefragt wird: Wie steht es denn eigentlich mit der Deutschlandpolitik? Hier ist die Antwort: Nur auf dem Wege über die Europäische Union kann und wird es uns gelingen, auch dem Schrecken der innerdeutschen Grenze entgegenzutreten und diese Grenze durchlässiger und weniger schlimm zu machen. Ich zitiere hier den Bundesaußenminister: Eine deutsche Politik ist um so nationaler, je europäischer sie ist.
    Wir müssen auf diesem Weg weitergehen. Wir erkennen an, wir freuen uns, daß die deutsche Präsidentschaft ein solcher Erfolg gewesen ist. Wir kennen die Aufgaben, die noch vor uns liegen. Aber — und ich hoffe, da besteht unter den meisten Fraktionen Einigkeit, einschließlich der SPD, wie ich unterstelle — wir sind auf dem Weg zur Europäischen Union ein gutes Stück weitergekommen. Kämpfen wir weiter dafür! Setzen wir in Hannover weitere Zeichen! Hierfür wünschen wir dem Bundeskanzler und dem Bundesaußenminister sowie der gesamten Bundesregierung viel Erfolg.
    Danke.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)