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ID1108800500

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    Plenarprotokoll 11/88 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 88. Sitzung Bonn, Freitag, den 24. Juni 1988 Inhalt: Abweichung von den Richtlinien für die Fragestunde und den Richtlinien für Aktuelle Stunden in der Sitzungswoche ab 5. September 1988 5999 A Erweiterung der Tagesordnung 5999 A Glückwünsche für den ausscheidenden Abg Dr. Wörner 6041 B Tagesordnungspunkt 20: a) Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung: Rückblick auf den Weltwirtschaftsgipfel in Toronto und Ausblick auf den Europäischen Rat in Hannover b) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 11. April 1984 zur Änderung des Anhangs zur Satzung der Europäischen Schule (Drucksache 11/3555, 11/1988) c) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Europäischer Rat am 27./28. Juni 1988 in Hannover (Drucksache 11/2327) d) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Schaffung eines europäischen Finanzraums (Drucksachen 11/1656 Nr. 3.3, 11/1707, 11/2575) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 11: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Bilanz der deutschen EG-Präsidentschaft und Europäischer Rat am 27./28. Juni 1988 in Hannover Dr. Kohl, Bundeskanzler . . . . 5999D, 6023 A Roth SPD 6004 C Spilker CDU/CSU 6006 B Sellin GRÜNE 6007 C Dr. Haussmann FDP 6009 A Brück SPD 6011 A Kittelmann CDU/CSU 6013 A Volmer GRÜNE 6014 C Irmer FDP 6016 B Dr. Wulff CDU/CSU 6017 D Dr. Vogel SPD 6018C, 6024 C Dr. Schwörer CDU/CSU 6025 B Dr. Wieczorek SPD 6026 C Tagesordnungspunkt 21: a) Beratung der Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur Erklärung der Bundesregierung über die Ergebnisse des Europäischen Rates und der Gespräche in Washington zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur Erklärung der Bundesregierung über die Ergebnisse des Europäischen Rates und der Gespräche in Washington zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur Erklärung der Bundesregierung über die Ergebnisse des Europäischen Rates und der Gespräche in Washington (Drucksachen 11/1869, 11/1870, 11/1886, 11/2332) II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Juni 1988 b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Fortsetzung des atomaren Abrüstungsprozesses (Drucksache 11/2438) Dr. Ehmke (Bonn) SPD 6027 A Lamers CDU/CSU 6030 A Frau Beer GRÜNE 6032 B Genscher, Bundesminister AA 6034 B Dr. Scheer SPD 6036 B Lowack CDU/CSU 6038 B Ronneburger FDP 6039 D Zusatztagesordnungspunkt 10: Aktuelle Stunde betr. das neue Ausländergesetz — Zielsetzung und Zeitvorstellung der Bundesregierung Frau Trenz GRÜNE 6041 D Gerster (Mainz) CDU/CSU 6042 D Schröer (Mülheim) SPD 6043 C Dr. Hirsch FDP 6044 D Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär BMI 6045 C Wartenberg (Berlin) SPD 6047 A Dr. Olderog CDU/CSU 6048 B Frau Olms GRÜNE 6049 B Dr. Blens CDU/CSU 6049 D Frau Dr. Sonntag-Wolgast SPD 6050 D Lüder FDP 6051 D Duve SPD 6052 C Dr. Kappes CDU/CSU 6053 C Fellner CDU/CSU 6054 C Nächste Sitzung 6055 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 6053* A Anlage 2 Erklärung des Abg. Müller (Wesseling) (CDU/CSU) nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Steuerreformgesetzes (Drucksache 11/2157) 6057* B Anlage 3 Amtliche Mitteilungen 6053* C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 88. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Juni 1988 5999 88. Sitzung Bonn, den 24. Juni 1988 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 24. 6. Dr. Ahrens* 24. 6. Dr. Bangemann 24. 6. Frau Beck-Oberdorf 24. 6. Dr. Biedenkopf 24. 6. Bohlsen 24. 6. Dr. Böhme (Unna) 24. 6. Börnsen (Ritterhude) 24. 6. Frau Brahmst-Rock 24. 6. Büchner (Speyer) * 24. 6. Catenhusen 24. 6. Eimer (Fürth) 24. 6. Engelhard 24. 6. Feilcke 24. 6. Dr. Häfele 24. 6. Frau Dr. Hartenstein 24. 6. Dr. Hauff 24. 6. Frau Hoffmann 24. 6. Hoppe 24. 6. Ibrügger 22. 6. Frau Kelly 24. 6. Dr. Klejdzinski 24. 6. Kolb 24. 6. Menzel 24. 6. Dr. Müller * 24. 6. Frau Rust 24. 6. Sauer (Salzgitter) 24. 6. Schartz (Trier) 24. 6. Frau Schilling 24. 6. Schmidt (München) 24. 6. Dr. Schmude 24. 6. Dr. Schneider (Nürnberg) 24. 6. Stahl (Kempen) 24. 6. Verheugen 24. 6. Westphal 24. 6. Frau Wieczorek-Zeul 24. 6. Frau Wollny 24. 6. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Müller (Wesseling) (CDU/CSU) nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Steuerreformgesetzes (Drucksache 11/2157) Bei der heutigen namentlichen Abstimmung zur Flugbenzinsteuer werde ich für die Befreiung von der Anlagen zum Stenographischen Bericht Flugbenzinsteuer stimmen, obwohl ich diese Entscheidung für falsch halte. Diese Entscheidung zerstört in den Augen der Öffentlichkeit die Glaubwürdigkeit der Steuerreform und verletzt das Gerechtigkeitsgefühl vieler Bürger und ist auch sachlich nicht geboten. Lediglich wegen der Gefährdung der Steuerreform und der dann vorliegenden Handlungsunfähigkeit der Koalition und des drohenden Verlustes der Regierungsfähigkeit werde ich meine Zustimmung erteilen. Anlage 3 Amtliche Mitteilungen Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 10/6192 Drucksache 10/6380 Drucksache 11/201 Drucksache 11/484 Drucksache 11/883 Nr. 5 Drucksache 11/1213 Drucksache 11/1484 Drucksache 11/1546 Innenausschuß Drucksache 11/2350 Nr. 1.1 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 10/6562 Drucksache 10/6796 Drucksache 11/1317 Drucksache 11/1728 Drucksache 11/1733 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß sie die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen haben: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 11/883 Nr. 22 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/1656 Nr. 3.20-3.32 Drucksache 11/2089 Nr. 9-14, 16-26 Drucksache 11/2198 Nr. 2.6-2.8 Ausschuß für Forschung und Technologie Drucksache 11/1526 Nr. 3.4 Drucksache 11/2089 Nr. 32 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 11/1998 Nr. 2.9 Drucksache 11/2089 Nr. 35
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    Rede von Wolfgang Roth


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat den 14. Weltwirtschaftsgipfel in Toronto als Erfolg dargestellt. Das besagt wenig.

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Aber es bedeutet viel!)

    Denn der Bundeskanzler bewertet alles, was er tut, als Erfolg.

    (Beifall bei der SPD — Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich bin ganz sicher, meine Damen und Herren, daß er den gestrigen Tag hier im Parlament als Erfolg feiern wird.

    (Beifall bei der SPD — Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP — Dr. Vogel [SPD]: Als großen Erfolg!)

    Meine Damen und Herren, der letzte Gipfel in Venedig

    (Kittelmann [CDU/CSU]: War auch ein Erfolg!)

    wurde als Erfolg der weltwirtschaftlichen Stabilisierung verkauft.

    (Dr. Klejdzinski [SPD]: Ein erfolgversprechender Kanzler!)

    Sechs Monate danach gab es den größen Finanzkrach seit fünfzig Jahren.

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Das war Schuld der SPD!)

    Meine Damen und Herren, was wir beklagen, ist, daß aus den von Helmut Schmidt und Valéry Giscard d'Estaing entwickelten Gipfeln der Konfliktaustragung und der Kompromißfindung nun Gipfel der Selbstdarstellung und der Ausklammerung von Problemen geworden sind. Das ist schlecht. Aber es entspricht wohl Ihrem Politikverständnis.
    Sicher gab es einige vernünftige Ansatzpunkte. Wir begrüßen, Herr Bundeskanzler, daß Sie sich für einen Erlaß der Schulden der ärmsten Länder in Afrika stark gemacht haben. Aber wir müssen uns klarmachen, daß das eigentliche Schuldenproblem noch vor uns steht und die Lösung der Probleme Südamerikas noch nicht einmal begonnen sind. Wir begrüßen auch, daß Sie die Anregung von Hans-Jochen Vogel aufgenommen haben und die Zerstörung der Ozonschicht, das Abholzen der Regenwälder, die Gefahr einer weltweiten Klimaveränderung und die Notwendigkeit globaler umweltpolitischer Zusammenarbeit immerhin zu einem Thema dieses Gipfels gemacht haben. Das ist ein Fortschritt.

    (Beifall bei der SPD)

    Was konkret herauskommen wird, muß man noch abwarten. Man könnte vielleicht Verständnis dafür haben, daß alle Gipfelteilnehmer nach den schwierigen Finanzkonflikten des letzten Jahres einen Gipfel der Harmonie wollten. Man hatte das Gefühl, man will keine schlafenden Hunde wecken. Aber, meine Damen und Herren, diese Konflikte und diese Probleme



    Roth
    sind nicht dadurch ausgeräumt, daß man sie ausklammert.
    Der Kampf gegen den Protektionismus ist überhaupt nicht gewonnen. Der amerikanische Präsident hat zwar das Handelsgesetz kassiert, aber ich bin sicher: In der nächsten Legislaturperiode in Amerika kommt das alles wieder. Es gibt keine klaren Zusagen aller politischen Kräfte in Amerika gegen Protektionismus.
    Agrarreformen sind zwar versprochen, aber wo sind sie wirklich angepackt? Sind sie in der EG angepackt? Das stimmt doch wohl nicht.
    Vor allem aber — das ist mir das Wichtigste — sind die weltwirtschaftlichen Ungleichgewichte überhaupt nicht aus der Welt. Niemand weiß beispielsweise, ob nicht der Dollar erneut unter Druck kommt, wenn klar wird, daß dieses Ungleichgewicht weiter anhält. Niemand weiß auch, ob nicht die Amerikaner — gewisse Tendenzen gibt es dazu — erneut ihre Zinsen erhöhen und damit die Weltkonjunktur gefährden.
    Was wir wissen, ist aber, daß es keinerlei Anlaß zu Entwarnung und weltwirtschaftlichem Nichtstun gibt.

    (Dr. Vogel [SPD]: Leider wahr!)

    Der Abbau der weltwirtschaftlichen Ungleichgewichte muß rascher vorangetrieben werden. Dazu fehlen Festlegungen. Was dazu vor allem notwendig ist, ist seit langem bekannt und nirgends mehr im Grundsatz umstritten: Die USA müssen endlich schneller ihre Defizite abbauen, und die Überschußländer, vor allem die Bundesrepublik und Japan, müssen ihre Binnenwirtschaft stärker ankurbeln.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, Japan hat es begriffen und handelt auch danach. Die Regierung Kohl richtet sich jedoch weiterhin nur auf Beiträge von außen ein.

    (Dr. Jens [SPD]: Er redet nur!)

    Meine Damen und Herren, was sollen denn Verbrauchsteuer- und Abgabenerhöhung im Jahre 1989 in Höhe von insgesamt 25 Milliarden DM als Beitrag zum Abbau der Ungleichgewichte? Sie bewirken das Gegenteil.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich muß auch sagen: Mich begeistern die Entscheidungen der Deutschen Bundesbank in den letzten Tagen überhaupt nicht. Jetzt wieder in Dribbelschritten die Zinsen zu erhöhen, ist das Gegenteil von Solidarität in der Weltwirtschaft.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, die Wirtschaftspolitik dieser Bundesregierung ist kein Beitrag zur internationalen Kooperation. Versuchen Sie nicht, uns hier weiszumachen, die Verbrauchsteuer- und Abgabenerhöhungen 1989 von rund 1 % des Bruttosozialprodukts würden die Konjunktur nicht belasten. Ihr Staatssekretär Schlecht, nun wahrhaft ein bewährter Fuhrmann der Wirtschaftspolitik — er hat schon unter
    Erhard gearbeitet, unter Schiller, unter Lambsdorff —, hat gesagt, daß er diese Maßnahmen konjunkturpolitisch für Unsinn halte. In der eigenen Regierung wird das zugegeben.

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Das ist eine Verdrehung dieses Satzes! So hat er das nicht gesagt!)

    In den Jahren bis 1987 haben Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, erzählt, Steuern müßten gesenkt werden. Ich stelle fest: 1989 werden Steuern erhöht.
    In den Jahren bis 1987 gab es in Ihren Augen — Graf Lambsdorff, hören Sie zu — nichts Wichtigeres als die Absenkung der Lohnnebenkosten als angebotspolitische Maßnahme. 1989 werden die Lohnnebenkosten drastisch erhöht, sowohl bei den Arbeitgeberbeiträgen für die Arbeitslosenversicherung wie auch bei der Krankenversicherung.
    Das alles geschieht deshalb, meine Damen und Herren, weil Sie unfähig sind, das eigentliche Problem anzugehen, nämlich die Massenarbeitslosigkeit.

    (Dr. Waigel [CDU/CSU]: Das Wort „unfähig" nimmst du aber zurück!)

    Graf Lambsdorff — ich spreche Sie noch einmal an — , Sie haben immer gefordert, die Steuerentlastung 1990 solle auf das Jahr 1989 vorgezogen werden. Und was macht die Regierung jetzt? Sie erhöht im Jahr 1989 die Steuern und Abgaben um sage und schreibe 25 Milliarden DM.

    (Dr. Vogel [SPD]: Sie ziehen vor und aus der Tasche!)

    Das ist der totale Widerspruch zu Ihrer bisherigen Forderung. Wo bleibt da eigentlich Ihre alte Logik in der Wirtschaftspolitik?
    Meine Damen und Herren, das ist kein wirtschaftspolitischer Kurs, das ist Wirrwarr.
    Damit wir uns richtig verstehen: Wir Sozialdemokraten messen den Beitrag des Staates zur Stärkung der Binnenkonjunktur nicht am Haushaltsdefizit; wir messen ihn daran, was mit dem Defizit getan wird und wofür beispielsweise Steuern erhöht werden. Für Energiesteuern hätten wir Sympathie, wenn damit ein umfassendes Umweltprogramm finanziert werden würde, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie erhöhen die Steuern nicht, um die EG zu finanzieren, wie Sie behaupten. Sie erhöhen sie schlicht deshalb, um Löcher zu stopfen. Sie schaffen damit keine Arbeitsplätze. Sie entziehen damit Kaufkraft. Sie schwächen die Konjunktur und vernichten Arbeitsplätze.
    Das alles ist in Toronto ausgeblendet worden. Aber, meine Damen und Herren, Harmoniebedürfnis darf nicht zum Selbstbetrug werden. Ich habe schon die Befürchtung, nachdem das mit Ihren Steuererhöhungen in den letzten Tagen klarer geworden ist, daß Sie bereits in Hannover konjunkturpolitisch auf die Anklagebank rutschen werden. Die von Ihnen beschlossene Drosselung der Massennachfrage bremst unsere Importe aus Europa und exportiert Probleme in die



    Roth
    anderen Länder Europas. Wir sind die dominierende Wirtschaftskraft.
    Meine Damen und Herren, wir haben wohl alle das Ziel, die europäische Integration voranzutreiben. Ich glaube, wir müssen uns auch klarmachen, daß noch Schwierigkeiten und Widerstände zu erwarten sind. Einzelne Branchen sagen doch: Binnenmarkt ja, aber nicht in unserem Sektor. — Ich könnte Ihnen ein paar nennen.
    Wir werden Sie in der Frage des Binnenmarktes unterstützen, auch gegen Widerstände. Aber auch Sie können gegen die Widerstände einen Beitrag leisten, und zwar ist der Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit der beste Beitrag für einen Binnenmarkt in Europa.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie müssen durch den Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit mithelfen, daß endlich ein integrationsfreundliches Klima geschaffen wird.
    Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß: Ihre Bekenntnisse zur weltwirtschaftlichen Verantwortung und zu Europa in allen Ehren. Aber der Weltwirtschaftsgipfel von Toronto ist vorüber. Das Hauptproblem bleibt. Das zentrale Problem in Europa ist die Massenarbeitslosigkeit. Ich habe heute zu diesem Thema, Herr Bundeskanzler, von Ihnen nichts gehört. Ändern Sie über das Wochenende Ihre Strategie für Hannover, und stellen Sie den Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit als Thema Nummer eins auf die Tagesordnung für den Gipfel von Hannover!

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Spilker.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Karl-Heinz Spilker


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es mag schwierig sein, in kurzer Zeit zu einem mehrtägigen Wirtschaftsgipfel der sieben westlichen Industrieländer Stellung zu nehmen, die sich dankenswerterweise mit einer ganzen Reihe von weltpolitischen Problemen, also nicht nur mit wirtschafts- und währungspolitischen Fragen befaßt haben. Nicht schwierig ist es jedoch, Herr Roth, Ihnen zu entgegnen, daß Sie sich ja schon seit Monaten kritisch äußern, Prophezeiungen machen, die sich gottlob nie bewahrheitet haben. Das gilt auch für Ihre Kritik an dem Gipfel, der Steuerreform und der Entwicklungspolitik der Industrieländer. Ich möchte schon sagen: Auch diese Kritik ist nicht gerechtfertigt, und Sie sollten davon endlich Abstand nehmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Früher, meine Damen und Herren, wurde die Notwendigkeit von Gipfelkonferenzen oft bezweifelt. Allmählich setzte sich die Erkenntnis durch, daß diese erforderlich und wünschenswert sind. Nach Toronto — in Frankreich wird die nächste Konferenz sein — wird es weitere Gipfel geben, wie es Bundeskanzler Kohl in seinem Eingangsstatement in Kanada ausdrücklich gewünscht hat.
    Seit dem ersten Gipfel 1975 ist die Notwendigkeit internationaler Koordination und Kooperation immer deutlicher geworden und erfreulicherweise die
    Übereinstimmung in den zentralen Fragen der Politik, besonders der Wirtschafts- und Finanzpolitik im Kreis der Gipfelländer gewachsen. Dies kam in Toronto ganz besonders zum Ausdruck. Man darf sagen, daß die Bundesrepublik, die sich im übrigen immer wieder zu weltwirtschaftlicher Kooperation bekannt hat, hier ihren angemessenen Beitrag geleistet hat.
    So möchte ich auch dem Bundeskanzler und der deutschen Delegation im Namen der CDU/CSU-Fraktion ausdrücklich dafür danken, daß sie die deutsche Position auf dieser Konferenz nachdrücklich vertreten haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Was ist die deutsche Position? Ich darf es einfach beantworten: Weiterer konsequenter Ausbau internationaler Zusammenarbeit, weil es keinen anderen Weg für eine Welt in Frieden und Freiheit gibt.
    „Toronto wurde ein Gipfel der Harmonie", so lautet die Überschrift der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" über einem Kommentar. Wohlwollend waren auch die Berichte und Kommentare der nationalen und internationalen Medien, die bekanntlich bei früheren Konferenzen nicht immer so waren. In der Tat, es war trotz Ihrer Äußerung, Herr Kollege Roth, ein erfolgreicher Gipfel, und dafür sollte man allen beteiligten Staats- und Regierungschefs danken. Es wurden viele Probleme und Themenkreise nicht nur beraten und ihre Erledigung nationalen Institutionen und zuständigen internationalen Gremien überwiesen, sondern es kamen auch konkrete Ergebnisse heraus,

    (Zuruf von der SPD: Welche?)

    die bei der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds in Berlin ihren Niederschlag finden werden, auch bei dem Europäischen Rat in Hannover, zu dem wir Ihre Empfehlung, Herr Roth, wirklich nicht brauchen.

    (Zustimmung des Abg. Kittelmann [CDU/CSU])

    Ich gehe davon aus, daß bereits Ende dieses Jahres weitere konkrete Ergebnisse auf dem Gebiet der Bekämpfung der internationalen Schuldenkrise auf dem Tisch liegen werden. Bei der Jahrestagung des IWF, auf der die Entwicklungsländer vertreten sind, sollte es mehr konkrete Fortschritte als in den vergangenen Jahren geben. Wir müssen auch die Entwicklungsländer selbst in die Bekämpfung der internationalen Schuldenkrise, aber auch — das ist ganz wichtig — in die internationale Zusammenarbeit der Industrieländer einschließen.
    Meine Damen und Herren, wir sprechen nicht nur über Gipfel oder internationale Konferenzen — diese können immer nur einen Höhepunkt bilden — , sondern über die ständige internationale Zusammenarbeit zwischen den Industrieländern, in die, wie ich soeben sagte, die Entwicklungsländer eingeschlossen werden müssen.
    Es geht vor allem um die Stärkung der Marktkräfte und um Strukturreformen. Es geht um die Notwendigkeit von Wechselkursstabilität, aber auch um die Notwendigkeit kontinuierlicher Anpassungen. Es geht ferner um den Kampf gegen den Protektionismus und



    Spilker
    für ein freies Welthandelssystem. Schließlich spielt auch die Schuldenüberwindungsstrategie im Verhältnis zu den Entwicklungsländern eine entscheidende Rolle.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Sellin [GRÜNE]: Schuldenerlaß!)

    — Der Zwischenruf, für den ich dankbar bin, zeigt, daß Sie nicht informiert sind und auch nicht informiert sein wollen,

    (Dr. Waigel [CDU/CSU]: So ist es!)

    denn sonst würden Sie wenigstens dankbar zur Kenntnis nehmen, daß die Bundesrepublik, vertreten durch den Bundeskanzler, hier eine vorbildliche Rolle gespielt hat, denn ein Schuldenerlaß in Höhe von 4,2 Milliarden DM kommt nicht von ungefähr.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Das sind Leistungen, die unsere Steuerzahler erbracht haben; das sollten Sie wissen. Wenn der Bundeskanzler hier betont hat, daß es weitere Schuldenerlasse geben wird, und hier ganz konkrete Vorstellungen bestehen, meine Damen und Herren, dann scheint es mir nicht sehr angezeigt zu sein, hier mit Zwischenrufen glänzen zu wollen, deren Inhalt Sie nicht einmal übersehen.

    (Dr. Waigel [CDU/CSU]: Was heißt denn da glänzen?)

    Glänzen sollten Sie lieber in Godesberg oder wo auch immer Sie Ihre „berühmten" Tagungen durchführen.

    (Dr. Vogel [SPD]: Wiesbaden? Das war doch die CDU! — Heiterkeit)

    — Herr Vogel, es ist nett, daß Sie sich rühren. Ich hätte Sie fast übersehen, und das hätte mir leid getan.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Vogel [SPD]: Aber Herr Spilker!)

    — Ich habe nur wenig Zeit. Sonst würde ich ganz gern darauf zurückkommen, und zwar schon deshalb, weil wir unseren alten Dialog, den wir schon seit unserer Münchener Zeit führen, fortsetzen sollten.

    (Dr. Vogel [SPD]: Richtig!)

    Meine Damen und Herren, die Staats- und Regierungschefs haben sich in Toronto erfreulicherweise erneut zu ihrer Verantwortung gegenüber der Völkergemeinschaft — und zwar nicht nur im wirtschaftlichen Bereich — bekannt, und das ist gut so. Auch der Bereich der Umwelt- und Sozialpolitik sowie andere Fragen wie etwa die Bekämpfung des Terrorismus und des Drogenmißbrauchs haben eine Rolle gespielt, und es wird sich zeigen — das wird die Zukunft lehren — , daß dieser Gipfel erfolgreich war.

    (Kittelmann [CDU/CSU]: So ist es!)

    Meine Damen und Herren, leider haben sich die sozialistischen Länder einer solchen Politik bisher verschlossen, auch wenn in der letzten Zeit eine Reihe positiver Tendenzen festzustellen waren, die auf dem Gipfel gewürdigt wurden.
    In diesem Zusammenhang möchte ich noch eine Erwartung äußern, weil ich eigentlich vermisse, daß diese Länder wenigstens gegenüber den ärmsten Entwicklungsländern Hilfestellung auf wirtschaftlichem Gebiete leisten, damit diese Staaten eine Chance bekommen, auch wirtschaftlich souverän zu werden. Ich sehe hier neben einer verstärkten wirtschaftlichen West-Ost-Kooperation oder als Folge einer solchen eine große Chance für die Zukunft, die wahrgenommen werden sollte. Ich erwähne das und wende mich damit an die Adresse der SPD und der GRÜNEN, weil Sie immer wieder die westlichen Industriestaaten wegen Versäumnissen auf entwicklungspolitischem Gebiete auf die Anklagebank setzen, und das ist nicht gut so. Ich sage noch einmal: Sie sollten das unterlassen. Die Tatsachen sprechen eine andere Sprache.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Sellin [GRÜNE]: Nein!)