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    Plenarprotokoll 11/87 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 87. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 23. Juni 1988 Inhalt: Verzicht der Abg. Frau Simonis und des Abg. Jansen auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag 5829 A Eintritt der Abg. Frau Dr. Sonntag-Wolgast und des Abg. Opel in den Deutschen Bundestag 5829 A Erweiterung der Tagesordnung 5829 B Absetzung des Punktes 3 — Entwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes — von der Tagesordnung 5829 D Zur Geschäftsordnung Kleinert (Marburg) GRÜNE 5829 D Seiters CDU/CSU 5830 B Tagesordnungspunkt 2: a) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Steuerreformgesetzes 1990 (Drucksachen 11/2157, 11/2226, 11/2299, 11/2529, 11/2536, 11/2551) b) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Abbau steuerlicher Härten für die Landwirtschaft (Drucksachen 11/676, 11/2529, 11/2536, 11/2531) c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu dem Antrag des Abgeordneten Sellin und der Fraktion DIE GRÜNEN: Kürzung der Berlin-Förderung und Bildung eines Finanzfonds zur Verbesserung der ökonomischen, ökologischen und sozialen Situation der Stadt zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Apel, Roth, Dr. Spöri, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Beseitigung steuerlicher Benachteiligungen von kleinen und mittleren Unternehmen (Drucksachen 11/1187 [neu], 11/1335, 11/2529, 11/2536) d) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur steuerlichen Begünstigung von Zuwendungen an unabhängige Wählervereinigungen (Drucksachen 11/1316, 11/2554, 11/2555) e) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau zu dem Antrag der Abgeordneten Müntefering, Conradi, Amling, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Die Wohnungsgemeinnützigkeit erhalten und stärken (Drucksachen 11/1389, 11/2516) Dr. Dregger CDU/CSU 5831 D Dr. Apel SPD 5837 B Gattermann FDP 5842D, 5922 D Hüser GRÜNE 5847C, 5924 A Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . . 5849 D Poß SPD 5856 B Glos CDU/CSU 5859 C Frau Vennegerts GRÜNE 5863 A Dr. Solms FDP 5865 C Huonker SPD 5868 A Dr. Faltlhauser CDU/CSU 5871 C Sellin GRÜNE 5873 B II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Juni 1988 Rind FDP 5874 B Dr. Mitzscherling SPD 5877 B Dr. Neuling CDU/CSU 5879 C Frau Oesterle-Schwerin GRÜNE 5881 D Dr. Daniels (Bonn) CDU/CSU 5883 A Dr. Wieczorek SPD 5884 B Dr. Grünewald CDU/CSU 5887 A Reschke SPD 5889 A Doss CDU/CSU 5890 D Kleinert (Marburg) GRÜNE 5892 A Frau Will-Feld CDU/CSU 5892 D Wüppesahl fraktionslos (zur GO) . . . 5894 B Wüppesahl fraktionslos 5895A, 5925 B Kastning SPD 5897 A Jung (Lörrach) CDU/CSU 5898 C Namentliche Abstimmungen in der zweiten Beratung . . . 5900A, B, C, D, 5901A, B, 5902B Ergebnisse . . . 5903B, 5905A, 5907A, 5908D, 5910D, 5912D, 5914C, 5916C Dr. Fell CDU/CSU 5918 C Dr. Struck SPD 5919 C Lowack CDU/CSU (Erklärung nach § 31 GO) 5926 B Dr. Vondran CDU/CSU (Erklärung nach § 31 GO) 5926 C Niegel CDU/CSU (Erklärung nach § 31 GO) 5927 A Rind FDP (Erklärung nach § 31 GO) . . 5927 B Namentliche Abstimmungen in der dritten Beratung 5928B, 5930 D Ergebnisse 5931A, 5941 D Zur Geschäftsordnung Kleinert (Marburg) GRÜNE 5928 C Bohl CDU/CSU 5929 A Jahn (Marburg) SPD 5929 B Seiters CDU/CSU 5930 C Zusatztagesordnungspunkt 4: Zweite und Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung einer Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder" (Drucksachen 11/2274, 11/2519, 11/2522) 5932 D Tagesordnungspunkt 4: Beratung der Sammelübersichten 67, 68 und 69 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen (Drucksachen 11/2435, 11/2509, 11/2510) 5933 B Zusatztagesordnungspunkt 5: Beratung der Sammelübersicht 72 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen (Drucksache 11/2544) . . . . 5933 B Zusatztagesordnungspunkt 6: Beratung der Sammelübersicht 73 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen (Drucksache 11/2545) . . . . 5933 B Tagesordnungspunkt 5: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP: Unterstützung der Reformbemühungen der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (Drucksache 11/2543) 5933 C Tagesordnungspunkt 6: Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundeskleingartengesetzes (Drucksache 11/200) 5933 D Tagesordnungspunkt 7: Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung (Drucksache 11/1867) 5933 D Tagesordnungspunkt 8: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 26. März 1986 zur Änderung des Übereinkommens vom 4. Juni 1974 zur Verhütung der Meeresverschmutzung vom Lande aus (Drucksache 11/2272) 5933 D Tagesordnungspunkt 9: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der Erklärung vom 11. Dezember 1986 zu dem Übereinkommen vom 3. Dezember 1976 zum Schutze des Rheins gegen Verunreinigung durch Chloride (Drucksache 11/2273) . . . . 5933 D Tagesordnungspunkt 10: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Dr. Hamm-Brücher, Dr. Biedenkopf, Frau Dr. Hartenstein, Dr. Mechtersheimer und weiterer Abgeordneter: Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages hier: §§ 20, 42, 56, 57, 61, 62, 68, 69, 75, 80, 100, 104, 106 a (neu), 122 a, Anlage 4 (Drucksache 11/2206) 5934 A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Juni 1988 III Tagesordnungspunkt 11: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Dr. Hamm-Brücher, Dr. Biedenkopf, Frau Dr. Hartenstein, Dr. Mechtersheimer und weiterer Abgeordneter: Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages hier: §§ 28, 35, 106 (Drucksache 11/2207) 5934 B Tagesordnungspunkt 12: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Dr. Hamm-Brücher, Dr. Biedenkopf, Frau Dr. Hartenstein, Dr. Mechtersheimer und weiterer Abgeordneter: Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages hier: §§ 6, 13, 30, 32, 69, 78, 127 (Drucksache 11/2208) 5934 C Tagesordnungspunkt 13: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Dr. Hamm-Brücher, Dr. Biedenkopf, Frau Dr. Hartenstein, Dr. Mechtersheimer und weiterer Abgeordneter: Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages hier: Umstellung der Kapitel I bis V und Änderung der Kapitel VI und VIII (Drucksache 11/2209) 5934 D Tagesordnungspunkt 14: Beratung des Antrags der Abgeordneten Adler, Jansen, Kißlinger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Rechtsverordnung für den Transport von Tieren (Drucksache 11/2441) 5935 A Zusatztagesordnungspunkt 7: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dreßler, Frau Fuchs (Köln), Egert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Reform des Gesundheitswesens (Drucksache 11/2500) 5935A Tagesordnungspunkt 15: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Verteidigungsausschusses zu der Unterrichtung durch den Wehrbeauftragten: Jahresbericht 1987 (Drucksachen 11/2034, 11/2528) Weiskirch, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages 5935 B Dr. Jenninger, Präsident des Deutschen Bundestages 5937 A Dr. Scholz, Bundesminister BMVg 5937D, 5950B Heistermann SPD 5938 C Breuer CDU/CSU 5943 C Dr. Mechtersheimer GRÜNE 5946 B Nolting FDP 5948 B Kolbow SPD 5951 A Tagesordnungspunkt 16: a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes (Drucksachen 11/2420, 11/2517, 11/2518) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zu dem Antrag des Abgeordneten Stratmann und der Fraktion DIE GRÜNEN: Verzicht auf Diätenerhöhung — statt dessen Förderung von Arbeitsloseninitiativen (Drucksachen 11/2439, 11/2517) Becker (Nienberge) SPD 5954 C Dr. Lammert CDU/CSU 5955 A Stratmann GRÜNE 5955 D Beckmann FDP 5956 D Zusatztagesordnungspunkt 8: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes (Drucksachen 11/2357, 11/2556) Dr. Hoffacker CDU/CSU 5958B Jaunich SPD 5959 A Frau Würfel FDP 5960 B Frau Wilms-Kegel GRÜNE 5961 B Pfeifer, Parl. Staatssekretär BMJFFG . . 5962 A Tagesordnungspunkt 17: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Blunck, Dr. Hauff, Schäfer (Offenburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Eckpunkte für die Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes (Drucksache 11/1447) in, Verbindung mit IV Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Juni 1988 Zusatztagesordnungspunkt 9: Beratung des Antrags der Abgeordneten Brauer, Dr. Daniels (Regensburg), Frau Flinner und der Fraktion DIE GRÜNEN: Klare ökologische Schwerpunktsetzung im Bundesnaturschutzgesetz (Drucksache 11/2523) Frau Blunck SPD 5963 B Eylmann CDU/CSU 5964 A Brauer GRÜNE 5965 B Baum FDP 5966 A Gröbl, Parl. Staatssekretär BMU 5967 A Tagesordnungspunkt 18: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Daniels (Regensburg), Stratmann, Frau Teubner und der Fraktion DIE GRÜNEN: Einführung eines einheitlichen linearen zeitvariablen Tarifs für alle Verbrauchergruppen und Stromanwendungsgebiete (Drucksache 11/2079) Dr. Daniels (Regensburg) GRÜNE . . . 5968 A Magin CDU/CSU 5968 D Jung (Düsseldorf) SPD 5970 A Beckmann FDP 5970 D Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär BMWi . . 5971D Tagesordnungspunkt 19: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes, über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten und zur Sicherung der MontanMitbestimmung (Drucksache 11/2503) Scharrenbroich CDU/CSU 5972 D Dreßler SPD 5975 D Cronenberg (Arnsberg) FDP 5977 D Stratmann GRÜNE 5980 D Dr. Warrikoff CDU/CSU 5982 D Peter (Kassel) SPD 5985 A Dr. Blüm, Bundesminister BMA 5987 A Urbaniak SPD 5990 A Nächste Sitzung 5991 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 5993* A Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Steuerreformgesetzes (Drucksache 11/2157) (Abg. Bauer, Dr. Blank, Bohlsen, Bühler [Bruchsal], Carstensen [Nordstrand], Ehrbar, Fuchtel, Funk [Gutenzell], Ganz [St. Wendel], Hauser [Krefeld], Hinsken, Jung [Limburg], Dr.-Ing. Kansy, Dr. Kappes, Kossendey, Kroll-Schlüter, Frau Limbach, Dr. Daniels [Bonn], Link [Diepholz], Louven, Sauer [Stuttgart], Haungs, Börnsen [Bönstrup], Marschewski, Müller [Wadern], Pfeffermann, Scharrenbroich, Schemken, von Schmude, Schreiber, Dr. Schroeder [Freiburg], Schulhoff, Dr. Todenhöfer, Dr. Uelhoff, Dr. Voigt [Northeim], Würzbach [alle CDU/CSU] und Abg. Frau Dr. Hamm-Brücher, Baum, Irmer, Dr. Hirsch, Frau Würfel und Lüder [alle FDP]) 5993* B Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Juni 1988 5829 87. Sitzung Bonn, den 23. Juni 1988 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Biedenkopf 24. 6. Bohlsen 24. 6. Dr. Böhme (Unna) 24. 6. Frau Brahmst-Rock 24. 6. Büchner (Speyer)* 24. 6. Catenhusen 24. 6. Eimer (Fürth) 24. 6. Engelhard 24. 6. Feilcke 24. 6. Frau Dr. Hartenstein 24. 6. Dr. Hauff 24. 6. Hedrich 23. 6. Frau Kelly 24. 6. Dr. Klejdzinski 24. 6. Menzel 24. 6. Meyer 23. 6. Dr. Müller ' 24. 6. Sauer (Salzgitter) 24. 6. Frau Schilling 24. 6. Stahl (Kempen) 24. 6. Verheugen 24. 6. Wilz 23. 6. Frau Wollny 24. 6. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Steuerreformgesetzes (Drucksache 11/2157) Abgeordneter Bauer (CDU/CSU): In der heutigen namentlichen Abstimmung werde ich für die Befreiung von der Flugbenzinsteuer stimmen, obwohl ich diese Entscheidung für falsch halte. Diese Entscheidung zerstört in den Augen der Öffentlichkeit die Glaubwürdigkeit der Steuerreform und ist sachlich nicht geboten. Lediglich wegen der Gefährdung der Steuerreform und der dann vorliegenden Handlungsunfähigkeit der Koalition und des drohenden Verlustes der Regierungsfähigkeit werde ich meine Zustimmung erteilen. Abgeordneter Dr. Blanck (CDU/CSU): Ich stimme der Steuerbefreiung von Flugbenzin in der namentlichen Abstimmung nur deshalb zu, damit Anlagen zum Stenographischen Bericht das gesamte Steuerreformgesetz nicht scheitert, sondern in Kraft treten kann. Eine einzelne Frage, in der Öffentlichkeit zu Recht kritisch diskutiert, darf die in ihrer Gesamtheit notwendige und richtige Steuerreform nicht gefährden. Die Koalition aus CDU/CSU und FDP, zu der es keine Alternative gibt, darf nicht durch diese wenn auch noch so kritisch zu beurteilende Einzelentscheidung in Frage gestellt werden. Abgeordneter Bohlsen (CDU/CSU): In der am 23. 6. 1988 stattfindenden namentlichen Abstimmung werde ich trotz erheblicher Bedenken für die Steuerbefreiung von Flugbenzin stimmen, obwohl ich diese Entscheidung für falsch halte. Wenn eine steuerliche Vergünstigung für die Sportflieger geschieht, hätten auch die Sportbootfahrer einbezogen werden müssen. Mit Rücksicht auf die erhebliche Zunahme im Luftverkehr halte ich eine vollständige Besteuerung des innerdeutschen Flugverkehrs, der gegenwärtig zu 96 % freigestellt ist, für verkehrspolitisch sinnvoller. Leider sind die bisherigen Versuche auf europäischer Ebene gescheitert. Meine Zustimmung erteilte ich nur, um die Steuerreform nicht als Ganzes zu gefährden. Ein Scheitern der Steuerreform, die ich unter vielen Gesichtspunkten für erforderlich halte, könnte die Handlungsunfähigkeit der Koalition bedeuten. Abgeordneter Bühler (Bruchsal) (CDU/CSU): Ich habe in der heutigen namentlichen Abstimmung für die Befreiung von der Flugbenzinsteuer gestimmt, obwohl ich die Entscheidung für falsch halte. Hierdurch wird die Glaubwürdigkeit des gesamten Steuerreformpakets in den Augen der Öffentlichkeit in Frage gestellt. Es hätte andere, gerechtere und für den Bürger einsichtige Möglichkeiten gegeben, dieses steuerrechtliche Randproblem zu lösen. Meine Zustimmung in der namentlichen Abstimmung zur Abschaffung der Besteuerung von Flugbenzin für Privatflieger ist einzig und allein darin begründet, daß ich die endgültige Verabschiedung der gesamten Steuerreform mit ihren ansonsten positiven Auswirkungen und damit die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung bzw. die dieser zugrunde liegenden Mehrheitsverhältnisse im Bundestag nicht gefährden möchte. Abgeordneter Carstensen (Nordstrand) (CDU/CSU): Die Steuerbefreiung für Flugbenzin bei privater Nutzung stößt bei mir auf erhebliche Vorbehalte. Ich halte sie für einen politischen Mißgriff bei dem insgesamt positiven Vorhaben der Steuerreform. Dennoch werde ich trotz meiner Bedenken heute zustimmen, um dem Gesamtwerk der Steuerreform mit seiner von mir unterstützten steuer- und finanzpo- 5994' Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Juni 1988 litischen Weichenstellung keine weiteren Hindernisse in den Weg zu legen. Abgeordneter Ehrbahr (CDU/CSU): Die Steuerbefreiung für Flugbenzin bei privater Nutzung halte ich für einen gravierenden politischen Fehler. Da ich jedoch die Steuerreform mit ihrer entlastenden Wirkung insbesondere im unteren Einkommensbereich und bei Familien mit Kindern in ihrer Realisierung nicht gefährden will, habe ich mit „Enthaltung" gestimmt. Abgeordneter Fuchtel (CDU/CSU): Ich stimme für die Steuerreform inklusive der Restbefreiung von der Flugbenzinsteuer. Das Gesamtwerk der bisher größten Steuerreform darf nicht wegen eines Teilaspekts gefährdet und die gefundene Kompromißlinie nicht mit unsicherer inhaltlicher und zeitlicher Perspektive wieder in Frage gestellt werden. In der Sache hätte ich mir eine differenzierte Behandlung von geschäftlichem Reise-Flugverkehr und Hobby-Flugverkehr gewünscht und halte deswegen das Gesetz in diesem Punkt für sachlich unrichtig, was aber nicht dazu führen kann, daß durch entsprechende Abstimmungen die Handlungsfähigkeit der Koalition aufs Spiel gesetzt wird. Abgeordneter Funk (Gutenzell) (CDU/CSU): Die Steuerbefreiung für Flugbenzin bei privater Nutzung stößt bei mir auf erhebliche Vorbehalte. Ich halte sie für einen politischen Mißgriff bei dem insgesamt positiven Vorhaben der Steuerreform. Dennoch werde ich trotz meiner Bedenken heute zustimmen, um dem Gesamtwerk der Steuerreform mit seiner von mir unterstützten steuer- und finanzpolitischen Weichenstellung keine weiteren Hindernisse in den Weg zu legen. Abgeordneter Ganz (St. Wendel) (CDU/CSU): Ich halte die in Artikel 24 des Steuerreformgesetzes 1990 vorgesehene Änderung des Mineralölsteuergesetzes für nicht vertretbar. Ich habe bei der namentlichen Abstimmung nur deshalb für die Beibehaltung des Artikel 24 votiert, weil ich das Gesamtvorhaben Steuerreform nicht in Gefahr bringen wollte. Abgeordneter Hauser (Krefeld) (CDU/CSU): Um das Gesamtvorhaben der Steuerreform mit seiner Wirkung der Entlastung kinderreicher Familien und niedriger und mittlerer Einkommen nicht zu gefährden, habe ich meine ursprüngliche Absicht, bei der Steuerbefreiung für Flugbenzin mit Nein zu stimmen, aufgegeben und stimme zu. Abgeordneter Hinsken (CDU/CSU): Obwohl ich mit der Streichung der Investitionszulage nicht einverstanden bin, werde ich, um das Steuergesamtpaket, das ich insgesamt gesehen für gut finde, nicht zu gefährden, für die Regierungsvorlage stimmen. Abgeordneter Jung (Limburg) (CDU/CSU): Ich werde in der heutigen namentlichen Abstimmung für die Befreiung von der Flugbenzinsteuer stimmen, obwohl ich diese Entscheidung für falsch halte. Sie zerstört in den Augen der Öffentlichkeit die Glaubwürdigkeit der Steuerreform und ist sachlich nicht geboten. Die in der Tat vorliegende steuerliche Ungleichbehandlung hätte anders beseitigt werden müssen. Nämlich mit der vollständigen Besteuerung des innerdeutschen Flugverkehrs, der momentan zu 96 % freigestellt ist. Lediglich wegen der Gefährdung der Steuerreform und der dann vorliegenden Handlungsunfähigkeit der Koalition und des drohenden Verlustes der Regierungsfähigkeit werde ich meine Zustimmung erteilen. Abgeordneter Dr.-Ing. Kansy (CDU/CSU): Zum Änderungsantrag der SPD-Fraktion bei der zweiten Lesung des Steuerreformgesetzes 1990, Flugbenzin für Geschäfts- und Sportflieger entgegen dem Beschluß des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages der Besteuerung zu unterziehen, erkläre ich: Ich halte die Entscheidung des Finanzausschusses für sachlich und politisch falsch. Da bei der Geschäftslage des Deutschen Bundestages die Annahme des SPD-Antrages — von der SPD auch so gewollt — nicht nur die Besteuerung des Flugbenzins, sondern auch das Scheitern der Verabschiedung der Steuerreform vor der Sommerpause und vielleicht sogar eine Krise der Koalition bedeuten würde, habe ich den SPD-Antrag abgelehnt. Die Verabschiedung dieser Reform und die Handlungsfähigkeit der Koalition hat nach ernsthafter Abwägung Vorrang vor der Durchsetzung der Besteuerung des Flugbenzins durch wechselnde Mehrheiten im Plenum. Abgeordneter Dr. Kappes (CDU/CSU): Zu meinem Abstimmungsverhalten in der Frage der Mineralölsteuerbefreiung zugunsten der Privat- und Sportflieger — Artikel 24 des Entwurfs eines Steuerreformgesetzes 1990 — erkläre ich: Grundsätzlich bin ich der Auffassung, daß es in unserem Staat keine unterschiedliche Besteuerung desselben Verbrauchsgutes je nach Verwendungsabsicht des Käufers geben sollte. Dies muß auch für den Kauf von Flugbenzin gelten. Entweder sollen alle Flieger oder aber keiner Mineralölsteuer bezahlen. Ich selbst trete aus sozial-, steuer-, verkehrs-, energie- und umweltpolitischen Gründen dafür ein, daß in Zukunft alle, d. h. sowohl die großen Fluggesellschaften als auch die kleinen Lufttaxiunternehmen, der Werkflugverkehr und die Sportflieger in gleicher Weise zur Mineralölsteuer herangezogen werden. Meiner Meinung nach lassen sich die hier bestehenden Schwierigkeiten — insbesondere im Zusammenhang mit internationalen Abkommen — bei gutem Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Juni 1988 5995 Willen ausräumen. Hierfür werde ich mich energisch einsetzen. Im Hinblick auf die unerwartet — vor allem wegen des Dollarverfalls und der Finanzsituation der Europäischen Gemeinschaft — bereits jetzt erforderlich gewordene Mineralölsteuererhöhung für Kraftfahrzeugbenzin hätte ich es für richtig gehalten, zunächst auf die grundsätzlich gebotene Änderung der bisher ungleichen Besteuerung des Flugbenzins bis zu einer möglichst baldigen Vereinheitlichung zu verzichten. Leider war dies nicht möglich. Insoweit habe ich volles Verständnis für die Verärgerung vieler Bürgerinnen und Bürger in meinem Wahlkreis. Dennoch kann ich heute einer Streichung von Artikel 24 des Entwurfs eines Steuerreformgesetzes 1990 — Flugbenzinregelung — nicht zustimmen, weil dies in der jetzigen Beratungsphase offenkundig das Scheitern des gesamten, außerordentlich wichtigen und im wesentlichen gelungenen Reformvorhabens bedeuten und damit die Weiterarbeit der Regierungskoalition gefährden würde. So weitreichende Folgen sind aus meiner Sicht nicht zu verantworten. Abgeordneter Kossendey (CDU/CSU): In der heutigen namentlichen Abstimmung zum Thema Befreiung von der Flugbenzinsteuer habe ich für diese Befreiung gestimmt, obwohl ich diese Entscheidung für sachlich ungerechtfertigt und politisch unklug halte. Diese Regelung bringt die Glaubwürdigkeit des gesamten Steuerreformpaketes in den Augen der Öffentlichkeit in Mißkredit. Meines Erachtens hätte es gerechtere und für den Bürger einsichtigere Möglichkeiten gegeben, dieses steuerrechtliche Randproblem zu lösen. Dabei wäre meiner Meinung nach einer generellen Besteuerung des Flugbenzins aus ökologischen wie auch aus Gründen der Gerechtigkeit der Vorzug zu geben gewesen, zumindest soweit es den innerdeutschen Flugbetrieb betrifft. Meine Zustimmung in einer namentlichen Abstimmung kann ich nur damit begründen, daß ich die ansonsten positive Wirkung der Steuerreform nicht gefährden und gleichzeitig die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung aufrechterhalten wollte. Abgeordneter Kroll-Schlüter (CDU/CSU): Die Steuerbefreiung für Flugbenzin bei privater Nutzung stößt bei mir auf erhebliche Vorbehalte. Ich halte sie für einen politischen Mißgriff bei dem insgesamt positiven Vorhaben der Steuerreform. Dennoch werde ich trotz meiner Bedenken heute zustimmen, um dem Gesamtwerk der Steuerreform mit seiner von mir unterstützten steuer- und finanzpolitischen Weichenstellung keine weiteren Hindernisse in den Weg zu legen. Abgeordnete Frau Limbach und Abgeordneter Dr. Daniels (Bonn) (beide CDU/CSU): Mein Verhalten in der heutigen Abstimmung richtet sich nach meiner Überzeugung, daß die Steuerreform richtig und notwendig ist. Ich kann es nicht verantworten, mit einer Einzelentscheidung die Steuerreform insgesamt zu gefährden mit der sich daraus möglicherweise ergebenden Einschränkung der Handlungsfähigkeit der Koalition und der Regierungsfähigkeit. Deshalb werde ich in der namentlichen Abstimmung für die Befreiung von der Flugbenzinsteuer stimmen, obwohl ich diese weder für sachlich geboten noch für politisch sinnvoll halte. Abgeordneter Link (Diepholz) (CDU/CSU): In der heutigen namentlichen Abstimmung zum Thema Befreiung von der Flugbenzinsteuer habe ich für diese Befreiung gestimmt, obwohl ich diese Entscheidung für sachlich ungerechtfertigt und politisch unklug halte. Diese Regelung bringt die Glaubwürdigkeit des gesamten Steuerreformpaketes in den Augen der Öffentlichkeit in Mißkredit. Meines Erachtens hätte es gerechtere und für den Bürger einsichtigere Möglichkeiten gegeben, dieses steuerrechtliche Randproblem zu lösen. Dabei wäre meiner Meinung nach einer generellen Besteuerung des Flugbenzins aus ökologischen wie auch aus Gründen der Gerechtigkeit der Vorzug zu geben gewesen, zumindest soweit es den innerdeutschen Flugbetrieb betrifft. Meine Zustimmung in einer namentlichen Abstimmung kann ich nur damit begründen, daß ich die ansonsten positive Wirkung der Steuerreform nicht gefährden und gleichzeitig die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung aufrechterhalten wollte. Abgeordnete Louven, Sauer (Stuttgart), Haungs und Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Um das Gesamtvorhaben der Steuerreform nicht zu gefährden, habe ich meine ursprüngliche Absicht, bei der Steuerbefreiung für Flugbenzin mit Nein zu stimmen, aufgegeben und mich der Stimme enthalten. Abgeordneter Marschewski (CDU/CSU): Ich habe bei der namentlichen Abstimmung nur deshalb für die Beibehaltung des Art. 24 votiert, weil ich das Gesamtvorhaben Steuerreform nicht in Gefahr bringen wollte. Ich halte die in Art. 24 des Steuerreformgesetzes 1990 vorgesehene Änderung des Mineralölsteuergesetzes in keiner Hinsicht für vertretbar. Abgeordneter Müller (Wadern) (CDU/CSU): Nach reiflicher Überlegung habe ich entschieden, bei der Abstimmung über die Frage Befreiung der Besteuerung von Flugbenzin der Bundesregierung nicht zuzustimmen. Die sachlichen Argumente zur Aufhebung dieser Steuer überzeugen mich nicht. Meine Fraktionsführung hat gebeten, aus übergeordneten Gründen dieser Vorlage zuzustimmen, und im Falle der Nichtannahme Konsequenzen für die Steuerreform insgesamt vorausgesagt. Auch diese Argumente vermag ich nicht zu teilen. 5996* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Juni 1988 Da ich als Abgeordneter einer strukturschwachen Region ständig der Unterstützung der Bundesregierung und meiner Fraktion für diese Region bedarf und ich den Erfolg der Opposition nicht will, habe ich mich bei dieser Vorlage der Stimme enthalten. Abgeordneter Pfeffermann (CDU/CSU): Nach § 31 (2) der Geschäftsordnung erkläre ich hiermit, daß ich an der namentlichen Abstimmung über Artikel 24 nicht teilnehme. Abgeordneter Scharrenbroich (CDU/CSU): Die heute zu verabschiedende Steuerreform ist Ergebnis einer Koalitionsvereinbarung. Die Diskussion der letzten Tage hat deutlich gemacht, daß die Steuerreform nur rechtzeitig verabschiedet werden kann, wenn gleichzeitig auch die Forderung des bayerischen Ministerpräsidenten erfüllt wird, die Steuer auf Flugbenzin abzuschaffen. Um die Koalitionsvereinbarung nicht zu gefährden, sehe ich mich verpflichtet, der Abschaffung der Flugbenzinsteuer zuzustimmen. Zu dieser Haltung sehe ich mich veranlaßt, um die Steuerreform mit ihren großen Entlastungen für kinderreiche Familien und Arbeitnehmer sowie mit ihrer bedeutsamen beschäftigungspolitischen Wirkung nicht zu gefährden. Abgeordneter Schemken (CDU/CSU): Um die Steuerreform nicht zu gefährden, stimme ich in der namentlichen Abstimmung gegen den SPDAntrag (Drucksache 11/2560), obwohl ich die Mineralölsteuerbefreiung für Flugbenzin für nicht gerechtfertigt halte. Mir ist dabei klar, daß in der öffentlichen Wirkung der Eindruck einer sozialen Unausgewogenheit nicht zu vermeiden ist. Das größere Ziel des Steuerreformwerkes mit seinen entscheidenden Entlastungen, aber insbesondere die notwendige Unterstützung bei der zukünftigen Aufgabenbewältigung dieser Koalition haben für mich Vorrang. Abgeordneter von Schmude (CDU/CSU): Mit der Abschaffung der Flugbenzinsteuer kann ich mich nicht einverstanden erklären. Die sachlichen Argumente zur Aufhebung dieser Steuer überzeugen mich nicht. Nur auf Grund der zweimal getroffenen Mehrheitsentscheidungen meiner Fraktion stimme ich aus Gründen der Fraktionssolidarität und um die Steuerreform nicht zu gefährden, den geplanten Maßnahmen zu. Abgeordneter Schreiber (CDU/CSU): Die heute zu verabschiedende Steuerreform ist Ergebnis einer Koalitionsvereinbarung. Ich habe bis in die letzte Stunde der Verabschiedung dieser Steuerreform beabsichtigt, wegen der Abschaffung der Flugbenzinsteuer, diesem Punkt der Steuerreform nicht zuzustimmen. Ich halte nach wie vor die Abschaffung der Flugbenzinsteuer für eine Provokation der Bürger unseres Landes. Auf der anderen Seite ist mir klar geworden, daß die Steuerreform nur rechtzeitig verabschiedet werden kann, wenn die Forderung des bayerischen Ministerpräsidenten erfüllt wird, die Steuer auf Flugbenzin abzuschaffen. Nachdem die Steuerreform große Entlastungen für kinderreiche Familien und Arbeitnehmer mit sich bringen wird, möchte ich diese wichtige Entscheidung nicht gefährden. Deshalb sehe ich mich gezwungen, um das Gesamtpaket nicht zu gefährden, mich der Stimme zu enthalten. Zu einer Zustimmung zu diesem Punkt der Steuerreform (Abschaffung der Flugbenzinsteuer) kann ich mich nicht durchringen. Abgeordneter Dr. Schröder (Freiburg) (CDU/CSU): Mit der ersatzlosen Aufhebung der Mineralölsteuer auf Flugbenzin kann ich mich nicht einverstanden erklären. Die Argumente zur Abschaffung dieser Flugbenzinsteuer können mich — zumindest soweit hier auch die Befreiung der Hobbyflieger eingeschlossen ist — nicht überzeugen. Meine Fraktion hat zweimal mit Mehrheit für eine generelle Flugbenzinbefreiung gestimmt. Für den Fall eines Scheiterns der Flugbenzinbefreiung in der Schlußabstimmung im Plenum des Deutschen Bundestages wurden von der Fraktionsführung ein allgemeines Scheitern der gesamten Steuerreform und schwerwiegende Konsequenzen für die Koalition vorgetragen. Da ich solche weitergehenden Konsequenzen nicht verantworten kann, stimme ich den geplanten Maßnahmen zu. Abgeordneter Schulhoff (CDU/CSU): Obwohl ich der Steuerbefreiung von Flugbenzin für Privatflieger aus verkehrspolitischen, ökologischen und gesellschaftspolitischen Gründen ablehnend gegenüberstehe, werde ich dem zustimmen, um nicht die Steuerreform insgesamt zu gefährden. Diese Steuerreform ist auf Grund der unerträglichen Steuerbelastung breitester Bevölkerungsschichten nicht nur geboten, sondern sogar überfällig. Der gesenkte, linear progressive Tarif ist so wichtig, daß ich einer unverzüglichen Verabschiedung des Steuerreformgesetzes nicht im Wege stehen kann. Abgeordneter Dr. Todenhöfer (CDU/CSU): Ich kann dem Steuerreformgesetz aus zahlreichen Gründen nur als Gesamtpaket zustimmen und dies auch nur mit erheblichen Vorbehalten. Mein stärkster Vorbehalt betrifft die Besteuerung der Zuschläge für Schichtarbeit. Der jetzt zur Abstimmung anstehende Kompromiß über die Besteuerung der Schichtzuschläge ist für Schichtarbeiter und Schichtarbeiterinnen nicht akzeptabel. Durch ihn wird den besonderen Belastungen der Nachtarbeit und der Arbeit an Sonn- und Feiertagen in den unterschiedlichsten Berufen nicht ausreichend Rechnung getragen. Auch vor dem Hintergrund der Probleme des Industriestandorts Bundesrepublik Deutschland und der Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Juni 1988 5997' Notwendigkeit, die teuren Produktionsanlagen unseres Landes verstärkt auszulasten, hätte der Gesetzgeber dafür sorgen müssen, daß die Arbeit während der besonders belastenden Nacht- und Wochenendzeiten besonders attraktiv gestaltet wird. Der jetzige Kompromiß wird diesen Forderungen nicht gerecht und kann nicht als sozial bezeichnet werden. Ich lehne ihn daher ab. Abgeordneter Dr. Uelhoff (CDU/CSU): Die Steuerreform ist zur Entlastung kleinerer und mittlerer Einkommen ebenso wichtig wie für die Verbesserung des Eigenkapitals der Unternehmungen. Deshalb ist diese Reform notwendig, und sie darf nicht — wie von der Opposition beabsichtigt — durch eine Einzelentscheidung zur Steuerbefreiung von Flugbenzin gefährdet werden. Ich kann bei einem Entlastungsvolumen von ca. 50 Milliarden DM eine Subvention von ca. 25 Millionen DM nicht zur Grundlage meiner Entscheidung machen. Um die gesamte Steuerreform nicht zu gefährden, werde ich deshalb in der namentlichen Abstimmung der Steuerbefreiung beim Flugbenzin als Teilstück eines Kompromisses zustimmen, obwohl ich diese Einzelentscheidung weder für sachlich geboten noch für politisch sinnvoll halte. Abgeordneter Dr. Voigt (Northeim) (CDU/CSU): Ich stimme der Steuerbefreiung von Flugbenzin in der namentlichen Abstimmung nur deshalb zu, damit das gesamte Steuerreformgesetz nicht scheitert, sondern in Kraft treten kann. Eine einzelne Frage, in der Öffentlichkeit zu Recht kritisch diskutiert, darf die in ihrer Gesamtheit notwendige und richtige Steuerreform nicht gefährden. Die Koalition aus CDU/CSU und FDP, zu der es keine Alternative gibt, darf nicht durch diese wenn auch noch so kritisch zu beurteilende Einzelentscheidung in Frage gestellt werden. Abgeordneter Würzbach (CDU/CSU): Die jetzt geplante Steuerbefreiung für Flugbenzin bei privater Nutzung stößt wegen der gleichzeitig notwendig werdenden Steuererhöhung für Benzin, von der die Kraftfahrer betroffen sein werden, bei mir auf erhebliche Vorbehalte. Ich halte sie in der jetzigen Zeit — bei allem Verständnis für den sachlich gebotenen und überfälligen Regelungsbedarf in der Sache selbst — vor dem Hintergrund auch anderer vielfältiger anspruchsvoller gesetzlicher Reformvorhaben für eine politische Maßnahme, die das positive Vorhaben der Steuerreform in der politischen Umsetzung gleichermaßen unnötig wie schädlich belastet. Ich bedaure, daß die politisch parlamentarische Beratungsform so beschlossen wurde, daß keine Möglichkeit besteht, diesen Einzelpunkt abzulehnen und gleichzeitig das Gesetzesvorhaben insgesamt zu fördern. So werde ich trotz meiner Bedenken heute zustimmen, um das Gesamtwerk der Steuerreform mit seinen insgesamt positiven Auswirkungen zu unterstützen. Abgeordnete Frau Dr. Hamm-Brücher, Baum, Irmer, Dr. Hirsch, Frau Würfel und Lüder (alle FDP): Die Unterzeichner dieser persönlichen Erklärung sehen sich nach reiflicher Überlegung und gewissenhafter Güterabwägung aus folgenden Gründen außerstande, einer Steuerbefreiung für Benzin der Privatflieger zuzustimmen: — In einer Zeit wachsender Verschuldung der öffentlichen Haushalte, — in einer Zeit, in der Verbrauchsteuern, insbesondere für Benzin, drastisch erhöht und von den meisten Bürgern zusätzliche finanzielle Leistungen abverlangt werden müssen, sollte eine kleine Gruppe in unserer Bevölkerung nicht ungerechtfertigt privilegiert werden. Diese grundsätzlichen Einwände wiegen für uns stärker als alle vermeintlichen Sach- und Terminzwänge, die ein neuerliches Überdenken der Entscheidung und ihrer voraussehbaren Folgewirkungen angeblich nicht mehr möglich machen. Dem Gesamtpaket der Steuerreform werden wir aus übergeordneten Gründen zustimmen. Plenarprotokoll 11/87 (Berichtigung) Berichtigungen zum Stenographischen Bericht 87. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 23. Juni 1988 Seite 5974 D achte Zeile von unten: Statt „1985" ist „1975" zu lesen. Seite 5994 B, vorletzte Erklärung: Statt „Abgeordneter Hauser (Krefeld) (CDU/CSU)" ist „Abgeordneter Hauser (Esslingen) (CDU/CSU) " zu lesen.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Alfred Mechtersheimer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Jahrelang wurde versucht, den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages durch Nichtbeachtung bedeutungslos zu machen. Es ist für das Parlament ein Glücksfall, daß sich Willi Weiskirch mit einer bewundernswerten Hartnäckigkeit nicht hat entmutigen lassen. Seine berechtigten Warnungen vor der Verletzung der Grundrechte hat bei führenden Offizieren zu einer konzertierten Einschüchterungsaktion gegen diesen Wehrbeauftragten geführt. Daß es sich beim Wehrbeauftragten um ein Organ des Parlaments handelt, kümmert die Generale offenkundig nicht. Was man auf der Hardthöhe vom Parlament hält, hat kürzlich der Generalinspekteur Wellershoff unter Beweis gestellt, als er in einem Kommandeursbrief der Truppe bereits die Zustimmung des Verteidigungsausschusses zu einer Dienstzeitregelung mitteilte, noch bevor sich das Parlament mit der Vorlage überhaupt hatte befassen können. Bis heute hat sich der Generalinspekteur dafür nicht entschuldigt; was er dazu gesagt hat, ist nicht ausreichend.
    Diese Einschätzung des Bundestages als Vollzugsorgan der Regierung zeigt eine erschreckende Unkenntnis demokratischer Spielregeln, aber mehr noch, es ist Ausdruck für die Geisteshaltung der militärischen Führung der Bundeswehr, wenn natürlich auch der Bundestag selbst zu der Einschätzung, nur Vollzugsorgan der Regierung zu sein, erheblich beiträgt.
    Man sollte in diesem Zusammenhang auch im Rückblick auf den heutigen Nachmittag und Abend daran erinnern dürfen, daß es auch in den Streitkräften politische Kräfte gibt, die versuchen, den Vertrauensschwund zu nutzen, der von diesem Parlament selbst ausgeht.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Manche Entscheidungen in diesem Haus, sicher auch die heutige, stärken antiparlamentarisches und antidemokratisches Denken.
    Es ist bemerkenswert, daß sich die Generale für ihr Aufbegehren gegenüber dem politischen Primat — darum handelt es sich — als Prügelknaben ausgerechnet ein Organ des Bundestages ausgewählt haben.
    Die rüde Kritik am Wehrbeauftragten muß deshalb sehr ernst genommen werden, weil sie nur die Spitze eines Eisberges ist. Im Offizierskorps der Bundeswehr zeigt sich nämlich eine erschreckende Tendenz zum Reichswehrdenken. Es lassen sich heute ganz deutlich die typischen Kennzeichen dieses antidemokratischen Denkens ausmachen. Dazu gehört z. B. die Vorstellung: Die Politik vertritt die Interessen der Armee nicht mehr — —

    (Wimmer [Neuss] [CDU/CSU]: Gift und Galle!)

    — Hören Sie bitte genau zu Herr Wimmer, das ist auch Ihr Problem. —

    (Wimmer [Neuss] [CDU/CSU]: Sie denken noch nicht einmal konsequent!)

    Die Politik — das ist eine Tendenz — vertritt die Interessen der Armee nicht mehr, deshalb müssen die Militärs diese Aufgabe selbst übernehmen. Ihre Existenz muß die Armee selbst begründen, das wird als Klage aus der Generalität immer wieder laut.

    (Wimmer [Neuss] [CDU/CSU]: In welchem Land leben Sie eigentlich?)

    Wenn sich Politiker an der öffentlichen Meinung orientieren, dann wird das den Politikern in Unkenntnis demokratischer Prinzipien zum Vorwurf gemacht. (Wimmer [Neuss] [CDU/CSU]: Höchstens als
    Sie noch dabei waren!)
    Man nennt das Kotau. Kritik an Parteien und Parlament wird umgemünzt in einen Gegensatz zwischen dem guten Staat und den schlechten Parteien. Nehmen Sie auch dies bitte ernst. Der Staat wird nach diesem Verständnis dann letzten Endes nur noch durch die Armee repräsentiert.

    (Wimmer [Neuss] [CDU/CSU]: Abenteuerlich! Typisch Mechtersheimer!)

    Das ist eine Tendenz, die in ihrer Gefährlichkeit durchaus mit Vorstellungen vom Staat im Staate vergleichbar ist.



    Dr. Mechtersheimer
    Wie konnte es zu diesen Ansätzen — da ist es wichtig, sehr früh hellhörig zu werden — überhaupt kommen? Ich sehe drei Gründe. Die Unionsparteien haben während ihrer Oppositionsjahre der militärischen Führung Hoffnungen gemacht, die Sie, jetzt in der Regierung, nicht erfüllen können. Zwar wurden viele Waffen bestellt, aber der Finanzminister kann dafür die Mittel nicht aufbringen. Die Bundeswehr hat für viele Offiziere keine rechte Perspektive mehr. Das heißt, letzten Endes haben die Unionsparteien selbst dazu beigetragen, eine Frustration in der Armee entstehen zu lassen.
    Zweitens. Die Personalpolitik der derzeitigen Regierung hat zu einer Bevorzugung — ich formuliere das vorsichtig — solcher Offiziere geführt, die das Primat der Politik nur akzeptieren wollen, wenn es militärfreundlich ist.

    (Wimmer [Neuss] [CDU/CSU]: Warum muß man dann die Leute gleich beleidigen?)

    Drittens. Die innenpolitischen und außenpolitischen Veränderungen — da können wir uns vielleicht ein bißchen annähern — werden gerade von den eben erwähnten Soldaten nicht verkraftet.
    Es sind zahlreiche Gründe, die zu einer tiefen Verunsicherung in der Armee geführt haben. Dazu gehören die öffentliche Abwertung der Bundeswehr als Sicherheitsfaktor, die Erosion des Feindbildes Sowjetunion, die stetig steigende Zahl von Kriegsdienstverweigerern und nicht zuletzt auch Orientierungsprobleme angesichts zweifelhaft gewordener nuklearer US-Garantien infolge auch des INF-Vertrages. Das sind Gründe, die in der Bundeswehr zu dieser Verunsicherung geführt haben.

    (Biehle [CDU/CSU]: Die haben Sie doch mit verursacht!)

    — Ich stelle das lediglich fest. Ich sage gar nicht, daß der Prozeß schlecht ist. Sie werden gleich noch staunen.

    (Biehle [CDU/CSU]: Zuerst haben Sie die Lunte gelegt, und jetzt schreien Sie, die Feuerwehr soll kommen!)

    — Nein, die Feuerwehr braucht gar nicht zu kommen. Das ist ein Prozeß, den wir ganz unterschiedlich bewerten können. Man sollte sich vielleicht darüber verständigen, daß das stattfindet. Das wäre immerhin schon einmal ein Fortschritt.
    Der Entfremdungsprozeß zwischen Armeeführung und Politik, den ich beschrieben habe, wird sich dann zwangsläufig verschärfen, wenn sich der Abrüstungsprozeß fortsetzen sollte, was wir doch wohl hoffentlich alle hoffen. Dann wird immer deutlicher werden, daß es zwischen Militär und demokratischer Gesellschaft eben doch eine prinzipielle Unvereinbarkeit gibt ungeachtet aller erfreulichen Versuche wie der Inneren Führung.

    (Würzbach [CDU/CSU]: Wollen Sie sagen, daß die Bundeswehr gegen die Abrüstung ist?)

    Was damit gemeint ist, hat der Ex-Luftwaffengeneral
    Sommerhoff in seinem Leserbrief ja auf erschrekkende Weise deutlich gemacht. Der Satz ist so wichtig,
    daß ich ihn wiederholen möchte — Herr Heistermann hat ihn schon zitiert — :
    Die Wahrheit — das weiß man auch in der Bundeswehr — wird im politischen Bereich unseres Gemeinwesens mehr denn je durch die Mehrheit ersetzt.
    Wer so denkt, ist kein Demokrat;

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    denn er müßte in der Konsequenz dieses Satzes das demokratische Mehrheitsverfahren durch den Obrigkeitsbefehl ersetzen.
    Wer so denkt — das sind nach allem, was Kenner der Bundeswehr mit großer Sorge feststellen, nicht wenige — , mißbraucht den Freiraum, der auch einem Bürger in Uniform zusteht. Aber hier geht es ja nicht um individuelle Freiheitsrechte, sondern um die Frage, ob eine Armee als das zweifellos wichtigste Organ staatlicher Gewalt der politischen Führung und Kontrolle entgleiten könnte.
    Die Generäle, die den Wehrbeauftragten attackieren, haben sich der Unbotmäßigkeit gegenüber der Verfassung schuldig gemacht. Dahinter steckt ein starker Wille, der auf die Beeinflussung der Politik, des Offiziers- und Unteroffizierskorps, der Wehrpflichtigen und der Öffentlichkeit zielt. Das ist eine Herausforderung, die, meine ich, von allen Parteien angenommen werden muß.
    Deshalb ist auch die hier grundsätzlich sichtbar gewordene Solidarität mit dem Wehrbeauftragten in diesem Konflikt durchaus eine Angelegenheit des ganzen Parlamentes, auch ein Gebot seiner Selbstachtung. Deshalb muß die Funktion des Wehrbeauftragten gestärkt werden, und seine Aufgaben müssen künftig ernster genommen werden.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Der Wehrbeauftragte ist auch deswegen eine ganz wichtige demokratische Einrichtung, weil er für viele Wehrpflichtige noch der einzige Anwalt, die einzige Ansprechstelle ist. Denn es wird ja oft übersehen, daß diese Armee insbesondere angesichts der Schwierigkeiten, den Umfang zu erhalten, wesentlich auf dem Rücken einer ausgebeuteten Minderheit, nämlich der Wehrpflichtigen, überhaupt nur noch betrieben werden kann. Ein Wehrpflichtiger kostet am Tag 9,50 DM. Und sehr oft wird er genauso behandelt.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Das sollte sich niemand mit irgendwelcher Soldatenromantik verdrängen lassen. Die Wehrpflichtigen sind die Heloten des Wettrüstens. Auf ihrem Rücken wird sehr viel ausgetragen, was sonst nicht mehr verantwortet werden kann,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ausgemachter Unsinn!)

    sei es als Grundwehrdienstübender oder sei es als Wehrübungsleistender.

    (Biehle [CDU/CSU]: Wollen wir lieber nicht darüber streiten, wo die nützlichen Idioten sitzen!)

    Diese Abkapselung, die zwischen der Armee und dem zivilen Umfeld sichtbar wird, ist ein ernstes Pro-



    Dr. Mechtersheimer
    blem. Es besteht die Gefahr, daß das Gefühl von Nicht-verstanden-Werden bei den Offizieren in eine größere Repression innerhalb dieser Streitkräfte umschlägt.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Ein ganz ernster Punkt, der uns Anlaß gibt, das sehr kritisch weiterzuverfolgen.
    Der neue Verteidigungsminister sollte seine bisherige Distanz zum Militärischen positiv nutzen und Vorbereitungen für ein Revirement der militärischen Führung treffen, wobei ich nicht bestreiten möchte, daß das sehr schwer ist, wenn es zu dem Ergebnis führen soll, die Einhaltung des politischen Primats sicherzustellen. Insgesamt reicht das aber nicht aus; denn ohne eine gravierende Verringerung des Streitkräfteumfangs und einen Verzicht auf nicht finanzierbare Großprojekte wie den Jäger 90 werden die Krisen in der Bundeswehr sicher nicht bewältigt werden können.
    Es müssen außerdem Vorkehrungen getroffen werden, damit die ohnehin bestehende Verschmelzung von militärischer Elite und Rüstungsindustrie nicht weiter fortschreitet;

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    denn es besteht die Gefahr, daß durch eine solche Machtkonzentration Widerstand gegen Abrüstungsschritte aufgebaut wird. Das ist ein weiterer Grund, warum wir so sensibel sind gegenüber dieser Entwicklung.
    Wenn es in absehbarer Zeit deutliche Reduzierungen im konventionellen Bereich geben wird, dann könnte dies zu einem Lackmustest für die Wirksamkeit der politischen Kontrolle des Militärs werden.
    Die Frage ist erlaubt: Hat vielleicht das politische Primat bisher nur unter den Bedingungen eines fortgesetzten Wettrüstens funktioniert? Dann würde allerdings ein großer Konflikt zwischen demokratischem Staat und bewaffneter Macht erst noch vor uns liegen.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei den GRÜNEN)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat Herr Abgeordneter Nolting.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Günther Friedrich Nolting


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Wehrbeauftragter, namens der FDPBundestagsfraktion möchte ich Ihnen und Ihren Mitarbeitern für Ihre objektive und ausgewogene Stellungnahme im Jahresbericht 1987 danken.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Sie haben uns mit diesem Jahresbericht in unserer Kontrollfunktion unterstützt. Dies ist hier schon mehrfach erwähnt worden.
    Meine Damen und Herren, für uns ist eines unerfreulich, nämlich daß nach dem letzten Bericht die Anzahl der Eingaben nicht wesentlich zurückgegangen ist. Dies mag an der Prozeß- und Beschwerdefreudigkeit der Soldaten gelegen haben, die ja immerhin ein Spiegelbild unserer Gesellschaft darstellen. Es mag aber auch an der Aufgeklärtheit unserer Soldaten durch ihre Vorgesetzten liegen.
    Ich verweise aber auch auf Seite 4 des Berichts in dem der Herr Wehrbeauftragte Mängel in der Menschenführung und den rüden Umgangston in Teilen der Bundeswehr anspricht. Herr Wehrbeauftragter, Sie sagen hier, daß Anmahnungen zu diesem Kapitel offenbar in den Wind geredet waren.
    Wir wissen alle — das ist hier schon mehrfach erwähnt worden — , daß diese Aussage den Unmut hoher Militärs bewirkt hat, die den Bericht des Wehrbeauftragten über Menschenführung als unausgewogen bezeichnet und sich deshalb in Briefen beschwert haben.
    Meine Damen und Herren, wenngleich ich hier für die FDP-Fraktion ausdrücklich feststellen möchte, daß jeder Soldat — ich betone: jeder Soldat — das Recht hat, sich als Person unter Ausschaltung des Dienstwegs an den Wehrbeauftragten zu wenden, und wir jedem Soldaten die freie Meinungsäußerung selbstverständlich zubilligen, möchte ich allerdings auch festhalten, daß wir das Vorgehen, die Methode und den Stil der Generäle in dieser Form nicht billigen können, zumal sie damit rechnen mußten, daß diese Kritik auch Widerhall in den Medien finden würde. Auch der Inhalt kann nicht unsere Unterstützung finden. Ferner weisen wir den Leserbrief eines Ex-Generals entschieden zurück, dessen Aussagen wir in weiten Teilen nur als absolut unqualifiziert und ungehörig bezeichnen können.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Ich verweise hier auf Art. 45 b des Grundgesetzes und fasse dies als politischen Nachhilfeunterricht auf.
    Ich stelle hierzu fest: Die Generäle haben mit ihren Briefen nicht nur den Herrn Wehrbeauftragten angegriffen, sondern auch das Parlament insgesamt. Was sie inhaltlich schreiben, ist abwegig und unangemessen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Der Bundesminister der Verteidigung hat sich in dieser Frage hier schon geäußert; wir danken ihm auch dafür.
    Ebenso begrüßen wir die einstimmig gefaßte Erklärung des Ältestenrats, in der die Form und der Inhalt der Kritik am Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestags zurückgewiesen wird.
    Meine Damen und Herren, der Sache haben die Generäle mit diesem vorhersehbaren Medienspektakel nicht gedient. Gerade mit diesem ungewöhnlichen Schritt wurde verallgemeinert. Die vielen Vorgesetzten, die selbstverständlich ihren Dienst pflichtbewußt und verantwortungsbewußt verrichten, werden in der Öffentlichkeit in Zukunft noch weniger Beachtung finden.
    Ich möchte in diesem Zusammenhang allerdings auch noch einmal bitten, wie ich es im Verteidigungsausschuß getan habe, daß Einzelfälle noch stärker als solche ausgewiesen werden, damit bei den Vorgesetzten aller Art nicht der Eindruck entsteht, daß sie



    Nolting
    vorgeführt und an den Pranger gestellt werden sollen. Ich betone noch einmal: Einzelbeispiele dürfen nicht verallgemeinert werden.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Gespräche in der Truppe, meine Damen und Herren, haben mir in den letzten Wochen gezeigt, daß es zu einer Verunsicherung bei den Vorgesetzten, gerade auch bei den Unterführern, gekommen ist; dies darf nicht sein.

    (Frau Traupe [SPD]: Richtig!)

    Durch die berechtigte Kritik an den Briefschreibern darf nicht der fatale und falsche Eindruck entstehen, daß sich die Soldaten, Vorgesetzte wie Mannschaften, in diesem Staat in einer besonderen Rolle befinden bzw. in diese — bewußt oder unbewußt — gedrängt werden, wie wir es in Presseerklärungen und auch heute bei der Opposition leider wieder erlebt haben. Auch die Stellungnahme des Kollegen Heistermann war hier heute nicht besonders hilfreich.

    (Horn [SPD]: Das ist doch Quatsch, was Sie reden, das ist doch wirklich Quatsch! Sie haben das ganze Problem intellektuell noch nicht begriffen!)

    — Ich denke, Herr Horn, wir werden uns darüber auch weiterhin noch sachlich unterhalten können.
    Meine Damen und Herren, nun zu dem Bericht selbst: Die Frage muß für uns lauten, wie die Zahl von mehr als 8 500 Eingaben in Zukunft gesenkt werden kann. Dies kann nur mit Geduld und Offenheit zum Dialog geschehen, wie der Herr Wehrbeauftragte auf Seite 5 sagt. Diese Offenheit zum Dialog muß dazu führen, daß Untergebene auch bereit sein können und müssen, ihre Meinung freimütig zu äußern. Dazu gehört, daß das Betriebsklima in der Bundeswehr stimmen muß, daß das Wort „Kameradschaft" nicht zur Worthülse verkommt. Und dies gilt im Umgang von Vorgesetzten mit Untergebenen wie auch im Umgang zwischen gleichrangigen Soldaten.
    Wichtig ist dabei für uns auch, daß unsere Soldaten, vor allem auch die Wehrpflichtigen, durch die Vorgesetzten über ihre Beschwerderechte umfassend informiert werden. Denn, meine Damen und Herren, beunruhigend ist für uns die abnehmende Zahl der Antragsverfahren nach der Wehrbeschwerdeordnung. Es ist offensichtlich so, daß die Mehrzahl der Soldaten der Durchsetzung ihrer Rechtsansprüche über die Wehrbeschwerdeordnung nicht mehr traut.
    Wir begrüßen deshalb in diesem Zusammenhang die angekündigte Novellierung der Wehrbeschwerdeordnung. Hierzu gehört unserer Meinung nach eine Fristverlängerung bei der Wehrbeschwerdefrist ebenso wie die Zulassung des Vertrauensmannes als Vermittler bei Beschwerden wegen persönlicher Kränkung. Dies würde auch die Position des Vertrauensmannes insgesamt stärken. Überhaupt erscheint es dringend notwendig, die Rechtsvertretung des Soldaten in eigener Sache in den nach dem besonderen Prinzip von Befehl und Gehorsam funktionierenden Streitkräften politisch-gesellschaftlichen Veränderungen anzupassen. Dazu gehört auch die sachgerechte Anwendung des Bundespersonalvertretungsgesetzes. Diese Maßnahmen würden nicht nur die
    Motivation und das Klima in der Bundeswehr verbessern, sondern auch das Amt des Wehrbeauftragten von zahlreichen Eingaben entlasten. Er könnte sich dann den Schwerpunkten seiner Arbeit verstärkt zuwenden.
    Meine Damen und Herren, hierzu gehört vor allem die Wahrung der Grundrechte, deren Verletzung von 240 Fällen im Vorjahr auf 139 Fälle glücklicherweise zurückgegangen ist — und dies bei der hohen Zahl von jährlich ca. 200 000 neuen Soldaten und bei ca. 500 000 Soldaten insgesamt. Ich würde gern einmal den Vergleich zu einem Betrieb in der freien Wirtschaft anstellen wollen.

    (Dr. Mechtersheimer [GRÜNE]: Das bringt nichts!)

    Die bedauerlicherweise aber immer wieder festgestellten Grundrechtsverletzungen müssen trotzdem sehr ernst genommen werden. Die Bundeswehr muß dringlich bemüht sein, dies abzustellen, auch wenn es nur wenige Vorgesetzte betrifft. Jede Grundrechtsverletzung ist schon eine zuviel.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, die Motivation der Soldaten muß insgesamt durch die Verbesserung des von Soldaten beklagten sozial-kalten Klimas in der Bundeswehr angehoben und die Akzeptanz der Bundeswehr — auch bei der Bevölkerung — erhöht werden. Hier werden zwar Symptome aufgezeigt, aber eine Diagnose wird nicht gestellt. Auch hierüber werden wir sprechen müssen. Als Beispiele will ich hier nur die Überbelastung der Unterführer, die Bürokratie auch in der Truppe und die hohe personelle Fluktuation nennen.
    Meine Damen und Herren, hier ist bereits die Dienstzeitbelastung angesprochen worden. Auch mit einer Neuregelung, mit einer Senkung der Dienstzeiten wollen wir die Attraktivität des Arbeitsplatzes Bundeswehr für Soldaten weiter verbessern.

    (Koschnick [SPD]: Sehr gut!)

    An dieser Stelle möchte ich für die FDP-Bundestagsfraktion allerdings noch einmal festhalten, daß wir den vom Kabinett verabschiedeten Gesetzentwurf nach wie vor ablehnen.
    Herr Wehrbeauftragter, in den Berichtszeitraum 1987 fällt auch das unglückselige Urteil eines Frankfurter Gerichts. Sie haben dieses Urteil eindeutig verurteilt. Sie stehen damit eindeutig zur Institution Bundeswehr und zeigen damit den Soldaten vom Wehrpflichtigen bis zum General, daß Sie sich schützend vor die Truppe stellen und sich zum Fürsprecher der Streitkräfte machen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Auch wir halten es für einen unglaublichen und unerträglichen Vorgang, Bundeswehrsoldaten straflos als potentielle Mörder bezeichnen zu dürfen. Sie als potentielle Mörder zu beschimpfen, ist nach meiner Meinung Perversion des Denkens und kann nicht durch das Grundgesetz gedeckt sein.

    (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD)




    Nolting
    In der Revision kommt es hoffentlich zu einem anderen Ergebnis.
    Herr Wehrbeauftragter, lassen Sie mich noch einmal im Namen der FDP-Bundestagsfraktion Ihnen und Ihren Mitarbeitern für den Jahresbericht 1987 Dank sagen. Sie geben damit wieder Anregungen an das Bundesministerium, an den Ausschuß, aber auch an die Truppe, um Mißstände weiter zu beseitigen, wie es schon die letzten Berichte getan haben.
    Lassen Sie mich zum Abschluß kurz auf das Gesetz über den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages eingehen. Ich tue es auf Anregung der Kolleginnen Frau Seiler-Albring, Frau Traupe und Frau Roitzsch. § 14 Abs. 1 lautet:
    Zum Wehrbeauftragten ist jeder Deutsche wählbar, der das Wahlrecht zum Bundestag besitzt und das 35. Lebensjahr vollendet hat. Er
    — ich betone „er" —
    muß mindestens ein Jahr Wehrdienst geleistet haben.
    Ich hoffe, meine Damen und Herren, Sie stimmen mir zu, daß wir das Gesetz über den Wehrbeauftragten schnellstens novellieren müssen, um die Frauen auch in diesem Bereich nicht länger zu diskriminieren,

    (Wimmer [Neuss] [CDU/CSU]: Da müssen die doch Wehrdienst leisten! — Breuer [CDU/CSU]: Freiwilligen Wehrdienst für Frauen!)

    oder aber — Sie nehmen es voraus — wir müssen den Wehrdienst für Frauen, so wie es die FDP seit langem fordert, generell auf freiwilliger Basis zulassen.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Koschnick [SPD]: Aber, aber! Kölle alaaf!)