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    Plenarprotokoll 11/87 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 87. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 23. Juni 1988 Inhalt: Verzicht der Abg. Frau Simonis und des Abg. Jansen auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag 5829 A Eintritt der Abg. Frau Dr. Sonntag-Wolgast und des Abg. Opel in den Deutschen Bundestag 5829 A Erweiterung der Tagesordnung 5829 B Absetzung des Punktes 3 — Entwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes — von der Tagesordnung 5829 D Zur Geschäftsordnung Kleinert (Marburg) GRÜNE 5829 D Seiters CDU/CSU 5830 B Tagesordnungspunkt 2: a) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Steuerreformgesetzes 1990 (Drucksachen 11/2157, 11/2226, 11/2299, 11/2529, 11/2536, 11/2551) b) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Abbau steuerlicher Härten für die Landwirtschaft (Drucksachen 11/676, 11/2529, 11/2536, 11/2531) c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu dem Antrag des Abgeordneten Sellin und der Fraktion DIE GRÜNEN: Kürzung der Berlin-Förderung und Bildung eines Finanzfonds zur Verbesserung der ökonomischen, ökologischen und sozialen Situation der Stadt zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Apel, Roth, Dr. Spöri, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Beseitigung steuerlicher Benachteiligungen von kleinen und mittleren Unternehmen (Drucksachen 11/1187 [neu], 11/1335, 11/2529, 11/2536) d) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur steuerlichen Begünstigung von Zuwendungen an unabhängige Wählervereinigungen (Drucksachen 11/1316, 11/2554, 11/2555) e) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau zu dem Antrag der Abgeordneten Müntefering, Conradi, Amling, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Die Wohnungsgemeinnützigkeit erhalten und stärken (Drucksachen 11/1389, 11/2516) Dr. Dregger CDU/CSU 5831 D Dr. Apel SPD 5837 B Gattermann FDP 5842D, 5922 D Hüser GRÜNE 5847C, 5924 A Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . . 5849 D Poß SPD 5856 B Glos CDU/CSU 5859 C Frau Vennegerts GRÜNE 5863 A Dr. Solms FDP 5865 C Huonker SPD 5868 A Dr. Faltlhauser CDU/CSU 5871 C Sellin GRÜNE 5873 B II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Juni 1988 Rind FDP 5874 B Dr. Mitzscherling SPD 5877 B Dr. Neuling CDU/CSU 5879 C Frau Oesterle-Schwerin GRÜNE 5881 D Dr. Daniels (Bonn) CDU/CSU 5883 A Dr. Wieczorek SPD 5884 B Dr. Grünewald CDU/CSU 5887 A Reschke SPD 5889 A Doss CDU/CSU 5890 D Kleinert (Marburg) GRÜNE 5892 A Frau Will-Feld CDU/CSU 5892 D Wüppesahl fraktionslos (zur GO) . . . 5894 B Wüppesahl fraktionslos 5895A, 5925 B Kastning SPD 5897 A Jung (Lörrach) CDU/CSU 5898 C Namentliche Abstimmungen in der zweiten Beratung . . . 5900A, B, C, D, 5901A, B, 5902B Ergebnisse . . . 5903B, 5905A, 5907A, 5908D, 5910D, 5912D, 5914C, 5916C Dr. Fell CDU/CSU 5918 C Dr. Struck SPD 5919 C Lowack CDU/CSU (Erklärung nach § 31 GO) 5926 B Dr. Vondran CDU/CSU (Erklärung nach § 31 GO) 5926 C Niegel CDU/CSU (Erklärung nach § 31 GO) 5927 A Rind FDP (Erklärung nach § 31 GO) . . 5927 B Namentliche Abstimmungen in der dritten Beratung 5928B, 5930 D Ergebnisse 5931A, 5941 D Zur Geschäftsordnung Kleinert (Marburg) GRÜNE 5928 C Bohl CDU/CSU 5929 A Jahn (Marburg) SPD 5929 B Seiters CDU/CSU 5930 C Zusatztagesordnungspunkt 4: Zweite und Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung einer Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder" (Drucksachen 11/2274, 11/2519, 11/2522) 5932 D Tagesordnungspunkt 4: Beratung der Sammelübersichten 67, 68 und 69 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen (Drucksachen 11/2435, 11/2509, 11/2510) 5933 B Zusatztagesordnungspunkt 5: Beratung der Sammelübersicht 72 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen (Drucksache 11/2544) . . . . 5933 B Zusatztagesordnungspunkt 6: Beratung der Sammelübersicht 73 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen (Drucksache 11/2545) . . . . 5933 B Tagesordnungspunkt 5: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP: Unterstützung der Reformbemühungen der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (Drucksache 11/2543) 5933 C Tagesordnungspunkt 6: Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundeskleingartengesetzes (Drucksache 11/200) 5933 D Tagesordnungspunkt 7: Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung (Drucksache 11/1867) 5933 D Tagesordnungspunkt 8: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 26. März 1986 zur Änderung des Übereinkommens vom 4. Juni 1974 zur Verhütung der Meeresverschmutzung vom Lande aus (Drucksache 11/2272) 5933 D Tagesordnungspunkt 9: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der Erklärung vom 11. Dezember 1986 zu dem Übereinkommen vom 3. Dezember 1976 zum Schutze des Rheins gegen Verunreinigung durch Chloride (Drucksache 11/2273) . . . . 5933 D Tagesordnungspunkt 10: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Dr. Hamm-Brücher, Dr. Biedenkopf, Frau Dr. Hartenstein, Dr. Mechtersheimer und weiterer Abgeordneter: Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages hier: §§ 20, 42, 56, 57, 61, 62, 68, 69, 75, 80, 100, 104, 106 a (neu), 122 a, Anlage 4 (Drucksache 11/2206) 5934 A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Juni 1988 III Tagesordnungspunkt 11: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Dr. Hamm-Brücher, Dr. Biedenkopf, Frau Dr. Hartenstein, Dr. Mechtersheimer und weiterer Abgeordneter: Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages hier: §§ 28, 35, 106 (Drucksache 11/2207) 5934 B Tagesordnungspunkt 12: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Dr. Hamm-Brücher, Dr. Biedenkopf, Frau Dr. Hartenstein, Dr. Mechtersheimer und weiterer Abgeordneter: Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages hier: §§ 6, 13, 30, 32, 69, 78, 127 (Drucksache 11/2208) 5934 C Tagesordnungspunkt 13: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Dr. Hamm-Brücher, Dr. Biedenkopf, Frau Dr. Hartenstein, Dr. Mechtersheimer und weiterer Abgeordneter: Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages hier: Umstellung der Kapitel I bis V und Änderung der Kapitel VI und VIII (Drucksache 11/2209) 5934 D Tagesordnungspunkt 14: Beratung des Antrags der Abgeordneten Adler, Jansen, Kißlinger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Rechtsverordnung für den Transport von Tieren (Drucksache 11/2441) 5935 A Zusatztagesordnungspunkt 7: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dreßler, Frau Fuchs (Köln), Egert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Reform des Gesundheitswesens (Drucksache 11/2500) 5935A Tagesordnungspunkt 15: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Verteidigungsausschusses zu der Unterrichtung durch den Wehrbeauftragten: Jahresbericht 1987 (Drucksachen 11/2034, 11/2528) Weiskirch, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages 5935 B Dr. Jenninger, Präsident des Deutschen Bundestages 5937 A Dr. Scholz, Bundesminister BMVg 5937D, 5950B Heistermann SPD 5938 C Breuer CDU/CSU 5943 C Dr. Mechtersheimer GRÜNE 5946 B Nolting FDP 5948 B Kolbow SPD 5951 A Tagesordnungspunkt 16: a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes (Drucksachen 11/2420, 11/2517, 11/2518) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zu dem Antrag des Abgeordneten Stratmann und der Fraktion DIE GRÜNEN: Verzicht auf Diätenerhöhung — statt dessen Förderung von Arbeitsloseninitiativen (Drucksachen 11/2439, 11/2517) Becker (Nienberge) SPD 5954 C Dr. Lammert CDU/CSU 5955 A Stratmann GRÜNE 5955 D Beckmann FDP 5956 D Zusatztagesordnungspunkt 8: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes (Drucksachen 11/2357, 11/2556) Dr. Hoffacker CDU/CSU 5958B Jaunich SPD 5959 A Frau Würfel FDP 5960 B Frau Wilms-Kegel GRÜNE 5961 B Pfeifer, Parl. Staatssekretär BMJFFG . . 5962 A Tagesordnungspunkt 17: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Blunck, Dr. Hauff, Schäfer (Offenburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Eckpunkte für die Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes (Drucksache 11/1447) in, Verbindung mit IV Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Juni 1988 Zusatztagesordnungspunkt 9: Beratung des Antrags der Abgeordneten Brauer, Dr. Daniels (Regensburg), Frau Flinner und der Fraktion DIE GRÜNEN: Klare ökologische Schwerpunktsetzung im Bundesnaturschutzgesetz (Drucksache 11/2523) Frau Blunck SPD 5963 B Eylmann CDU/CSU 5964 A Brauer GRÜNE 5965 B Baum FDP 5966 A Gröbl, Parl. Staatssekretär BMU 5967 A Tagesordnungspunkt 18: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Daniels (Regensburg), Stratmann, Frau Teubner und der Fraktion DIE GRÜNEN: Einführung eines einheitlichen linearen zeitvariablen Tarifs für alle Verbrauchergruppen und Stromanwendungsgebiete (Drucksache 11/2079) Dr. Daniels (Regensburg) GRÜNE . . . 5968 A Magin CDU/CSU 5968 D Jung (Düsseldorf) SPD 5970 A Beckmann FDP 5970 D Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär BMWi . . 5971D Tagesordnungspunkt 19: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes, über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten und zur Sicherung der MontanMitbestimmung (Drucksache 11/2503) Scharrenbroich CDU/CSU 5972 D Dreßler SPD 5975 D Cronenberg (Arnsberg) FDP 5977 D Stratmann GRÜNE 5980 D Dr. Warrikoff CDU/CSU 5982 D Peter (Kassel) SPD 5985 A Dr. Blüm, Bundesminister BMA 5987 A Urbaniak SPD 5990 A Nächste Sitzung 5991 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 5993* A Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Steuerreformgesetzes (Drucksache 11/2157) (Abg. Bauer, Dr. Blank, Bohlsen, Bühler [Bruchsal], Carstensen [Nordstrand], Ehrbar, Fuchtel, Funk [Gutenzell], Ganz [St. Wendel], Hauser [Krefeld], Hinsken, Jung [Limburg], Dr.-Ing. Kansy, Dr. Kappes, Kossendey, Kroll-Schlüter, Frau Limbach, Dr. Daniels [Bonn], Link [Diepholz], Louven, Sauer [Stuttgart], Haungs, Börnsen [Bönstrup], Marschewski, Müller [Wadern], Pfeffermann, Scharrenbroich, Schemken, von Schmude, Schreiber, Dr. Schroeder [Freiburg], Schulhoff, Dr. Todenhöfer, Dr. Uelhoff, Dr. Voigt [Northeim], Würzbach [alle CDU/CSU] und Abg. Frau Dr. Hamm-Brücher, Baum, Irmer, Dr. Hirsch, Frau Würfel und Lüder [alle FDP]) 5993* B Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Juni 1988 5829 87. Sitzung Bonn, den 23. Juni 1988 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Biedenkopf 24. 6. Bohlsen 24. 6. Dr. Böhme (Unna) 24. 6. Frau Brahmst-Rock 24. 6. Büchner (Speyer)* 24. 6. Catenhusen 24. 6. Eimer (Fürth) 24. 6. Engelhard 24. 6. Feilcke 24. 6. Frau Dr. Hartenstein 24. 6. Dr. Hauff 24. 6. Hedrich 23. 6. Frau Kelly 24. 6. Dr. Klejdzinski 24. 6. Menzel 24. 6. Meyer 23. 6. Dr. Müller ' 24. 6. Sauer (Salzgitter) 24. 6. Frau Schilling 24. 6. Stahl (Kempen) 24. 6. Verheugen 24. 6. Wilz 23. 6. Frau Wollny 24. 6. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Steuerreformgesetzes (Drucksache 11/2157) Abgeordneter Bauer (CDU/CSU): In der heutigen namentlichen Abstimmung werde ich für die Befreiung von der Flugbenzinsteuer stimmen, obwohl ich diese Entscheidung für falsch halte. Diese Entscheidung zerstört in den Augen der Öffentlichkeit die Glaubwürdigkeit der Steuerreform und ist sachlich nicht geboten. Lediglich wegen der Gefährdung der Steuerreform und der dann vorliegenden Handlungsunfähigkeit der Koalition und des drohenden Verlustes der Regierungsfähigkeit werde ich meine Zustimmung erteilen. Abgeordneter Dr. Blanck (CDU/CSU): Ich stimme der Steuerbefreiung von Flugbenzin in der namentlichen Abstimmung nur deshalb zu, damit Anlagen zum Stenographischen Bericht das gesamte Steuerreformgesetz nicht scheitert, sondern in Kraft treten kann. Eine einzelne Frage, in der Öffentlichkeit zu Recht kritisch diskutiert, darf die in ihrer Gesamtheit notwendige und richtige Steuerreform nicht gefährden. Die Koalition aus CDU/CSU und FDP, zu der es keine Alternative gibt, darf nicht durch diese wenn auch noch so kritisch zu beurteilende Einzelentscheidung in Frage gestellt werden. Abgeordneter Bohlsen (CDU/CSU): In der am 23. 6. 1988 stattfindenden namentlichen Abstimmung werde ich trotz erheblicher Bedenken für die Steuerbefreiung von Flugbenzin stimmen, obwohl ich diese Entscheidung für falsch halte. Wenn eine steuerliche Vergünstigung für die Sportflieger geschieht, hätten auch die Sportbootfahrer einbezogen werden müssen. Mit Rücksicht auf die erhebliche Zunahme im Luftverkehr halte ich eine vollständige Besteuerung des innerdeutschen Flugverkehrs, der gegenwärtig zu 96 % freigestellt ist, für verkehrspolitisch sinnvoller. Leider sind die bisherigen Versuche auf europäischer Ebene gescheitert. Meine Zustimmung erteilte ich nur, um die Steuerreform nicht als Ganzes zu gefährden. Ein Scheitern der Steuerreform, die ich unter vielen Gesichtspunkten für erforderlich halte, könnte die Handlungsunfähigkeit der Koalition bedeuten. Abgeordneter Bühler (Bruchsal) (CDU/CSU): Ich habe in der heutigen namentlichen Abstimmung für die Befreiung von der Flugbenzinsteuer gestimmt, obwohl ich die Entscheidung für falsch halte. Hierdurch wird die Glaubwürdigkeit des gesamten Steuerreformpakets in den Augen der Öffentlichkeit in Frage gestellt. Es hätte andere, gerechtere und für den Bürger einsichtige Möglichkeiten gegeben, dieses steuerrechtliche Randproblem zu lösen. Meine Zustimmung in der namentlichen Abstimmung zur Abschaffung der Besteuerung von Flugbenzin für Privatflieger ist einzig und allein darin begründet, daß ich die endgültige Verabschiedung der gesamten Steuerreform mit ihren ansonsten positiven Auswirkungen und damit die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung bzw. die dieser zugrunde liegenden Mehrheitsverhältnisse im Bundestag nicht gefährden möchte. Abgeordneter Carstensen (Nordstrand) (CDU/CSU): Die Steuerbefreiung für Flugbenzin bei privater Nutzung stößt bei mir auf erhebliche Vorbehalte. Ich halte sie für einen politischen Mißgriff bei dem insgesamt positiven Vorhaben der Steuerreform. Dennoch werde ich trotz meiner Bedenken heute zustimmen, um dem Gesamtwerk der Steuerreform mit seiner von mir unterstützten steuer- und finanzpo- 5994' Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Juni 1988 litischen Weichenstellung keine weiteren Hindernisse in den Weg zu legen. Abgeordneter Ehrbahr (CDU/CSU): Die Steuerbefreiung für Flugbenzin bei privater Nutzung halte ich für einen gravierenden politischen Fehler. Da ich jedoch die Steuerreform mit ihrer entlastenden Wirkung insbesondere im unteren Einkommensbereich und bei Familien mit Kindern in ihrer Realisierung nicht gefährden will, habe ich mit „Enthaltung" gestimmt. Abgeordneter Fuchtel (CDU/CSU): Ich stimme für die Steuerreform inklusive der Restbefreiung von der Flugbenzinsteuer. Das Gesamtwerk der bisher größten Steuerreform darf nicht wegen eines Teilaspekts gefährdet und die gefundene Kompromißlinie nicht mit unsicherer inhaltlicher und zeitlicher Perspektive wieder in Frage gestellt werden. In der Sache hätte ich mir eine differenzierte Behandlung von geschäftlichem Reise-Flugverkehr und Hobby-Flugverkehr gewünscht und halte deswegen das Gesetz in diesem Punkt für sachlich unrichtig, was aber nicht dazu führen kann, daß durch entsprechende Abstimmungen die Handlungsfähigkeit der Koalition aufs Spiel gesetzt wird. Abgeordneter Funk (Gutenzell) (CDU/CSU): Die Steuerbefreiung für Flugbenzin bei privater Nutzung stößt bei mir auf erhebliche Vorbehalte. Ich halte sie für einen politischen Mißgriff bei dem insgesamt positiven Vorhaben der Steuerreform. Dennoch werde ich trotz meiner Bedenken heute zustimmen, um dem Gesamtwerk der Steuerreform mit seiner von mir unterstützten steuer- und finanzpolitischen Weichenstellung keine weiteren Hindernisse in den Weg zu legen. Abgeordneter Ganz (St. Wendel) (CDU/CSU): Ich halte die in Artikel 24 des Steuerreformgesetzes 1990 vorgesehene Änderung des Mineralölsteuergesetzes für nicht vertretbar. Ich habe bei der namentlichen Abstimmung nur deshalb für die Beibehaltung des Artikel 24 votiert, weil ich das Gesamtvorhaben Steuerreform nicht in Gefahr bringen wollte. Abgeordneter Hauser (Krefeld) (CDU/CSU): Um das Gesamtvorhaben der Steuerreform mit seiner Wirkung der Entlastung kinderreicher Familien und niedriger und mittlerer Einkommen nicht zu gefährden, habe ich meine ursprüngliche Absicht, bei der Steuerbefreiung für Flugbenzin mit Nein zu stimmen, aufgegeben und stimme zu. Abgeordneter Hinsken (CDU/CSU): Obwohl ich mit der Streichung der Investitionszulage nicht einverstanden bin, werde ich, um das Steuergesamtpaket, das ich insgesamt gesehen für gut finde, nicht zu gefährden, für die Regierungsvorlage stimmen. Abgeordneter Jung (Limburg) (CDU/CSU): Ich werde in der heutigen namentlichen Abstimmung für die Befreiung von der Flugbenzinsteuer stimmen, obwohl ich diese Entscheidung für falsch halte. Sie zerstört in den Augen der Öffentlichkeit die Glaubwürdigkeit der Steuerreform und ist sachlich nicht geboten. Die in der Tat vorliegende steuerliche Ungleichbehandlung hätte anders beseitigt werden müssen. Nämlich mit der vollständigen Besteuerung des innerdeutschen Flugverkehrs, der momentan zu 96 % freigestellt ist. Lediglich wegen der Gefährdung der Steuerreform und der dann vorliegenden Handlungsunfähigkeit der Koalition und des drohenden Verlustes der Regierungsfähigkeit werde ich meine Zustimmung erteilen. Abgeordneter Dr.-Ing. Kansy (CDU/CSU): Zum Änderungsantrag der SPD-Fraktion bei der zweiten Lesung des Steuerreformgesetzes 1990, Flugbenzin für Geschäfts- und Sportflieger entgegen dem Beschluß des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages der Besteuerung zu unterziehen, erkläre ich: Ich halte die Entscheidung des Finanzausschusses für sachlich und politisch falsch. Da bei der Geschäftslage des Deutschen Bundestages die Annahme des SPD-Antrages — von der SPD auch so gewollt — nicht nur die Besteuerung des Flugbenzins, sondern auch das Scheitern der Verabschiedung der Steuerreform vor der Sommerpause und vielleicht sogar eine Krise der Koalition bedeuten würde, habe ich den SPD-Antrag abgelehnt. Die Verabschiedung dieser Reform und die Handlungsfähigkeit der Koalition hat nach ernsthafter Abwägung Vorrang vor der Durchsetzung der Besteuerung des Flugbenzins durch wechselnde Mehrheiten im Plenum. Abgeordneter Dr. Kappes (CDU/CSU): Zu meinem Abstimmungsverhalten in der Frage der Mineralölsteuerbefreiung zugunsten der Privat- und Sportflieger — Artikel 24 des Entwurfs eines Steuerreformgesetzes 1990 — erkläre ich: Grundsätzlich bin ich der Auffassung, daß es in unserem Staat keine unterschiedliche Besteuerung desselben Verbrauchsgutes je nach Verwendungsabsicht des Käufers geben sollte. Dies muß auch für den Kauf von Flugbenzin gelten. Entweder sollen alle Flieger oder aber keiner Mineralölsteuer bezahlen. Ich selbst trete aus sozial-, steuer-, verkehrs-, energie- und umweltpolitischen Gründen dafür ein, daß in Zukunft alle, d. h. sowohl die großen Fluggesellschaften als auch die kleinen Lufttaxiunternehmen, der Werkflugverkehr und die Sportflieger in gleicher Weise zur Mineralölsteuer herangezogen werden. Meiner Meinung nach lassen sich die hier bestehenden Schwierigkeiten — insbesondere im Zusammenhang mit internationalen Abkommen — bei gutem Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Juni 1988 5995 Willen ausräumen. Hierfür werde ich mich energisch einsetzen. Im Hinblick auf die unerwartet — vor allem wegen des Dollarverfalls und der Finanzsituation der Europäischen Gemeinschaft — bereits jetzt erforderlich gewordene Mineralölsteuererhöhung für Kraftfahrzeugbenzin hätte ich es für richtig gehalten, zunächst auf die grundsätzlich gebotene Änderung der bisher ungleichen Besteuerung des Flugbenzins bis zu einer möglichst baldigen Vereinheitlichung zu verzichten. Leider war dies nicht möglich. Insoweit habe ich volles Verständnis für die Verärgerung vieler Bürgerinnen und Bürger in meinem Wahlkreis. Dennoch kann ich heute einer Streichung von Artikel 24 des Entwurfs eines Steuerreformgesetzes 1990 — Flugbenzinregelung — nicht zustimmen, weil dies in der jetzigen Beratungsphase offenkundig das Scheitern des gesamten, außerordentlich wichtigen und im wesentlichen gelungenen Reformvorhabens bedeuten und damit die Weiterarbeit der Regierungskoalition gefährden würde. So weitreichende Folgen sind aus meiner Sicht nicht zu verantworten. Abgeordneter Kossendey (CDU/CSU): In der heutigen namentlichen Abstimmung zum Thema Befreiung von der Flugbenzinsteuer habe ich für diese Befreiung gestimmt, obwohl ich diese Entscheidung für sachlich ungerechtfertigt und politisch unklug halte. Diese Regelung bringt die Glaubwürdigkeit des gesamten Steuerreformpaketes in den Augen der Öffentlichkeit in Mißkredit. Meines Erachtens hätte es gerechtere und für den Bürger einsichtigere Möglichkeiten gegeben, dieses steuerrechtliche Randproblem zu lösen. Dabei wäre meiner Meinung nach einer generellen Besteuerung des Flugbenzins aus ökologischen wie auch aus Gründen der Gerechtigkeit der Vorzug zu geben gewesen, zumindest soweit es den innerdeutschen Flugbetrieb betrifft. Meine Zustimmung in einer namentlichen Abstimmung kann ich nur damit begründen, daß ich die ansonsten positive Wirkung der Steuerreform nicht gefährden und gleichzeitig die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung aufrechterhalten wollte. Abgeordneter Kroll-Schlüter (CDU/CSU): Die Steuerbefreiung für Flugbenzin bei privater Nutzung stößt bei mir auf erhebliche Vorbehalte. Ich halte sie für einen politischen Mißgriff bei dem insgesamt positiven Vorhaben der Steuerreform. Dennoch werde ich trotz meiner Bedenken heute zustimmen, um dem Gesamtwerk der Steuerreform mit seiner von mir unterstützten steuer- und finanzpolitischen Weichenstellung keine weiteren Hindernisse in den Weg zu legen. Abgeordnete Frau Limbach und Abgeordneter Dr. Daniels (Bonn) (beide CDU/CSU): Mein Verhalten in der heutigen Abstimmung richtet sich nach meiner Überzeugung, daß die Steuerreform richtig und notwendig ist. Ich kann es nicht verantworten, mit einer Einzelentscheidung die Steuerreform insgesamt zu gefährden mit der sich daraus möglicherweise ergebenden Einschränkung der Handlungsfähigkeit der Koalition und der Regierungsfähigkeit. Deshalb werde ich in der namentlichen Abstimmung für die Befreiung von der Flugbenzinsteuer stimmen, obwohl ich diese weder für sachlich geboten noch für politisch sinnvoll halte. Abgeordneter Link (Diepholz) (CDU/CSU): In der heutigen namentlichen Abstimmung zum Thema Befreiung von der Flugbenzinsteuer habe ich für diese Befreiung gestimmt, obwohl ich diese Entscheidung für sachlich ungerechtfertigt und politisch unklug halte. Diese Regelung bringt die Glaubwürdigkeit des gesamten Steuerreformpaketes in den Augen der Öffentlichkeit in Mißkredit. Meines Erachtens hätte es gerechtere und für den Bürger einsichtigere Möglichkeiten gegeben, dieses steuerrechtliche Randproblem zu lösen. Dabei wäre meiner Meinung nach einer generellen Besteuerung des Flugbenzins aus ökologischen wie auch aus Gründen der Gerechtigkeit der Vorzug zu geben gewesen, zumindest soweit es den innerdeutschen Flugbetrieb betrifft. Meine Zustimmung in einer namentlichen Abstimmung kann ich nur damit begründen, daß ich die ansonsten positive Wirkung der Steuerreform nicht gefährden und gleichzeitig die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung aufrechterhalten wollte. Abgeordnete Louven, Sauer (Stuttgart), Haungs und Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Um das Gesamtvorhaben der Steuerreform nicht zu gefährden, habe ich meine ursprüngliche Absicht, bei der Steuerbefreiung für Flugbenzin mit Nein zu stimmen, aufgegeben und mich der Stimme enthalten. Abgeordneter Marschewski (CDU/CSU): Ich habe bei der namentlichen Abstimmung nur deshalb für die Beibehaltung des Art. 24 votiert, weil ich das Gesamtvorhaben Steuerreform nicht in Gefahr bringen wollte. Ich halte die in Art. 24 des Steuerreformgesetzes 1990 vorgesehene Änderung des Mineralölsteuergesetzes in keiner Hinsicht für vertretbar. Abgeordneter Müller (Wadern) (CDU/CSU): Nach reiflicher Überlegung habe ich entschieden, bei der Abstimmung über die Frage Befreiung der Besteuerung von Flugbenzin der Bundesregierung nicht zuzustimmen. Die sachlichen Argumente zur Aufhebung dieser Steuer überzeugen mich nicht. Meine Fraktionsführung hat gebeten, aus übergeordneten Gründen dieser Vorlage zuzustimmen, und im Falle der Nichtannahme Konsequenzen für die Steuerreform insgesamt vorausgesagt. Auch diese Argumente vermag ich nicht zu teilen. 5996* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Juni 1988 Da ich als Abgeordneter einer strukturschwachen Region ständig der Unterstützung der Bundesregierung und meiner Fraktion für diese Region bedarf und ich den Erfolg der Opposition nicht will, habe ich mich bei dieser Vorlage der Stimme enthalten. Abgeordneter Pfeffermann (CDU/CSU): Nach § 31 (2) der Geschäftsordnung erkläre ich hiermit, daß ich an der namentlichen Abstimmung über Artikel 24 nicht teilnehme. Abgeordneter Scharrenbroich (CDU/CSU): Die heute zu verabschiedende Steuerreform ist Ergebnis einer Koalitionsvereinbarung. Die Diskussion der letzten Tage hat deutlich gemacht, daß die Steuerreform nur rechtzeitig verabschiedet werden kann, wenn gleichzeitig auch die Forderung des bayerischen Ministerpräsidenten erfüllt wird, die Steuer auf Flugbenzin abzuschaffen. Um die Koalitionsvereinbarung nicht zu gefährden, sehe ich mich verpflichtet, der Abschaffung der Flugbenzinsteuer zuzustimmen. Zu dieser Haltung sehe ich mich veranlaßt, um die Steuerreform mit ihren großen Entlastungen für kinderreiche Familien und Arbeitnehmer sowie mit ihrer bedeutsamen beschäftigungspolitischen Wirkung nicht zu gefährden. Abgeordneter Schemken (CDU/CSU): Um die Steuerreform nicht zu gefährden, stimme ich in der namentlichen Abstimmung gegen den SPDAntrag (Drucksache 11/2560), obwohl ich die Mineralölsteuerbefreiung für Flugbenzin für nicht gerechtfertigt halte. Mir ist dabei klar, daß in der öffentlichen Wirkung der Eindruck einer sozialen Unausgewogenheit nicht zu vermeiden ist. Das größere Ziel des Steuerreformwerkes mit seinen entscheidenden Entlastungen, aber insbesondere die notwendige Unterstützung bei der zukünftigen Aufgabenbewältigung dieser Koalition haben für mich Vorrang. Abgeordneter von Schmude (CDU/CSU): Mit der Abschaffung der Flugbenzinsteuer kann ich mich nicht einverstanden erklären. Die sachlichen Argumente zur Aufhebung dieser Steuer überzeugen mich nicht. Nur auf Grund der zweimal getroffenen Mehrheitsentscheidungen meiner Fraktion stimme ich aus Gründen der Fraktionssolidarität und um die Steuerreform nicht zu gefährden, den geplanten Maßnahmen zu. Abgeordneter Schreiber (CDU/CSU): Die heute zu verabschiedende Steuerreform ist Ergebnis einer Koalitionsvereinbarung. Ich habe bis in die letzte Stunde der Verabschiedung dieser Steuerreform beabsichtigt, wegen der Abschaffung der Flugbenzinsteuer, diesem Punkt der Steuerreform nicht zuzustimmen. Ich halte nach wie vor die Abschaffung der Flugbenzinsteuer für eine Provokation der Bürger unseres Landes. Auf der anderen Seite ist mir klar geworden, daß die Steuerreform nur rechtzeitig verabschiedet werden kann, wenn die Forderung des bayerischen Ministerpräsidenten erfüllt wird, die Steuer auf Flugbenzin abzuschaffen. Nachdem die Steuerreform große Entlastungen für kinderreiche Familien und Arbeitnehmer mit sich bringen wird, möchte ich diese wichtige Entscheidung nicht gefährden. Deshalb sehe ich mich gezwungen, um das Gesamtpaket nicht zu gefährden, mich der Stimme zu enthalten. Zu einer Zustimmung zu diesem Punkt der Steuerreform (Abschaffung der Flugbenzinsteuer) kann ich mich nicht durchringen. Abgeordneter Dr. Schröder (Freiburg) (CDU/CSU): Mit der ersatzlosen Aufhebung der Mineralölsteuer auf Flugbenzin kann ich mich nicht einverstanden erklären. Die Argumente zur Abschaffung dieser Flugbenzinsteuer können mich — zumindest soweit hier auch die Befreiung der Hobbyflieger eingeschlossen ist — nicht überzeugen. Meine Fraktion hat zweimal mit Mehrheit für eine generelle Flugbenzinbefreiung gestimmt. Für den Fall eines Scheiterns der Flugbenzinbefreiung in der Schlußabstimmung im Plenum des Deutschen Bundestages wurden von der Fraktionsführung ein allgemeines Scheitern der gesamten Steuerreform und schwerwiegende Konsequenzen für die Koalition vorgetragen. Da ich solche weitergehenden Konsequenzen nicht verantworten kann, stimme ich den geplanten Maßnahmen zu. Abgeordneter Schulhoff (CDU/CSU): Obwohl ich der Steuerbefreiung von Flugbenzin für Privatflieger aus verkehrspolitischen, ökologischen und gesellschaftspolitischen Gründen ablehnend gegenüberstehe, werde ich dem zustimmen, um nicht die Steuerreform insgesamt zu gefährden. Diese Steuerreform ist auf Grund der unerträglichen Steuerbelastung breitester Bevölkerungsschichten nicht nur geboten, sondern sogar überfällig. Der gesenkte, linear progressive Tarif ist so wichtig, daß ich einer unverzüglichen Verabschiedung des Steuerreformgesetzes nicht im Wege stehen kann. Abgeordneter Dr. Todenhöfer (CDU/CSU): Ich kann dem Steuerreformgesetz aus zahlreichen Gründen nur als Gesamtpaket zustimmen und dies auch nur mit erheblichen Vorbehalten. Mein stärkster Vorbehalt betrifft die Besteuerung der Zuschläge für Schichtarbeit. Der jetzt zur Abstimmung anstehende Kompromiß über die Besteuerung der Schichtzuschläge ist für Schichtarbeiter und Schichtarbeiterinnen nicht akzeptabel. Durch ihn wird den besonderen Belastungen der Nachtarbeit und der Arbeit an Sonn- und Feiertagen in den unterschiedlichsten Berufen nicht ausreichend Rechnung getragen. Auch vor dem Hintergrund der Probleme des Industriestandorts Bundesrepublik Deutschland und der Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Juni 1988 5997' Notwendigkeit, die teuren Produktionsanlagen unseres Landes verstärkt auszulasten, hätte der Gesetzgeber dafür sorgen müssen, daß die Arbeit während der besonders belastenden Nacht- und Wochenendzeiten besonders attraktiv gestaltet wird. Der jetzige Kompromiß wird diesen Forderungen nicht gerecht und kann nicht als sozial bezeichnet werden. Ich lehne ihn daher ab. Abgeordneter Dr. Uelhoff (CDU/CSU): Die Steuerreform ist zur Entlastung kleinerer und mittlerer Einkommen ebenso wichtig wie für die Verbesserung des Eigenkapitals der Unternehmungen. Deshalb ist diese Reform notwendig, und sie darf nicht — wie von der Opposition beabsichtigt — durch eine Einzelentscheidung zur Steuerbefreiung von Flugbenzin gefährdet werden. Ich kann bei einem Entlastungsvolumen von ca. 50 Milliarden DM eine Subvention von ca. 25 Millionen DM nicht zur Grundlage meiner Entscheidung machen. Um die gesamte Steuerreform nicht zu gefährden, werde ich deshalb in der namentlichen Abstimmung der Steuerbefreiung beim Flugbenzin als Teilstück eines Kompromisses zustimmen, obwohl ich diese Einzelentscheidung weder für sachlich geboten noch für politisch sinnvoll halte. Abgeordneter Dr. Voigt (Northeim) (CDU/CSU): Ich stimme der Steuerbefreiung von Flugbenzin in der namentlichen Abstimmung nur deshalb zu, damit das gesamte Steuerreformgesetz nicht scheitert, sondern in Kraft treten kann. Eine einzelne Frage, in der Öffentlichkeit zu Recht kritisch diskutiert, darf die in ihrer Gesamtheit notwendige und richtige Steuerreform nicht gefährden. Die Koalition aus CDU/CSU und FDP, zu der es keine Alternative gibt, darf nicht durch diese wenn auch noch so kritisch zu beurteilende Einzelentscheidung in Frage gestellt werden. Abgeordneter Würzbach (CDU/CSU): Die jetzt geplante Steuerbefreiung für Flugbenzin bei privater Nutzung stößt wegen der gleichzeitig notwendig werdenden Steuererhöhung für Benzin, von der die Kraftfahrer betroffen sein werden, bei mir auf erhebliche Vorbehalte. Ich halte sie in der jetzigen Zeit — bei allem Verständnis für den sachlich gebotenen und überfälligen Regelungsbedarf in der Sache selbst — vor dem Hintergrund auch anderer vielfältiger anspruchsvoller gesetzlicher Reformvorhaben für eine politische Maßnahme, die das positive Vorhaben der Steuerreform in der politischen Umsetzung gleichermaßen unnötig wie schädlich belastet. Ich bedaure, daß die politisch parlamentarische Beratungsform so beschlossen wurde, daß keine Möglichkeit besteht, diesen Einzelpunkt abzulehnen und gleichzeitig das Gesetzesvorhaben insgesamt zu fördern. So werde ich trotz meiner Bedenken heute zustimmen, um das Gesamtwerk der Steuerreform mit seinen insgesamt positiven Auswirkungen zu unterstützen. Abgeordnete Frau Dr. Hamm-Brücher, Baum, Irmer, Dr. Hirsch, Frau Würfel und Lüder (alle FDP): Die Unterzeichner dieser persönlichen Erklärung sehen sich nach reiflicher Überlegung und gewissenhafter Güterabwägung aus folgenden Gründen außerstande, einer Steuerbefreiung für Benzin der Privatflieger zuzustimmen: — In einer Zeit wachsender Verschuldung der öffentlichen Haushalte, — in einer Zeit, in der Verbrauchsteuern, insbesondere für Benzin, drastisch erhöht und von den meisten Bürgern zusätzliche finanzielle Leistungen abverlangt werden müssen, sollte eine kleine Gruppe in unserer Bevölkerung nicht ungerechtfertigt privilegiert werden. Diese grundsätzlichen Einwände wiegen für uns stärker als alle vermeintlichen Sach- und Terminzwänge, die ein neuerliches Überdenken der Entscheidung und ihrer voraussehbaren Folgewirkungen angeblich nicht mehr möglich machen. Dem Gesamtpaket der Steuerreform werden wir aus übergeordneten Gründen zustimmen. Plenarprotokoll 11/87 (Berichtigung) Berichtigungen zum Stenographischen Bericht 87. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 23. Juni 1988 Seite 5974 D achte Zeile von unten: Statt „1985" ist „1975" zu lesen. Seite 5994 B, vorletzte Erklärung: Statt „Abgeordneter Hauser (Krefeld) (CDU/CSU)" ist „Abgeordneter Hauser (Esslingen) (CDU/CSU) " zu lesen.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Hermann Rind


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Ich habe gerade, Herr Kollege Sellin, zur strafbefreienden Erklärung ausgeführt, was zu sagen ist. Das Ermittlungsverbot erstreckt sich auf Zinseinkünfte für die Zeit vor 1986. Ich habe begründet, warum das so ist. Daß hier ein schlechtes Gewissen angebracht ist, können Sie eigentlich gar nicht mehr vertreten, wenn Sie meine Worte hier würdigen. Wenn Sie darauf eingegangen wären, hätte ich Ihnen eine zutreffendere Antwort geben können als auf diese allgemeine, von Ihnen schon seit langem publizierte Behauptung.
    Ein Problem bei der strafbefreienden Erklärung tritt für eine große Gruppe von Bürgern auf, für Selbständige, Hausbesitzer und Bezieher anderer Einkünfte als solcher aus einem Arbeitsverhältnis: Sie alle müssen befürchten, wenn sie Zinseinnahmen nacherklären, daß das Finanzamt intensiv nachforscht, ob die angesparten Gelder versteuert wurden oder nicht. Dies gilt auch dann, wenn die angelegten Gelder tatsächlich ordnungsgemäß versteuert waren. Ich befürchte, daß die Möglichkeit der Nachmeldung deswegen hauptsächlich von Arbeitnehmern und Rentnern in Anspruch genommen werden wird, wenn und soweit die Herkunft ihres Kapitalvermögens unzweifelhaft ist. Da wir mit dieser Reform aber an einer Schwelle in der Besteuerung stehen, bei der überzogene Steuerbelastungen, die viele in die Irre und in die Steuersünde geführt haben, auf ein erträgliches Maß zurückgenommen werden, wäre eine Regelung wünschenswert gewesen, die ein Verbot der Nachforschung nach der Herkunft der Gelder zum Inhalt gehabt hätte, für die der Steuerpflichtige Kapitaleinkünfte nacherklärte. Dieser Schritt wurde jedoch nach sorgfältigen Beratungen aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht getan.
    Verfassungsrechtlich unbedenklich wäre aber eine Amnestie hinsichtlich aller Einkunftsarten gewesen. Eine solche Amnestie hätte z. B. in der Höhe der nachgemeldeten Einkünfte beschränkt werden können; der Zeitraum für die Nachmeldung hätte über das Jahr 1986 hinaus ausgedehnt werden können. Ich gestehe freimütig, daß mir eine solche, wie auch immer gestaltete weitergehende Lösung in diesem Reformgesetz fehlt. Ich habe zwar viel Verständnis für die rechtspolitischen Bedenken, die gegen eine solche Amnestie vorgebracht wurden, aber auf der anderen Seite ist es so, daß wir hier an einem Schnittpunkt in der Steuerpolitik stehen, den wir großzügiger hätten nutzen können und nutzen sollen. Da die Steuergesetzgebung aber ein kontinuierlicher Prozeß ist, sollen derartige Überlegungen nur aufgeschoben und nicht endgültig aufgehoben sein.
    Nun noch etwas zu einem ganz anderen Thema: Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat gegen die Einführung des Arbeitnehmerpauschbetrages Verfassungsbeschwerde angekündigt. Lassen Sie mich zunächst zu diesem Thema einige Sätze aus der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses zu verfassungsrechtlichen Aspekten der Steuerreform zitieren. Professor Arndt hat dazu u. a. ausgeführt:
    Hat der typische Arbeitnehmer etwa 2 000 DM Werbungskosten, dann hätte der Gesetzgeber nach Art. 3 des Grundgesetzes den Typus herausgegriffen. Er wäre untadelig. Dann würde wohl auch die zweite verfassungsrechtliche Problematik, die ich sehe, entfallen. Wenn der typische Arbeitnehmer 2 000 DM Werbungskosten hat, dann darf der Gesetzgeber eine solche Pauschale auch im Vergleich zu den übrigen sechs Einkunftsarten dem Arbeitnehmer gewähren.
    Nun haben die Kollegen der SPD im Finanzausschuß in dieser Frage hartnäckig gebohrt, nicht wahr Herr Kollege Huonker? Dabei stellte sich heraus, daß nach Berechnungen des Bundesministeriums der Finanzen im Jahre 1990 auf der Grundlage des neuen Steuerrechts bei einer Kilometerpauschale von 50 Pfennig etwa drei Viertel der Arbeitnehmer knapp unter 2 000 DM Werbungskosten haben werden.

    (Huonker [SPD]: Das ist keine Berechnung, das ist eine Schätzung, Herr Rind!)

    — Das ist eine Ermittlung, die auf soliden Zahlen berechnet wurde. Ich habe auch in Ihrer Rede heute keine Kritik an dieser Ermittlung, diesen Berechnungen gehört.

    (Huonker [SPD]: Weil mir die Zeit dazu gefehlt hat!)

    — Auch im Ausschuß wurde diese Zahl nicht bezweifelt.
    Fazit: Wenn dies so ist, bestehen verfassungsrechtliche Bedenken, wie sie der DGB sieht, gegen den Arbeitnehmerpauschbetrag nicht oder zumindest nicht in einem Ausmaß, das die Verfassungswidrigkeit zur Wahrscheinlichkeit erheben könnte. Wir fühlen uns hier auf sicherem Boden.
    Diese auf Betreiben der Opposition zustande gekommene Berechnungen machen aber auch noch ein weiteres deutlich, nämlich daß der Arbeitnehmer-



    Rind
    pauschbetrag in Höhe von 2 000 DM tatsächlich auch eine gewaltige verwaltungsvereinfachende Wirkung haben wird,

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    weil der größte Teil der Arbeitnehmer in Verbindung mit dem Sonderausgabenpauschbetrag keinen Antrag auf Jahresausgleich mehr stellen muß.
    Da offenbar kein oder kaum ein Redebeitrag heute zum Steuerreformgesetz ohne das Thema Flugbenzin vorgetragen werden kann, möchte auch ich zum Abschluß ein paar Sätze dazu sagen: Es ist bekannt und heute auch schon zum Ausdruck gekommen, daß die FDP die Steuerbefreiung für Flugbenzin lieber nicht mit beschließen würde. Wir tun dies trotzdem, um das übergeordnete Ziel, die Durchsetzung dieser Steuerreform, nicht zu gefährden. Ich habe dabei vor der Fraktion von einer Kröte gesprochen — sie ist heute schon öfters durch die Debatte gegeistert — , die geschluckt werden müsse.

    (Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Verschlucken Sie sich nicht!)

    Meine Äußerung in der Fraktion hat meinen Kollegen Neuhausen zu einem kurzen Gedicht animiert, mit dem ich meine Rede hier beschließen möchte. Es lautet:
    Wenn einer eine Kröte schluckt, und deshalb in die Suppe spuckt, so wird er selten nur entdekken, daß Kröt' und Suppe besser schmecken. Bezwingt jedoch er seine Wut, schmeckt wenigstens die Suppe gut.

    (Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Na dann guten Appetit, Herr Kollege Rind.

(Heiterkeit)

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mitzscherling.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Peter Mitzscherling


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Der Herr Bundesfinanzminister hat sich heute morgen äußerst zufrieden über den Wirtschaftsgipfel am letzten Wochenende gezeigt. Alles war von Verständnis füreinander getragen. Die Steuerreform ist als ein wirksamer Beitrag zum Abbau der weltweiten Ungleichgewichte anerkannt worden, so haben wir gehört.
    Nun, ich glaube, Herr Stoltenberg, dieses schöne Bild der Eintracht wird ganz schnell verblassen, und zwar spätestens dann, wenn die Präsidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten vorbei sind, und zwar nicht nur deshalb, weil die Amerikaner dann merken, daß ihr Leistungsbilanzdefizit nicht zurückgeht, sondern vor allem deshalb, weil dann deutlicher ist, wie groß die Wachstums- und Beschäftigungseffekte der Steuerreform tatsächlich sind.
    Ich will nicht allein auf die heute vorgelegte Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung eingehen, aus der sich schon einiges ergibt, was diese möglichen Effekte anzeigt. Nicht nur von den Instituten, sondern auch von Herrn Schlecht ist ja kürzlich im Konjunkturrat auf die die konjunkturdämpfenden Wirkungen der vorgesehenen Verbrauchsteuererhöhungen hingewiesen worden, die auch die Inflation wieder anheizen würden. Gegen Jahresende wird die Arbeitslosigkeit noch höher sein, und das Investitionswachstum bleibt gering.
    Wie können Sie eigentlich behaupten, Herr Stoltenberg, die Investitionstätigkeit belebe sich? Das IfoInstitut hat doch soeben eine Umfrage vorgelegt, deren Ergebnisse deutlich zeigen, daß sich das Investitionswachstum abschwächt. Weil das so ist, haben wir Sie ja immer wieder zu einer aktiveren Wirtschafts-und Finanzpolitik aufgefordert. Aber Sie setzen Ihre bisherige Politik in der Hoffnung fort, daß mit den Steuerentlastungen irgendwann auch einmal höhere Investitionen und mehr Arbeitsplätze kommen werden. Da dieser Einnahmeverzicht finanziert werden muß, schrecken Sie auch nicht davor zurück, direkt in unmittelbar wirkende Investitionen hineinzuschneiden, nämlich in die Investitionsförderung in den strukturschwachen Regionen und in Berlin. Das bezeichnen Sie dann auch noch als eine große Leistung, die hier vollbracht worden sei.
    Ich will zugestehen, daß Sie mit den Übergangsfristen vielleicht sogar einen Vorzieheffekt bei bestimmten Investitionen erreichen, aber langfristig halte ich diese Entscheidung für verhängnisvoll.

    (Beifall bei der SPD)

    Um es klar und deutlich zu sagen: Auch wir Sozialdemokraten sind dafür, daß man mit Subventionen und Steuervergünstigungen sparsam umgeht. Wir wissen auch, daß strukturelle Anpassungen der Wirtschaft unvermeidlich sind, auch im Interesse der künftigen Sicherheit von Arbeitsplätzen. Aber wir denken auch an die Sicherung des Lebenswertes der Familien, die von Arbeitslosigkeit bedroht sind und die ihren Lebensinhalt und ihren Lebensmittelpunkt erhalten wollen. Deshalb muß der Staat unumgängliche Strukturanpassungen erleichtern und im Interesse der Betroffenen sozial abfedern. Er muß entscheiden, welche Branchen und Regionen aus nationalem Interesse besonders schützenswert und auf finanzielle Förderung angewiesen sind.
    Deshalb, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, möchte ich Sie fragen: Halten Sie die strukturellen Anpassungsprozesse in der Landwirtschaft, in den Küstenstandorten, in den Stahlbereichen, bei der Kohle, im Zonenrandgebiet für abgeschlossen? Gibt es dort keine Probleme mehr? Offensichtlich sind Sie und auch die GRÜNEN — das hat der Beitrag von Herrn Sellin gezeigt — der Meinung, daß alle Probleme gelöst sind, denn Sie wollen ja das Investitionszulagengesetz streichen.

    (Hüser [GRÜNE]: Ändern wollen wir es!)

    Dabei ist sicher: Dieses Gesetz ist zum wichtigsten Instrument regionaler Wirtschaftsförderung geworden. Es hat vor allem kleinen und mittleren Betrieben im Zonenrandgebiet und in den strukturschwachen Regionen geholfen. Mit ihrer überwiegend geringen Eigenkapitalausstattung und der häufig angespannten Liquidität hätten sie ohne diese Investitionszulage vielfach gar nicht investieren können. Diesen für die kleinen und mittleren Betriebe sicheren Teppich einer nicht steuerpflichtigen Investitionszulage ziehen Sie ihnen nun unter den Füßen weg.



    Dr. Mitzscherling
    Die vorgesehene Aufstockung der Förderungsmittel für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" kann doch die durch die Streichung der Investitionszulage bedingte Absenkung der Kapitalrentabilität in den strukturschwachen Gebieten in keiner Weise ausgleichen.

    (Dr. Apel [SPD]: Sehr richtig!)

    Damit wird es für diese Betriebe, die bisher gefördert wurden, noch schwerer, sich im Wettbewerb mit den reicheren Regionen zu behaupten.
    Aber Sie haben ja Trost bereit: Die segensreichen Wirkungen Ihrer Steuerreform haben ja sogenannte „spill over" -Effekte, wie Sie schreiben. Aus den reichen Regionen fließt etwas in die ärmeren über, von dem diese dann profitieren können. Wegen dieser erwarteten grandiosen Effekte haben sie letztlich auch davon abgesehen, die Empfehlung des Unterausschusses „Regionale Wirtschaftsstruktur" aufzunehmen, wenigstens eine dreijährige Übergangsfrist einzuräumen.
    Die Konsequenzen einer Streichungspolitik dieser Art liegen auf der Hand: Die Schwachen werden noch schwächer werden. Dies, meine Damen und Herren, lehnen wir Sozialdemokraten ab.

    (Beifall bei der SPD)

    Es ist schon bemerkenswert, daß wir Ihnen sagen müssen, daß konjunkturelle und strukturelle Gründe nicht für Kürzungen von Investitionszulagen und Abschreibungserleichterungen in den strukturschwachen Gebieten sprechen, sondern eher für eine Aufstockung.
    Dies gilt grundsätzlich auch für Berlin. Auch Berlins Wirtschaft hat Probleme: Rund 100 000 Berliner sind arbeitslos gemeldet. Die Wirtschaftsstruktur der Stadt ist verbesserungsbedürftig. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, braucht Berlin weiterhin Hilfe, nicht nur aus deutschlandpolitischen Gründen, sondern weil das Wirtschaften, das Arbeiten und das Leben in dieser abgetrennten Stadt mit vielerlei Nachteilen verbunden ist, die sich aus der Isolation, aus den weiten Entfernungen und aus der Begrenztheit der Fläche ergeben.
    Diesen Nachteilen können sich die meisten Unternehmen nicht durch eine Änderung ihres unternehmerischen Verhaltens entziehen. Deshalb werten wir die Berlin-Förderung auch nicht als eine schlichte Subvention, sondern vor allem als Ausgleich von vielfältigen Standortnachteilen.
    Aber um so mehr müssen wir darauf achten, daß mit den Instrumenten der Berlin-Förderung im Interesse einer anhaltenden Verbesserung der Wirtschaftsstruktur Berlins sorgfältig umgegangen wird.
    Die Kürzung der Berlin-Förderung um fast 800 Millionen DM trifft vor allem die Investitionsförderung. Dieses verletzt das Gebot nach Sorgfalt in eklatanter Weise.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich bedaure vor allem eines: Mit diesem Vorgehen kündigen Sie den notwendigen und den bisher immer erreichten Konsens in allen Berlin betreffenden Fragen auf.
    Die Leichtfertigkeit, mit der die Regierungskoalition, die sich mit Worten immer lautstark zu Berlin bekennt, über Berlins Interessen hinweggeht, macht betroffen. Es ist schon ein starkes Stück, wie Sie den Berliner Senat, eine Regierung Ihrer Coleur, über den Tisch gezogen haben. Daß die Herren Senatoren dabei auch noch falsch taktierten — wie das Wirtschaftsmagazin „Capital" in seiner Juni-Ausgabe anmerkt — , macht das Ergebnis dieser blamablen Hakelei nicht eben besser. Das geht eindeutig zu Lasten Berlins, seiner Wirtschaft und seiner Arbeitsplätze.

    (Beifall bei der SPD)

    Dies ist deshalb so schlimm, meine Damen und Herren, weil eine wirkliche Novellierung der Berlin-Förderung durchaus sinnvoll gewesen wäre. Denn der Steuerzahler hat Anspruch darauf, daß seine sauer verdienten Groschen in Berlin mit größtmöglicher Wirksamkeit ausgegeben werden. Deshalb waren und sind wir Sozialdemokraten stets für Wirkungsanalysen des Berlin-Förderungsgesetzes eingetreten. Wir haben die Gutachtenvergabe an das DIW begrüßt. Wir haben feststellen müssen, daß Sie nicht einmal darauf gewartet haben, bis das DIW mit seinem Gutachten fertig war.
    Sie wollen jetzt Ihre Kürzungen durchsetzen, gegen die Berliner Wirtschaft, gegen die Berliner Gewerkschaften, gegen die gutachtenden Wissenschaftler, die in den Anhörungen allesamt zum Teil scharfe Kritik an Ihrem Vorhaben geübt und begründete Bedenken geltend gemacht haben.
    Ich erinnere Sie an das Hearing. Die Sachverständigen waren sich darin einig, daß die Investitionszulage für viele Betriebe das entscheidende Förderungsinstrument und daß die Konzentration der Kürzungen auf die Investitionsförderung kontraproduktiv ist. Die Kürzung der Investitionsgrundzulage und ihre absolute Begrenzung, die Beseitigung der erhöhten Zulagen für Forschung und Entwicklung und die Verletzung des Vertrauensschutzes, auf den Investoren Anspruch haben, wurden kritisiert.
    Sie scheint das alles nicht im mindesten interessiert zu haben; denn schon vor dem Hearing hatten Sie den Koalitionsfraktionen im Berliner Abgeordnetenhaus das als korrigierbar signalisiert, was die Berliner Regierungsparteien dann in einer Entschließung von Ihnen gefordert haben, nämlich eine leichte Anhebung der Investitionsgrundzulage, die die Kürzung um 25 Millionen DM mindert.
    Was haben Sie eigentlich für Schlußfolgerungen aus dem Hearing gezogen? Ich stelle fest: keine. Sie haben Ihren Gesetzentwurf durch die mitberatenden Ausschüsse gepeitscht. Wir hatten zum Teil nicht einmal das Material auf dem Tisch. Sie haben die parlamentarischen Beratungen zur Farce degradiert.

    (Beifall bei der SPD — Glos [CDU/CSU]: Es ist Unsinn, was Sie sagen!)

    — Sie waren offensichtlich nicht im Wirtschaftsausschuß und in anderen Ausschüssen dabei, Herr Glos. Im Finanzausschuß mag das anders gewesen sein.
    Unsere Anträge haben Sie ohne inhaltliche Diskussion abgeschmettert und sich damit begnügt, auf einige aus dem DIW-Zwischengutachten übernom-



    Dr. Mitzscherling
    mene strukturverbessernde Elemente zu verweisen. Aber damit ist doch nicht die Strukturdebatte entbehrlich geworden, die wir im Interesse Berlins und der Erneuerung seiner Wirtschaftsstruktur führen müssen. Wir haben die uns wesentlich erscheinenden Elemente in der Begründung unserer in den Ausschüssen eingebrachten Anträge aufgeführt.
    Zu den wichtigsten wirtschaftspolitischen Zukunftsaufgaben der Stadt zählt die Stärkung der kleinen und mittleren Betriebe. Dazu gehört der Ausbau der fernabsatzorientierten Dienstleistungen, dazu gehört die Gründung neuer innovativer und zukunftsträchtiger Unternehmen, dazu gehört der vermehrte Einsatz von Telekommunikationseinrichtungen, und es gehört dazu — angesichts der begrenzten Gewerbefläche — , daß die Geschoßbauweise im produzierenden Gewerbe vorangebracht wird.
    Diese Entwicklungen, meine Damen und Herren, zu fördern hätte sich gelohnt. Doch hierzu hätte es eine wirkliche Novellierung des Berlin-Förderungsgesetzes geben müssen. Mit Ihrem Kürzungspaket haben Sie das verhindert. Sie haben damit aber ebenso deutlich gemacht, daß man Berlins wirkliche Interessen in Bonn offenbar immer weniger kennt.
    Der Berliner Senat hat im Verlauf dieser Kürzungsaktion wahrlich keine rühmliche Rolle gespielt. Die Einwände des Regierenden Bürgermeisters, die er zum Teil von dieser Stelle aus vorgetragen hat, und die seiner Senatoren wurden entweder nicht nachdrücklich genug vorgetragen, oder sie wurden überhaupt nicht beachtet. Beides ist schlimm genug.

    (Beifall bei der SPD)

    Da kann man die jetzigen Versuche der Berliner Regierenden, das Ergebnis in einen relativen Erfolg umzumünzen, eigentlich nur noch belächeln.
    Das, was in der vergangenen Woche der Berliner Finanzsenator im Berliner „Tagesspiegel" von sich gegeben hat, ist ein wahrer Eiertanz. Da wird von einem — ich zitiere — bei „fairer Betrachtungsweise noch nachvollziehbaren" Kürzungsverlangen des Bundes, aber dennoch von einem Berliner „Sonderopfer von 350 Millionen DM" gesprochen. Schließlich kennzeichnet der Hinweis auf die „unübersehbaren Schwierigkeiten" in Bonn das Dilemma des Senats mehr als deutlich. Nun komme man uns jetzt bloß nicht damit, daß unsere Kritik an Ihren Kürzungen, meine Damen und Herren, die Attraktivität der Stadt schmälern könnte. Es ist diese Bundesregierung, es ist die Koalition von CDU/CSU und FDP, die sich in diesem Fall über Berlins Interessen hinweggesetzt hat.
    Wir Sozialdemokraten wollen alles tun, um zu verhindern, daß durch Ihre Politik Berlin weiterer Schaden zugeführt wird. Deshalb weisen wir eine Geldbeschaffungsaktion zu Lasten Berlins und der anderen strukturschwachen Regionen zurück und lehnen die Streichung des Investitionszulagengesetzes und die Kürzung der Berlin-Förderung ab. Um allen gleichgesinnten Kollegen die Chance zu geben, ihre gleichgerichtete Auffassung zu dokumentieren, werden wir zu den Art. 6 und 7 Ihres Gesetzentwurfs namentliche Abstimmung beantragen.
    Ich bedanke mich.

    (Beifall bei der SPD)