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    Plenarprotokoll 11/87 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 87. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 23. Juni 1988 Inhalt: Verzicht der Abg. Frau Simonis und des Abg. Jansen auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag 5829 A Eintritt der Abg. Frau Dr. Sonntag-Wolgast und des Abg. Opel in den Deutschen Bundestag 5829 A Erweiterung der Tagesordnung 5829 B Absetzung des Punktes 3 — Entwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes — von der Tagesordnung 5829 D Zur Geschäftsordnung Kleinert (Marburg) GRÜNE 5829 D Seiters CDU/CSU 5830 B Tagesordnungspunkt 2: a) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Steuerreformgesetzes 1990 (Drucksachen 11/2157, 11/2226, 11/2299, 11/2529, 11/2536, 11/2551) b) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Abbau steuerlicher Härten für die Landwirtschaft (Drucksachen 11/676, 11/2529, 11/2536, 11/2531) c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu dem Antrag des Abgeordneten Sellin und der Fraktion DIE GRÜNEN: Kürzung der Berlin-Förderung und Bildung eines Finanzfonds zur Verbesserung der ökonomischen, ökologischen und sozialen Situation der Stadt zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Apel, Roth, Dr. Spöri, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Beseitigung steuerlicher Benachteiligungen von kleinen und mittleren Unternehmen (Drucksachen 11/1187 [neu], 11/1335, 11/2529, 11/2536) d) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur steuerlichen Begünstigung von Zuwendungen an unabhängige Wählervereinigungen (Drucksachen 11/1316, 11/2554, 11/2555) e) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau zu dem Antrag der Abgeordneten Müntefering, Conradi, Amling, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Die Wohnungsgemeinnützigkeit erhalten und stärken (Drucksachen 11/1389, 11/2516) Dr. Dregger CDU/CSU 5831 D Dr. Apel SPD 5837 B Gattermann FDP 5842D, 5922 D Hüser GRÜNE 5847C, 5924 A Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . . 5849 D Poß SPD 5856 B Glos CDU/CSU 5859 C Frau Vennegerts GRÜNE 5863 A Dr. Solms FDP 5865 C Huonker SPD 5868 A Dr. Faltlhauser CDU/CSU 5871 C Sellin GRÜNE 5873 B II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Juni 1988 Rind FDP 5874 B Dr. Mitzscherling SPD 5877 B Dr. Neuling CDU/CSU 5879 C Frau Oesterle-Schwerin GRÜNE 5881 D Dr. Daniels (Bonn) CDU/CSU 5883 A Dr. Wieczorek SPD 5884 B Dr. Grünewald CDU/CSU 5887 A Reschke SPD 5889 A Doss CDU/CSU 5890 D Kleinert (Marburg) GRÜNE 5892 A Frau Will-Feld CDU/CSU 5892 D Wüppesahl fraktionslos (zur GO) . . . 5894 B Wüppesahl fraktionslos 5895A, 5925 B Kastning SPD 5897 A Jung (Lörrach) CDU/CSU 5898 C Namentliche Abstimmungen in der zweiten Beratung . . . 5900A, B, C, D, 5901A, B, 5902B Ergebnisse . . . 5903B, 5905A, 5907A, 5908D, 5910D, 5912D, 5914C, 5916C Dr. Fell CDU/CSU 5918 C Dr. Struck SPD 5919 C Lowack CDU/CSU (Erklärung nach § 31 GO) 5926 B Dr. Vondran CDU/CSU (Erklärung nach § 31 GO) 5926 C Niegel CDU/CSU (Erklärung nach § 31 GO) 5927 A Rind FDP (Erklärung nach § 31 GO) . . 5927 B Namentliche Abstimmungen in der dritten Beratung 5928B, 5930 D Ergebnisse 5931A, 5941 D Zur Geschäftsordnung Kleinert (Marburg) GRÜNE 5928 C Bohl CDU/CSU 5929 A Jahn (Marburg) SPD 5929 B Seiters CDU/CSU 5930 C Zusatztagesordnungspunkt 4: Zweite und Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung einer Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder" (Drucksachen 11/2274, 11/2519, 11/2522) 5932 D Tagesordnungspunkt 4: Beratung der Sammelübersichten 67, 68 und 69 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen (Drucksachen 11/2435, 11/2509, 11/2510) 5933 B Zusatztagesordnungspunkt 5: Beratung der Sammelübersicht 72 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen (Drucksache 11/2544) . . . . 5933 B Zusatztagesordnungspunkt 6: Beratung der Sammelübersicht 73 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen (Drucksache 11/2545) . . . . 5933 B Tagesordnungspunkt 5: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP: Unterstützung der Reformbemühungen der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (Drucksache 11/2543) 5933 C Tagesordnungspunkt 6: Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundeskleingartengesetzes (Drucksache 11/200) 5933 D Tagesordnungspunkt 7: Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung (Drucksache 11/1867) 5933 D Tagesordnungspunkt 8: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 26. März 1986 zur Änderung des Übereinkommens vom 4. Juni 1974 zur Verhütung der Meeresverschmutzung vom Lande aus (Drucksache 11/2272) 5933 D Tagesordnungspunkt 9: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der Erklärung vom 11. Dezember 1986 zu dem Übereinkommen vom 3. Dezember 1976 zum Schutze des Rheins gegen Verunreinigung durch Chloride (Drucksache 11/2273) . . . . 5933 D Tagesordnungspunkt 10: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Dr. Hamm-Brücher, Dr. Biedenkopf, Frau Dr. Hartenstein, Dr. Mechtersheimer und weiterer Abgeordneter: Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages hier: §§ 20, 42, 56, 57, 61, 62, 68, 69, 75, 80, 100, 104, 106 a (neu), 122 a, Anlage 4 (Drucksache 11/2206) 5934 A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Juni 1988 III Tagesordnungspunkt 11: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Dr. Hamm-Brücher, Dr. Biedenkopf, Frau Dr. Hartenstein, Dr. Mechtersheimer und weiterer Abgeordneter: Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages hier: §§ 28, 35, 106 (Drucksache 11/2207) 5934 B Tagesordnungspunkt 12: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Dr. Hamm-Brücher, Dr. Biedenkopf, Frau Dr. Hartenstein, Dr. Mechtersheimer und weiterer Abgeordneter: Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages hier: §§ 6, 13, 30, 32, 69, 78, 127 (Drucksache 11/2208) 5934 C Tagesordnungspunkt 13: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Dr. Hamm-Brücher, Dr. Biedenkopf, Frau Dr. Hartenstein, Dr. Mechtersheimer und weiterer Abgeordneter: Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages hier: Umstellung der Kapitel I bis V und Änderung der Kapitel VI und VIII (Drucksache 11/2209) 5934 D Tagesordnungspunkt 14: Beratung des Antrags der Abgeordneten Adler, Jansen, Kißlinger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Rechtsverordnung für den Transport von Tieren (Drucksache 11/2441) 5935 A Zusatztagesordnungspunkt 7: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dreßler, Frau Fuchs (Köln), Egert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Reform des Gesundheitswesens (Drucksache 11/2500) 5935A Tagesordnungspunkt 15: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Verteidigungsausschusses zu der Unterrichtung durch den Wehrbeauftragten: Jahresbericht 1987 (Drucksachen 11/2034, 11/2528) Weiskirch, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages 5935 B Dr. Jenninger, Präsident des Deutschen Bundestages 5937 A Dr. Scholz, Bundesminister BMVg 5937D, 5950B Heistermann SPD 5938 C Breuer CDU/CSU 5943 C Dr. Mechtersheimer GRÜNE 5946 B Nolting FDP 5948 B Kolbow SPD 5951 A Tagesordnungspunkt 16: a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes (Drucksachen 11/2420, 11/2517, 11/2518) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zu dem Antrag des Abgeordneten Stratmann und der Fraktion DIE GRÜNEN: Verzicht auf Diätenerhöhung — statt dessen Förderung von Arbeitsloseninitiativen (Drucksachen 11/2439, 11/2517) Becker (Nienberge) SPD 5954 C Dr. Lammert CDU/CSU 5955 A Stratmann GRÜNE 5955 D Beckmann FDP 5956 D Zusatztagesordnungspunkt 8: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes (Drucksachen 11/2357, 11/2556) Dr. Hoffacker CDU/CSU 5958B Jaunich SPD 5959 A Frau Würfel FDP 5960 B Frau Wilms-Kegel GRÜNE 5961 B Pfeifer, Parl. Staatssekretär BMJFFG . . 5962 A Tagesordnungspunkt 17: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Blunck, Dr. Hauff, Schäfer (Offenburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Eckpunkte für die Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes (Drucksache 11/1447) in, Verbindung mit IV Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Juni 1988 Zusatztagesordnungspunkt 9: Beratung des Antrags der Abgeordneten Brauer, Dr. Daniels (Regensburg), Frau Flinner und der Fraktion DIE GRÜNEN: Klare ökologische Schwerpunktsetzung im Bundesnaturschutzgesetz (Drucksache 11/2523) Frau Blunck SPD 5963 B Eylmann CDU/CSU 5964 A Brauer GRÜNE 5965 B Baum FDP 5966 A Gröbl, Parl. Staatssekretär BMU 5967 A Tagesordnungspunkt 18: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Daniels (Regensburg), Stratmann, Frau Teubner und der Fraktion DIE GRÜNEN: Einführung eines einheitlichen linearen zeitvariablen Tarifs für alle Verbrauchergruppen und Stromanwendungsgebiete (Drucksache 11/2079) Dr. Daniels (Regensburg) GRÜNE . . . 5968 A Magin CDU/CSU 5968 D Jung (Düsseldorf) SPD 5970 A Beckmann FDP 5970 D Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär BMWi . . 5971D Tagesordnungspunkt 19: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes, über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten und zur Sicherung der MontanMitbestimmung (Drucksache 11/2503) Scharrenbroich CDU/CSU 5972 D Dreßler SPD 5975 D Cronenberg (Arnsberg) FDP 5977 D Stratmann GRÜNE 5980 D Dr. Warrikoff CDU/CSU 5982 D Peter (Kassel) SPD 5985 A Dr. Blüm, Bundesminister BMA 5987 A Urbaniak SPD 5990 A Nächste Sitzung 5991 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 5993* A Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Steuerreformgesetzes (Drucksache 11/2157) (Abg. Bauer, Dr. Blank, Bohlsen, Bühler [Bruchsal], Carstensen [Nordstrand], Ehrbar, Fuchtel, Funk [Gutenzell], Ganz [St. Wendel], Hauser [Krefeld], Hinsken, Jung [Limburg], Dr.-Ing. Kansy, Dr. Kappes, Kossendey, Kroll-Schlüter, Frau Limbach, Dr. Daniels [Bonn], Link [Diepholz], Louven, Sauer [Stuttgart], Haungs, Börnsen [Bönstrup], Marschewski, Müller [Wadern], Pfeffermann, Scharrenbroich, Schemken, von Schmude, Schreiber, Dr. Schroeder [Freiburg], Schulhoff, Dr. Todenhöfer, Dr. Uelhoff, Dr. Voigt [Northeim], Würzbach [alle CDU/CSU] und Abg. Frau Dr. Hamm-Brücher, Baum, Irmer, Dr. Hirsch, Frau Würfel und Lüder [alle FDP]) 5993* B Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Juni 1988 5829 87. Sitzung Bonn, den 23. Juni 1988 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Biedenkopf 24. 6. Bohlsen 24. 6. Dr. Böhme (Unna) 24. 6. Frau Brahmst-Rock 24. 6. Büchner (Speyer)* 24. 6. Catenhusen 24. 6. Eimer (Fürth) 24. 6. Engelhard 24. 6. Feilcke 24. 6. Frau Dr. Hartenstein 24. 6. Dr. Hauff 24. 6. Hedrich 23. 6. Frau Kelly 24. 6. Dr. Klejdzinski 24. 6. Menzel 24. 6. Meyer 23. 6. Dr. Müller ' 24. 6. Sauer (Salzgitter) 24. 6. Frau Schilling 24. 6. Stahl (Kempen) 24. 6. Verheugen 24. 6. Wilz 23. 6. Frau Wollny 24. 6. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Steuerreformgesetzes (Drucksache 11/2157) Abgeordneter Bauer (CDU/CSU): In der heutigen namentlichen Abstimmung werde ich für die Befreiung von der Flugbenzinsteuer stimmen, obwohl ich diese Entscheidung für falsch halte. Diese Entscheidung zerstört in den Augen der Öffentlichkeit die Glaubwürdigkeit der Steuerreform und ist sachlich nicht geboten. Lediglich wegen der Gefährdung der Steuerreform und der dann vorliegenden Handlungsunfähigkeit der Koalition und des drohenden Verlustes der Regierungsfähigkeit werde ich meine Zustimmung erteilen. Abgeordneter Dr. Blanck (CDU/CSU): Ich stimme der Steuerbefreiung von Flugbenzin in der namentlichen Abstimmung nur deshalb zu, damit Anlagen zum Stenographischen Bericht das gesamte Steuerreformgesetz nicht scheitert, sondern in Kraft treten kann. Eine einzelne Frage, in der Öffentlichkeit zu Recht kritisch diskutiert, darf die in ihrer Gesamtheit notwendige und richtige Steuerreform nicht gefährden. Die Koalition aus CDU/CSU und FDP, zu der es keine Alternative gibt, darf nicht durch diese wenn auch noch so kritisch zu beurteilende Einzelentscheidung in Frage gestellt werden. Abgeordneter Bohlsen (CDU/CSU): In der am 23. 6. 1988 stattfindenden namentlichen Abstimmung werde ich trotz erheblicher Bedenken für die Steuerbefreiung von Flugbenzin stimmen, obwohl ich diese Entscheidung für falsch halte. Wenn eine steuerliche Vergünstigung für die Sportflieger geschieht, hätten auch die Sportbootfahrer einbezogen werden müssen. Mit Rücksicht auf die erhebliche Zunahme im Luftverkehr halte ich eine vollständige Besteuerung des innerdeutschen Flugverkehrs, der gegenwärtig zu 96 % freigestellt ist, für verkehrspolitisch sinnvoller. Leider sind die bisherigen Versuche auf europäischer Ebene gescheitert. Meine Zustimmung erteilte ich nur, um die Steuerreform nicht als Ganzes zu gefährden. Ein Scheitern der Steuerreform, die ich unter vielen Gesichtspunkten für erforderlich halte, könnte die Handlungsunfähigkeit der Koalition bedeuten. Abgeordneter Bühler (Bruchsal) (CDU/CSU): Ich habe in der heutigen namentlichen Abstimmung für die Befreiung von der Flugbenzinsteuer gestimmt, obwohl ich die Entscheidung für falsch halte. Hierdurch wird die Glaubwürdigkeit des gesamten Steuerreformpakets in den Augen der Öffentlichkeit in Frage gestellt. Es hätte andere, gerechtere und für den Bürger einsichtige Möglichkeiten gegeben, dieses steuerrechtliche Randproblem zu lösen. Meine Zustimmung in der namentlichen Abstimmung zur Abschaffung der Besteuerung von Flugbenzin für Privatflieger ist einzig und allein darin begründet, daß ich die endgültige Verabschiedung der gesamten Steuerreform mit ihren ansonsten positiven Auswirkungen und damit die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung bzw. die dieser zugrunde liegenden Mehrheitsverhältnisse im Bundestag nicht gefährden möchte. Abgeordneter Carstensen (Nordstrand) (CDU/CSU): Die Steuerbefreiung für Flugbenzin bei privater Nutzung stößt bei mir auf erhebliche Vorbehalte. Ich halte sie für einen politischen Mißgriff bei dem insgesamt positiven Vorhaben der Steuerreform. Dennoch werde ich trotz meiner Bedenken heute zustimmen, um dem Gesamtwerk der Steuerreform mit seiner von mir unterstützten steuer- und finanzpo- 5994' Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Juni 1988 litischen Weichenstellung keine weiteren Hindernisse in den Weg zu legen. Abgeordneter Ehrbahr (CDU/CSU): Die Steuerbefreiung für Flugbenzin bei privater Nutzung halte ich für einen gravierenden politischen Fehler. Da ich jedoch die Steuerreform mit ihrer entlastenden Wirkung insbesondere im unteren Einkommensbereich und bei Familien mit Kindern in ihrer Realisierung nicht gefährden will, habe ich mit „Enthaltung" gestimmt. Abgeordneter Fuchtel (CDU/CSU): Ich stimme für die Steuerreform inklusive der Restbefreiung von der Flugbenzinsteuer. Das Gesamtwerk der bisher größten Steuerreform darf nicht wegen eines Teilaspekts gefährdet und die gefundene Kompromißlinie nicht mit unsicherer inhaltlicher und zeitlicher Perspektive wieder in Frage gestellt werden. In der Sache hätte ich mir eine differenzierte Behandlung von geschäftlichem Reise-Flugverkehr und Hobby-Flugverkehr gewünscht und halte deswegen das Gesetz in diesem Punkt für sachlich unrichtig, was aber nicht dazu führen kann, daß durch entsprechende Abstimmungen die Handlungsfähigkeit der Koalition aufs Spiel gesetzt wird. Abgeordneter Funk (Gutenzell) (CDU/CSU): Die Steuerbefreiung für Flugbenzin bei privater Nutzung stößt bei mir auf erhebliche Vorbehalte. Ich halte sie für einen politischen Mißgriff bei dem insgesamt positiven Vorhaben der Steuerreform. Dennoch werde ich trotz meiner Bedenken heute zustimmen, um dem Gesamtwerk der Steuerreform mit seiner von mir unterstützten steuer- und finanzpolitischen Weichenstellung keine weiteren Hindernisse in den Weg zu legen. Abgeordneter Ganz (St. Wendel) (CDU/CSU): Ich halte die in Artikel 24 des Steuerreformgesetzes 1990 vorgesehene Änderung des Mineralölsteuergesetzes für nicht vertretbar. Ich habe bei der namentlichen Abstimmung nur deshalb für die Beibehaltung des Artikel 24 votiert, weil ich das Gesamtvorhaben Steuerreform nicht in Gefahr bringen wollte. Abgeordneter Hauser (Krefeld) (CDU/CSU): Um das Gesamtvorhaben der Steuerreform mit seiner Wirkung der Entlastung kinderreicher Familien und niedriger und mittlerer Einkommen nicht zu gefährden, habe ich meine ursprüngliche Absicht, bei der Steuerbefreiung für Flugbenzin mit Nein zu stimmen, aufgegeben und stimme zu. Abgeordneter Hinsken (CDU/CSU): Obwohl ich mit der Streichung der Investitionszulage nicht einverstanden bin, werde ich, um das Steuergesamtpaket, das ich insgesamt gesehen für gut finde, nicht zu gefährden, für die Regierungsvorlage stimmen. Abgeordneter Jung (Limburg) (CDU/CSU): Ich werde in der heutigen namentlichen Abstimmung für die Befreiung von der Flugbenzinsteuer stimmen, obwohl ich diese Entscheidung für falsch halte. Sie zerstört in den Augen der Öffentlichkeit die Glaubwürdigkeit der Steuerreform und ist sachlich nicht geboten. Die in der Tat vorliegende steuerliche Ungleichbehandlung hätte anders beseitigt werden müssen. Nämlich mit der vollständigen Besteuerung des innerdeutschen Flugverkehrs, der momentan zu 96 % freigestellt ist. Lediglich wegen der Gefährdung der Steuerreform und der dann vorliegenden Handlungsunfähigkeit der Koalition und des drohenden Verlustes der Regierungsfähigkeit werde ich meine Zustimmung erteilen. Abgeordneter Dr.-Ing. Kansy (CDU/CSU): Zum Änderungsantrag der SPD-Fraktion bei der zweiten Lesung des Steuerreformgesetzes 1990, Flugbenzin für Geschäfts- und Sportflieger entgegen dem Beschluß des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages der Besteuerung zu unterziehen, erkläre ich: Ich halte die Entscheidung des Finanzausschusses für sachlich und politisch falsch. Da bei der Geschäftslage des Deutschen Bundestages die Annahme des SPD-Antrages — von der SPD auch so gewollt — nicht nur die Besteuerung des Flugbenzins, sondern auch das Scheitern der Verabschiedung der Steuerreform vor der Sommerpause und vielleicht sogar eine Krise der Koalition bedeuten würde, habe ich den SPD-Antrag abgelehnt. Die Verabschiedung dieser Reform und die Handlungsfähigkeit der Koalition hat nach ernsthafter Abwägung Vorrang vor der Durchsetzung der Besteuerung des Flugbenzins durch wechselnde Mehrheiten im Plenum. Abgeordneter Dr. Kappes (CDU/CSU): Zu meinem Abstimmungsverhalten in der Frage der Mineralölsteuerbefreiung zugunsten der Privat- und Sportflieger — Artikel 24 des Entwurfs eines Steuerreformgesetzes 1990 — erkläre ich: Grundsätzlich bin ich der Auffassung, daß es in unserem Staat keine unterschiedliche Besteuerung desselben Verbrauchsgutes je nach Verwendungsabsicht des Käufers geben sollte. Dies muß auch für den Kauf von Flugbenzin gelten. Entweder sollen alle Flieger oder aber keiner Mineralölsteuer bezahlen. Ich selbst trete aus sozial-, steuer-, verkehrs-, energie- und umweltpolitischen Gründen dafür ein, daß in Zukunft alle, d. h. sowohl die großen Fluggesellschaften als auch die kleinen Lufttaxiunternehmen, der Werkflugverkehr und die Sportflieger in gleicher Weise zur Mineralölsteuer herangezogen werden. Meiner Meinung nach lassen sich die hier bestehenden Schwierigkeiten — insbesondere im Zusammenhang mit internationalen Abkommen — bei gutem Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Juni 1988 5995 Willen ausräumen. Hierfür werde ich mich energisch einsetzen. Im Hinblick auf die unerwartet — vor allem wegen des Dollarverfalls und der Finanzsituation der Europäischen Gemeinschaft — bereits jetzt erforderlich gewordene Mineralölsteuererhöhung für Kraftfahrzeugbenzin hätte ich es für richtig gehalten, zunächst auf die grundsätzlich gebotene Änderung der bisher ungleichen Besteuerung des Flugbenzins bis zu einer möglichst baldigen Vereinheitlichung zu verzichten. Leider war dies nicht möglich. Insoweit habe ich volles Verständnis für die Verärgerung vieler Bürgerinnen und Bürger in meinem Wahlkreis. Dennoch kann ich heute einer Streichung von Artikel 24 des Entwurfs eines Steuerreformgesetzes 1990 — Flugbenzinregelung — nicht zustimmen, weil dies in der jetzigen Beratungsphase offenkundig das Scheitern des gesamten, außerordentlich wichtigen und im wesentlichen gelungenen Reformvorhabens bedeuten und damit die Weiterarbeit der Regierungskoalition gefährden würde. So weitreichende Folgen sind aus meiner Sicht nicht zu verantworten. Abgeordneter Kossendey (CDU/CSU): In der heutigen namentlichen Abstimmung zum Thema Befreiung von der Flugbenzinsteuer habe ich für diese Befreiung gestimmt, obwohl ich diese Entscheidung für sachlich ungerechtfertigt und politisch unklug halte. Diese Regelung bringt die Glaubwürdigkeit des gesamten Steuerreformpaketes in den Augen der Öffentlichkeit in Mißkredit. Meines Erachtens hätte es gerechtere und für den Bürger einsichtigere Möglichkeiten gegeben, dieses steuerrechtliche Randproblem zu lösen. Dabei wäre meiner Meinung nach einer generellen Besteuerung des Flugbenzins aus ökologischen wie auch aus Gründen der Gerechtigkeit der Vorzug zu geben gewesen, zumindest soweit es den innerdeutschen Flugbetrieb betrifft. Meine Zustimmung in einer namentlichen Abstimmung kann ich nur damit begründen, daß ich die ansonsten positive Wirkung der Steuerreform nicht gefährden und gleichzeitig die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung aufrechterhalten wollte. Abgeordneter Kroll-Schlüter (CDU/CSU): Die Steuerbefreiung für Flugbenzin bei privater Nutzung stößt bei mir auf erhebliche Vorbehalte. Ich halte sie für einen politischen Mißgriff bei dem insgesamt positiven Vorhaben der Steuerreform. Dennoch werde ich trotz meiner Bedenken heute zustimmen, um dem Gesamtwerk der Steuerreform mit seiner von mir unterstützten steuer- und finanzpolitischen Weichenstellung keine weiteren Hindernisse in den Weg zu legen. Abgeordnete Frau Limbach und Abgeordneter Dr. Daniels (Bonn) (beide CDU/CSU): Mein Verhalten in der heutigen Abstimmung richtet sich nach meiner Überzeugung, daß die Steuerreform richtig und notwendig ist. Ich kann es nicht verantworten, mit einer Einzelentscheidung die Steuerreform insgesamt zu gefährden mit der sich daraus möglicherweise ergebenden Einschränkung der Handlungsfähigkeit der Koalition und der Regierungsfähigkeit. Deshalb werde ich in der namentlichen Abstimmung für die Befreiung von der Flugbenzinsteuer stimmen, obwohl ich diese weder für sachlich geboten noch für politisch sinnvoll halte. Abgeordneter Link (Diepholz) (CDU/CSU): In der heutigen namentlichen Abstimmung zum Thema Befreiung von der Flugbenzinsteuer habe ich für diese Befreiung gestimmt, obwohl ich diese Entscheidung für sachlich ungerechtfertigt und politisch unklug halte. Diese Regelung bringt die Glaubwürdigkeit des gesamten Steuerreformpaketes in den Augen der Öffentlichkeit in Mißkredit. Meines Erachtens hätte es gerechtere und für den Bürger einsichtigere Möglichkeiten gegeben, dieses steuerrechtliche Randproblem zu lösen. Dabei wäre meiner Meinung nach einer generellen Besteuerung des Flugbenzins aus ökologischen wie auch aus Gründen der Gerechtigkeit der Vorzug zu geben gewesen, zumindest soweit es den innerdeutschen Flugbetrieb betrifft. Meine Zustimmung in einer namentlichen Abstimmung kann ich nur damit begründen, daß ich die ansonsten positive Wirkung der Steuerreform nicht gefährden und gleichzeitig die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung aufrechterhalten wollte. Abgeordnete Louven, Sauer (Stuttgart), Haungs und Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Um das Gesamtvorhaben der Steuerreform nicht zu gefährden, habe ich meine ursprüngliche Absicht, bei der Steuerbefreiung für Flugbenzin mit Nein zu stimmen, aufgegeben und mich der Stimme enthalten. Abgeordneter Marschewski (CDU/CSU): Ich habe bei der namentlichen Abstimmung nur deshalb für die Beibehaltung des Art. 24 votiert, weil ich das Gesamtvorhaben Steuerreform nicht in Gefahr bringen wollte. Ich halte die in Art. 24 des Steuerreformgesetzes 1990 vorgesehene Änderung des Mineralölsteuergesetzes in keiner Hinsicht für vertretbar. Abgeordneter Müller (Wadern) (CDU/CSU): Nach reiflicher Überlegung habe ich entschieden, bei der Abstimmung über die Frage Befreiung der Besteuerung von Flugbenzin der Bundesregierung nicht zuzustimmen. Die sachlichen Argumente zur Aufhebung dieser Steuer überzeugen mich nicht. Meine Fraktionsführung hat gebeten, aus übergeordneten Gründen dieser Vorlage zuzustimmen, und im Falle der Nichtannahme Konsequenzen für die Steuerreform insgesamt vorausgesagt. Auch diese Argumente vermag ich nicht zu teilen. 5996* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Juni 1988 Da ich als Abgeordneter einer strukturschwachen Region ständig der Unterstützung der Bundesregierung und meiner Fraktion für diese Region bedarf und ich den Erfolg der Opposition nicht will, habe ich mich bei dieser Vorlage der Stimme enthalten. Abgeordneter Pfeffermann (CDU/CSU): Nach § 31 (2) der Geschäftsordnung erkläre ich hiermit, daß ich an der namentlichen Abstimmung über Artikel 24 nicht teilnehme. Abgeordneter Scharrenbroich (CDU/CSU): Die heute zu verabschiedende Steuerreform ist Ergebnis einer Koalitionsvereinbarung. Die Diskussion der letzten Tage hat deutlich gemacht, daß die Steuerreform nur rechtzeitig verabschiedet werden kann, wenn gleichzeitig auch die Forderung des bayerischen Ministerpräsidenten erfüllt wird, die Steuer auf Flugbenzin abzuschaffen. Um die Koalitionsvereinbarung nicht zu gefährden, sehe ich mich verpflichtet, der Abschaffung der Flugbenzinsteuer zuzustimmen. Zu dieser Haltung sehe ich mich veranlaßt, um die Steuerreform mit ihren großen Entlastungen für kinderreiche Familien und Arbeitnehmer sowie mit ihrer bedeutsamen beschäftigungspolitischen Wirkung nicht zu gefährden. Abgeordneter Schemken (CDU/CSU): Um die Steuerreform nicht zu gefährden, stimme ich in der namentlichen Abstimmung gegen den SPDAntrag (Drucksache 11/2560), obwohl ich die Mineralölsteuerbefreiung für Flugbenzin für nicht gerechtfertigt halte. Mir ist dabei klar, daß in der öffentlichen Wirkung der Eindruck einer sozialen Unausgewogenheit nicht zu vermeiden ist. Das größere Ziel des Steuerreformwerkes mit seinen entscheidenden Entlastungen, aber insbesondere die notwendige Unterstützung bei der zukünftigen Aufgabenbewältigung dieser Koalition haben für mich Vorrang. Abgeordneter von Schmude (CDU/CSU): Mit der Abschaffung der Flugbenzinsteuer kann ich mich nicht einverstanden erklären. Die sachlichen Argumente zur Aufhebung dieser Steuer überzeugen mich nicht. Nur auf Grund der zweimal getroffenen Mehrheitsentscheidungen meiner Fraktion stimme ich aus Gründen der Fraktionssolidarität und um die Steuerreform nicht zu gefährden, den geplanten Maßnahmen zu. Abgeordneter Schreiber (CDU/CSU): Die heute zu verabschiedende Steuerreform ist Ergebnis einer Koalitionsvereinbarung. Ich habe bis in die letzte Stunde der Verabschiedung dieser Steuerreform beabsichtigt, wegen der Abschaffung der Flugbenzinsteuer, diesem Punkt der Steuerreform nicht zuzustimmen. Ich halte nach wie vor die Abschaffung der Flugbenzinsteuer für eine Provokation der Bürger unseres Landes. Auf der anderen Seite ist mir klar geworden, daß die Steuerreform nur rechtzeitig verabschiedet werden kann, wenn die Forderung des bayerischen Ministerpräsidenten erfüllt wird, die Steuer auf Flugbenzin abzuschaffen. Nachdem die Steuerreform große Entlastungen für kinderreiche Familien und Arbeitnehmer mit sich bringen wird, möchte ich diese wichtige Entscheidung nicht gefährden. Deshalb sehe ich mich gezwungen, um das Gesamtpaket nicht zu gefährden, mich der Stimme zu enthalten. Zu einer Zustimmung zu diesem Punkt der Steuerreform (Abschaffung der Flugbenzinsteuer) kann ich mich nicht durchringen. Abgeordneter Dr. Schröder (Freiburg) (CDU/CSU): Mit der ersatzlosen Aufhebung der Mineralölsteuer auf Flugbenzin kann ich mich nicht einverstanden erklären. Die Argumente zur Abschaffung dieser Flugbenzinsteuer können mich — zumindest soweit hier auch die Befreiung der Hobbyflieger eingeschlossen ist — nicht überzeugen. Meine Fraktion hat zweimal mit Mehrheit für eine generelle Flugbenzinbefreiung gestimmt. Für den Fall eines Scheiterns der Flugbenzinbefreiung in der Schlußabstimmung im Plenum des Deutschen Bundestages wurden von der Fraktionsführung ein allgemeines Scheitern der gesamten Steuerreform und schwerwiegende Konsequenzen für die Koalition vorgetragen. Da ich solche weitergehenden Konsequenzen nicht verantworten kann, stimme ich den geplanten Maßnahmen zu. Abgeordneter Schulhoff (CDU/CSU): Obwohl ich der Steuerbefreiung von Flugbenzin für Privatflieger aus verkehrspolitischen, ökologischen und gesellschaftspolitischen Gründen ablehnend gegenüberstehe, werde ich dem zustimmen, um nicht die Steuerreform insgesamt zu gefährden. Diese Steuerreform ist auf Grund der unerträglichen Steuerbelastung breitester Bevölkerungsschichten nicht nur geboten, sondern sogar überfällig. Der gesenkte, linear progressive Tarif ist so wichtig, daß ich einer unverzüglichen Verabschiedung des Steuerreformgesetzes nicht im Wege stehen kann. Abgeordneter Dr. Todenhöfer (CDU/CSU): Ich kann dem Steuerreformgesetz aus zahlreichen Gründen nur als Gesamtpaket zustimmen und dies auch nur mit erheblichen Vorbehalten. Mein stärkster Vorbehalt betrifft die Besteuerung der Zuschläge für Schichtarbeit. Der jetzt zur Abstimmung anstehende Kompromiß über die Besteuerung der Schichtzuschläge ist für Schichtarbeiter und Schichtarbeiterinnen nicht akzeptabel. Durch ihn wird den besonderen Belastungen der Nachtarbeit und der Arbeit an Sonn- und Feiertagen in den unterschiedlichsten Berufen nicht ausreichend Rechnung getragen. Auch vor dem Hintergrund der Probleme des Industriestandorts Bundesrepublik Deutschland und der Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Juni 1988 5997' Notwendigkeit, die teuren Produktionsanlagen unseres Landes verstärkt auszulasten, hätte der Gesetzgeber dafür sorgen müssen, daß die Arbeit während der besonders belastenden Nacht- und Wochenendzeiten besonders attraktiv gestaltet wird. Der jetzige Kompromiß wird diesen Forderungen nicht gerecht und kann nicht als sozial bezeichnet werden. Ich lehne ihn daher ab. Abgeordneter Dr. Uelhoff (CDU/CSU): Die Steuerreform ist zur Entlastung kleinerer und mittlerer Einkommen ebenso wichtig wie für die Verbesserung des Eigenkapitals der Unternehmungen. Deshalb ist diese Reform notwendig, und sie darf nicht — wie von der Opposition beabsichtigt — durch eine Einzelentscheidung zur Steuerbefreiung von Flugbenzin gefährdet werden. Ich kann bei einem Entlastungsvolumen von ca. 50 Milliarden DM eine Subvention von ca. 25 Millionen DM nicht zur Grundlage meiner Entscheidung machen. Um die gesamte Steuerreform nicht zu gefährden, werde ich deshalb in der namentlichen Abstimmung der Steuerbefreiung beim Flugbenzin als Teilstück eines Kompromisses zustimmen, obwohl ich diese Einzelentscheidung weder für sachlich geboten noch für politisch sinnvoll halte. Abgeordneter Dr. Voigt (Northeim) (CDU/CSU): Ich stimme der Steuerbefreiung von Flugbenzin in der namentlichen Abstimmung nur deshalb zu, damit das gesamte Steuerreformgesetz nicht scheitert, sondern in Kraft treten kann. Eine einzelne Frage, in der Öffentlichkeit zu Recht kritisch diskutiert, darf die in ihrer Gesamtheit notwendige und richtige Steuerreform nicht gefährden. Die Koalition aus CDU/CSU und FDP, zu der es keine Alternative gibt, darf nicht durch diese wenn auch noch so kritisch zu beurteilende Einzelentscheidung in Frage gestellt werden. Abgeordneter Würzbach (CDU/CSU): Die jetzt geplante Steuerbefreiung für Flugbenzin bei privater Nutzung stößt wegen der gleichzeitig notwendig werdenden Steuererhöhung für Benzin, von der die Kraftfahrer betroffen sein werden, bei mir auf erhebliche Vorbehalte. Ich halte sie in der jetzigen Zeit — bei allem Verständnis für den sachlich gebotenen und überfälligen Regelungsbedarf in der Sache selbst — vor dem Hintergrund auch anderer vielfältiger anspruchsvoller gesetzlicher Reformvorhaben für eine politische Maßnahme, die das positive Vorhaben der Steuerreform in der politischen Umsetzung gleichermaßen unnötig wie schädlich belastet. Ich bedaure, daß die politisch parlamentarische Beratungsform so beschlossen wurde, daß keine Möglichkeit besteht, diesen Einzelpunkt abzulehnen und gleichzeitig das Gesetzesvorhaben insgesamt zu fördern. So werde ich trotz meiner Bedenken heute zustimmen, um das Gesamtwerk der Steuerreform mit seinen insgesamt positiven Auswirkungen zu unterstützen. Abgeordnete Frau Dr. Hamm-Brücher, Baum, Irmer, Dr. Hirsch, Frau Würfel und Lüder (alle FDP): Die Unterzeichner dieser persönlichen Erklärung sehen sich nach reiflicher Überlegung und gewissenhafter Güterabwägung aus folgenden Gründen außerstande, einer Steuerbefreiung für Benzin der Privatflieger zuzustimmen: — In einer Zeit wachsender Verschuldung der öffentlichen Haushalte, — in einer Zeit, in der Verbrauchsteuern, insbesondere für Benzin, drastisch erhöht und von den meisten Bürgern zusätzliche finanzielle Leistungen abverlangt werden müssen, sollte eine kleine Gruppe in unserer Bevölkerung nicht ungerechtfertigt privilegiert werden. Diese grundsätzlichen Einwände wiegen für uns stärker als alle vermeintlichen Sach- und Terminzwänge, die ein neuerliches Überdenken der Entscheidung und ihrer voraussehbaren Folgewirkungen angeblich nicht mehr möglich machen. Dem Gesamtpaket der Steuerreform werden wir aus übergeordneten Gründen zustimmen. Plenarprotokoll 11/87 (Berichtigung) Berichtigungen zum Stenographischen Bericht 87. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 23. Juni 1988 Seite 5974 D achte Zeile von unten: Statt „1985" ist „1975" zu lesen. Seite 5994 B, vorletzte Erklärung: Statt „Abgeordneter Hauser (Krefeld) (CDU/CSU)" ist „Abgeordneter Hauser (Esslingen) (CDU/CSU) " zu lesen.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Hans H. Gattermann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Apel, es ist immer ungewöhnlich schwierig, wenn man nach Ihnen spricht,

    (Lachen bei der SPD)

    ein wenig seriös zu bleiben und sich nicht auf Ihr Niveau zu begeben.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Ich habe gelernt, daß die Politik dieser Bundesregierung so gut wie alles ruiniert,

    (Dr. Struck [SPD]: Richtig!)

    während es unserem deutschen Volk draußen — sehen Sie sich um! — so gut geht wie nie zuvor.

    (Poß [SPD]: Ihrer Klientel!)

    Schauen Sie sich einmal die Zuwachsraten allein der Reisebranche an; dann müßten Sie eigentlich verstummen.

    (Roth [SPD]: Sie machen das ja mutwillig kaputt! )




    Gattermann
    Meine Damen und Herren, Herr Kollege Apel, aber etwas ruinieren Sie auch — das haben Sie hier bewiesen; das kann man an Hand Ihres Redetextes belegen — , Sie ruinieren unsere Sprache, Herr Kollege Apel: „Tollhaus", „Scherbenhaufen", „brutale Umverteilung", „wie heiße Kartoffeln fallen lassen" usw.

    (Dr. Ehrenbeg [SPD]: Stimmt doch alles!)

    Aber, was schlimmer ist, Sie ruinieren das Klima für jede fortschrittliche Entwicklung.

    (Zuruf von der SPD: Das ist doch völliger Unsinn! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Sie ruinieren das Klima für Investitionen, für Beschäftigung. Den dafür erforderlichen Optimismus ruinieren Sie skandalös.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Widerspruch bei der SPD)

    Aber ich will mich trotzdem bemühen, das Ganze auf einem etwas anderen Niveau abzuhandeln.

    (Lachen bei der SPD — Frau Dr. Niehuis [SPD]: Haben Sie überhaupt eines?)

    Meine Damen und Herren, ein angelsächsischer Beobachter unseres Gemeinwesens hat unlängst einmal den Befund formuliert: nur bedingt reformfähig. Er fühlte sich an die englische Gesellschaft nach dem Verlust des Kolonialreiches erinnert, die gleichfalls beharrend, verdrängend, um Himmels willen nichts verändernd auf den Verlust der Zukunftsfähigkeit zuschlitterte, und es bedurfte der Radikalkuren von Margaret Thatcher, um diesen Trend wieder umzukehren.

    (Dr. Apel [SPD]: Das ist Ihr Vorbild! — Dr. Vogel [SPD]: Das ist Ihr geheimes Vorbild! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Ein hiesiger Spötter formulierte es noch etwas bissiger: „Probleme können erst gelöst werden, wenn sie zum Himmel stinken. Erst dann ist die Minimallösung mit kräftigen Abstrichen möglich."

    (Dr. Vogel [SPD]: Also, stinken tut es schon!)

    Meine Damen und Herren, das ist natürlich eine reichliche Überzeichnung. Aber, meine Damen und Herren, die jetzt eineinhalb Jahre dauernde öffentliche Diskussion über die Steuerreform, auch die öffentlichen Auseinandersetzungen über die Gesundheitsreform, die öffentlichen Auseinandersetzungen über die Postreform — und ich denke, bei der uns ins Haus stehenden öffentlichen Diskussion über die Rentenreform wird es nicht anders sein —

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Das stinkt am meisten zum Himmel! Allerdings!)

    haben mir immerhin verständlich gemacht, wie es zu solchen Urteilen kommen kann. Was da an die jeweiligen Besitzstände verteidigenden Abwehrschlachten geliefert wurde, ist schon beachtlich. Besonders faszinierend ist es, wie es kleinen und kleinsten Gruppen — hochrangige Politiker als Interessenvertreter finden sich immer sehr rasch — gelungen ist, vergleichsweise geringe Betroffenheiten zu existentiellen Problemen zu machen,

    (Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Sehr wahr!)

    ja, fast politische Krisen damit heraufzubeschwören.

    (Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Sie meinen Strauß!)

    Beispielhaft will ich den Streit über den Rabattsatz bei den Jahreswagen, die steuerfreien Zuschläge bei der Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Spielbankenaffäre!)

    und, wenn Sie so wollen, auch die Mineralölsteuerregelung beim Flugbenzin nennen.
    Das alles könnte man ja gelassen, vielleicht sogar, wenn man zynisch genug ist, ein bißchen amüsiert hinnehmen, wenn dadurch nicht das allgemeine Klima und das für unsere wirtschaftliche Entwicklung so bedeutsame psychologische Umfeld ruiniert würde,

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    das auch dabei ist, stark ruiniert zu sein, wenn ich das einmal so sagen darf.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Auf diesem Hintergrund müssen wir nun in zweiter und dritter Lesung ein tatsächlich gutes — ich wiederhole das: ein tatsächlich gutes —, endlich fertiggestelltes Steuerreformgesetz beraten.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Gutes?)

    Die entscheidenden Feststellungen dazu lauten: Christlich-liberale Regierung und christlich-liberale Koalitionsfraktionen haben allen Unkenrufen zum Trotz unbeschadet monatelangen Knirschens im Gebälk, unbeschadet monatelangen Streites und Gezerres auch in den eigenen Reihen eine Steuerreform fertiggestellt, die vorzeigbar ist, deren Umfang in der Geschichte unserer jungen Demokratie einmalig und deren Zielsetzungen trotz aller notwendigen Kompromisse erhalten geblieben sind.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Frau Unruh [GRÜNE]: Die einmalig schlecht ist!)

    Im Gegenteil: Die heute vorliegenden Beratungsergebnisse sind noch besser als die Gesetzesvorlagen der Koalition und der Regierung. Ich erinnere mich an keine Vorlage seit dem Bilanzrichtliniengesetz, die am Ende so deutlich auch die Handschrift des Parlaments erkennen ließ.
    Die zweite Feststellung: Es wird jetzt hoffentlich möglich werden, das an der Steuerreformdiskussion besonders deutlich gewordene Phänomen guter, solider Arbeit dieser Regierung einerseits und — lassen Sie es mich drastisch sagen — saumäßiger Selbstdarstellung andererseits aufzuklären und die verdammt klaffende Diskrepanz zwischen Tatsachen und Meinungen zu überwinden.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, natürlich gibt es zwischen den beiden Seiten dieses Hauses grundsätzlich



    Gattermann
    unterschiedliche wirtschafts-, finanz-, steuer- und sozialpolitische Grundpositionen, die zu sehr unterschiedlichen Wertungen dieser Steuerreform führen müssen. Darüber kann und muß sachlich gestritten werden. Das sind wir den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes tatsächlich schuldig.
    Wenn das aber auf billige Polemik und Gegenpolemik verkürzt wird, schadet das uns allen. Für die Bürgerinnen und Bürger bleibt dann nämlich als Kernerkenntnis lediglich übrig, beiden Seiten gehe es ausschließlich um Machterhalt oder um Machterwerb.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Natürlich! FDP!)

    Die für unser Volk existentiellen Sachfragen werden vernebelt, Beurteilungen durch Desinformationen unmöglich gemacht.
    Ich will ausdrücklich bestätigen, Herr Kollege Apel, daß das umgekehrt auch z. B. für das bloße Abmeiern von Gegenkonzepten gilt. Ich will den Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen und insbesondere auch denen in den Ländern ganz deutlich sagen, daß sie sich bei ständigen Traumvorlagen an die Opposition nicht wundern dürfen, wenn dort kluge Strategen auf die Idee verfallen, zu sagen: Zum Machterwerb reicht es vollständig aus, das Gezerre im Regierungslager anzuheizen und am Kochen zu halten, auf daß am Wahltag eine Mehrheit von Bürgern resignierend sagt: Schlimmer kann es nicht werden, versuchen wir es einmal mit den anderen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle für die Möglichkeiten danken, daß wir dennoch zu fruchtbaren Beratungen im Fachausschuß gekommen sind. Herr Kollege Apel, ich lasse mich nicht davon abhalten, diesen Dank zu artikulieren und zu formulieren, obwohl Sie gemeint haben, diese Beratungen im Fachausschuß seien eine Farce. Sie können es wahrscheinlich deshalb nicht voll beurteilen, weil Sie eben nur sporadisch teilgenommen haben.

    (Zustimmung bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/ CSU: Genau wie die GRÜNEN!)

    Meine Damen und Herren, ich möchte mich zuallererst bei den Kolleginnen und Kollegen von der Opposition bedanken, die in den Fachberatungen im Ausschuß fair und unter der nicht selbstverständlichen Respektierung des von uns vorgegebenen Termindrucks ihren Sachverstand in die Detailberatungen eingebracht haben,

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    obwohl sie sich bei ihren Grundüberzeugungen leicht auf jene Position des preußischen Polizeipräsidenten von Berlin bei der Zensur eines Sudermann-Stückes hätten zurückziehen können: Die janze Richtung paßt mir nicht; Einzelbegründung entbehrlich.
    Als zweites will ich mich bei den Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktion bedanken, die sich gleichfalls, ohne die Möglichkeiten der Mehrheit auszunutzen, dem Marathon fundierter Detailberatungen ausgesetzt haben.
    Ich möchte mich auch bei dem Kollegen Hüser von der Fraktion DIE GRÜNEN ausdrücklich bedanken, der als mein Stellvertreter und ganz allein für die Fraktion der GRÜNEN — die Kollegen Schily und Ebermann hatten offenbar wichtigere Staatsgeschäfte zu erledigen — diese Sacharbeit leisten mußte.

    (Beifall bei Abgeordneten aller Fraktionen)

    Meine Damen und Herren, ich will mich aber insbesondere bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Sekretariats des Finanzausschusses für ihren unermüdlichen Einsatz bedanken. Ich glaube, Sie haben Verständnis dafür, wenn ich den Sekretär des Ausschusses, Herrn Ministerialrat Dr. Beichelt, hier ausdrücklich namentlich erwähne, weil er pausenlos — teilweise bis tief in die Nacht — protokolliert, Berichte geschrieben und Organisationsabläufe gesteuert hat.

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Ich will mich — last but not least — bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus dem Bundesministerium der Finanzen bedanken. Ohne ihre loyale Zu-und Mitarbeit wäre das Werk nicht zu schaffen gewesen. Wenn ich hier, stellvertretend für alle, den Steuerabteilungsleiter, Herrn Ministerialdirektor Dr. Uelner, nenne, werden das die übrigen Beteiligten verstehen.
    Alle Damen und Herren, einschließlich der aus dem Finanzausschußsekretariat, werden wahrscheinlich meiner Feststellung zustimmen, daß ihnen in den letzten Wochen und Monaten, trotz der aktuellen Debatten auf dem ÖTV-Kongreß, das Wort „Arbeitszeitverkürzung" wie ein satirischer Begriff von einem anderen Stern vorgekommen sein muß.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Jahn [Marburg] [SPD]: Wenn man es auch so betreibt wie Sie!)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe diesen allgemeineren Ausführungen und den verfahrensmäßigen Anmerkungen etwas mehr der kostbaren Redezeit gewidmet, weil es ohnehin unmöglich ist, sich mit der Fülle der Einzelfragen dieses komplexen Steuerreformgesetzes in der vorgegebenen Zeit im einzelnen auseinanderzusetzen, und weil ich davon ausgehe, daß dies die Kolleginnen und Kollegen im Verlauf der weiteren Debatte ohnehin tun werden.
    Ich will mich etwas vertiefend mit meiner Eingangsfeststellung auseinandersetzen, daß trotz aller Kompromisse und zwischenzeitlich neu aufgetauchter finanz- und wirtschaftspolitischer Notwendigkeiten die Reformziele dieses Gesetzes nicht auf der Strecke geblieben sind.
    Das Steuerrecht sollte einfacher werden; Herr Kollege Apel, Sie haben das angesprochen. Niemand kann leugnen, daß die Aufhebung des Investitionszulagengesetzes, des Auslandsinvestitionsgesetzes und des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes Vereinfachungen darstellen. Die gänzliche Aufhebung von Gesetzen bedarf insoweit tatsächlich keiner Begründung. Niemand kann bestreiten, daß die Entlassung von mehr als einer halben Million Menschen aus der Steuerpflicht natürlich Vereinfachung bedeutet. Niemand kann auch bestreiten, daß die massiv angehobene Arbeitnehmer-Werbungskostenpauschale mit



    Gattermann
    dem Wegfall der Notwendigkeit der Durchführung unzähliger Jahresausgleichsverfahren eine Vereinfachung ist.
    Herr Kollege Apel, Sie haben gemeint, hierzu anmerken zu sollen, daß das Hearing verfassungsrechtliche Bedenken ergeben habe. Ich darf das bitte klarmachen und richtigstellen. Verfassungsmäßige Bedenken, wenn sie denn bestünden, könnten sich einzig und allein aus dem Umstand ergeben, daß wir die Pauschale vielleicht um 100 DM oder 200 DM zu hoch bemessen haben. Wenn Sie wünschen, daß wir zu Lasten der Arbeitnehmer dieses Bedenken korrigiert hätten, dann hätten Sie uns das im Ausschuß einmal sagen sollen. Dann hätten wir darüber geredet.

    (Dr. Apel [SPD]: Es ist ja wirklich unglaublich!)

    Im übrigen halten wir diese Bedenken nicht für durchgreifend.

    (Dr. Apel [SPD]: Das ist eine andere Frage!)

    Meine Damen und Herren, wegen dieses Vereinfachungseffektes haben wir uns im Beratungsverfahren auch davon überzeugen lassen, daß wir den Effekt nicht dadurch gefährden dürfen, daß der Sonderausgabenpauschbetrag als Ganzes wegfällt. Er bleibt nunmehr in dem aus Vereinfachungsgründen notwendigen Umfang erhalten. Deshalb ist es auffällig, daß sich die Kritiker, die ganz flugs immer mit Personalmehrberechnungen bei der Hand sind, sehr selektiv mit zwei Themen befassen, nämlich einmal mit der kleinen Kapitalertragsteuer und zum zweiten mit der Vollverzinsung.
    Es ist richtig, meine Damen und Herren, daß die kleine Kapitalertragsteuer einen gewissen Mehraufwand bei Banken, Versicherungen und Finanzverwaltung bedingt. Es ist auch richtig — so weit gehe ich — , daß dies nach dem ursprünglichen Konzept in einem Umfang der Fall gewesen wäre, der durch die mit der Einführung dieser Steuererhebungsform verbundenen fiskalischen und Gerechtigkeitsziele nicht zu rechtfertigen gewesen wäre. Diesen Bereich haben wir im Gesetzgebungsverfahren aber derartig massiv entschlackt, daß dieser Vorwurf nicht mehr gerechtfertigt ist.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Allein die Herausnahme der Girokonten, die Herausnahme aller Bagatellkonten und der großen Mehrheit der Bauksparkonten aus der Regelung reduzieren den Verwaltungsaufwand auf beiden Seiten erheblich. Jetzt stehen Aufwand und Ertrag in einem korrekten Verhältnis.
    Was die Vollverzinsung betrifft, so schafft sie weder auf der Seite des Bürgers noch auf der Seite der Finanzverwaltung auch nur einen einzigen zusätzlichen Vorgang. Die Erweiterung eines ohnehin zu erledigenden Verwaltungsvorgangs mit seinem Ergebnis um eine Zinsberechnung stellt, so meinen wir, im Computerzeitalter keinen relevanten Mehraufwand dar. Natürlich beklagen sich Steuerzahler, weil es keine zinslosen Kredite in Form verspäteter Steuerzahlungen mehr gibt, natürlich beklagen sich Steuerbeamte und steuerberatende Berufe, weil sie mit ihrer Arbeit unter Termindruck geraten, über eine solche
    Regelung. Das ist doch selbstverständlich. Wir meinen aber, es sollte in einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung zumutbar sein, sich bei der Ermittlung und Festsetzung von Steuern zinsbewußt zu verhalten wie in allen übrigen Lebenslagen auch.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Soweit die ursprüngliche Regelung gewisse überproportionale negative wirtschaftliche Wirkungen im Zusammenhang mit Steuernachzahlungen gehabt hätte, haben wir dies durch die Abzugsfähigkeit dieser Zinsen korrigiert. Übrigens gilt das nicht für Hinterziehungszinsen, die nicht absetzbar sind, auch soweit sie zur Zeit nach geltendem Recht absetzbar sind.
    Meine Damen und Herren, das Steuersystem sollte etwas gerechter werden. Das Mittel dazu heißt Abbau von Sonderregelungen, Gruppenvergünstigungen etc., kurz Verbreiterung der steuerlichen Bemessungsgrundlage. Auch hier ist viel geschehen, was uns niemand zugetraut hätte. Als Beispiel nenne ich gruppenspezifische Freibeträge, mögen sie nun Freibetrag der freien Berufe, Weihnachtsfreibetrag, Arbeitnehmerfreibetrag, Altersfreibetrag oder wie auch immer heißen. Ob den Betroffenen das nun recht ist oder nicht, in dieses Kapitel gehören auch die steuerfreien Zuschläge ebenso wie die Besteuerung von Personalrabatten. Letztere waren übrigens seit eh und je steuerpflichtig, nur erhoben hat man die Steuern in der Vergangenheit nicht.
    Meine Damen und Herren, das Steuersystem sollte leistungsmotivierender gestaltet werden. Niemand wird bestreiten, daß dies mit dem Herzstück der Reform, dem linearen Progressionstarif, und den damit verbundenen erheblichen Senkungen der Grenzsteuerbelastungen erreicht ist,

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    und zwar insbesondere für die kleinen und mittleren Einkommen.
    Das Steuersystem sollte mindestens insoweit sozial gerechter werden, als kleine und kleinste Einkommen nicht mehr oder geringer belastet werden. Auch dieses Ziel wird durch die massive Anhebung der Grundfreibeträge, durch die massive Anhebung der Kinderfreibeträge, durch die Absenkung des Eingangssteuersatzes deutlich und klar erreicht,

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    selbst wenn man zugeben muß, daß in dem Bereich aus fiskalischen Notwendigkeiten heraus noch einiges zu wünschen übrig bleibt.

    (Zustimmung bei der FDP und der CDU/ CSU)

    Das Steuersystem sollte schließlich durch verbesserte Risikobedingungen und größere Investitionsspielräume wachstums- und beschäftigungsfreundlicher gestaltet werden und zugleich einen Beitrag zur Lösung außenwirtschaftlicher Probleme und zur Verringerung steuerlich bedingter Standort- und Wettbewerbsnachteile in einer sich ständig intensiver verflechtenden Weltwirtschaft leisten. Ich habe bereits in der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfs darauf hingewiesen, daß dieses Reformziel für große mittlere und für große Unternehmen nur in begrenztem Um-



    Gattermann
    fang erreicht worden ist. Ich will das hier nicht wiederholen. Gewisse Verbesserungen gegenüber dem Regierungsentwurf durch Übernahme des § 2 des Auslandsinvestitionsgesetzes in das Einkommensteuergesetz oder durch die Abzugsfähigkeit der Nachzahlungszinsen oder durch die begrenzte Rückstellungsmöglichkeit für Jubiläumszuwendungen ändern an diesem Befund nur wenig. Aus dieser Feststellung resultiert jedenfalls die Notwendigkeit und der Zwang zu einer durchgreifenden Unternehmenssteuerreform in der nächsten Legislaturperiode.
    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich an dieser Stelle die Regelungen zur Aufhebung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes ansprechen, weil dies ein Stück Reform mit weitreichenden ordnungspolitischen, konjunkturpolitischen und wohnungspolitischen Effekten ist. Wir entlassen wesentliche Teile der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft mit ungewöhnlich guten Startbedingungen und mit einem erheblichen Vertrauensvorschuß in die Wettbewerbswirtschaft. Durch ungeminderte Mitnahme in der Vergangenheit gebildeter, teilweise erheblicher Rücklagen, durch Gewährung erheblicher Abschreibungsvolumina, durch den Teilwertansatz des Grundvermögens in der Eröffnungsbilanz gewähren wir erhebliche Finanzierungskraft für nunmehr uneingeschränkte Geschäftstätigkeit. Wir erwarten beachtliche zusätzliche Investitionstätigkeit, sei es durch Modernisierung, Sanierung oder Neubau, besonders in Problemregionen. Zusätzlich gewähren wir den Unternehmen auf Wunsch ein Jahr längere Überlegungs- und Planungszeit für den Einstieg in die Wettbewerbswirtschaft. Das alles wird der Baukonjunktur sehr guttun, und wir sind sicher, es wird auch der Wohnungsversorgung in Ballungsgebieten guttun. Hier haben wir auch dafür gesorgt, daß in Gebieten mit erhöhtem Wohnungsbedarf keine erheblichen Mietsteigerungen Platz greifen können, selbst dann nicht, wenn das eine oder andere Unternehmen entgegen anderslautenden Beteuerungen mit dem Steuerprivileg auch die gemeinnützige Unternehmensphilosophie preisgeben sollte.
    Meine Damen und Herren, die sechste zentrale Botschaft der Steuerreform lautete : Steuersenkung. Die vorgeschriebenen Reformziele sollten durch Steuersenkung und bei Gelegenheit von Steuersenkungen verwirklicht werden. Diese nach wie vor wahre Botschaft wird in der aktuellen Diskussion um Verbrauchsteuererhöhungen oder höhere Beitragsbelastungen zerredet, bestritten, mindestens in Frage gestellt. Die Methode ist immer wieder die gleiche: Die Entlastungswirkungen der Steuerreform werden her-untergerechnet, die im einzelnen weder in der Regierung noch in den Fraktionen, geschweige denn im Parlament beschlossenen Erhöhungen werden nach oben gerechnet, um irgendwie in die Nähe eines Nullsaldos zu kommen. Hier bitte ich — da wende ich mich auch an Sie, Herr Apel, mit Ihrer schauderhaften 25 Milliarden-Rechnung —

    (Dr. Apel [SPD]: Die zeigen wir Ihnen gern!)

    um die eingangs angesprochene Seriosität bei einer
    sehr berechtigten Auseinandersetzung. Dazu ist es
    erforderlich, daß man den Datenkranz vollständig und korrekt heranzieht; da sind wir uns einig.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Ad eins: Das aktuell beschlossene Steuerreformgesetz 1990 ist der dritte Teil der Steuerreform dieser Regierung, nach den Stufen vom 1. Januar 1986 und 1. Januar 1988. Diese beinhalten bereits einen Steuerverzicht des Staates von rund 25 Milliarden DM. Sie erinnern sich, die letzten 5 Milliarden DM davon haben wir noch aus diesem Reformgesetz herausgeholt und in das Steuersenkungserweiterungsgesetz vorgezogen. Festzuhalten ist, daß diese 25 Milliarden DM bei der Bewertung bitte nicht unter den Tisch fallen dürfen.
    Herr Kollege Apel, ich habe Sie gestern abend zufällig im Fernsehen gesehen.

    (Roth [SPD]: Dann haben Sie ja was gelernt!)

    Da haben Sie gesagt, man könne doch um Himmels willen die 86er und die 88er Stufe bei der Beurteilung der Situation der Bürger nicht ins Kalkül ziehen, das sei doch Schnee von gestern, sozusagen gegessen. Im gleichen Atemzug haben Sie die Vorschußzahlungen aus dem Jahre 1989 für das Jahr 1990 berücksichtigt. Eines geht nur: Entweder macht man eine statische Betrachtung für einen bestimmten Punkt, oder man macht eine dynamische Betrachtung eines Gesamtreformvorgangs, entweder das eine oder das andere. Wenn man vorher sagt, von welchen Argumentationsgrundlagen man ausgeht, ist das dann eine seriöse Auseinandersetzung.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Wir meinen, daß man finanzpolitische Entscheidungen auch in ihren Wirkungen nicht statisch, sondern dynamisch betrachten sollte, in der Finanzwissenschaft übrigens ein anerkanntes Verfahren, und deshalb gehören diese 25 Milliarden DM dazu.
    Ad zwei: Danach enthält dieses Gesetz außerdem immerhin noch Bruttoentlastungen von rund 37 Milliarden DM und Nettoentlastungen von rund 19 Milliarden DM. Daraus errechnen sich dann nach den guten alten Regeln des Adam Riese, die nach wie vor Gültigkeit haben — trotz aller gegenteiligen Behauptungen der Opposition — 44 Milliarden DM.
    Ad drei: Regierung und Koalition haben nie einen Hehl daraus gemacht, daß zu ihren Reformvorstellungen von unserem Steuersystem, übrigens auch durch die Finanzwissenschaft abgesichert, eine maßvolle Veränderung des Verhältnisses zwischen direkten und indirekten Steuern gehört. Deshalb ist seit den Koalitionsvereinbarungen vom Februar 1987 jedem, der nicht Ignorant oder Verdrängungskünstler ist, bekannt, daß Verbrauchsteuererhöhungen für EGMehrbelastungen im Volumen von präterpropter 5 Milliarden DM beschlossene Sache waren und sind. Insoweit gibt es also keinerlei Veränderung der Geschäftsgrundlage in der Bewertung gegenüber den Planungen dieser Steuerreform, letzte Stufe, im Februar 1987.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)




    Gattermann
    Ad vier: Legt mit allen Vorbehalten jetzt die Zahlen der Koalitionsbeschlüsse vom 9. Juni 1988 der Beurteilung zugrunde — ich sage noch einmal: mit allen Vorbehalten — , dann fällt die Verbrauchsteuererhöhung im Jahre 1989 mit rund 6 Milliarden DM, im Jahre 1990 mit rund 6,6 Milliarden DM und ab 1991 mit rund 7,5 Milliarden DM in der Tat etwas höher aus, als das bei der Verabredung angenommen wurde. Diese Zahlen muß man dann seriöserweise noch um die Unbekannte der vorgesehenen KfzSteuer-Erhöhung bei Diesel-Pkws erhöhen.
    Eine weitere Erhöhung der Mehrwertsteuer aus höheren Benzinpreisen wird schon etwas problematisch, Herr Apel. Wenn sie nur ein verändertes Konsumverhalten des Verbrauchers auslöst, bringt sie null Mark mehr in die Kassen des Finanzministers; dies gilt übrigens auch im gewerblichen Bereich, wo sie in Vorsteuerrechnungen eingeht — also eine nicht quantifizierbare Größe, wenn man das seriös beurteilt.
    Man muß — das ist jedenfalls meine Meinung — die sich aus der Heizölsteuer ergebende Verteuerung des Erdgases mit in die Berechnungsüberlegungen einbeziehen, und das ist noch einmal eine gute Milliarde DM. Meine Damen und Herren, offen ist auch die Frage, was mit den Arbeitslosenversicherungsbeiträgen wird. Selbst wenn man die in der Diskussion herumgeisternde Zahl von 0,5 % annimmt, wären das noch einmal 3,6 Milliarden DM.
    Aber Sie wissen, warum diese Überschreitungen der Geschäftsgrundlage auf dem Tisch liegen. Sie wissen, da ist die Forderung finanzschwächerer Bundesländer nach mehr Geld für Maßnahmen zum Abbau des Nord-Süd-Gefälles — übrigens überwiegend SPD-regierter Länder —, und dann sind da die Finanzierungsprobleme der Bundesanstalt für Arbeit. Die Alternativen zu dem, was da in Aussicht genommen ist, sind klar:. entweder kein Geld für bessere Strukturförderungsmaßnahmen der finanzschwächeren Länder oder höhere Verschuldung oder Leistungsabbau und Effizienzsteigerungen bei der Bundesanstalt für Arbeit in einem Maße, daß einem die Tränen kommen.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Oder Sozialabbau!)

    Meine Damen und Herren, warum habe ich das alles gesagt? Weil dadurch selbst im schlimmsten aller Fälle, den man bezüglich dieser nicht beschlossenen Dinge annehmen kann, keine ernsthaften Beeinträchtigungen der realen Ziele der Steuerreform ausgelöst werden, von den realen Zahlen her überhaupt nicht.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Nur gebe ich zu, daß es einen Punkt gibt, der mir Sorge bereitet, weil er sich wieder einmal im psychologischen Bereich jenseits von Zahlen vollzieht. Das sind die 3,6 Milliarden DM im Zusammenhang mit der Erhöhung von Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung. Denn hier könnten unter dem Stichwort Lohnnebenkosten Signale psychologischer Art gegeben werden, die sich wirtschaftlich negativ auswirken könnten. Darüber ist das letzte Wort erfreulicherweise auch noch nicht gesprochen.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Gehen Sie einmal an die Beamten und die Abgeordneten!)

    Meine Damen und Herren, wenn ich das alles resümiere, dann komme ich zu dem Ergebnis, daß auf dem Tisch das vorläufige Schlußstück einer guten, einer — ich sage das ganz bewußt — soliden Steuerreform liegt. Es ist sogar ein Jahrhundertwerk,

    (Dr. Apel [SPD]: Das ist bescheiden! — Roth [SPD]: Jahrhundertflop!)

    wenn man in der Bescheidenheit, die mir ansteht, hinzufügt, daß dies, bezogen auf das 20. Jahrhundert, in dem wir leben, auch ein relativer Begriff ist.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Rede von Dr. Philipp Jenninger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat Herr Abgeordneter Hüser.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Uwe Hüser


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GRÜNE)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nun kommen wir also hier und heute zur Schlußberatung dieses gigantischen, milliardenschweren Steuerreformwerks, an dem Sie sich anscheindend etwas überhoben haben. In Ihrer Planung sollte der heutige Tag der glorreiche Abschluß eines großen Wohltätigkeitswerkes werden, in dessen Lichte die Regierungskoalition wohlgelaunt und frohen Mutes in die Sommerferien fährt, in Zukunft vielleicht auch steuerbefreit fliegt. Im Geiste hat sich der eine oder andere sicher schon die ihm zujubelnden Massen vorgestellt, die ihn ob der großen Steuertaten hochleben lassen. Meine Damen und Herren auf der rechten Seite, daraus ist ja wohl nichts geworden. Statt dessen liefern Sie in den letzten Wochen eine Realsatire ab, bei der das von mir hoch geschätzte Düsseldorfer „Kom(m)ödchen" vor Neid erblassen müßte.
    Herr Stoltenberg, Sie kennen sicher noch die Schlagzeile aus Ihrer Werbebroschüre: „Die Steuern gehen runter". Ich gebe Ihnen einen menschlichen Rat: Lassen Sie die letzten Exemplare einstampfen, bevor Sie sich total der Lächerlichkeit preisgeben.

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

    Einer Steuersenkung von 19 Milliarden DM stehen Erhöhungen von Verbrauchsteuern und Beiträgen von zirka 18,5 Milliarden DM gebenüber. Unter dem Strich bleiben nur noch kärgliche 500 Millionen DM übrig, und 8 Milliarden DM werden schon 1989 abkassiert, während die sogenannten Wohltaten erst ein Jahr später folgen. Selten wohl ist ein Gesetzentwurf für Angriffe der Opposition auf die Regierung so geeignet gewesen wie die Steuerreform. Zu deutlich ist die ideologische Ausrichtung, ist die Unsolidität der Ausarbeitung, sind die Mängel an sozialer Ausgewogenheit, an Korrektheit der Zahlenangaben und an Perspektiven für unsere gesellschaftliche Entwicklung.
    Die Kritik an ihrem Gesetz liefert die Regierungskoalition frei Haus. Nahezu tägliche Änderungen — 110 Anträge im Finanzausschuß, 70 im Bundesrat; das alles unter enormem Zeitdruck — machten eine sachgerechte Auseinandersetzung in der Breite fast unmöglich. Streitereien zwischen CSU und FDP, zwischen Albrecht und Späth verdeutlichten immer wieder, daß es sich bei der Steuerreform nicht um den großen



    Hüser
    Wurf, sondern um ein zusammengestückeltes Interessenmachwerk handelt.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Die fünftägigen Anhörungen im Finanzausschuß blieben nur eine Alibiveranstaltung. Einsicht und Besserung blieben fast völlig aus, obwohl uns die Sachverständigen auf eine Fülle von Ungereimtheiten, Bedenken hinsichtlich der zu erwartenden Wirkungen, unzumutbaren Belastungen für viele Arbeitnehmer und für die Kommunen und sogar auf verfassungsrechtlich fragwürdige Gesetzesteile hingewiesen haben. Ihre Reaktionen haben gezeigt, daß Sie nicht bereit sind, irgendwelche gravierenden Änderungen an Ihrem Machwerk vorzunehmen.
    Von daher hat sich auch an der Kritik, die wir in der ersten Lesung vorgetragen und die wir in unserem Entschließungsantrag nochmals ausführlich dargestellt haben, nichts geändert. Deswegen verzichte ich hier darauf, Ihnen das alles nochmals im einzelnen vorzuhalten, und überlasse das gerne der anderen Oppositionspartei mit ihrem weitaus größeren Redezeitkontingent. Ich werde mich daher in dieser steuerpolitischen Debatte auf einen Bereich konzentrieren, der uns GRÜNEN und allen anderen umweltbewußten Menschen sehr am Herzen liegt.
    Während die Regierungskoalition von einem konsequent sozial ausgerichteten Steuersystem meilenweit entfernt ist, aber auch die SPD in ihren im Ansatz teilweise richtigen Punkten halbherzig steckenbleibt, fordern DIE GRÜNEN eine konsequente ökologische Ausgestaltung unseres Steuersystems. Dadurch hätten wir ein Instrument mehr in der Hand, um zumindest zu versuchen, die vielfach schädlichen Auswirkungen von Produktion und Konsum auf unsere natürlichen Lebensgrundlagen — das Wasser, das wir trinken, die Luft, die wir atmen, und die Erde, von der wir leben — so weit auf ein vertretbares Maß zu bringen, daß die Lebensgrundlagen unserer nachfolgenden Generationen nicht endgültig zerstört werden.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Gerade die Vorkommnisse der letzten Wochen um und in Nord- und Ostsee haben drastisch deutlich gemacht, wo der Hammer hängt, um es salopp zu sagen. In der Zeitung war gestern und heute zu lesen, daß im Regenwasser Pestizidkonzentrationen festgestellt worden sind, die um ein Mehrfaches höher liegen, als im Trinkwasser erlaubt. Solche Horrormeldungen lassen sich beliebig fortführen; sie zeigen deutlich, in welche Richtung eine verantwortungsvolle Politik gehen müßte. Wann begreifen Sie endlich, daß es höchste Eisenbahn ist, umzusteuern, daß wir in unserer Gesellschaft so nicht weitermachen können?
    Hier ist die Politik gefordert, die entsprechenden Rahmenbedingungen zu setzen. Sie sind aber nicht willens und nicht in der Lage, etwas zu tun. Statt dessen streiten Sie sich auf groteske Weise um Steuerbefreiung für Privatflieger, Amnestien für Steuerhinterzieher, und nebenbei füllen Sie sich noch die leeren Parteikassen per Gesetz auf Staatskosten.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Meine Damen und Herren von der Regierung, Sie haben total den Überblick und jegliches Augenmaß verloren. Sie sind nicht in der Lage, die Probleme der Zeit zu erkennen. Sie sind politikunfähig.

    (Zustimmung bei den GRÜNEN)

    Natürlich ist das Steuersystem nicht das Allheilmittel, mit dem alle ökologischen Probleme gelöst werden. Bei unmittelbar lebensbedrohenden Gefährdungen kann kein Instrument — wie z. B Steuern oder Abgaben — eingesetzt werden, dessen Wirkung ungewiß ist. Hier muß der Staat sofort wirksame Ge- und Verbote erlassen. Denken wir hier z. B. an die Bereiche in der Chemieproduktion, bei denen Dioxine entstehen, oder an die lebensbedrohende Atomtechnologie.
    Um aber ein bestimmtes ökonomisches Verhalten durchzusetzen, können in vielen Bereichen finanzielle Anreize ökologisch sinnvoller sein als Ge- oder Verbote. Durch eine ökologische Besteuerung werden umweltschädliche Produktionsverfahren, Konsumgewohnheiten und Produkte sowie knappe, nicht regenerierbare Ressourcen verteuert und damit die umweltverträglichen Alternativen rentabler.

    (Zustimmung der Abg. Frau Unruh [GRÜNE])

    Die GRÜNEN treten z. B. dafür ein, daß die Kosten der Verschmutzung von Luft und Wasser und die Belastung der Böden dem Verursacher angelastet werden.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Durch solche ökologischen Abgaben wird die betriebliche Kalkulation verändert. Da die Kosten der Verschmutzung von Luft und Wasser und der Belastung der Böden bisher nicht dem Verursacher angelastet werden, ist es immer noch billiger zu verschmutzen, als durch andere Produktionsverfahren die Verschmutzung zu vermeiden.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Durch die ökologischen Abgaben geht dagegen sowohl von der Kostenbelastungsseite als auch durch die zweckgebundene Verwendung des Mittelaufkommens ein Investitionslenkungseffekt zum ökologischen Umbau unserer Wirtschaft aus. Die Wirtschaft wird hierdurch insgesamt nicht zusätzlich belastet, aber die Investitionsmittel werden umgelenkt, und zwar von umweltschädlichen auf umweltverträgliche Produktionen. Die Abgaben auf umweltschädliche Produktionsverfahren und Produkte sind ein wirksames Mittel, um diese Wirtschaftsweise zu ökologisieren.
    Ein weiteres wichtiges Instrument sind nach Meinung der GRÜNEN Steuern und Abgaben auf Endprodukte, also auf den Konsum. Die Verbraucher haben schon jetzt durch ihr Kaufverhalten ein Machtinstrument in der Hand, um die Wirtschaft dazu zu bringen, ökologisch verträgliche Produkte herzustellen. Aufgabe des Staates muß es sein, durch eine gezielte Steuer- und Abgabenpolitik dieses Verbraucherverhalten zu unterstützen.

    (Zustimmung bei den GRÜNEN)




    Hüser
    Anstatt die Steuerharmonisierungsdebatte in der EG dazu zu benutzen, durch die kalte Küche die Verbrauchsteuern anzuheben, um die Löcher in der Staatskasse zu stopfen, müßte eine verantwortungsbewußte Regierung darauf drängen, daß z. B. unterschiedliche Mehrwertsteuersätze je nach Umweltverträglichkeit eingeführt werden.

    (Zustimmung der Abg. Frau Unruh [CRÜNE])

    Die Bundesregierung macht aber in ihrer blanken finanziellen Notlage genau das Gegenteil. Wahllos werden Verbrauchsteuern erhöht, ohne darauf zu achten, welche ökologischen und wirtschaftlichen Folgen entstehen. Ein Konzept ist hier wahrlich nicht erkennbar.
    Ein gutes Beispiel ist die geplante Mineralölsteuererhöhung, die heute morgen hier schon angeklungen ist. Es ist richtig, daß der ökologisch schädliche Autoverkehr, der durch seine Schadstoffbelastung und seinen immensen Landschaftsverbrauch eine große Belastung für Mensch und Natur darstellt, nicht genügend nach dem Verursacherprinzip belastet wird. Aber gerade das ist ja nicht Ihre Motivation für die Erhöhung der Mineralölsteuer; Sie brauchen das Geld einfach, um Ihre gescheiterte Politik zu finanzieren.

    (Zustimmung bei den GRÜNEN)

    Nach dem Verursacherprinzip muß die Mineralölsteuererhöhung also höher ausfallen, so wie es die GRÜNEN fordern. Es ist aber unverantwortlich, so wie es die Bundesregierung tut, auf der einen Seite das Geld einzustecken und auf der anderen Seite eine das Auto heroisierende Verkehrspolitik zu betreiben und die Alternative, den öffentlichen Personenverkehr, immer weiter auszudünnen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Das Aufkommen aus einer Erhöhung der Mineralölsteuer muß also notwendigerweise zum Ausbau des öffentlichen Personenverkehrs verwandt werden. Solange ein Umstieg vom Auto auf den Bus oder die Bahn nicht jedem möglich ist, müssen durch geeignete Regelungen soziale Härten vermieden werden.
    Bedauerlicherweise hört man hier von der SPD nur das Nein zu Verbrauchsteuererhöhungen. Wir vermissen von der SPD öffentliche Aussagen, inwieweit für sie auch Verbrauchsteuern zur ökologischen Umstrukturierung verwandt werden können.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Weitere Möglichkeiten, die wir GRÜNEN sehen, sind z. B. zur Reinhaltung der Luft eine Schadstoffabgabe, die sich an den in die Luft emittierten Schadstoffen bemißt und deren Aufkommen zur Entwicklung schadstoffarmer Technologien — Filter und ähnliches — verwandt wird; oder eine Grundwasserabgabe, die sich an der industriellen Entnahme von reinem Grundwasser zu Produktionszwecken bemißt und deren Aufkommen für wassersparende Technologien, die Sanierung von Grundwasserreservoirs und die Sanierung von Leitungsnetzen verwandt wird; oder eine Abwasserabgabe, die sich, gewichtet nach der Schadstoffmenge, an der eingeleiteten Abwassermenge bemißt und deren Aufkommen zum Bau von
    Kläranlagen, betrieblichen Umstellungen und für schadstoffarme Technologien verwandt wird; oder eine Stickstoffabgabe, die sich nach der Überdüngung durch die Landwirtschaft bemißt und deren Aufkommen für die Umstellung auf ökologischen Landbau und stickstoffarme Landwirtschaft verwandt wird; oder eine Verpackungsabgabe, die sich nach Art und Umfang der Verpackung bemißt und deren Aufkommen für die Abfallvermeidung verwandt wird; oder eine Grundchemiekalienabgabe, die sich nach dem Einsatz von Chlor, Phosphor oder ähnlichen gefährlichen Stoffen bemißt und deren Aufkommen für die chemische Abfallvermeidung und -verminderung, die Altlastensanierung und eine Umstellung auf sanfte Chemie verwandt wird; oder eine Lkw-Abgabe, die sich nach der Transportleistung bemißt und deren Aufkommen zum Ausbau des Straße-SchieneVerbundes verwandt wird usw. Hier gibt es noch etliche Beispiele. Das ließe sich, wie gesagt, beliebig fortführen.
    Die GRÜNEN werden für eine solche Steuer- und Finanzpolitik eintreten. Wir sind sicher, daß auf Grund der drängenden Probleme immer mehr Menschen einen Umschwung fordern, wie wir ihn hier dargestellt haben.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Da Sie nicht in der Lage sind, dies zu begreifen, sollte die Regierung ihren Hut nehmen, bevor uns noch weitere Trauerspiele à la Steuerreform zugemutet werden.

    (Beifall bei den GRÜNEN)