Ja, viele! Sie werden, wie Sie wissen, Herr Hirsch, jetzt in das Asylverfahren geleitet. Dort wird sich genau herausstellen, wie viele aus politischen oder aus anderen, weniger zu respektierenden Gründen zu uns kommen.
5704 Deutscher Bundestag — I i. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Juni 1988
Dr. Olderog
Meine Damen und Herren, 1981 hat das SPD/FDP-
Kabinett unter Bundeskanzler Helmut Schmidt folgendes beschlossen — ich zitiere — :
Es besteht Einigkeit, daß die Bundesrepublik Deutschland kein Einwanderungsland ist und auch nicht werden wird.
Das Kabinett ist sich einig, daß für alle Ausländer außerhalb der EG ein weiterer Zuzug unter Ausschöpfung aller rechtlichen Möglichkeiten verhindert werden soll. Nur durch eine konsequente und wirksame Politik zur Begrenzung läßt sich die unverzichtbare Zustimmung der deutschen Bevölkerung zur Ausländerintegration sichern. Dies ist zur Aufrechterhaltung des sozialen Friedens unerläßlich.
Meine Damen und Herren, diesem Ziel dient auch dieser Gesetzentwurf.
In der Öffentlichkeit wird behauptet, unser Asylrecht sei oft unmenschlich. In den Augen der Flüchtlinge aus allen Ländern dieser Welt ist aber die Bundesrepublik kein ausländerfeindliches Land, sondern das vor allen anderen europäischen Ländern bevorzugte Zielland. Von 1975 bis 1984 haben wir sogar mehr Flüchtlinge aufgenommen als alle anderen westeuropäischen Länder zusammen, nämlich 370 836. Weil das eine wichtige Aussage ist, werde ich sie noch oft wiederholen, wenn das nötig ist.
Auch in den folgenden Jahren standen wir an der Spitze. Bund, Länder und Gemeinden haben für die Betreuung der Flüchtlinge im vergangenen Jahr allein 3 Milliarden DM aufgewendet.
Die Bundesrepublik verdient deshalb keine Kritik, Herr Hirsch, sondern Anerkennung.
Meine Damen und Herren, wir dürfen die Augen nicht davor verschließen, daß es für ein kleines und dichtbesiedeltes Land wie die Bundesrepublik Deutschland Grenzen dessen gibt, was ein Volk bei der Aufnahme von Ausländern verkraften kann. Die Zahl der Ausländer wird ja weiter steigen, weil — wie wir gehört haben — selbst unberechtigte Asylbewerber in der großen Mehrheit bei uns bleiben. Es gibt Grenzen dessen, was unseren Bürgern auf Dauer zuzumuten ist und was wir an sozialer Integration leisten können.
Wir als Politiker müssen an unsere Bürger appellieren — ich bekenne mich dazu —, sich humanitären Verpflichtungen und Lasten zu stellen. Aber wir müssen uns fragen: Kann auf Dauer in einer so sensiblen Frage eine politische Führung in einer Demokratie in krassem Widerspruch zu ihren Bürgern stehen? 70 der Bevölkerung sind doch inzwischen der Meinung, daß unser Asylrecht zu großzügig gehandhabt werde.
Provoziert nicht jemand, der unsere Bürger auf Dauer
überfordert, geradezu Ausländerfeindlichkeit, und
macht er nicht die soziale Integration der hier lebenden Ausländer weitgehend unmöglich?
Manche meinen, die allmähliche Umwandlung der Bundesrepublik von einem homogenen Staat in ein Einwanderungsland sei eine Bereicherung und keine Belastung. Aber verkennen nicht viele Kritiker unserer Ausländerpolitik die menschlichen, die psychologischen und die politischen Wirklichkeiten dieser Welt? Natürlich bedeuten ethnische Minderheiten auch eine kulturelle Bereicherung. Aber alle Erfahrung zeigt auch: Ethnische, religiöse und kulturelle Geschlossenheit ermöglichen Grundkonsens und Solidarität eines Volkes. Ethnische Minderheiten, religiöse und kulturelle Gegensätze schaffen Spannungen, wirken allzuoft explosiv, sind doch gerade oft Ursache, Frau Olms, für die vielen Flüchtlingsströme, die wir beklagen.
Wieviel Leid haben die Konflikte zwischen Katholiken und Protestanten — selbst in unserer aufgeklärten Zeit — in Nordirland hervorgerufen? Wieviel Leid haben die Kämpfe der Basken in Nordspanien und die der Tamilen in Sri Lanka angerichtet? Wieviel Tote haben die Auseinandersetzungen zwischen Christen und Moslems im Libanon schon gekostet?
Ich bitte Sie, einmal darüber nachzudenken, ob das nicht auch ein Sachverhalt ist, den wir bei der Handhabung unseres Asylrechts zu bedenken haben. Ist das eine humane Lösung, Menschen oft Tausende von Kilometern von der Heimat entfernt in fremde Kulturen zu pflanzen,
Flüchtlingsströme durch die ganze Welt zu lenken?
Die Antwort der Industrieländer, der westlichen Welt auf wirtschaftliche Not und Armut muß heißen: Entwicklungshilfe, noch mehr Entwicklungshilfe und für uns vielleicht auch noch mehr als diese fast 9 Milliarden DM, die in diesem Lande zur Verfügung gestellt werden. Unsere Antwort auf politische Verfolgung muß heißen: mehr Engagement für Menschenrechte, in Äthiopien ebenso wie in Südafrika, im Iran ebenso wie in der Tschechoslowakei und in Rumänien.
Wir begrüßen sehr, daß sich die Vereinten Nationen so intensiv der Flüchtlinge annehmen, und wir bedanken uns dafür. Es wäre gut, wenn die UNO darüber hinaus ebenso intensiv für die Bürger- und Menschenrechte kämpfte, die so viele Länder brutal mit Füßen treten.
Herzlichen Dank.