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    Plenarprotokoll 11/84 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 84. Sitzung Bonn, Freitag, den 10. Juni 1988 Inhalt: Abweichung von den Richtlinien für die Fragestunde für die Sitzungswochen ab 13. Juni 1988 und ab 20. Juni 1988 5663 A Erweiterung der Tagesordnung 5663 B Begrüßung des stellvertretenden Staatsratsvorsitzenden der Volksrepublik Polen und einer Delegation 5680 D Tagesordnungspunkt 20: Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" für den Zeitraum 1988 bis 1991 (Drucksache 11/2153) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 6: a) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" (Drucksachen 11/675, 11/2418, 11/2456, 11/2444) b) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Förderung der Stillegung landwirtschaftlicher Nutzflächen sowie der Extensivierung und Umstellung der Erzeugung (Extensivierungsgesetz) (Drucksachen 11/2158, 11/2418, 11/2456, 11/2444) Kiechle, Bundesminister BML 5664 C Müller (Schweinfurt) SPD 5665 D Sauter (Epfendorf) CDU/CSU 5669 B Frau Flinner GRÜNE 5671 B Bredehorn FDP 5672 D Michels CDU/CSU 5674 B Namentliche Abstimmung . . . 5675B, 5675 D Ergebnisse 5683B, 5684 D Tagesordnungspunkt 21: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Kommunales Wahlrecht für Ausländer (Drucksache 11/1964) Dr. Penner SPD 5676 B Dr. Blank CDU/CSU 5677 D Frau Trenz GRÜNE 5679 A Richter FDP 5680 B Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär BMI 5681 A Gerster (Mainz) CDU/CSU (zur GO) . . . 5682 D Zusatztagesordnungspunkt 7: Beratung des Antrags der Abgeordneten Schäfer (Offenburg), Frau Blunck, Conrad, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Maßnahmen zur Rettung der Nordsee und der Ostsee (Drucksache 11/2425) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Laufs, Carstensen (Nordstrand) und der Fraktion der CDU/CSU sowie der II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Juni 1988 Abgeordneten Baum und Wolfgramm (Göttingen) und der Fraktion der FDP: Algenmassenentwicklung und Seehundsterben in Bereichen der Nord- und Ostsee (Drucksache 11/2457) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 9: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Garbe, Frau Wollny, Brauer, Dr. Daniels (Regensburg), Dr. Knabe und der Fraktion DIE GRÜNEN: Notprogramm gegen das Nordsee- und Ostseesterben (Drucksache 11/2399) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 10: Beratung des Antrags der Abgeordneten Schäfer (Offenburg), Frau Blunck, Frau Conrad, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Konzertierte Aktion zur Rettung der Nordsee und der Ostsee (Drucksache 11/2426) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 11: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Garbe und der Fraktion DIE GRÜNEN: Schutz der Nordsee zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Schutz der Nordsee — II. Internationale Nordseeschutzkonferenz November 1987 in London zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Laufs, Carstensen (Nordstrand), Austermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Baum, Frau Dr. Segall, Wolfgramm (Göttingen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: 2. Internationale Nordseeschutzkonferenz zu dem Bericht der Bundesregierung zur Vorbereitung der 2. Internationalen Nordseeschutz-Konferenz (2. INK) vom 21. September 1987 (Drucksachen 11/247, 11/299, 11/878, 11/1048, 11/2184) Frau Garbe GRÜNE 5686 D Wüppesahl fraktionslos (zur GO) . . . 5688 C Seiters CDU/CSU (zur GO) 5689 C Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU . . 5689 D Schäfer (Offenburg) SPD 5691 C Wolfgramm (Göttingen) FDP 5693 C Wüppesahl fraktionslos 5695 C Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . . 5696 A Namentliche Abstimmung 5699 D Tagesordnungspunkt 22: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung asylverfahrensrechtlicher und ausländerrechtlicher Vorschriften (Drucksache 11/2302) Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär BMI 5701 A Wartenberg (Berlin) SPD 5701 D Dr. Olderog CDU/CSU 5703 C Frau Olms GRÜNE 5704 D Dr. Hirsch FDP 5705 D Tagesordnungspunkt 23: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 22. März 1985 zum Schutz der Ozonschicht (Drucksache 11/2271) Schmidbauer CDU/CSU 5707 B Müller (Düsseldorf) SPD 5708 D Frau Dr. Segall FDP 5709 D Dr. Knabe GRÜNE 5710D Grüner, Parl. Staatssekretär BMU . . . . 5711 C Frau Ganseforth SPD 5712 D Nächste Sitzung 5713 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 5715* A Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Dr. Göhner (CDU/CSU) nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" (Zusatztagesordnungspunkt 6 a) 5715 * C Anlage 3 Amtliche Mitteilungen 5715* D Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Juni 1988 5663 84. Sitzung Bonn, den 10. Juni 1988 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens ** 10. 6. Antretter ** 10. 6. Frau Beck-Oberdorf 10. 6. Dr. Becker (Frankfurt) 10. 6. . Becker (Nienberge) 10. 6. Frau Berger (Berlin) 10. 6. Böhm (Melsungen) * 10. 6. Dr. Bötsch 10. 6. Frau Brahmst-Rock 10. 6. Brandt 10. 6. Breuer 10. 6. Büchner (Speyer) ** 10. 6. Bühler (Bruchsal) ** 10. 6. Conradi 10. 6. Daubertshäuser 10. 6. Daweke 10. 6. Duve ** 10. 6. Francke (Hamburg) 10. 6. Dr. Glotz 10. 6. Graf 10. 6. Gries 10. 6. Dr. Haack 10. 6. Haack (Extertal) 10. 6. Haar 10. 6. Dr. Hauff 10. 6. Dr. Haussmann 10. 6. Freiherr Heereman von Zuydtwyck 10. 6. Frau Hensel 10. 6. Ibrügger 10. 6. Jansen 10. 6. Frau Karwatzki 10. 6. Kiehm 10. 6. Kittelmann ** 10. 6. Klein (München) 10. 6. Dr. Klejdzinski ** 10. 6. Dr. Köhler (Wolfsburg) 10. 6. Dr.-Ing. Laermann 10. 6. Lambinus 10. 6. Lenzer ** 10. 6. Lutz 10. 6. Frau Luuk * 10. 6. Dr. Müller ** 10. 6. Niegel ** 10. 6. Frau Pack ** 10. 6. Paterna 10. 6. Pesch 10. 6. Dr. Probst 10. 6. Rappe (Hildesheim) 10. 6. Reddemann ** 10. 6. Rühe 10. 6. Sauer (Salzgitter) 10. 6. Scharrenbroich 10. 6. Frau Schilling 10. 6. Schmidt (München) ** 10. 6. von Schmude ** 10. 6. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Seidenthal 10. 6. Dr. Schneider (Nürnberg) 10. 6. Freiherr von Schorlemer 10. 6. Schröer (München) 10. 6. Dr. Soell ** 10. 6. Steiner ** 10. 6. Stobbe 10. 6. Frau Terborg 10. 6. Dr. Thomae 10. 6. Dr. Vogel 10. 6. Voigt (Frankfurt) 10. 6. Vosen 10. 6. Dr. Warnke 10. 6. Weisskirchen (Wiesloch) 10. 6. Wieczorek (Duisburg) 10. 6. Wischnewski 10. 6. Dr. Wörner 10. 6. Würzbach 10. 6. Zander 10. 6. Dr. Zimmermann 10. 6. Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Dr. Göhner (CDU/CSU) nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" (Zusatztagesordnungspunkt 6 a) Ich habe mich der Stimme enthalten, weil ich die Integration des Extensivierungsgesetzes in das Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe für falsch halte. Die umweltpolitische Komponente kommt dadurch nicht hinreichend zum Ausdruck; ich verweise im übrigen zur Begründung meines Abstimmungsverhaltens auf die Beschlußfassung zum Extensivierungsgesetz-Entwurf durch den Bundestagsausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Anlage 3 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 20. Mai 1988 beschlossen, zu dem nachstehenden Gesetz einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Gesetz zur Änderung des Hypothekenbankgesetzes und anderer Vorschriften für Hypothekenbanken Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu nachstehenden Vorlagen absieht: Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Drucksache 11/883 Nr. 123 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 11/138 Nr. 1.6 Drucksache 11/883 Nr. 127, 131 Drucksache 11/1107 Nr. 1.9 5716* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Juni 1988 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß sie die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen haben: Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/1895 Nr. 2.34 Drucksache 11/2089 Nr. 29 Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Drucksache 11/1365 Nr. 3.28 Der Chef des Bundeskanzleramtes hat mit Schreiben vom 27. Mai 1988 gemäß § 20 Abs. 5 des Milch- und Fettgesetzes die vom Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu erlassende Dritte Verordnung zur Änderung der Milch-Güteverordnung mit Begründung und Vorblatt mit der Bitte um Bekanntgabe übersandt. Die Verordnung liegt im Parlamentsarchiv zur Einsicht aus. Der Bundeskanzler hat mit Schreiben vom 7. Juni 1988 gemäß § 32 Abs. 6 des Bundesbahngesetzes den Jahresabschluß der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1986 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Der Jahresabschluß liegt im Parlamentsarchiv zur Einsicht aus.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Peter H. Carstensen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Garbe, ich bedaure für Sie, daß wir hier wegen der Geschichte jetzt nicht im Zusammenhang diskutieren können, aber ich möchte doch vielleicht während meiner Rede auf einiges eingehen.
    Nach der Sondersitzung des Umweltausschusses zur Situation in Nord- und Ostsee schrieb der Bonner Journalist Stefan Richter:
    Die bittere Wahrheit ist wohl zunächst die: Es gibt keine rasch wirkende Medizin, die den schleichenden Tod der Robben stoppen und die verhängisvolle Bedrohung durch die Algenblüte abwenden könnte. Nord- und Ostsee sind über viele Jahrzehnte verschmutzt worden. So etwas kann man weder über Nacht noch in wenigen Jahren wiedergutmachen.



    Carstensen (Nordstrand)

    Er fährt fort:
    Spektakulär wirkende Sofortmaßnahmen auf nationaler Ebene könnten eher den falschen Effekt haben. Sie beruhigen vielleicht das Gewissen, aber nicht die See. Deshalb darf die Katastrophe nicht in kalten Aktionismus münden.
    Was GRÜNE und die SPD in Teilen ihrer Anträge fordern, ist solcher Aktionismus.

    (Dr. Laufs [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Das Robbensterben, das Sterben der Seehunde an der dänischen und schleswig-holsteinischen Küste entsetzt nicht nur die Menschen an der Nordsee. Die Bilder von jämmerlich verendenden Robben sind schmerzhaft. Das Problem der Meeresverschmutzung ist drängend. Das können und wollen wir gar nicht leugnen. Aber wir sprechen hier auch über einen wirtschaftlich sensiblen Bereich. Mit einer Verunsicherung von Nordseeurlaubern werden verantwortungslos Arbeitsplätze an der strukturschwachen Nordseeküste von Sylt über die anderen nordfriesischen Inseln über St. Peter, Büsum, Friedrichskoog und die niedersächsischen Feriengebiete gefährdet. Wir tun der Sache keinen Gefallen, wenn wir für Konfrontation und nicht für Kooperation aller Beteiligten sorgen.
    Aktionismus, wie ihn Stefan Richter beschrieben hat, hilft wirklich weniger als nüchterne sachlichfachlich und wirtschaftlich-wissenschaftlich begründete Analyse sowie daraus resultierende Beschlüsse und ihre Umsetzung im jeweiligen Kompetenzbereich. Deshalb einige Fakten, um vielleicht etwas geradezurücken:
    In den letzten Jahren haben sich die Seehunde an der deutschen Nordseeküste in ihrem Bestand verdoppelt. Nach der Julizählung 1987 waren es in Schleswig-Holstein 3 790 Seehunde. Der Tiefpunkt lag einmal bei 1 200 Seehunden.
    Ich habe seit einigen Jahren das rasche Anwachsen der Seehundbestände mit gewisser Sorge beobachtet und mit Wissenschaftlern darüber gesprochen. Wir waren der Meinung, daß die in den letzten Jahren niedrigere Reproduktionsrate ein natürliches Regulativ sein könnte, um einen Zusammenbruch der Population zu vermeiden. Das Seehundsterben kommt jetzt für mich nicht unerwartet, — und wenn, dann hat das Sterben nur mittelbar mit der Belastung von Nord-und Ostsee zu tun. Es hat nichts zu tun mit der gleichzeitig aufgetretenen Vermehrung der Algen im Großen Belt. Diese Algen können für Fische tödlich sein, weil sie die Kiemen verkleben und auch toxisch wirken. Aber in den Meldungen von Killeralgen zu sprechen und zu suggerieren, diese seien für Menschen oder für die Seehunde tödlich oder auch nur gefährlich, halte ich für verantwortungslos.

    (Frau Blunck [SPD]: Ich halte Ihre Rede für verantwortungslos!)

    Von einem Fischer aus Wurde bei Bremerhaven haben wir die Meldung, daß er einige tote Fische im Netz hatte. Dänische Forscher haben in der Nähe von sogenannten Sprungschichten am Boden auch tote Fische, tote Seesterne und Würmer, die aus dem Boden kamen, gefunden. Das Kieler Forschungsschiff hat bei seinen Fängen im Kattegat bei einer Algendichte von bis zu 20 Millionen Zellen pro Liter keine
    toten Fische gefunden; allerdings in einem Gebiet, wo wohl auch wenige Fische sind.
    Fest steht, daß die Nährstoffzufuhr, insbesondere mit den Nährelementen Phosphor und Stickstoff, die Grundlage für das explosionsartige Pflanzenwachstum geschaffen hat. Hier muß ein wesentlicher Ansatzpunkt bei der Bekämpfung der Verschmutzung in der Nordsee zu suchen sein.
    Es ist übrigens interessant festzustellen, daß im Nordseegutachten 1980 den eutrophierenden Stoffen nur ein relativ begrenzter Platz eingeräumt wurde. Andere Probleme — Öl, Dünnsäure und Müll — hatten dort einen höheren Stellenwert.

    (Zuruf der Abg. Frau Garbe [GRÜNE])

    — Bei der Sachverständigenanhörung, liebe Frau Garbe, die die CDU/CSU-Fraktion im letzten Herbst beantragt hatte, sah das schon ganz anders aus. Dort wurde sehr deutlich gemacht, daß wir uns viel mehr mit dem nicht so offensichtlichen Nährstoffeintrag hätten beschäftigen sollen als mit dem so öffentlichkeitswirksamen 01 oder der Dünnsäure, wobei ich diese Problematik nicht herunterspielen will.
    Um direkt und zielgerichtet Maßnahmen ergreifen zu können, muß man wissen, woher diese Stoffe kommen. Nun ist es einfach, den Hauptschuldigen gleich in der Landwirtschaft zu suchen, weil ja die Landwirte direkt mit Phosphaten und Stickstoffdüngern umgehen. Und es ist dann noch einfacher, eine falsche Rechnung aufzumachen: intensive Landwirtschaft gleich viel Dünger gleich viel Verschmutzung.
    Bei Phosphaten stammen die Einträge nur zu einem sehr geringen Anteil aus der Landwirtschaft, bei Stickstoff natürlich zu einem höheren, wobei es nach Angaben der Abwassertechnischen Vereinigung noch keine allgemein anerkannte Studie gibt. Natürlich haben wir das Problem des Stickstoffeintrages über die Gülle. Eine nationale Gülleverordnung müßte aber zur Voraussetzung haben, daß auch genügend Lagerkapazitäten in den Betrieben vorhanden sind, wie das z. B. in den letzten Jahren in Schleswig-Holstein gefördert worden ist. Eine Gülleverordnung wie in Nordrhein-Westfalen — mit zuwenig Lagerraum und einer unsinnigen zeitlichen Eingrenzung — schadet mehr, als sie nützt.
    Die höchste Stickstoffauswaschung entsteht in Güllebetrieben mit nicht optimaler Bewirtschaftung. Intensiv bewirtschaftete Flächen weisen nach Aussagen von Wissenschaftlern die geringsten Auswaschungen auf. Und was bemerkenswert ist: Zwischen intensiv und organisch bewirtschafteten Flächen liegt kaum ein Unterschied. Das nur ein Hinweis für unsere grünen Kollegen.

    (Frau Blunck [SPD]: Die Seehunde haben also selber schuld, daß sie gestorben sind!)

    — Nein, liebe Frau Blunck. Werten Sie das bitte genauso, wie ich das sage.
    Wir sind alle Verschmutzer unserer Meere, die Landwirtschaft mit eingeschlossen, Sie auch mit eingeschlossen, liebe Frau Blunck. Weil wir alle gleich verantwortlich für Dreck und Nährstoffe sind, ist die Vorgehensweise der Bundesregierung in den letzten Jahren richtig gewesen. Dieser Weg ist auch jetzt



    Carstensen (Nordstrand)

    noch richtig. Wir setzen den Rahmen für die Reduzierung der Schmutz- und Nährstofffracht.

    (Frau Garbe [GRÜNE]: Den Rahmen, weiter nichts?!)

    So sind in der letzten Legislaturperiode das Wasserhaushaltsgesetz , das Abwasserabgabengesetz, das Wasch- und Reinigungsmittelgesetz, das Abfallbeseitigungsgesetz novelliert und vor kurzem die Verwaltungsvorschrift zur Phosphatfällung in Kläranlagen verabschiedet worden.
    Die Luftreinhaltepolitik hat nachhaltig erst von dieser Bundesregierung einen großen Stellenwert bekommen. Das ist auch hinsichtlich der Nordsee wichtig, wenn man weiß, daß immer noch 1 bis 2 Gramm pro m2 und Jahr an Stickstoff über die Luft in die Nordsee eingetragen werden.
    Neue Konferenzen, auf denen wieder Maßnahmen beschlossen werden, schaden sicherlich nichts. Aber sie nützen uns auch nichts. Ich frage mich, was eine nationale Konferenz nach dem Antrag der SPD z. B. für die Ostsee bewirken soll. Sehen Sie sich doch bitte einmal eine Landkarte mit der politischen Aufteilung der Ostsee an, und Sie begreifen, warum die Bundesrepublik nur zu 3 bis 5 % die Probleme dieses Meeres mit beeinflussen kann.

    (Frau Blunck [SPD]: Es sind immer die anderen, nur ich nicht!)

    Was jetzt gefordert ist, sind eine konsequente und beschleunigte Umsetzung der Beschlüsse der Nordseeschutz-Konferenz und das Einfordern der Umsetzung von Gesetzen und Verordnungen bei den Ländern. Da, liebe Kollegen von der SPD, liegt das Defizit, und da sind Sie gefordert, mit ihren Genossen in Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Bremen und jetzt leider auch in Schleswig-Holstein zu reden und sie zu bewegen.

    (Kuhlwein [SPD]: Warum haben Sie sich denn nicht bewegt, Herr Carstensen?)

    Die gleiche Bewegung erwarten wir auch von unseren Freunden in den übrigen Bundesländern.
    Ich habe mit einem Zitat von Stefan Richter begonnen und will auch damit enden. Er schreibt:
    Ein sofortiger Verklappungs- und Verbrennungsstopp, wie er gefordert wurde, hätte vielleicht manchen besorgten Bürger wieder in Ruhe gewähnt. Doch seit dem Robbensterben ist klar, daß dies allenfalls eine Totenruhe ist. Gehandelt werden muß — aber nicht bei denen „da oben" . Nicht an Beschlüssen hapert es, sondern an der Umsetzung.
    Sorgen Sie, liebe Kollegen, mit dafür, daß wir entsprechend der gemeinsamen Beschlußempfehlung des Umweltausschusses auf Drucksache 11/2184 die Umsetzung der Maßnahmen schnell vonstatten bringen. Damit wäre unseren Meeren am besten geholfen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Mechtersheimer [GRÜNE]: Abwiegler!)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Schäfer (Offenburg).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Harald B. Schäfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Nach der Rede, Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, des Kollegen Carstensen ist es notwendig geworden — das hatte ich eigentlich nicht vor — , den aktuellen Zustandsbericht der Nordsee für 1987 hier noch einmal in Erinnerung zu rufen.

    (Frau Blunck [SPD]: Leider wahr!)

    Danach sind 103 Millionen t Abfälle aller Art in die Nordsee eingeleitet und gekippt worden.

    (Lennartz [SPD]: Wiederholen Sie einmal: 103 Millionen t!)

    — 103 Millionen t. Davon waren 93% Baggergut und Klärschlämme, die mit hochgradigen Umweltgiften belastet sind. Beispielsweise gelangten dadurch 1,5 Millionen t Stickstoffverbindungen in die Nordsee.

    (Baum [FDP]: Das hat er doch gar nicht bestritten!)

    150 000 t Öl wurden bei Nacht und Nebel eingeleitet.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Von wem denn?)

    115 000 t hochgiftiger Chemikalien werden auf See verbrannt.
    Wer angesichts dieser Zustandsbeschreibungen einen Zusammenhang zwischen dem Robbensterben und der verschmutzten Nordsee leugnet, wird seiner politisch-parlamentarischen Verantwortung nicht gerecht, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Er soll sich abschminken, davon zu reden, die geschundene Natur würde ihn zu zusätzlicher politischer Aktivität anspornen.
    Sie wissen, meine Damen und Herren, daß schon 1987 vor Sylt 18 tote Robben, Tümmler und Wale gefunden wurden. Allein in den letzten Wochen sind an den Küsten von Nordsee und Ostsee über 600 tote Robben angeschwemmt worden. Es steht zu befürchten, daß selbst dann, wenn wir all das in einer gemeinsamen konzertierten Aktion — und nicht in einer Konferenz — unternehmen, was jetzt getan werden kann, noch weitere Lebewesen in einem größeren Massensterben verenden müssen.
    Seit über 20 Jahren warnen Wissenschaft und Umweltverbände vor einem möglichen ökologischen Tod der Nordsee.

    (Dr. Laufs [CDU/CSU]: Wissen Sie, wie sich die Robbenbestände entwickelt haben?)

    Jetzt hat die geschundene Natur zurückgeschlagen. Diese Katastrophe war vorhersehbar, und ähnliche werden folgen, wenn wir weitermachen wie bisher.

    (Beifall bei der SPD)

    Letztlich, meine Damen und Herren, ist die Katastrophe an der Nordsee ein Symptom dafür, wie wenig verantwortlich wir mit unseren Lebensgrundlagen umgehen.

    (Beifall bei der SPD — Baum [FDP]: Das „wir" ist gut!)

    Trotz aller bisherigen Anstrengungen zum Schutze
    der Nord- und Ostsee — ich leugne sie nicht — zeigt
    sich: Wir haben zum Schutz der Nordsee nicht genug



    Schäfer (Offenburg)

    getan, und wir haben nicht schnell genug gehandelt. Ich will hier gar nicht mit dem Zeigefinger auf andere zeigen.

    (Baum [FDP]: Das „wir" ist gut!)

    Unser aller Pflicht besteht jetzt darin, diese Katastrophe nicht wieder, wie andere, zu verdrängen.

    (Beifall der Abg. Frau Blunck [SPD])

    Mit fernsehwirksamen Beschwichtigungsfahrten, Herr Minister Töpfer, oder mit Selbstlob, die Bundesregierung habe alles, was erreichbar sei, getan, wie wir es eben wieder gehört haben, ist die Nordsee nicht zu retten.
    Völlig unverständlich ist mir übrigens die Haltung des Bundeslandwirtschaftsministers mit Schuldzuweisungen an andere, um die Großbauernlobby zu schützen.

    (Beifall der Abg. Frau Blunck [SPD])

    Dabei kann Herr Kiechle bei seinem Kollegen Töpfer die Zahlen abrufen, wonach ein Drittel der Nährstoffeinträge letztlich aus der Landwirtschaft kommt und in die Nordsee gelangt.

    (Kuhlwein [SPD]: Hört! Hört!)

    Den Gipfel auf die Politik der Verdrängung setzt einmal mehr unser Herr Bundeskanzler. Ich zitiere ihn von einer Pressekonferenz von gestern, vom 9. Juni:
    Aber es kann natürlich sein, daß mitten im Sommer ein Faß den Rhein herunterrollt. Und wir leben ja in der Bundesrepublik. Sie wissen, was daraus wird. Wir werden in wenigen Stunden dann wieder eine hektische Aktivität haben. Und wenn Sie 14 Tage später jemanden fragen, was war denn, dann sagt er: Ja, was war denn eigentlich?
    Mit dieser Politik des Aussitzens und Verdrängens
    werden Sie auf Dauer nicht erfolgreich sein können.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Dr. Laufs [CDU/CSU]: Das ist eine ganz billige Polemik!)

    Wir Sozialdemokraten sagen: Das ist ein Stück Hoffnung für alle, die es mit der Umwelt und mit dem Naturschutz ernst meinen.
    Wir brauchen jetzt für die Nordsee eine nationale konzertierte Aktion, Herr Bundesumweltminister, bei der alle sofort an einen Tisch kommen müssen — es müssen keine Fernsehkameras dabei sein, Herr Töpfer, auch wenn es Ihnen schwerfällt, diese Vorstellung zu entwickeln — :

    (Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Die haben doch auch Sie ganz gern, Herr Schäfer!)

    Bund, Land, Kommunen, Industrie, Fischereiwirtschaft, Landwirtschaft, Gewerkschaft, Wissenschaft, Umweltverbände, Verbraucher und die Fremdenverkehrswirtschaft. Hier muß ausgelotet werden, was wir sofort zusätzlich tun und was wir mittel- und langfristig beschleunigt einleiten müssen. Da darf es keine Tabus und keine besonderen Verschmutzungsprivilegien mehr geben.