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    Plenarprotokoll 11/84 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 84. Sitzung Bonn, Freitag, den 10. Juni 1988 Inhalt: Abweichung von den Richtlinien für die Fragestunde für die Sitzungswochen ab 13. Juni 1988 und ab 20. Juni 1988 5663 A Erweiterung der Tagesordnung 5663 B Begrüßung des stellvertretenden Staatsratsvorsitzenden der Volksrepublik Polen und einer Delegation 5680 D Tagesordnungspunkt 20: Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" für den Zeitraum 1988 bis 1991 (Drucksache 11/2153) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 6: a) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" (Drucksachen 11/675, 11/2418, 11/2456, 11/2444) b) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Förderung der Stillegung landwirtschaftlicher Nutzflächen sowie der Extensivierung und Umstellung der Erzeugung (Extensivierungsgesetz) (Drucksachen 11/2158, 11/2418, 11/2456, 11/2444) Kiechle, Bundesminister BML 5664 C Müller (Schweinfurt) SPD 5665 D Sauter (Epfendorf) CDU/CSU 5669 B Frau Flinner GRÜNE 5671 B Bredehorn FDP 5672 D Michels CDU/CSU 5674 B Namentliche Abstimmung . . . 5675B, 5675 D Ergebnisse 5683B, 5684 D Tagesordnungspunkt 21: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Kommunales Wahlrecht für Ausländer (Drucksache 11/1964) Dr. Penner SPD 5676 B Dr. Blank CDU/CSU 5677 D Frau Trenz GRÜNE 5679 A Richter FDP 5680 B Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär BMI 5681 A Gerster (Mainz) CDU/CSU (zur GO) . . . 5682 D Zusatztagesordnungspunkt 7: Beratung des Antrags der Abgeordneten Schäfer (Offenburg), Frau Blunck, Conrad, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Maßnahmen zur Rettung der Nordsee und der Ostsee (Drucksache 11/2425) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Laufs, Carstensen (Nordstrand) und der Fraktion der CDU/CSU sowie der II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Juni 1988 Abgeordneten Baum und Wolfgramm (Göttingen) und der Fraktion der FDP: Algenmassenentwicklung und Seehundsterben in Bereichen der Nord- und Ostsee (Drucksache 11/2457) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 9: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Garbe, Frau Wollny, Brauer, Dr. Daniels (Regensburg), Dr. Knabe und der Fraktion DIE GRÜNEN: Notprogramm gegen das Nordsee- und Ostseesterben (Drucksache 11/2399) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 10: Beratung des Antrags der Abgeordneten Schäfer (Offenburg), Frau Blunck, Frau Conrad, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Konzertierte Aktion zur Rettung der Nordsee und der Ostsee (Drucksache 11/2426) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 11: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Garbe und der Fraktion DIE GRÜNEN: Schutz der Nordsee zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Schutz der Nordsee — II. Internationale Nordseeschutzkonferenz November 1987 in London zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Laufs, Carstensen (Nordstrand), Austermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Baum, Frau Dr. Segall, Wolfgramm (Göttingen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: 2. Internationale Nordseeschutzkonferenz zu dem Bericht der Bundesregierung zur Vorbereitung der 2. Internationalen Nordseeschutz-Konferenz (2. INK) vom 21. September 1987 (Drucksachen 11/247, 11/299, 11/878, 11/1048, 11/2184) Frau Garbe GRÜNE 5686 D Wüppesahl fraktionslos (zur GO) . . . 5688 C Seiters CDU/CSU (zur GO) 5689 C Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU . . 5689 D Schäfer (Offenburg) SPD 5691 C Wolfgramm (Göttingen) FDP 5693 C Wüppesahl fraktionslos 5695 C Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . . 5696 A Namentliche Abstimmung 5699 D Tagesordnungspunkt 22: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung asylverfahrensrechtlicher und ausländerrechtlicher Vorschriften (Drucksache 11/2302) Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär BMI 5701 A Wartenberg (Berlin) SPD 5701 D Dr. Olderog CDU/CSU 5703 C Frau Olms GRÜNE 5704 D Dr. Hirsch FDP 5705 D Tagesordnungspunkt 23: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 22. März 1985 zum Schutz der Ozonschicht (Drucksache 11/2271) Schmidbauer CDU/CSU 5707 B Müller (Düsseldorf) SPD 5708 D Frau Dr. Segall FDP 5709 D Dr. Knabe GRÜNE 5710D Grüner, Parl. Staatssekretär BMU . . . . 5711 C Frau Ganseforth SPD 5712 D Nächste Sitzung 5713 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 5715* A Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Dr. Göhner (CDU/CSU) nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" (Zusatztagesordnungspunkt 6 a) 5715 * C Anlage 3 Amtliche Mitteilungen 5715* D Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Juni 1988 5663 84. Sitzung Bonn, den 10. Juni 1988 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens ** 10. 6. Antretter ** 10. 6. Frau Beck-Oberdorf 10. 6. Dr. Becker (Frankfurt) 10. 6. . Becker (Nienberge) 10. 6. Frau Berger (Berlin) 10. 6. Böhm (Melsungen) * 10. 6. Dr. Bötsch 10. 6. Frau Brahmst-Rock 10. 6. Brandt 10. 6. Breuer 10. 6. Büchner (Speyer) ** 10. 6. Bühler (Bruchsal) ** 10. 6. Conradi 10. 6. Daubertshäuser 10. 6. Daweke 10. 6. Duve ** 10. 6. Francke (Hamburg) 10. 6. Dr. Glotz 10. 6. Graf 10. 6. Gries 10. 6. Dr. Haack 10. 6. Haack (Extertal) 10. 6. Haar 10. 6. Dr. Hauff 10. 6. Dr. Haussmann 10. 6. Freiherr Heereman von Zuydtwyck 10. 6. Frau Hensel 10. 6. Ibrügger 10. 6. Jansen 10. 6. Frau Karwatzki 10. 6. Kiehm 10. 6. Kittelmann ** 10. 6. Klein (München) 10. 6. Dr. Klejdzinski ** 10. 6. Dr. Köhler (Wolfsburg) 10. 6. Dr.-Ing. Laermann 10. 6. Lambinus 10. 6. Lenzer ** 10. 6. Lutz 10. 6. Frau Luuk * 10. 6. Dr. Müller ** 10. 6. Niegel ** 10. 6. Frau Pack ** 10. 6. Paterna 10. 6. Pesch 10. 6. Dr. Probst 10. 6. Rappe (Hildesheim) 10. 6. Reddemann ** 10. 6. Rühe 10. 6. Sauer (Salzgitter) 10. 6. Scharrenbroich 10. 6. Frau Schilling 10. 6. Schmidt (München) ** 10. 6. von Schmude ** 10. 6. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Seidenthal 10. 6. Dr. Schneider (Nürnberg) 10. 6. Freiherr von Schorlemer 10. 6. Schröer (München) 10. 6. Dr. Soell ** 10. 6. Steiner ** 10. 6. Stobbe 10. 6. Frau Terborg 10. 6. Dr. Thomae 10. 6. Dr. Vogel 10. 6. Voigt (Frankfurt) 10. 6. Vosen 10. 6. Dr. Warnke 10. 6. Weisskirchen (Wiesloch) 10. 6. Wieczorek (Duisburg) 10. 6. Wischnewski 10. 6. Dr. Wörner 10. 6. Würzbach 10. 6. Zander 10. 6. Dr. Zimmermann 10. 6. Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Dr. Göhner (CDU/CSU) nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" (Zusatztagesordnungspunkt 6 a) Ich habe mich der Stimme enthalten, weil ich die Integration des Extensivierungsgesetzes in das Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe für falsch halte. Die umweltpolitische Komponente kommt dadurch nicht hinreichend zum Ausdruck; ich verweise im übrigen zur Begründung meines Abstimmungsverhaltens auf die Beschlußfassung zum Extensivierungsgesetz-Entwurf durch den Bundestagsausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Anlage 3 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 20. Mai 1988 beschlossen, zu dem nachstehenden Gesetz einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Gesetz zur Änderung des Hypothekenbankgesetzes und anderer Vorschriften für Hypothekenbanken Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu nachstehenden Vorlagen absieht: Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Drucksache 11/883 Nr. 123 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 11/138 Nr. 1.6 Drucksache 11/883 Nr. 127, 131 Drucksache 11/1107 Nr. 1.9 5716* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 84. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Juni 1988 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß sie die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen haben: Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/1895 Nr. 2.34 Drucksache 11/2089 Nr. 29 Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Drucksache 11/1365 Nr. 3.28 Der Chef des Bundeskanzleramtes hat mit Schreiben vom 27. Mai 1988 gemäß § 20 Abs. 5 des Milch- und Fettgesetzes die vom Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu erlassende Dritte Verordnung zur Änderung der Milch-Güteverordnung mit Begründung und Vorblatt mit der Bitte um Bekanntgabe übersandt. Die Verordnung liegt im Parlamentsarchiv zur Einsicht aus. Der Bundeskanzler hat mit Schreiben vom 7. Juni 1988 gemäß § 32 Abs. 6 des Bundesbahngesetzes den Jahresabschluß der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1986 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Der Jahresabschluß liegt im Parlamentsarchiv zur Einsicht aus.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Ignaz Kiechle


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor gut sechs Wochen haben wir in diesem Haus bei der Einbringung des Agrarberichts 1988 ausführlich über die schwierige Situation in der deutschen Landwirtschaft und über erforderliche Abhilfemaßnahmen diskutiert. Wir waren uns dabei einig, daß der Kern des Übels die anhaltende Überschußsituation auf wichtigen Agrarmärkten ist. Marktentlastung durch Produktionsanpassung ist das Gebot der Stunde — so war unsere Auffassung. Denn ohne Rückführung der Überschußproduktion ist keine Preis- und Einkommensstabilisierung für unsere Landwirte zu erwarten.
    Zu welchem Ergebnis eine gezielte Anpassung der Produktion an den Bedarf führen kann, zeigt sich beim Produkt Milch. Die Läger für Magermilchpulver sind praktisch leer. Bei Butter haben wir mit rund 500 000 Tonnen einen Bestand, der sich langsam einer normalen Lagerhaltung nähert. Vor zwei Jahren hätten wir nicht daran zu denken gewagt, als noch von einem Butterberg von mehr als 1 Million Tonnen und rund 800 000 Tonnen Magermilchpulver in den Lägern die Rede war. Warum sage ich das hier? Nicht durch Gesundbeterei, durch konkretes Tun, durch Festhalten an dem, was einmal für richtig befunden wurde, konnte dieser Erfolg sichergestellt werden.
    Die EG-Regierungschefs haben am 12./13. Februar dieses Jahres den Grundsatzbeschluß gefaßt, die Produktion pflanzlicher Produkte sowohl durch preispolitische als auch durch direkt mengenrückführende Maßnahmen zu begrenzen. Es waren auf EG-Ebene wie auf nationaler Ebene eine Vielzahl von Gesprächen und Aktivitäten notwendig, um auf dem von uns favorisierten Weg der Mengenbegrenzung an der Quelle, in diesem Fall der Teilflächenstillegung, voranzukommen. Für die ebenfalls beschlossene Extensivierung und Produktionsumstellung warten wir noch auf die detaillierten Ausgestaltungsvorschläge aus Brüssel.
    Wir beraten heute in zweiter und dritter Lesung den Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes". Dieser Gesetzentwurf, der auf eine Initiative des Bundesrates zurückgeht, soll die Zielsetzung der Gemeinschaftsaufgabe



    Bundesminister Kiechle
    erweitern. Die Bundesregierung hat ausdrücklich dem Anliegen des Bundesrates zugestimmt, die Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur an die seit 1969 veränderten gesamtwirtschaftlichen und agrarpolitischen Rahmenbedingungen anzupassen und dabei Maßnahmen zur betrieblichen Ausrichtung an die Marktentwicklung sowie zur Sicherung eines nachhaltig leistungsfähigen Naturhaushalts stärker zu berücksichtigen.
    Die EG-Beschlüsse zu einem Programm der Teilflächenstillegung, Extensivierung und Umstellung haben diese Initiative des Bundesrates inzwischen bestätigt. Bund und Länder haben sich darauf verständigt, die Maßnahmen in einem Sonderrahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" zu verwirklichen und sie auf fünf Jahre zu befristen, wobei sich der Bund zu 70 % und die Länder zu 30 % an der Finanzierung beteiligen.
    Die bisherigen Arbeiten der Koalitionsfraktionen an dem sogenannten Extensivierungsgesetz und der entsprechenden Durchführungsverordnung waren nicht vergebens. Sie sind Grundlage bei der Ausgestaltung der entsprechenden Förderungsgrundsätze im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe.
    Ich möchte bei dieser Gelegenheit den Koalitionsfraktionen für die beharrliche Unterstützung bei der Umsetzung der in Brüssel beschlossenen Teilflächenstillegungen in nationales Recht danken. Dank ihrer Vorarbeiten und ihres intensiven Bemühens um praktikable Lösungen sollen die Grundsätze zur Förderung der Stillegung von Ackerflächen bereits am 23. Juni dieses Jahres im Bund-Länder-Planungsausschuß der Gemeinschaftsaufgabe, meist PLANAK genannt, endgültig verabschiedet werden. Wie vorgesehen stehen damit rechtzeitig vor der Herbstaussaat den Landwirten die Informationen zur Verfügung, die sie brauchen, um das Angebot der Flächenstillegung gegen Ausgleichszahlungen zu prüfen und anzunehmen oder auch abzulehnen. Bekanntlich ist es jedem Landwirt freigestellt, an dem Programm zur Flächenstillegung teilzunehmen.
    Die Förderung der Teilflächenstillegung und später — voraussichtlich zum 1. Januar 1989 — der Extensivierung und Umstellung im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe hat gegenüber einer gesetzlichen Grundlage einen entscheidenden Vorteil: Die Förderungsgrundsätze lassen sich flexibler handhaben und leichter den praktischen Erfordernissen in den Ländern anpassen. Wir haben zwar in Niedersachsen bereits erste Erfahrungen mit der Teilflächenstillegung sammeln können; die Übertragung dieser Erfahrungen auf die Situation in den anderen Bundesländern steht aber noch aus. Änderungen am Förderungskonzept könnten sich als notwendig oder als sinnvoll erweisen. Dann muß unter Umständen rasch reagiert werden.
    Im jährlichen Bericht der Bundesregierung über die zukünftige Gestaltung der Gemeinschaftsaufgabe werden Sie, meine Damen und Herren Abgeordneten, über den Stand der Maßnahmen jeweils so rechtzeitig informiert, daß Sie auf die weiteren Entscheidungen Einfluß nehmen können. Von den insgesamt zur Verfügung stehenden Mitteln in Höhe von 357 Millionen
    DM ist ein Teil für die Extensivierung und Umstellung, für die Rodung im Weinbau und die Honorierung extensiver Fleischrinderhaltung zu reservieren. Die Mittel des Bundes werden nach einem Länderschlüssel aufgeteilt, so daß die Bundesländer gewisse Steuerungsmöglichkeiten haben.
    Ein weiteres lassen Sie mich abschließend noch klarstellen. Mit dem Entgelt für die Flächenstillegungen werden die Bauern nicht fürs Nichtstun bezahlt. Mit dem Einkommensausgleich, der in der genauen Höhe in den nächsten Tagen noch mit den Ländern festzulegen ist, werden vielmehr folgende Leistungen bezahlt: Zunächst der Verzicht auf Produktion und die dadurch bewirkte Entlastung des Agrarmarktes. Ein Verzicht auf Produktion fällt nicht jedem leicht. Letztlich möchte wohl jeder Bauer seine einzelbetrieblichen Möglichkeiten nutzen und nicht stillegen. Wie bei Milch müssen wir aber auch bei pflanzlichen Produkten zu einer Marktentlastung kommen, um weiterem Preisdruck entgegenzuwirken.
    Ferner wird mit dem Entgelt für die Flächenstillegung die Pflege der Flächen honoriert. Schließlich ist die Teilflächenstillegung ein wichtiger Beitrag der Bauern für mehr Ökologie in der landwirtschaftlichen Produktion.
    Ich möchte die Teilflächenstillegung in ihrer agrarstruktur-, markt- und umweltpolitischen Wirkung nicht überbewerten. Für sie spricht aber zumindest die Vielfalt der Ziele, die gleichzeitig mit ihr zu erreichen sind.
    Um die Flächenstillegung in der Praxis voll zum Tragen zu bringen, sind in einigen anderen Gesetzen Folgeänderungen notwendig. Dem wird in besonderen Artikeln des vorliegenden Gesetzentwurfes auch Rechnung getragen.
    Meine Damen und Herren, Alternativen zu einer solchen Maßnahme, die noch dazu EG-weit durchsetzbar wären, gab es kaum, durchsetzbare gar nicht. Ich hoffe, daß wir mit einem solchen Weg einen guten Anfang für ein weiteres Element der Agrarpolitik machen, nämlich auch das Weniger-Produzieren zu honorieren.
    Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dr. Philipp Jenninger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Müller (Schweinfurt).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Rudolf Müller


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vorweg drei Anmerkungen zu dem Gesetzentwurf, über den wir heute hier beschließen sollen.
    Zuerst eine formale Feststellung. Der Ablauf des parlamentarischen Verfahrens bei diesem Gesetzentwurf, den die Koalitionsfraktionen und die Bundesregierung dem Parlament zugemutet haben, ist unvertretbar, um nicht zu sagen: unverantwortlich. Es gab ein planloses Hin und Her bei der Vorlage verschiedener Entwürfe. Der verspätete Zeitpunkt Ihrer Vorlage ließ dem Ernährungsausschuß genau eine



    Müller (Schweinfurt)

    Stunde Zeit, um zu beraten und sein Votum abzugeben,

    (Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Das ist ja nicht ganz richtig!)

    und heute sollen wir nun beschließen. Seit gestern hat sich wiederum eine Änderung des Entwurfs ergeben, über den der Ausschuß überhaupt nicht beraten konnte.

    (Eigen [CDU/CSU]: War nötig wegen der Länder!)

    Ein solches Verfahren, meine Damen und Herren, ist unzumutbar — ich sage das für alle Kollegen hier im Plenum —,

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Eigen [CDU/CSU]: SPD-geführte Landesregierungen!)

    vor allem auch, weil es nicht das erstemal ist — ich erinnere an das Gesetz zur Entlastung von Sozialbeiträgen — , daß man so mit dem Parlament umgeht. Ich appelliere deshalb an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, daß dies wirklich das letzte Mal ist, denn so wird das Selbstverständnis des Parlaments in Frage gestellt. Die Maßnahmen, um die es hier heute geht, ihre Komplexität, die damit verbundenen Probleme und die Folgen für die deutschen Landwirte, die Landwirtschaft und die Landschaft hätten eine umfassendere Diskussion nicht nur verdient, sondern sogar erfordert; dies war nicht möglich.
    Zweite Vorbemerkung. Die EG-Regierungschefs haben in ihrer Grundsatzentscheidung über die Extensivierung die Flächenstillegung und den landwirtschaftlichen Vorruhestand einen wichtigen Schritt hin zu einer Neuorientierung der Agrarpolitik getan. Wir Sozialdemokraten haben diese Entscheidung ausdrücklich begrüßt. Direkte, produktionsneutrale Einkommensübertragungen waren seit langem Bestandteil unseres Reformkonzepts. Die Bundesregierung hat sich dieser Forderung zum Nachteil der deutschen Landwirtschaft jedoch viel zu lange verschlossen. Der jetzt endlich in Angriff genommene Neubeginn kann aber nur dann Erfolg haben, wenn er auf einer gesicherten Basis ruht, auf deren Bestand die Betroffenen vertrauen können. Bei der im vorliegenden Fall praktizierten Verfahrensweise kann davon jedoch keine Rede sein.
    Der Bundestag soll zu einem Zeitpunkt beschließen, an dem noch grundlegende Fragen der Durchführung der Extensivierung und ihrer Begleitmaßnahmen offen sind. Dies muß bei den Landwirten zwangsläufig Bedenken und Unsicherheit über den dauerhaften Bestand der zugesagten Hilfen erzeugen. Auch der Bundesfinanzminister sollte seine Haltung gegenüber den direkten Einkommensübertragungen noch einmal überdenken.

    (Beifall bei der SPD)

    Ermuntern Sie ihn dazu — oder noch besser — überzeugen Sie ihn, denn er schürt mit seinen permanenten Bremsmanövern in dieser Frage das Mißtrauen der Landwirte. So wird Vertrauen verspielt und wird die Wirksamkeit der Neuorientierung von Anfang an mit einer schweren Hypothek belastet.
    Meine dritte Vorbemerkung zielt auf den absurden Zeitplan der von den EG-Regierungschefs beschlossenen Maßnahmen. Die Flächenstillegung soll bereits im Juni 1988 in Kraft treten. Die aus unserer Sicht wesentlich wichtigere Extensivierung und Umstellung der Erzeugung sowie der Vorruhestand für ältere Landwirte und landwirtschaftliche Arbeitnehmer sollen dagegen erst zu Beginn des kommenden Jahres angewendet werden. Wir halten eine derartige zeitliche Zersplitterung aller dieser Maßnahmen nicht nur für unsinnig, sondern vor allem auch für unzumutbar für den Landwirt, denn alle diese Maßnahmen stehen in einem unmittelbaren Zusammenhang. Wir müssen sie als Ganzes sehen.
    Meine Damen und Herren, der Landwirt müßte doch den konkreten Inhalt in allen Einzelheiten kennen. Nur dann kann er sich klar entscheiden, ob und in welcher Form er seinen Betrieb weiterführen will oder ob er aufgeben soll. Eine Vielzahl von Menschen steht doch vor der Notwendigkeit, über ihren zukünftigen Lebensweg, aber auch über den ihrer Kinder zu entscheiden. Die Regierungsfraktionen und die Bundesregierung nehmen aber den Betroffenen mit dem jetzt praktizierten Verfahren jede Chance, diese Entscheidung in Kenntnis aller Möglichkeiten mit der notwendigen Ruhe und Sorgfalt treffen zu können.
    Wir fordern daher die Bundesregierung auf, umgehend eine Entscheidung über diesen Komplex zu treffen, um den Landwirten gleichzeitig mit den anderen Teilen des Reformpakets eine umfassende Entscheidungsgrundlage zu geben.
    Nun zum Gesetzentwurf selbst. Auch hier eine formale Anmerkung vorweg: Der Kompromiß zwischen Bund und Bundesländern, diese Maßnahme in die Gemeinschaftsaufgabe aufzunehmen, ist aus mehreren Gründen sicher nicht die glücklichste Lösung. Schließlich dient die Gemeinschaftsaufgabe bislang ausschließlich der Strukturverbesserung. Flächenstilllegung und Extensivierung sind dagegen Maßnahmen, die, wie der Herr Bundesminister Kiechle oft genug erklärt hat, der Marktentlastung dienen sollen. Von der Systematik her haben diese Maßnahmen also in der Gemeinschaftsaufgabe an sich nichts zu suchen. Auch ihre Finanzierung müßte entweder voll von der EG oder vom Bund getragen werden. Durch den Kompromiß vom 19. Mai 1988 hat man sich großzügig über diese Bedenken hinweggesetzt. Für die Parlamente im Bund und in den Ländern ist dabei besonders nachteilig, daß ihr Einfluß auf die konkrete Ausgestaltung der jeweiligen Maßnahmen praktisch auf Null reduziert wird.
    Die bisherigen Verhandlungen über die Gesetzesvorlage haben diese Ohnmacht der Parlamente geradezu exemplarisch deutlich gemacht. Die Ausgestaltung der konkreten Durchführungsregelungen wird nunmehr in den Planungsausschuß von Bund und Bundesländern verlagert. Der Bundestag und die Länderparlamente bleiben ohne jeden Einfluß auf die endgültige Regelung. Das ist das Problem der Gemeinschaftsaufgaben an sich. Ich sage das ganz deutlich. Wahrscheinlich würde es kein Parlament mehr geben, das so ein Gesetz heute verabschieden würde. Daß die Bundesregierung dem Ernährungsausschuß die Förderungsgrundsätze gleichzeitig mit dem Ge-



    Müller (Schweinfurt)

    setzentwurf zur Information vorgelegt hat, ändert an diesem Tatbestand nichts, denn der Planungsausschuß ist in seinen Entscheidungen, wie wir wissen, frei.
    Wir Sozialdemokraten hätten daher ein Spezialgesetz für die Extensivierung und Flächenstillegung vorgezogen, das die Modalitäten soweit wie möglich unmittelbar geregelt hätte. Unsere Grundvorstellungen über eine derartige gesetzliche Regelung haben wir in unserem Antrag im einzelnen dargelegt. Ich will diese Leitsätze hier noch einmal zusammenfassen:
    Nach unserer Auffassung muß die Extensivierung eindeutig Vorrang vor großräumigen Flächenstillegungen haben. Geschieht dies nicht, so droht dem ländlichen Raum, vor allem den ohnehin schon strukturschwachen benachteiligten Gebieten eine Beschleunigung der Abwanderung in einem Ausmaß, das die Funktionsfähigkeit dieser Räume beeinträchtigen, ja zerstören kann. Eine solche Entwicklung wäre aus regionalpolitischen Gründen nicht hinnehmbar. Natürlich besteht diese Gefahr der weiteren Entleerung ländlicher Räume nicht in allen Teilen unseres Landes in gleichem Ausmaß. Unterschiede ergeben sich schon aus der unterschiedlichen Agrarstruktur im Norden und im Süden. Wir haben das in Niedersachsen gesehen.

    (Widerspruch des Abg. Bredehorn [FDP])

    — In Bayern sieht man das ganz anders, Herr Kollege Bredehorn. Sie sollten nicht nur die Situation von Schleswig-Holstein oder Niedersachsen betrachten.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Auch das Ausmaß, in dem die Landwirte überhaupt von der Möglichkeit der Flächenstillegung und der Extensivierung Gebrauch machen, wird regional unterschiedlich sein, mit allen Folgen, die sich daraus im nachgelagerten Bereich, z. B. für den Landhandel, ergeben können. Das wissen wir.
    Andere EG-Länder und auch zahlreiche Bundesländer, nicht nur SPD-regierte, teilen diese negative Bewertung der Flächenstillegung durchaus. Ob die vorgesehene Höhe der Mindestbeihilfe keinen unangemessen hohen Anreiz für die Stillegung von schlechten Böden, wie sie vorzugsweise in strukturschwachen Regionen anzutreffen sind, gibt, wird die Praxis zeigen. Auf jeden Fall müßte von vornherein sichergestellt werden, daß nicht ganze Betriebe, sondern nur Teilflächen stillgelegt werden.
    Schließlich bedarf es einer vernünftigen Obergrenze für den Betrag der Ausgleichszahlungen pro Betrieb. In jedem Fall jedoch müßte eine angemessene Staffelung der Höhe des Gesamtbetrages der Ausgleichszahlungen erfolgen.
    Darüber hinaus wissen wir alle — Herr Bundesminister Kiechle hat es in letzter Zeit öfters betont — , daß Flächenstillegungen mit großer Wahrscheinlichkeit nicht zu einer durchgreifenden Verringerung der Agrarproduktion führen werden. Vielmehr dürfte allein der jährliche Produktionszuwachs den Rückgang der Erzeugung auf den stillgelegten Flächen mehr als kompensieren. Wollte man mit der Flächenstillegung tatsächlich einen Produktionsrückgang erreichen, dann müßten zum einen so viele Flächen stillgelegt
    werden, daß die strukturpolitisch unerwünschte Verödung weiter Landstriche unvermeidbar wäre, und zum anderen wäre das Programm dann wohl auch nicht mehr bezahlbar. Erinnern Sie sich an das, was Herr Kollege Dr. Ritz, Landwirtschaftsminister in Niedersachsen, gesagt hat.
    Produktionsrückgang, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, wird wohl auch deshalb nicht zu erreichen sein, weil es völlig natürlich ist, wenn die Landwirte auf den weiterbewirtschafteten Flächen durch eine stärkere Intensivierung versuchen werden, ihre Gesamtproduktion in unveränderter Höhe zu erhalten, wenn auch heute immer wieder das Gegenteil behauptet wird. Aber die schon jetzt bedeutend höheren Spitzenhektarerträge in anderen Ländern — ich erinnere an Großbritannien; da spricht man schon von 180 Doppelzentnern je Hektar Weizen — lassen erahnen, was auf diesem Gebiet möglich ist.

    (Richtig! bei der SPD)