Rede von
Uta
Würfel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Herren! Sehr geehrte Damen! Daß die Verbraucher in unserem Lande eine besonders sensible Beziehung zum Lebensmittel haben, ist verständlich und auch zu begrüßen. Lebensmittel dienen längst nicht mehr nur der Ernährung, Lebensmittel sind für viele von uns zugleich Genußmittel, auf die wir nicht verzichten wollen und, wie viele von uns wissen, auch nicht verzichten können. Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen; diese Einschätzung ist — nicht zur Freude der Mediziner und der Krankenkassen — weit verbreitet.
Aber bereits bei diesem Punkt, bei ernährungsbedingten Erkrankungen, wird deutlich, daß es bei dem hier zur Diskussion stehenden Thema notwendig ist, einiges auseinanderzuhalten und nicht alles in einen Topf zu werfen. Dazu gehört z. B. die Tatsache, daß für übermäßigen Konsum und die damit verbundenen Erkrankungen nicht die Lebensmittelhersteller verantwortlich gemacht werden können. Machen wir uns auch bewußt, daß es sehr viele Zusatzstoffe in unseren Lebensmitteln gibt, auf die wir nicht verzichten können, und daß es sich dabei um Zusatzstoffe handelt, die zur Lebensmittelsicherheit erheblich beitragen. Die Sicherstellung eines qualitativ und quantitativ ausreichenden Angebots an Lebensmitteln ist ohne den Einsatz von Zusatzstoffen gar nicht möglich.
Der mündige Verbraucher reagiert höchst sensibel auf Fragen der Lebensmittelsicherheit; diese darf nicht in Frage gestellt werden. Uns allen bekannte bestürzende Vorkommnisse der jüngsten Vergangenheit haben unser Bewußtsein noch weiter geschärft. Ich denke dabei an den Weinskandal, an die Kontamination von Lebensmitteln nach dem Unfall in Tschernobyl oder an die Verseuchung von Speiseölen mit Per.
Solche gravierenden Gefahren für die Gesundheit müssen — sie werden es auch — schonungslos aufgedeckt werden. Die Schuldigen müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Wo es sich erweist, daß die bestehenden lebensmittelrechtlichen Grundlagen nicht ausreichen, muß dies aufgezeigt werden, und sie müssen dann selbstverständlich auch nachgebessert werden.
Was die von Ihnen, meine Damen und Herren von der SPD, in Ihrem Antrag vom Juli 1987 angesprochene Gesetzeslücke anbetrifft, so ist diese inzwischen ausgeräumt worden. Am 25. April 1988 wurde die neue Höchstmengenverordnung Pflanzenschutz herausgegeben. In dieser Höchstmengenverordnung ist geregelt, daß nicht mehr nach Anwender und Produzent von Lebensmitteln unterschieden wird. Wer anbaut, muß sich inzwischen einer Sorgfaltspflicht unterziehen. Somit ist in diesem Punkt Ihr Antrag überholt.
Auch die Schadstoffhöchstmengenverordnung liegt seit dem 1. April 1988 vor. Die für die Festsetzung der Höchstmengen erforderlichen Daten berücksichtigen die Belastung der Lebensmittel und die Exposition der Konsumenten. Bislang gab es nur vom Bundesgesundheitsamt festgelegte Richtwerte von Schwermetallen, da noch nicht genügend Daten vorlagen. Nachdem die betreffenden Daten für Quecksilber und die Biphenyle erfaßt und erarbeitet worden sind, ist jetzt ein Anfang gemacht, um die anderen Schwermetalle sowie weitere Umweltchemikalien nach und nach in die Datenlager einzuspeisen.
Nunmehr benötigen wir eine verbesserte Datenlage für Blei, Kadmium, Per und andere Schadstoffe. Der Verbesserung dieser Datenlage dient das Lebensmittelmonitoring, das am 1. April 1988 beim Bundesgesundheitsamt und in den Bundesländern angelaufen ist. Dieses Lebensmittelmonitoring ermöglicht die repräsentative Ermittlung der Belastung der Konsumenten mit Schadstoffen. Es ist in der Bundesrepublik Deutschland, weltweit noch einmalig. Das Neue an dieser Art Untersuchung bestimmter Lebensmittelgruppen ist, daß hierbei auch herstellungs- und verbraucherorientiert vorgegangen wird, d. h. es werden Proben beim Produzenten auf dem Wege zum Verbraucher und kurz vor der Übergabe an den Konsumenten gezogen. So wird es möglich, die Betriebe rechtzeitig vor Produktionsunstimmigkeiten zu warnen, damit diese abgestellt werden können.
Auf diese Weise kann nun wissenschaftlich nachgewiesen werden, inwieweit die Vorwürfe gegenüber der Lebensmittelindustrie wirklich begründet sind und ob wir in der Bundesrepublik mit unserer Gesetzeslage nicht doch gut oder sogar besser bedient sind, als manche von uns wahrhaben wollen.
Bislang ist es doch so: Gibt es bei einem Lebensmittel einen überschrittenen Höchstmengenwert, dann wird unter Umständen vielfach pauschaliert und gesagt, alles sei vergiftet. Mit Hilfe des Lebensmittelmonitoring sind die Wissenschaftler nun in der Lage, uns konkrete Angaben an die Hand zu geben, um Vorwürfen entgegenzutreten und handeln zu können.
Natürlich müssen Produzenten auch betriebswirtschaftliche Kostengesichtspunkte berücksichtigen. Das schließt aber nicht aus, daß gleichzeitig gesundheitliche Anforderungen an die Lebensmittelsicherheit gestellt werden, nicht zuletzt auch im Hinblick auf die Direktvermarktung von Bioprodukten.