Rede von
Horst
Jaunich
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon etwas merkwürdig, wenn man feststellt, wie sich die Koalition und der Bundesminister in der Materie, die wir heute behandeln, verhalten. Da hat sich eine Wagenburgmentalität entwikkelt. Man hat sich eingeigelt, und man stilisiert die Kritik, die von allen Seiten kommt, dazu hoch, daß dies nur der Ausdruck sich gegenseitig widerstreitender gruppenspezifischer Einzelinteressen sei.
— Über Nullen reden wir nicht, ich möchte Sie nicht dauernd ansehen müssen.
Herr Blüm, Sie haben sich in dieser Frage so verstiegen, daß Sie alles, was an sachlicher Kritik vorgebracht wurde, pauschal diffamiert haben. Ich stimme Ihnen dort zu, wo Sie sich gegen Extremkritik, die von den Buchstaben der Entwürfe und jetzt dieses Gesetzentwurfes nicht gedeckt ist, zur Wehr setzen. Das sollte jeder tun. Aber so, wie Sie an das Thema herangegangen sind, aus der Kritik abzuleiten, daß Sie doch wohl den Stein der Weisen gefunden hätten, dies ist nicht nur eine schamlose Übertreibung, sondern stellt die tatsächlichen Verhältnisse auf den Kopf.
Stichwort: Bürokratiemonster. Das ist doch angezeigt gewesen. Wenn auch im Laufe der Prozesse von den Eckwertbeschlüssen über die einzelnen Stationen der Koalitionsverhandlungen zu einem Vorentwurf, einem Referentenentwurf und einem zweiten Referentenentwurf etwas abgeschmolzen ist, dann ist das doch nur auf die nachhaltige Kritik solcher Gruppen zurückzuführen gewesen, die das sehr schnell erkannt haben. Dazu gehört auch die Kritik, die meine Fraktion sehr frühzeitig zu dem Thema vorgebracht hat, sowohl zu den Überbürokratisierungen — davon sind immer noch welche übriggeblieben — wie auch zu dem Thema, daß die Leistungsdaten der Versicherten in einem einheitlichen Leistungskonto zusammengefaßt würden.
Da muß ich Sie an das erinnern, was im Zusammenhang mit der Volkszählung berechtigterweise an Sorgen von den Menschen vorgetragen worden ist. Ich muß Sie aber auch an das erinnern, was das Bundesverfassungsgericht zum Datenschutz gesagt hat. Da können wir gar nicht sensibel genug sein. Auch das, was jetzt noch drinsteht, werden wir ganz sorgfältig untersuchen; denn für Datenschutz ist diese Regierung, insbesondere mit Herrn Zimmermann versehen, wirklich kein Gütesiegel.
Deswegen werden Sie begreifen müssen, daß wir dies sehr sorgfältig untersuchen.
Hier sind häufig genug die Lösungen, die wir in die Diskussion eingebracht haben, diffamiert worden. Da ist einerseits gefragt worden, wo denn unsere Lösungsbeiträge seien. Andere haben sich mit ihrer Kritik daran orientiert. Auf eines müssen Sie sich nun einmal verständigen, was Gültigkeit haben soll!
Ich greife einmal solche Bemerkungen aus Sonntagsreden heraus wie Freiheit, freiheitliches Gesundheitswesen und Marktwirtschaft. Dies alles soll Ihrem „bürokratischen Monster" hier entsprechen? Und eine Lösung, die wirklich marktwirtschaftlich ist — nämlich eine Verhandlungslösung zum Thema Arzneimittelpreisgestaltung — ist dann eine Lösung, über der der Sowjetstern steht — da kann ich doch wirklich nur lachen! Was ist denn wohl marktwirtschaftlicher? Wir wollen das Preissetzungsmonopol aufbrechen und sagen: Für alle Leistungstatbestände der gesetzlichen Krankenversicherung haben wir doch schon Verhandlungslösungen eingeführt, nur hier nicht. Deshalb meinen wir — lassen Sie mich diesen Satz erst zu Ende bringen, Herr Cronenberg, dann können Sie Ihre Zwischenfrage stellen — : Hier müssen Verhandlungen einsetzen, wobei wir vorher die Krankenkassen dazu in den Stand gesetzt haben.
Als es Befürchtungen gegen diesen Entwurf gab — es war übrigens ein Gesetzentwurf, der hier vorgelegen hat — , wurde philosophiert, die Kassenvertreter könnten so rückständig sein, daß sie die nachgewiesenen Forschungskosten nicht berücksichtigten. Das ist Quatsch. Ich kann mir keinen Kassenvertreter vorstellen, der nachgewiesene Forschungsaufwendungen nicht zu den berücksichtigungsfähigen Kosten im Rahmen solcher Preisverhandlungen zählen würde.
Aber wenn es denn sein soll, dann bin ich sofort bereit zu sagen: Schreiben wir das doch in einen solchen Gesetzentwurf hinein; dies ist allemal marktwirtschaftlicher als die bürokratische Hürde, die Sie mit Ihrem Festbetragsmodell errichten.