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ID1107807000

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    Plenarprotokoll 11/78 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 78. Sitzung Bonn, Freitag, den 6. Mai 1988 Inhalt: Tagesordnungspunkt 24: a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen (Gesundheits-Reformgesetz) (Drucksache 11/ 2237) b) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Reichsversicherungsordnung (Drucksache 11/280) c) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (Drucksache 11/1623) d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einordnung der Vorschriften über die Meldepflichten des Arbeitgebers in der Kranken- und Rentenversicherung sowie im Arbeitsförderungsrecht und über den Einzug des Gesamtsozialversicherungsbeitrags in das Vierte Buch Sozialgesetzbuch — Gemeinseme Vorschriften für die Sozialversicherung — (Drucksache 11/2221) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Erste Beratung des von der Abgeordneten Frau Unruh und der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Finanzierung einer besseren Pflege (Bundespflegegesetz) (Drucksache 11/1790 [neu]) Dr. Blüm CDU/CSU 5273 D Dreßler SPD 5281 A Dr. Blüm CDU/CSU (Erklärung nach § 30 GO) 5287 C Dreßler SPD (Erklärung nach § 30 GO) . 5288 A Cronenberg (Arnsberg) FDP 5288 A Frau Wilms-Kegel GRÜNE 5292 D Günther CDU/CSU 5296 B Egert SPD 5299 B Seehofer CDU/CSU 5303 B Frau Unruh GRÜNE 5306B, 5324 A Dr. Thomae FDP 5308 A Heyenn SPD 5309 D Dr. Becker (Frankfurt) CDU/CSU . . . 5311D Dr. Knies, Minister des Landes Niedersachsen, Beauftragter des Bundesrates . . . 5314 C Jaunich SPD 5316A Wüppesahl fraktionslos 5318D Zink CDU/CSU 5320 B Haack (Extertal) SPD 5321 D Dr. Blüm, Bundesminister BMA 5324 B Nächste Sitzung 5325 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 5327* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 5327* C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. Mai 1988 5273 78. Sitzung Bonn, den 6. Mai 1988 Beginn: 9.03 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein * 6. 5. Dr. Ahrens * 6. 5. Dr. Bangemann 6. 5. Frau Beck-Oberdorf 6. 5. Becker (Nienberge) 6. 5. Frau Blunck * 6. 5. Böhm (Melsungen) * 6. 5. Büchner (Speyer) * 6. 5. Bühler (Bruchsal) * 6. 5. Catenhusen 6. 5. Frau Conrad 6. 5. Daweke 6. 5. Dr. Dregger 6. 5. Frau Fischer * 6. 5. Frau Flinner 6. 5. Gallus 6. 5. Gattermann 6. 5. Frau Geiger 6. 5. Geis 6. 5. Dr. Geißler 6. 5. Dr Götz 6. 5. Dr. Hauff 6. 5. Dr. Haussmann 6. 5. Frhr. Heeremann von Zuydtwyck 6. 5. Hiller (Lübeck) 6. 5. Dr. Hitschler * 6. 5. Ibrügger 6. 5. Jansen 6. 5. Jungmann 6. 5. Klein (Dieburg) 6. 5. Klein (München) 6. 5. Dr. Klejdzinski 6. 5. Leidinger 6. 5. Lemmrich * 6. 5. Link (Diepholz) 6. 5. Frau Luuk * 6. 5. Meyer 6. 5. Dr. Müller * 6. 5. Dr. Neuling 6. 5. Niegel * 6. 5. Frau Pack * 6. 5. Pfeifer 6. 5. Dr. Probst 6. 5. Reddemann * 6. 5. Regenspurger 6. 5. Reuschenbach 6. 5. Dr. Riedl (München) 6. 5. Ronneburger 6. 5. Roth (Gießen) 6. 5. Frau Rust 6. 5. Dr. Scheer * 6. 5. Scheu 6. 5. Schmidt (München) * 6. 5. von Schmude * 6. 5. Dr. Schneider (Nürnberg) 6. 5. Schreiner 6. 5. Schröer (Mülheim) 6. 5. Frau Simonis 6. 5. Steiner * 6. 5. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Uelhoff 6. 5. Dr. Unland * 6. 5. Dr. von Wartenberg 6. 5. Wimmer (Neuss) 6. 5. Wissmann 6. 5. Würtz 6. 5. Zierer * 6. 5. Dr. Zimmermann 6. 5. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 29. April 1988 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Gesetz über die Anpassung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung und der Geldleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung im Jahre 1988 Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung Gesetz zur Ausführung zwischenstaatlicher Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge in Zivil- und Handelssachen (Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz - AVAG) Gesetz zu dem Übereinkommen vom 10. April 1984 über den Beitritt der Republik Griechenland zu dem am 19. Juni 1980 in Rom zur Unterzeichnung aufgelegten Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht Gesetz zu der Änderung vom 16, Oktober 1985 des Übereinkommens vom 3. September 1976 über die Internationale Seefunksatelliten-Organisation (INMARSAT-Übereinkommen) Gesetz zu dem Dritten Protokoll vom 12. Mai 1987 zur Änderung des Vertrages vom 27. Oktober 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland, der Französischen Republik und dem Großherzogtum Luxemburg über die Schiffbarmachung der Mosel Gesetz zu dem Übereinkommen vom 11. Dezember 1987 zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und dem Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, der Italienischen Republik, dem Königreich der Niederlande und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland über Inspektionen in bezug auf den Vertrag zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Beseitigung ihrer Flugkörper mittlerer und kürzerer Reichweite Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu nachstehenden Vorlagen absieht: Rechtsausschuß Drucksache 10/5012 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/841 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß sie die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen haben: Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 11/2089 Nr. 3-8 Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/1895 Nr. 2.35 Ausschuß für Verkehr Drucksache 11/929 Nr. 2.28 Drucksache 11/1107 Nr. 2.11 Drucksache 11/1707 Nr. 29 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 11/779 Nr. 2.55 Drucksache 11/1365 Nr. 3.30 Drucksache 11/1656 Nr. 3.39 Anlagen zum Stenographischen Bericht
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Jürgen Egert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Nein. Jetzt gestatte ich keine Zwischenfragen mehr.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt kommt das Konzept!)

    Weil die Herren und Damen vorhin so viel dazwischengelärmt haben, brauche ich nun die Zeit, um in der Sache weiterzukommen, Herr Präsident. Dies gilt für die ganze Zeit, damit Sie das wissen.

    (Seiters [CDU/CSU]: Ihre Zeit ist abgelaufen!)

    Nun will ich mich noch ein paar Minuten mit der Solidarität auseinandersetzen. Mein Freund Dreßler hat schon zu Recht gesagt: Jemand, der keine Härtefälle schafft, braucht keine Härtefallregelung. Auch da wird die Solidarität verkürzt.
    Nun haben Sie noch eine semantisch schöne Übung gemacht. Sie sagen: Wir schaffen noch ein Übriges. Damit wird Selbstbeteiligung nicht ins Grenzenlose wächst, machen wir eine Überforderungsklausel. Die Wahrheit ist: Sie schaffen einen Selbstbeteiligungsbegrenzungsfonds und nicht eine Überforderungsklausel. Denn wenn Sie mit uns einig wären und das Sachleistungsprinzip verteidigen würden, dann bräuchten wir die Überforderungsklausel nicht, weil im Sachleistungsprinzip die Selbstbeteiligung keinen Platz hat.

    (Scharrenbroich [CDU/CSU]: Nur werden die Versicherten dann durch zu hohe Beiträge überfordert!)

    Wir brauchen also keine Überforderungsklausel.
    Sie kommen mir vor, Herr Minister, wie jemand der sagt: Lassen Sie uns einen begrenzten Waldbrand machen, und der gleich die Spritzen verteilt und ver-



    Egert
    kündet: Es darf hier aber nur in diesem Umfang gebrannt werden; wehe, der Brand greift über.

    (Jaunich [SPD]: Brandstifter ist er ja ohnehin!)

    Da sage ich, Herr Brandstifter: Das Problem ist, wer einmal zum Brandstifter wird, der kann davon nicht lassen; er wird zum Gewohnheitstäter.

    (Jaunich [SPD]: Ein Pyromane ist das!)

    Ich fürchte also, daß die prozentuale Selbstbeteiligung, die es bei Arzneimitteln, bei Heil- und Hilfsmitteln, bei Fahrtkosten, bei Zahnersatz usw. geben soll, ausgeweitet wird. Damit zerstören wir eines der tragenden Prinzipien unserer gesetzlichen Krankenversicherung. Genau dagegen sind wir allerdings als Sozialdemokraten; das soll hier mit uns nicht verhandelt werden.

    (Beifall bei der SPD — Dr.-Ing. Kansy [CDU/ CSU]: Das wissen wir ja nun! Wofür sind Sie denn? Konzept!)

    Ich komme jetzt zu Ihrer Überforderungsklausel. Sie hat ja einen „Charme", den die Menschen draußen kennen müssen. Bei Heil- und Hilfsmitteln und bei Arzneimitteln gibt es keine Härtefälle. Also gibt es einkommensbezogen 2 % Strafsteuer — so hat mein Kollege Dreßler gesagt — für jede und jeden, vom Sozialhilfeempfänger über die Rentnerin bis zu den vom Einkommen her Bessergestellten. Da existiert keine Härtefallregelung, sondern da greift Ihre fürsorgliche Überforderungsklausel, nach der bei den Sozialhilfeempfängern vom Existenzminimum noch 2 % für Arzneimittel und Heil- und Hilfsmittel kassiert werden, also bei einer Rentnerin mit 1 200 DM Rente 24 DM im Monat. Dies soll solidarisch sein? Wenn dies solidarisch ist, dann heiße ich ab sofort Karl Egon. Dies ist das Gegenteil von solidarisch; dies ist das Abkassierungsmodell.

    (Dr. Vogel [SPD]: Karl Egon ist doch ein schöner Name! Norbert heißt er!)

    — Norbert möchte ich nun — mit Verlaub, mein Vorsitzender — wirklich nicht heißen. Da gibt es Vorgänger, die mir diesen Vornamen suspekt machen.
    Zu dem Solidaritätsmodell: Ich will Ihnen bei der Solidarität noch einen Punkt ins Gedächtnis rufen, nämlich den des Zahnersatzes.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wann kommen Sie zu Ihrem Programm? — Zuruf von der FDP: Wann kommt denn Ihr Konzept?)

    Wir haben das hier alles so diskutiert, als wäre das sozusagen nur eine Frage der Beträge. Nein, die Beträge stehen ja im Zusammenhang mit den Möglichkeiten der Menschen. Frau Kollegin Wilms-Kegel hat sinnvollerweise darauf schon hingewiesen.
    Ich will das noch einmal bewußt machen. Sehen Sie denn nicht, welche soziale Unmöglichkeit Sie mit diesem Kostenerstattungsprinzip bei Zahnersatz etablieren? Es ist doch eine verrückte Idee, wenn Kleinkredite dafür aufgenommen werden müssen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Dann kommt wegen der Solidarität wieder die finanzielle Möglichkeit der einzelnen und des einzelnen
    zum Tragen. Hier ist schon gesagt worden: Er oder sie hat die Entscheidung, auf die Leistung zu verzichten — das ist eine Möglichkeit — , oder er oder sie hat die Entscheidung, sich zu verschulden.
    Von dem bürokratischen Unfug, der insgesamt angerichtet wird, will ich überhaupt nicht reden. Das haben die Krankenkassen viel besser drauf, so daß ich das nicht mehr in die Debatte einführen muß. Auch da verstoßen Sie wieder gegen das Sachleistungsprinzip. Das wendet sich dann gegen Ihre Idee der Festbeträge. Sie halten diese als das einzige steuernde Instrument hoch. Da muß ich Ihnen sagen: Auch wir Sozialdemokraten sind, weil wir für das Sachleistungsprinzip sind, gegen das Kostenerstattungsprinzip, erstens weil es die Menschen überfordert und zweitens weil wir es auch für einen Systembruch in der gesamten Krankenversicherung halten. Ich denke, daß Sie von daher auch dort unsere Unterstützung nicht erwarten können.
    Nun komme ich zu den Festbeträgen. Wissen Sie, da haben wir Sozialdemokraten eine andere Idee. Diese hätten wir übrigens in der letzten Legislaturperiode schon verwirklichen können. Wenn die Bereitschaft auf dieser Seite des Hauses vorhanden gewesen wäre, hätten wir streng marktwirtschaftlich orientierte vertragliche Beziehungen zwischen Krankenkassen und Pharmaindustrie herstellen können.

    (Günther [CDU/CSU]: Warum haben Sie es vorher nicht gemacht?)

    — Wir haben den Gesetzentwurf hier eingebracht. Sie haben ihn aus Ignoranz abgelehnt, und dieser Herr kommt jetzt daher und sagt, es habe keine Vorschläge gegeben. Es hat Vorschläge gegeben; sie waren in der Ausschußberatung; sie hätten verabschiedet werden können; sie sind nicht verabschiedet worden. Unsere Vorschläge halten wir für eine Alternative zu dem Festbetragskonzept.

    (Cronenberg [Arnsberg] [FDP]: Mit Marktwirtschaft hat das nichts zu tun! Das ist die systematische Zerstörung von mittelständischen Betrieben!)

    — Herr Cronenberg, aber der Festbetrag hat etwas mit Marktwirtschaft zu tun. Nun lassen Sie sich doch auslachen. Wenn ich zur Firma Mercedes-Benz gehe und ihr 75 % der Jahresproduktion abnehme, dann möchte ich einmal wissen, ob ich von der Firma Mercedes-Benz nicht günstigere Konditionen bekommen kann als die gesetzliche Krankenkasse von der Pharmaindustrie. Ich glaube, das ist doch ein Widersinn, Herr Kollege Cronenberg.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie als Fahnenstangenfabrikant wissen das besser als ich. Also kommen Sie mir nicht mit so dummen Zwischenrufen.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der SPD: Bravo!)

    Hier hätte es eine Möglichkeit geben können, etwas zu tun. Ich sage gleich dazu, daß das Festbetragskonzept eine Alternative ist.

    (Cronenberg [Arnsberg] [FDP]: Sie haben die Marktwirtschaft nicht begriffen!)




    Egert
    — Ach, wissen Sie, Herr Cronenberg, jetzt will ich Ihnen einmal ein Kolleg in Marktwirtschaft halten. Der Pharmamarkt ist nun wirklich monopolartig strukturiert in unserer Gesellschaft — wirklich monopolartig; gehen Sie zum Kartellamt, und lassen Sie es sich erzählen — , weil sieben große Unternehmen den Markt nach Produktionen unter sich verteilt haben. Erzählen Sie mir doch nicht, daß da Wettbewerb und Markt funktionieren. Dies ist doch wirklich grober Unfug.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Zuruf von der CDU/CSU — Abg. Cronenberg [Arnsberg] [FDP] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Wir werden in den Ausschüssen noch Gelegenheit haben, uns über Ihre Vorstellungen weiter auseinanderzusetzen. Ich will Ihnen hier heute nur sagen, daß Sie — —

    (Cronenberg [Arnsberg] [FDP]: Wo kommen denn die vielen Generika her?)

    — Nein, es erregt, was Sie da an Unfug in die Welt setzen wollen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Machen Sie den Dreßler nicht neidisch!)

    Wir werden nicht zulassen, daß Sie mit Ihrem unsozialen Machwerk die Bürgerinnen und Bürger darüber hinwegtäuschen, daß Sie tatsächlich strukturell neue Wege gehen wollen. Das sind aber Wege in ein neues System, das die gesetzliche Krankenversicherung zerschlagen soll. Dabei sind Sie hier auf dieser Seite, ganz rechts außen von mir, die Schrittmacher.

    (Beifall bei der SPD) Vielen Dank für Ihre aufgeregte Geduld.


    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Lachen bei der CDU/CSU)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Seehofer.

(Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt kommt wieder Sachlichkeit in die Debatte!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Horst Seehofer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich fühle mich an eine alte Lebensweisheit aus meiner bayerischen Heimat erinnert: Die lautesten Kühe geben die wenigste Milch.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Wir diskutieren jetzt seit 9 Uhr; seit zweieinhalb Stunden ist die SPD nicht in der Lage,

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Hormonspritzen sind schlimmer!)

    hier vor der deutschen Öffentlichkeit zu sagen, wie sie die Strukturreform im Gesundheitswesen durchführen möchte.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

    Meine Damen und Herren, es ist das Recht der Opposition, Kritik zu üben, aber es ist auch eine Pflicht der
    Opposition, selbst die Karten auf den Tisch zu legen
    und zu sagen, wie man selbst diese Reform durchführen möchte.

    (Dreßler [SPD]: Herr Kollege, haben Sie lesen gelernt oder nicht?)

    Herr Egert, Sie haben am 7. Mai 1987 — exakt vor einem Jahr — im Pressedienst Ihrer Fraktion geschrieben, daß Sie die Bundesregierung aus ihrem gesundheitspolitischen Dämmerzustand aufwecken wollen.

    (Egert [SPD]: Das werden wir auch tun!)

    Hochmut kommt vor dem Fall. Während Sie als SPD noch in Ihrem Schrebergarten sitzen und überlegen, ob und was Sie säen sollen, steht diese Koalition bereits vor der Ernte.

    (Zuruf von der SPD: Vor dieser Ernte würde ich mich an Ihrer Stelle aber fürchten! — Heyenn [SPD]: Warum sind Sie gegen Schrebergärten?)

    Und es ist für die Versicherten eine gute Ernte; denn wir diskutieren seit Mitte der 70er Jahre über die Absicherung des Pflegefallrisikos. Jetzt ist die Zeit unverbindlicher Programme und Überlegungen vorbei.

    (Heyenn [SPD]: Er hat etwas gegen Schrebergärten! — Zuruf von der CDU/CSU)

    Mit diesem Gesundheitsreformgesetz werden Hilfen für die Schwerpflegebedürftigen eingeführt. Die Zeit des Redens und der leeren Programme ist vorbei, meine Damen und Herren.
    Nach Wiedereinführung der Kinderfreibeträge im Steuerrecht, nach Einführung des Erziehungsurlaubs mit Erziehungsgeld, nach Anerkennung der Erziehungszeiten im Rentenrecht ist dies der vierte familienpolitische Durchbruch seit dem Kurswechsel 1982.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Genauso ungerecht wie alles davor!)

    Wir lassen im Gegensatz zu Ihnen die Familien nicht links liegen,

    (Dreßler [SPD]: Sie lassen sie rechts liegen!)

    sondern wir unterstützen die Familien als Fundament einer freien und menschlichen Gesellschaft.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Frau Steinhauer [SPD]: Schwach!)

    Meine Damen und Herren, während bei einer Krankheit umfassende Absicherung und Versorgung von der gesetzlichen Krankenversicherung gewährleistet ist — die Krankenkassen finanzieren alles —, muß ein Pflegebedürftiger in aller Regel die hohen Pflegekosten selbst tragen.

    (Scharrenbroich [CDU/CSU]: Hundertprozentig selbst bezahlen! — Zuruf von der SPD)

    Dieses ist ein Alles-oder-nichts-Prinzip,

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    und dieses Alles-oder-nichts-Prinzip ist sozialpolitisch
    nicht länger vertretbar. Es geht nicht weiter an, daß
    jede Bandage, die leichteste Erkrankung über die



    Seehofer
    Krankenversicherung bezahlt wird, aber das hohe Risiko der Pflege jeder solidarischen Absicherung entbehrt. Dies ist ein sozialpolitischer Skandal, der jetzt sein Ende findet.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir lassen die Pflegebedürftigen nicht allein. Wir kassieren nicht ab; wir sichern ab, meine Damen und Herren. Das ist der wesentliche Unterschied zu dem, was Sie uns ständig vorwerfen. Wir führen mit dieser Gesundheitsreform eine entscheidende Verbesserung für die Pflegebedürftigen ein, wobei im Mittelpunkt unserer Hilfe steht, daß wir die häusliche Pflege stärken und die Angehörigen, die seit vielen Jahren Pflegebedürftige unterstützen, entlasten.
    Ich meine, es ist human und vernünftig, wenn Pflegebedürftige die Zuwendung ihrer Angehörigen erfahren und die sozialen Bindungen durch Verbleiben in der gewohnten Umgebung erhalten bleiben. Wir setzen auf die ambulante Versorgung, weil sie menschlicher und auch finanziell vorteilhafter ist als die stationäre Versorgung.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Uns geht es um mehr als um die bloße Verwahrung pflegebedürftiger Menschen. Wir wollen auch die menschliche Zuwendung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Becker [Frankfurt] [CDU/CSU]: Das ist richtig und wichtig!)

    Meine Damen und Herren, die Pflege ist auch Dienst am Nächsten und fordert in erster Linie die Familien. Viele Angehörige nehmen sich in aufopferungsvoller Weise dieser Aufgabe an. Zwischen 80 und 90 % der Hilfebedürftigen werden in vertrauter Umgebung zu Hause gepflegt. Dies ist ein unersetzbares Zeugnis von Mitmenschlichkeit in unserer Gesellschaft.
    Nun sind pflegende Angehörige oft nicht in der Lage, die Pflege über mehrere Jahre ohne Entlastung und Unterstützung zu leisten. Werden diese Pflegekräfte ständig überfordert, ist einmal der Weg des Pflegebedürftigen in die Heimunterbringung vorgezeichnet, oder aber es besteht die Gefahr, daß aus dem Pflegenden von heute der Pflegebedürftige von morgen wird, und das müssen wir verhindern, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir führen deshalb für Schwerpflegebedürftige in zwei Schritten folgende neue Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung ein. Ab 1. Januar 1989 wird die gesamte häusliche Pflege für vier Wochen im Jahr übernommen, wenn die Pflegeperson wegen Krankheit, Urlaub oder aus einem sonstigen Grund ausfällt, und ab 1. Januar 1991 werden zusätzlich Pflegehilfen gewährt, und zwar bis zu 25 Pflegeeinsätze von ambulanten Diensten je Kalendermonat; wahlweise zahlt die Krankenkasse auch eine Pflegehilfe als Geldbetrag von 400 DM je Monat.
    Wir haben uns in der Regierungskoalition trotz mancher Widerstände in der öffentlichen Diskussion für die sogenannte Krankenversicherungslösung entschieden, d. h. das Leistungsrecht der gesetzlichen
    Krankenkassen wird um einen neuen Versicherungsfall der Pflegebedürftigkeit ergänzt. Es gibt eine ganze Reihe guter Gründe, warum wir uns für diese organisatorische Lösung entschieden haben.
    Es ist heute sehr schwer, Pflegebedürftigkeit und Krankheit voneinander abzugrenzen. Diese Abgrenzungsfragen verlieren entscheidend an Schärfe, wenn sowohl bei der Krankheit wie der Pflegebedürftigkeit ein und derselbe Träger die Leistung erbringt. Darüber hinaus steht mit den Krankenkassen eine Trägerorganisation bereit, die besondere Erfahrungen mit der Durchführung von gesundheitlichen und sozialen Aufgaben aufweist. Wir vermeiden damit eine neue Sozialbürokratie. Wir greifen zurück auf das Bewährte, auf eine Organisation, die sich seit über 100 Jahren bewährt hat.
    Schließlich bringt die Krankenversicherungslösung auch den Vorteil, daß wir umfängliche neue Vorschriften für das Beitragsrecht und für den versicherten Personenkreis vermeiden.
    Meine Damen und Herren, die Leistungen der Pflegehilfe gefährden auch nicht unser Ziel der Beitragssatzstabilität in der gesetzlichen Krankenversicherung. Beitragssatzstabilität darf nicht mit dem Verzicht auf gesundheitliche Gestaltung gleichgesetzt werden.

    (Günther [CDU/CSU]: Sehr wichtig ist das!)

    Auch bei stabilen Beitragssätzen ist es möglich, neue Leistungen einzuführen, neuen Herausforderungen gerecht zu werden, wenn man auf der einen Seite gesundheitspolitische Prioritäten setzt und gleichzeitig Einsparvolumen erzielt, wie wir es mit dieser Gesundheitsreform erreichen.
    Auch die Solidargemeinschaft der Beitragszahler wird nicht überfordert. Neue Leistungen der Pflegehilfe werden erst in Kraft gesetzt, wenn die Einsparungsvolumen vorhanden sind. Deshalb verwirklichen wir diese Pflegehilfe in zwei Schritten. Zudem ist der anspruchsberechtigte Personenkreis beschränkt auf die Schwerpflegebedürftigen. Das sind die Menschen, die rund um die Uhr der Pflege bedürfen. Es sind etwa 600 000 in der Bundesrepublik Deutschland, 1 % der Bevölkerung.
    Darüber hinaus erhalten nur diejenigen Versicherten Pflegeleistungen, die länger in diese Solidargemeinschaft einbezahlt haben.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Ja, Ja!)

    Frau Unruh, es muß vermieden werden, daß jemand zeit seines Lebens in der Privatversicherung ist, mit 57 Jahren in die Solidargemeinschaft der gesetzlichen Krankenversicherung kommt und dann gegen das Risiko des Pflegefalls abgesichert ist. Deshalb sollen nur die einen Vorteil von dieser Absicherung haben, die auch den Hauptteil ihres Lebens in diese Solidargemeinschaft einbezahlt haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und des Abg. Cronenberg [Arnsberg] [FDP])

    Das Vorliegen der schweren Pflegebedürftigkeit muß durch den medizinischen Dienst überprüft werden. Das, was oft in der Öffentlichkeit befürchtet wird,
    Deutscher Bundestag — 1 i. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. Mai 1988 5305
    Seehofer
    daß es zu einer Entscheidung nach Aktenlage kommt, findet nicht statt.
    Schließlich kann die Geldleistung in Höhe von 400 DM nur derjenige beanspruchen, der selbst ausreichend Zeit hat, die Pflege durchzuführen. Eine volle Erwerbstätigkeit und gleichzeitig Bezug des Pflegegeldes sind nicht möglich. Damit vermeiden wir ein Ausufern von Mitnahmeeffekten, und das ist sehr wichtig.
    Zugleich muß man bei all diesen Finanzierungsüberlegungen berücksichtigen, daß die Hilfe bei der häuslichen Pflege auch zu einer Entlastung der Krankenhäuser von Fehlbelegungen durch Pflegefälle führt und daß die Absicherung der ambulanten Pflege einen ganz entscheidenden Anreiz dafür darstellt, daß künftig Pflegebedürftige nicht in das Krankenhaus eingewiesen werden, obwohl die Voraussetzungen für eine Krankenhausbehandlung überhaupt nicht vorliegen.
    Meine Damen und Herren, die Solidargemeinschaft wird den privaten Aufwand und Einsatz für Pflege nie ersetzen können. Wenn wir jedoch heute nicht den Mut aufbringen, die familiäre Pflege zu ergänzen, zu unterstützen und vor Überforderung zu schützen, dann wird uns dieses Problem auf Dauer sehr teuer kommen, weil wir damit der Abschiebung in Pflegeheime und Krankenhäuser Vorschub leisten. Es ist die Erfahrung aus Ihrer Regierungszeit, meine Damen und Herren von der SPD, daß eine Politik, die an der Familie spart, letztendlich alle teuer zu stehen kommt.

    (Zuruf von der SPD: Das sollten Sie einmal berücksichtigen bei Ihrer Entscheidung zum BAföG!)

    Die gesetzliche Krankenversicherung leistet mit dieser Pflegehilfe im Rahmen ihrer Aufgabenstellung das Erforderliche und, wie ich hinzufüge, das finanziell Zumutbare. Eines stelle ich in aller Deutlichkeit für unsere Fraktion fest: Mit der jetzt vorgesehenen Pflegehilfe hat die gesetzliche Krankenversicherung ihren Beitrag zur Pflegefallabsicherung geleistet. Es ist der einzige Beitrag. Weitere Schritte müssen außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung erfolgen, und dafür ist ein Gesamtkonzept notwendig.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Kolleginnen und Kollegen, materielle Förderung ist wichtig, aber sie ist nicht alles. Ganz entscheidend kommt es auch darauf an, daß wir auch in der Zukunft ein waches Bewußtsein für die nicht aufhebbare Solidarität zwischen den Generationen erhalten. Die Verantwortung der Familie beschränkt sich nicht allein auf die Verpflichtungen von Eltern gegenüber Kindern. Dazu gehört auch die Verantwortung von Kindern ihren Eltern gegenüber, wenn sie im Alter hilfsbedürftig werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wenn eine Mutter drei Kinder großziehen kann, dann muß es auch möglich sein, daß sich die drei Kinder im Alter um die Mutter kümmern.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich habe heute wiederholt den Vorwurf gehört, die von uns angestrebte Stärkung der Eigenverantwortung und Solidarität bedeute eine Privatisierung der Risiken, die Einführung einer Zweiklassengesellschaft. Dies ist schlichtweg Unsinn. Ich wiederhole jetzt zum drittenmal für unsere Fraktion: Keine Mark, die eingespart wird, geht den Beitragszahlern und Versicherten verloren.

    (Zuruf von der SPD: Die Kranken bezahlen, das ist es doch!)

    Sie bekommen das Sparvolumen zurück über die Beitragssenkungen und über eine neue Gesundheitspolitik. Ein wesentlicher Eckpfeiler dazu ist die Pflegefallhilfe. Herr Dreßler, so einfach kann man es sich nicht machen, ein Jahr herauszuziehen und zu sagen: In diesem Jahr sinken die Beiträge um 0,2 Prozentpunkte, für den Arbeitnehmer also um 0,1 Prozentpunkte, und das sind 1,50 DM. Sie müssen die Rechnung vielmehr folgendermaßen anstellen, Herr Dreßler: 1970 waren es 8%, heute sind es 13,5 %, und wenn wir nicht reagieren, dann beträgt der durchschnittliche Beitrag Anfang der 90er Jahre 16 bis 17 %.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Das bedeutet, daß die Differenz zwischen den Beiträgen von 1970 und heute rund 10 % ausmacht; das sind für den Arbeitnehmer 5 %. Wenn ich jetzt bei Ihrem Beispiel eines Verdienstes von 3 000 DM bleibe, dann bedeutet dies eine Entlastung von 150 DM im Monat, die der Arbeitnehmer durch eine Strukturreform im Gesundheitswesen erfährt. Das ist in etwa der gleiche Betrag, den ein Durchschnittsverdiener im Wege der Steuerreform zurückbekommt.
    Es würde ja wenig Sinn machen, wenn dieser Bundestag auf der einen Seite den Menschen 150 DM zurückgibt und auf der anderen Seite wieder 150 DM für die Sozialversicherung abkassiert.

    (Dreßler [SPD]: 1,50 DM kriegt er!)

    Ich komme jetzt auch zu der Härtefallregelung. Herr Dreßler, Sie haben in Ihrer Regierungszeit die 5 DM für die Fahrtkosten eingeführt.

    (Dreßler [SPD]: Wie bitte?) — Die haben Sie eingeführt.


    (Dreßler [SPD]: Wie bitte? — Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

    Wenn nun jemand regelmäßig zur Dialyse muß, wenn jemand regelmäßig zur Bestrahlung muß — beispielsweise eine Frau nach einer Brustamputation — , dann zahlt er heute je Fahrt 5 DM. Wenn das dreimal in der Woche geschieht, sind das schon 15 DM und in einem Monat 60 DM. Dieselbe Person wird auf Grund der von uns vorgesehenen Überforderungsklausel 2 des Einkommens von 2 000 DM bezahlen, also 40 DM. Auf Grund unserer Überforderungsklausel steht der Versicherte heute also besser da als nach der Lösung, die Sie mit den 5 DM in Ihrer Regierungszeit eingeführt haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: So ist es richtig!)