Rede von
Rudolf
Kraus
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal, Frau Steinhauer, ist es ja bei weitem nicht so weit, wie Sie es hier darstellen. Tatsache ist wohl, daß noch Ende März dieses Jahres 360 000 Personen in Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung beschäftigt waren. Das waren 46 700 oder 15 % mehr als vor einem Jahr. Es ist einfach falsch, zu sagen, daß auf diesem Sektor bis zum heutigen Tag ein Abbau stattgefunden hat.
Es war für mich sehr interessant, heute zu hören, wie von den beiden Oppositionsparteien, sowohl von den GRÜNEN als auch von der SPD, sozusagen zwei Königswege für die Beseitigung der Arbeitslosigkeit angeboten worden sind. Die GRÜNEN sprechen von Umverteilung von Arbeit. Das hört sich zunächst gut an. Wenn es aber ins Detail geht, dann möchte ich gern wissen, wie das vonstatten gehen soll. Man unterstellt nämlich, wenn man eine solche Forderung aufstellt, daß die Masse der Arbeitslosen etwa genauso qualifiziert, genauso leistungsfähig und genauso leistungsbereit ist wie die Leute, die bereits in Arbeit sind. Genau das ist eben nicht der Fall. Das müssen wir, ob es uns gefällt oder nicht, einmal zur Kenntnis nehmen. Daran liegt es auch, daß dieser Weg so einfach nicht zu beschreiten ist. Wir wollen schließlich auch nicht, daß die Produktivität unserer Wirtschaft deutlich leidet, weil das mit Sicherheit auch dazu führen würde, daß wir gerade die Leistungen im sozialen Bereich, so wie wir sie heute haben, nicht aufrechterhalten könnten.
Frau Beck-Oberdorf hat hier gesagt, es sei so, daß die Realschüler den Volksschülern heute die Arbeit wegnehmen und so weiter und so fort. Tatsache ist aber, daß auch für die weniger qualifizierten Kräfte heute durchaus, zumindest in Ballungsgebieten — und ich möchte überhaupt nicht leugnen, daß die Verhältnisse in der Bundesrepublik regional ganz unterschiedlich sind — , Möglichkeiten bestehen würden. Wie wäre es sonst erklärlich, daß z. B. im Bereich der Gastronomie oder auch in Krankenhauswesen in den Ballungsräumen heute Kräfte, und zwar sehr viele, gesucht werden, die auf dem Arbeitsmarkt einfach nicht vorhanden sind?
Da wird der Einwand kommen: Diese Institutionen zahlen zuwenig. Ich möchte jetzt einen Kronzeugen aufrufen, der völlig unverdächtig ist. Da gibt es das Collegium Augustinum in München, eine angesehene Einrichtung der Evangelischen Kirche, die nicht in dem Ruf steht, nur dem schnöden Profit hinterherzulaufen oder etwa ihr Personal, ihre Bediensteten besonders auszubeuten. Dieses Collegium Augustinum hat sich veranlaßt gesehen, an die Abgeordneten, jedenfalls an einige, einen Brief zu schreiben, in dem dazu aufgefordert wird, Ausländerinnen heute schon wieder eine Arbeitserlaubnis für Deutschland zu erteilen, um sie im Bereich der Altenhilfe ausbilden und einsetzen zu können. Wie erklärt man sich das angesichts des Millionenheeres der Arbeitslosen?
Ich glaube, daß unser Problem der Arbeitslosigkeit eben sehr vielschichtig ist. Es ist nach Regionen, berufsspezifisch und altersgruppenspezifisch ganz unterschiedlich. Natürlich kommt man, wenn man nach
dem Grund der Arbeitslosigkeit fragt, auch auf ganz unterschiedliche Ergebnisse. Das reicht von der weniger hohen Qualifikation bis natürlich hin zur Zumutbarkeit.
Ein weiterer Punkt, der hier immer wieder angesprochen wurde, auch von Kollegen der SPD, war die Arbeitszeitverkürzung. Es ist gesagt worden, das sei der ganz große Weg. Lassen Sie mich zunächst einmal eines feststellen: Wenn jemand, der Arbeit wirklich als Arbeit empfindet, vor die Wahl gestellt wird, an Stelle von 40 Stunden bei derselben Bezahlung nur 30 Stunden zu arbeiten, dann finde ich, daß das Opfer wahrlich nicht gar so groß ist. Deswegen wird man diesem Vorschlag auch leicht zustimmen. Bloß eines wird damit natürlich nicht eintreten: daß damit Arbeitsplätze geschaffen werden. Es wird vielmehr so sein, daß die Arbeit zu sehr verteuert wird. Ich behaupte gar nicht, daß der Nettolohn des Arbeiters heute, insbesondere dort, wo die Mieten hoch sind, etwa besonders großartig sei. Tatsache ist aber, daß die Lohnkosten insgesamt einfach zu hoch sind, als daß mehr Arbeit auf den Markt kommen kann. Alles, was man tut — dazu gehört auch diese Arbeitszeitverkürzung —, um genau dieses Mißverhältnis noch zu vergrößern, wird dazu führen, daß wir noch weniger Arbeitsplätze zur Verfügung stellen können.
In den nächsten Monaten ist es unsere Aufgabe, unter allen Umständen zu versuchen, dem Problem detaillierter beizukommen, die einzelnen Gründe besser herauszuarbeiten und die Arbeitslosigkeit, gezielter, auf den Punkt gearbeitet, zu bekämpfen. Ich bin in der Tat der Auffassung, daß das eine der wichtigsten Tätigkeiten unseres Parlaments, unserer Regierung für die nächste Zeit sein wird.