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    Plenarprotokoll 11/71 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 71. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 14. April 1988 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Jung (Lörrach), Herkenrath und Reimann 4737 A Erweiterung der Tagesordnung 4737 A Abwicklung der Tagesordnung 4783 D Nachträgliche Überweisung dreier Gesetzentwürfe an den Ausschuß für Forschung und Technologie 4737 B Anteilnahme am Schicksal der von einem Akt der Luftpiraterie Betroffenen 4737 C Tagesordnungspunkt 2: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 11. Dezember 1987 zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und dem Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, der Italienischen Republik, dem Königreich der Niederlande und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland über Inspektionen in bezug auf den Vertrag zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Beseitigung ihrer Flugkörper mittlerer und kürzerer Reichweite (Drucksache 11/2033) Genscher, Bundesminister AA 4738 A Voigt (Frankfurt) SPD 4740 C Lamers CDU/CSU 4742 D Frau Kelly GRÜNE 4746 C Ronneburger FDP 4748 A Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD 4750 B Lowack CDU/CSU 4752 A Schily GRÜNE 4753 B Horn SPD 4754 B Dr. Wörner, Bundesminister BMVg 4756 A Tagesordnungspunkt 3: Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Hauff, Schäfer (Offenburg), Lennartz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Tschernobyl und die Folgen — Ein Jahr danach (Drucksachen 11/139, 11/755) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Daniels (Regensburg), Weiss (München), Frau Rust, Frau Wollny und der Fraktion DIE GRÜNEN: Baustopp für die Wiederaufarbeitungsanlage bei Wackersdorf (Drucksachen 11/260, 11/2121) Schäfer (Offenburg) SPD 4758 A Dr. Laufs CDU/CSU 4760 B Dr. Daniels (Regensburg) GRÜNE 4762 C Baum FDP 4763 C Frau Blunck SPD 4765 C Engelsberger CDU/CSU 4767 B Frau Wollny GRÜNE 4770 A II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 71. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. April 1988 Dr. Wörner, Bundesminister BMVg 4771D Frau Dr. Segall FDP 4773 B Jung (Düsseldorf) SPD 4774 B Dr. Friedrich CDU/CSU 4776 C Harries CDU/CSU 4778A Grüner, Parl. Staatssekretär BMU 4779 C Dr. Daniels (Regensburg) GRÜNE (Erklärung nach § 30 GO) 4781 C Namentliche Abstimmung 4782 A Ergebnis 4782 C Zusatztagesordnungspunkt 2: Aktuelle Stunde betr. Einstellung der Tiefflugübungen als Maßnahme zur Verringerung der Gefährdung der Bevölkerung Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE 4783D, 4789B Francke (Hamburg) CDU/CSU 4784 C Heistermann SPD 4785 C Dr. Hoyer FDP 4786 B Dr. Wörner, Bundesminister BMVg 4787B, 4792 C Bühler (Bruchsal) CDU/CSU 4789 D Müller (Pleisweiler) SPD 4790 D Baum FDP 4791 D Frau Hämmerle SPD 4793 A Zierer CDU/CSU 4794 A Müller (Düsseldorf) SPD 4794 D Gröbl, Parl. Staatssekretär BMU 4796 A Dr. Uelhoff CDU/CSU 4797 A Breuer CDU/CSU 4798 A Müller (Pleisweiler) SPD (Erklärung nach § 30 GO) 4798D Tagesordnungspunkt 4: Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Dritten Protokoll vom 12. Mai 1987 zur Änderung des Vertrages vom 27. Oktober 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland, der Französischen Republik und dem Großherzogtum Luxemburg über die Schiffbarmachung der Mosel (Drucksachen 11/1177, 11/1644) 4799A Tagesordnungspunkt 5: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Nr. 159 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 20. Juni 1983 über die berufliche Rehabilitation und die Beschäftigung der Behinderten (Drucksache 11/1953) 4799B Tagesordnungspunkt 6: Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Übereinkommen 157 über die Einrichtung eines internationalen Systems zur Wahrung der Rechte in der Sozialen Sicherheit sowie die von der Bundesregierung hierzu beschlossene Stellungnahme Empfehlung 167 betreffend die Einrichtung eines internationalen Systems zur Wahrung der Rechte in der Sozialen Sicherheit sowie die von der Bundesregierung hierzu beschlossene Stellungnahme (Drucksache 11/1621) 4799B Tagesordnungspunkt 7: Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Übereinkommen 158 über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber sowie die von der Bundesregierung hierzu beschlossene Stellungnahme Empfehlung 166 betreffend die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber sowie die von der Bundesregierung hierzu beschlossene Stellungnahme (Drucksache 11/1622) 4799 C Tagesordnungspunkt 8: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 64/432/EWG hinsichtlich der enzootischen Leukose der Rinder (Drucksachen 11/1707 Nr. 13, 11/1941) 4799 C Tagesordnungspunkt 9: a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Wilms-Kegel und der Fraktion DIE GRÜNEN: Bundesweite, rechtliche Koordinierung gegen bayerischen Alleingang bei der AIDS-Bekämpfung (Drucksache 11/1364) b) Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Jaunich, Frau Fuchs (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Durchführung der Beschlüsse des Deutschen Bundestages zur AIDS-Bekämpfung vom 13. November 1986 (Drucksachen 11/274, 11/1548) Frau Wilms-Kegel GRÜNE 4800A, 4807 D Dr. Voigt (Northeim) CDU/CSU 4801 B Frau Conrad SPD 4803 A Eimer (Fürth) FDP 4804 D Fink, Senator des Landes Berlin 4806 C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 71. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. April 1988 III Geis CDU/CSU 4809 B Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 4811B Frau Würfel FDP 4813 C Pfeifer, Parl. Staatssekretär BMJFFG 4815 A Frau Conrad SPD (Erklärung nach § 31 GO) 4816C Namentliche Abstimmung 4817 A Ergebnis 4822 D Tagesordnungspunkt 10: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die siebzehnte Anpassung der Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (KOV-Anpassungsgesetz 1988) (Drucksache 11/2042) Dr. Blüm, Bundesminister BMA 4817 B Frau Weiler SPD 4818A Louven CDU/CSU 4819B Frau Unruh GRÜNE 4820 B Heinrich FDP 4821 C Tagesordnungspunkt 11: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für das Post- und Fernmeldewesen: Grünbuch über die Entwicklung des gemeinsamen Marktes für Telekommunikationsdienstleistungen und Telekommunikationsgeräte (Drucksachen 11/930, 11/2014) Pfeffermann CDU/CSU 4824 A Bernrath SPD 4825 D Funke FDP 4827 B Dr. Briefs GRÜNE 4828 C Linsmeier CDU/CSU 4830 A Börnsen (Ritterhude) SPD 4831 C Tagesordnungspunkt 12: a) Erste Beratung des von der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Reform des Strafrechts (Drucksache 11/1471) b) Erste Beratung des von der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Straffreiheitsgesetzes 1987 (Drucksache 11/1472) Häfner GRÜNE 4833D, 4840 B Dr. Langner CDU/CSU 4834 D Wiefelspütz SPD 4835 D Kleinert (Hannover) FDP 4837B, 4842B Engelhard, Bundesminister BMJ 4839 A Dr. Hüsch CDU/CSU 4841 C Tagesordnungspunkt 13: a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Laufs, Carstensen (Nordstrand), Dörflinger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Baum, Frau Dr. Segall, Wolfgramm (Göttingen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Gewässerschutz und Pflanzenschutz (Drucksache 11/1135) b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Kiehm, Frau Blunck, Dr. Hauff, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Grundwasser- und Trinkwassergefährdung durch Pflanzenbehandlungsmittel (Drucksache 11/2082) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Garbe, Frau Flinner, Kreuzeder und der Fraktion DIE GRÜNEN: Schutz des Grund- und Trinkwassers vor Pestiziden (Drucksache 11/2109) Dr. Göhner CDU/CSU 4843 B Frau Blunck SPD 4845 B Bredehorn FDP 4846 D Frau Garbe GRÜNE 4848 A Frau Weyel SPD 4849 A Grüner, Parl. Staatssekretär BMU 4850 C Tagesordnungspunkt 17: Beratung des Berichts des Rechtsausschusses gemäß § 62 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu dem von der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur verfassungsrechtlichen Verankerung des Umweltschutzes als Grundrecht und als Staatsziel (Drucksachen 11/663, 11/2106) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Beratung des Berichts des Rechtsausschusses gemäß § 62 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu dem von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Sechsunddreißigsten Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Drucksachen 11/10, 11/2106) Häfner GRÜNE 4852 A Bachmaier SPD 4853 A Eylmann CDU/CSU 4853 D Kleinert (Hannover) FDP 4855 A Nächste Sitzung 4856 C IV Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 71. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. April 1988 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 4857* A Anlage 2 Entwicklung leichterer Bundeswehrhelme MdlAnfr 35, 36 08.04.88 Drs 11/2093 Dr. Abelein CDU/CSU SchrAntw PStSekr Würzbach BMVg 4857* C Anlage 3 Verbot der alliierten Luftkampfübungen und generelle Heraufsetzung der Mindestflughöhe über deutschem Boden MdlAnfr 37, 38 08.04.88 Drs 11/2093 Gerster (Worms) SPD SchrAntw PStSekr Würzbach BMVg 4858* B Anlage 4 Aussage des Bundesministeriums der Verteidigung über die Richtungsgebung abstürzender Flugzeuge im Tiefflug angesichts der Abstürze auf Gebäude; Gefahren im Falle eines Flugzeugabsturzes auf einen Atomwaffenbunker MdlAnfr 39, 40 08.04.88 Drs 11/2093 Dr. Mechtersheimer GRÜNE SchrAntw PStSekr Würzbach BMVg 4858* C Anlage 5 Größenordnung und Flugzeugtypen der von Skyguard-Radargeräten erfaßten Militärflugzeuge, die 1987 von der erlaubten Mindestflughöhe abgewichen sind MdlAnfr 41, 42 08.04.88 Drs 11/2093 Sielaff SPD SchrAntw PStSekr Würzbach BMVg 4858* D Anlage 6 Erfassung von Flugbewegungen und Verstößen der Bundesluftwaffe und der NATO-Luftstreitkräfte gegen Flugverkehrsbestimmungen durch Skyguard-Radargeräte 1987 MdlAnfr 43, 44 08.04.88 Drs 11/2093 Frau Dr. Götte SPD SchrAntw PStSekr Würzbach BMVg 4859* B Anlage 7 Neuverhandlung des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut im Falle der Nichtverminderung der Tiefflugübungen der alliierten Streitkräfte im Luftraum der Bundesrepublik Deutschland; Verfolgung von Verstößen gegen die Luftverkehrs-Ordnung 1985 bis 1987 MdlAnfr 45, 46 08.04.88 Drs 11/2093 Müller (Pleisweiler) SPD SchrAntw PStSekr Würzbach BMVg 4859* C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 71. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. April 1988 4737 71. Sitzung Bonn, den 14. April 1988 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Frau Dr. Adam-Schwaetzer 14. 4. Dr. Ahrens * 15. 4. Austermann 14. 4. Böhm (Melsungen) * 15. 4. Brandt 15. 4. Bühler (Bruchsal) 15. 4. Buschbom 15. 4. Daweke 14. 4. Dr. Dollinger 15. 4. Ebermann ** 15. 4. Erler ** 15. 4. Frau Fischer ** 15. 4. Frau Geiger ** 15. 4. Frau Dr. Hartenstein ** 15. 4. Heimann 15. 4. Helmrich 15. 4. Höpfinger 15. 4. Hörster 15. 4. Dr. Holtz ** 15. 4. Irmer ** 15. 4. Jansen 15. 4. Jung (Limburg) 15. 4. Kittelmann * 14. 4. Klein (München) 15. 4. Dr. Klejdzinski 15. 4. Dr.-Ing. Laermann 15. 4. Leonhart 14. 4. Lüder 15. 4. Dr. Mechtersheimer 15. 4. Meyer 14. 4. Dr. Müller * 15. 4. Möllemann 14. 4. Niegel 15. 4. Niggemeier 14. 4. Petersen 14. 4. Rawe 14. 4. Reddemann * 15. 4. Reimann 15. 4. Reuschenbach 15. 4. Frau Schilling 15. 4. Schulhoff 15. 4. Dr. Soell * 14. 4. Spilker 15. 4. Dr. Stercken ** 15. 4. Dr. Stoltenberg 15. 4. Frau Dr. Süssmuth 15. 4. Frau Trenz 14. 4. Verheugen 14. 4. Volmer 15. 4. Vosen 14. 4. Graf von Waldburg-Zeil 14. 4. Dr. Warnke 14. 4. Wischnewski 15. 4. Dr. de With 14. 4. Zeitler 14. 4. Dr. Zimmermann 14. 4. * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union ** für die Teilnahme an der 79. Interparlamentarischen Konferenz Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Würzbach auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Abelein (CDU/CSU) (Drucksache 11/2093 Fragen 35 und 36): Gibt es Überlegungen, den schweren Stahlhelm der Bundeswehr durch neue Entwicklungen zu ersetzen, z. B. durch einen Helm, wie er für die spanische Armee entwickelt wurde, der bei halbem Gewicht die doppelte Sicherheit aufweist? Gibt es bereits Truppenversuche mit unterschiedlichen Helmausführungen? Es ist geplant, den Stahlhelm der Bundeswehr durch einen neuen Gefechtshelm zu ersetzen. Ziel der Untersuchungen ist, ein optimales Verhältnis von Schutzwirkung und Gewicht des Helmes zu erreichen. Der eingeführte Stahlhelm der Bundeswehr aus hochwertigem Vergütungsstahl reicht in seiner Schutzleistung gegen Splitter nicht mehr aus. Mit dem Einsatz neuer Werkstoffe oder Werkstoffkombinationen und der Anwendung neuer Technologien wird zur Zeit ein neuer Gefechtshelm entwickelt, der erheblich besseren Schutz gegen Splitter und Geschosse bietet und den Forderungen der Streitkräfte gerecht wird. Die Marktbeobachtungen und vergleichenden Untersuchungen der Helmmodelle verschiedener Staaten, u. a. des amerikanischen, des isrealischen und auch des spanischen Helmes haben die Probleme der neuen Werkstoffe und deren Verarbeitungstechnik sowie die Notwendigkeit einer eigenen Entwicklung offenkundig gemacht und gezeigt, daß auch andere Streitkräfte mit ihren Entwicklungsergebnissen noch nicht zufrieden sind. Nach den gewonnenen Erkenntnissen wird die Entwicklung eines Gefechtshelmes für die Bundeswehr in zwei Zielrichtungen betrieben, und zwar - unter Beibehaltung des heutigen Helmgewichts einen höchstmöglichen Schutzgrad zu erreichen oder - unter weitgehender Gewichtseinsparung eine noch akzeptable Schutzleistung sicherzustellen. Sowohl mit Helmen aus verpreßten Kunststoffgeweben als auch mit Helmen aus der Materialkombination Stahl/Aramidgewebe kann eine beachtenswerte Kampfwertsteigerung erreicht werden. Die Untersuchungen haben aber ebenso deutlich gezeigt, daß ein ausreichender ballistischer Schutz mit leichten Kunststoffhelmen, wie sie von anderen Streitkräften teilweise schon benutzt werden, nicht erreichbar ist. Solche Helme sind nur auf den Schutz gegen kleine Splitter ausgelegt. Schwerere Splitter machen aber ein Bedrohungspotential von mindestens 20 aus. Bei Beschußprüfungen mit schwereren Normsplittern von 2,7 g (international üblich ist ein Normsplitter von 1,1 g) hatten diese Helme kaum noch eine Schutzwirkung, selbst bei geringerer Auftreffgeschwindigkeit. Es wäre deshalb unverantwortlich, die Schutzleistung des neuen Gefechtshelmes für die Bundeswehr nur auf den leichten 1,1 g Normsplitter auszulegen, weil dann schwerere Splitter und Geschosse unberücksichtigt blieben und tödliche Verletzungen in erheblichem Umfang in Kauf genommen werden müßten. 4858* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 71. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. April 1988 Der spanische Helm aus verpreßtem Aramidgewebe ist lediglich um ca. 20 % leichter als der Bundeswehrstahlhelm und in seiner Schutzleistung nur gegen kleine und leichte Splitter um ca. 40 % besser. Die Ergebnisse der Beschußprüfungen mit schweren Splittern und Geschossen liegen für diesen Helm noch nicht vor. Die Ergebnisse werden voraussichtlich aber nicht anders sein, als bei den vergleichenden Beschußprüfungen an den Kunststoffhelmen anderer Streitkräfte, mit denen das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung bereits begonnen hat und die nicht ermutigend sind. Mit der Entwicklung von Helmen aus der Materialkombination Stahl/Aramidgewebe befassen sich andere Staaten nicht, weil sie die Technik zur Herstellung eines hochwertigen Vergütungsstahls nicht beherrschen. Bei dem zur Zeit laufenden Truppenversuch mit dem neuen Bekleidungssystem werden auch Kunststoffhelme in zwei verschiedenen Formen und mit unterschiedlichen Innenausstattungen erprobt. Dabei sollen und können lediglich Erkenntnisse über Tragekomfort und Akzeptanz der beiden Helme gewonnen werden. Eine Entscheidung über das einzuführende Modell ist erst nach Abschluß der technischen Entwicklung einschließlich der Beschußprüfung (Ende 1988) und der abschließenden praktischen Erprobung möglich. Zur weiteren Information füge ich mein Schreiben vom 11. März 1988 an den Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses, Herrn Alfred Biehle, bei. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Würzbach auf die Fragen des Abgeordneten Gerster (Worms) (SPD) (Drucksache 11/2093 Fragen 37 und 38): Ist die Bundesregierung bereit, als Konsequenz der jüngsten Abstürze von Militärmaschinen der Alliierten, Luftkampfübungen über der Bundesrepublik Deutschland generell zu verbieten? Ist die Bundesregierung nunmehr bereit, eine generelle Heraufsetzung der Mindestflughöhe über der Bundesrepublik Deutschland gegenüber den deutschen und alliierten Luftstreitkräften durchzusetzen? Zu Frage 37: Über die Unfallabläufe und -ursachen liegen noch keine Ergebnisse vor. Deutsche Dienststellen sind in die Untersuchung eingeschaltet. Im übrigen beabsichtigt die Bundesregierung Luftkampfübungen auch in Räume über See zu verlegen. Zu Frage 38: Bei dem derzeitigen Untersuchungsstand ist kein ursächlicher Zusammenhang zwischen den geltenden Mindestflughöhen und den beiden Unfällen erkennbar. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Würzbach auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Mechtersheimer (GRÜNE) (Drucksache 11/2093 Fragen 39 und 40): Wie beurteilt die Bundesregierung die Stellungnahme des Bundesministeriums der Verteidigung vom 31. März 1988: „Einem Luftfahrzeug, das der Luftfahrzeugführer im Tiefflug aufgibt, dem kann man noch eine Richtung geben." angesichts zahlreicher Abstürze auf Gebäude, und worin liegt in diesem Zusammenhang der Unterschied etwa zwischen einem Wohnhaus und einem Atomkraftwerk? Welche Gefahren für die Bevölkerung können entstehen, wenn ein Flugzeug auf einen der rund 60 vergleichsweise schwach geschützten Atomwaffenbunker in der Bundesrepublik Deutschland stürzt, auch im Hinblick auf eine Freisetzung von Plutonium? Zu Frage 39: Die Luftfahrzeugbesatzungen versuchen bei Notfällen im Tiefflug, wenn immer möglich, vor dem Absturz die Richtung des Luftfahrzeuges so zu beeinflussen, daß Gebäude oder andere Objekte nicht gefährdet werden. Bei den wenigen und aufgrund der typischen Bauweise und der exponierten Lage eindeutig und frühzeitig erkennbaren Kernkraftwerken ist die Voraussetzung hierfür besser als bei anderer Infrastruktur. Ein großer Teil der Schäden an Gebäuden ist ferner nicht durch einen Direktabsturz auf Gebäude herbeigeführt worden, sondern von Flugzeugteilen, die nach dem Aufprall weggeschleudert wurden. Diese Teile würden die Außenhülle eines Reaktorgebäudes keinesfalls durchschlagen können. Ich erinnere in diesem Zusammenhang auch an die Luftfahrzeugbesatzungen, die bei dem Versuch, einen Absturz auf Wohngebäude zu vermeiden, ihr Leben ließen, weil sie ihren Rettungsausstieg so verzögerten, daß er nicht mehr oder nicht mehr rechtzeitig eingeleitet werden konnte. Zu Frage 40: Die Frage, ob eine nukleare Kettenreaktion durch eine äußerliche, mechanische Gewalteinwirkung wie etwa durch den Absturz eines Kampfflugzeuges auf ein Depot mit Atomsprengköpfen möglich ist, kann eindeutig mit einem „Nein" beantwortet werden. Obgleich angesichts der erforderlichen Geheimhaltung von Konstruktionsmerkmalen und daraus zu ziehender Schlußfolgerungen nicht auf Einzelheiten eingegangen werden kann, ist jedoch aufgrund allgemeiner physikalischer Gegebenheiten festzustellen, daß eine ungewollte atomare Detonation (z. B. durch äußere Gewalteinwirkung, Feuer o. ä.) ausgeschlossen ist. Insbesondere ist auszuschließen, daß es durch die Fehlfunktion einzelner Komponenten zur Auslösung einer nuklearen Kettenreaktion kommen kann. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Würzbach auf die Frage des Abgeordneten Sielaff (SPD) (Drucksache 11/2093 Fragen 41 und 42): Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 71. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. April 1988 4859* In welcher prozentualen Größenordnung wichen diejenigen Militärflugzeuge, die 1987 von Skyguard-Radargeräten erfaßt wurden, von der jeweils erlaubten Mindestflughöhe ab? Läßt sich bei denjenigen Fällen, in denen Militärpiloten die jeweils vorgeschriebene Mindestflughöhe unterschritten, eine prozentuale Aufschlüsselung nach Flugzeugtypen machen? Zu Frage 41: In 1 % der im Jahr 1987 bei Tiefflugüberwachungseinsätzen mit SKYGUARD erfaßten Flüge wurden Abweichungen von der Mindestflughöhe festgestellt. Zu Frage 42: Bei den Abweichungen von der Mindestflughöhe entfielen auf TORNADO 11,3 % F-4 13,9 % F-16 27,8 % F-18 0,9 % F-104 3,4 % Mirage 8,7 % F-111 0,9 % ALPHA JET 1,7 % A-10 11,3 % Harrier 5,2% Buccaneer 0,9 Jaguar 1,7 % G-91 0,9 % F-5 10,5 % Fouga 0,9 % Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Würzbach auf die Fragen der Abgeordneten Frau Dr. Götte (SPD) (Drucksache 11/2093 Fragen 43 und 44): Wie viele Flugbewegungen wurden 1987 von „Skyguard"- Radargeräten erfaßt, und wie viele Verstöße gegen Flugbetriebsbestimmungen wurden dabei ermittelt? Wie viele der 1987 registrierten Verstöße gegen Flugbetriebsbestimmungen resultierten dabei aus Geschwindigkeitsüberschreitungen oder Unterschreiten der Mindestflughöhe, und welches zahlenmäßige Verhältnis von Flugzeugen der Bundesluftwaffe zu den Luftstreitkräften der NATO-Partner wurde dabei ermittelt? Zu Frage 43: Im Jahre 1987 wurden bei Tiefflugüberwachungseinsätzen mit SKYGUARD 7 140 Flüge aufgezeichnet. Dabei wurden 120 Abweichungen von den Flugregeln festgestellt. Eine Aussage über die Zahl der Verstöße (schuldhafte Pflichtverletzung) kann noch nicht gemacht werden, da in Unigen Fällen die Ermittlungen noch andauern. Zu Frage 44: Die zulässige Höchstgeschwindigkeit wurde dabei in 1 Fall überschritten, die Mindestflughöhe in 71 Fällen unterschritten. 87 % der Abweichungen entfielen auf die Alliierten, 13 % auf Luftfahrzeuge der Bundeswehr. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Würzbach auf die Fragen des Abgeordneten Müller (Pleisweiler) (SPD) (Drucksache 10/2093 Fragen 45 und 46): Ist die Bundesregierung bereit, in Anwendung des Artikels 82 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut dieses Abkommen neu zu verhandeln, wenn die Alliierten von sich aus nicht bereit sind, ihre militärischen Tiefflugübungen im Luftraum der Bundesrepublik Deutschland zu vermindern? Wie viele Verstöße von Militärpiloten gegen die Luftverkehrsordnung sind in den Jahren 1985, 1986 und 1987 strafrechtlich bzw. ordnungswidrigkeitsrechtlich verfolgt worden? Zu Frage 45: Die Allierten haben in den letzten Jahren die Zahl und Dauer ihrer Tiefflugeinsätze über der Bundesrepublik Deutschland insgesamt deutlich reduziert. Der Anteil der Alliierten am Gesamttiefflugaufkommen über der Bundesrepublik Deutschland entspricht in etwa dem Verhältnis der im NATO-Kommandobereich Europa Mitte stationierten Luftstreitkräfte. Das Gesamttiefflugaufkommen liegt heute um etwa 1/4 unter dem von 1980. Zu Frage 46: Von der Bundesanstalt für Flugsicherung wurden 1985 in insgesamt 297 Fällen Verfahren wegen Verstößen gegen die Luftverkehrsordnung eingeleitet, davon 60 Strafverfahren. Gegen militärische Luftfahrzeugbesatzungen wurde dabei in 64 Fällen (einschließlich 14 Strafverfahren) ermittelt. 1986 wurde in insgesamt 404 Fällen eingeleitet (126 Strafverfahren), davon militärische Luftfahrzeuge in 85 Fällen (10 Strafverfahren). 1987 wurde in insgesamt 391 Fällen eingeleitet (58 Strafverfahren), davon militärische Luftfahrzeuge in 99 Fällen (16 Strafverfahren). Eine Aussage zu den abgeschlossenen Verfahren bzw. zu den Verfahren, in denen ein tatsächliches Verschulden festgestellt wurde, kann nicht gemacht werden. Darüber hinaus weise ich darauf hin, daß die Angaben Flüge im gesamten Luftraum umfassen.
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    Rede von Norbert Geis


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Wilms-Kegel, was Sie hier geboten haben und was Sie hier laufend in der Debatte bieten, ist Scharfmacherei. Ich meine, wir helfen den AIDS-Kranken und der ganzen Problematik sehr wenig, wenn wir mit Ausdrücken wie „Wildwuchs von Unmenschlichkeit", „Gauweilereien", „paranoide AIDS-Politik" oder „krachlederne bayerische Maßnahmen" beginnen.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Fragen Sie doch Herrn Fink!)

    — Herr Fink hat diese Ausdrücke nicht gebraucht. Ich habe sehr genau zugehört.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Nein, er schreibt ganz anders!)

    Das sind jedenfalls Ausdrücke, die scharfmachen, die versuchen, eine Frage auf eine Ebene der Diskussion zu bringen, die der Problematik dieser Frage, der Problematik von AIDS, und den AIDS-Kranken nicht gerecht wird.

    (Zuruf von der SPD: Sagen Sie das einmal Gauweiler!)

    Ich möchte darauf hingewiesen haben.
    Auch ich nehme zu den Entschließungsanträgen der SPD-Fraktion Stellung. Ich wiederhole, was Herr Dr. Voigt und Herr Eimer schon gesagt haben: Wir haben eine Kommission, die sich ausgiebig mit dieser Frage beschäftigt, die Sachverständige dazu gehört hat und die in Kürze einen Zwischenbericht bringen wird. Ich halte es für wenig zweckdienlich, daß Sie heute vom Deutschen Bundestag verlangen, eine Entscheidung zu bestimmten Fragen aus diesem Katalog, den sich die Kommission vorgenommen hat, jetzt zu treffen. Deswegen bitte ich Sie ebenso wie Herr Dr. Voigt und Herr Eimer, diese Entschließungsanträge zurückzunehmen.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Vorentscheidung!)

    Die GRÜNEN haben ihren Antrag, der zu dieser heutigen Debatte geführt hat, zunächst damit begründet, die bayerischen Maßnahmen seien verfassungswidrig. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat mit seiner Entscheidung vom 13. Juni 1987 dazu Stellung genommen und festgestellt, daß es sich bei den bayerischen Maßnahmen um Vollzugshinweise handelt, die nur im Innenverhältnis bindend sind und keine neuen Rechtssätze nach außen hin normieren, die bestehende Gesetze nur auslegen und deshalb nicht verfassungswidrig sind. Ich bitte Sie, Frau Wilms-Kegel, das zur Kenntnis zu nehmen und nicht mehr solche falschen Argumente zu gebrauchen.
    Die Kritik an den bayerischen Maßnahmen beginnt vor allem — das haben wir heute auch aus Berlin gehört — mit der Behauptung, Bayern praktiziere einen Alleingang.
    Das Gegenteil ist richtig. Italien hat AIDS in den Katalog der meldepflichtigen Krankheiten längst aufgenommen. Schweden hat eine namentliche Meldepflicht eingeführt und vor kurzem ein Gesetz zur Schließung sogenannter Saunen und Videotheken verabschiedet. Österreich hat schon 1986 ein entsprechendes Gesetz erlassen, das die Meldepflicht regelt, das Tätigkeitsverbote für HIV-infizierte Prostituierte enthält und eine regelmäßige Untersuchung von Prostituierten anordnet.
    Aber auch in der Bundesrepublik Deutschland haben sich sehr früh Stimmen geregt, vor allem Stimmen von verantwortungsvollen Medizinern, die ja als erste dieser Krankheit begegnet sind und heute noch als erste dieser Krankheit direkt begegnen. Sie haben gefordert, sich nicht allein auf Aufklärung zu verlassen, sondern sie verlangen heute noch — erst vor kurzem wieder — ein seuchenhygienisches Gesamtkonzept. Die Stadt Frankfurt hat inzwischen angeordnet,



    Geis
    daß HIV-infizierte Prostituierte, die ihrer Tätigkeit trotz Verbots nach wie vor nachgehen, im Sinne des Seuchengesetzes abgesondert werden.
    Noch vor einem Jahr war der zuständige Minister von Nordrhein-Westfalen der Wortführer gegen die bayerischen AIDS-Maßnahmen. Aber jetzt hat Nordrhein-Westfalen einen Maßnahmenkatalog erlassen, der in weiten Teilen von dem bayerischen Maßnahmenkatalog abgeschrieben sein könnte.

    (Zuruf der Abg. Frau Wilms-Kegel [GRÜNE])

    — Ich will damit überhaupt nichts angreifen. Ich meine, diese Leute sind lernfähig gewesen.
    Die Strategie der Bayerischen Staatsregierung, den Kampf gegen AIDS dreifach zu beginnen: mit Aufklärung, mit Hilfe für die Betroffenen und mit staatlichen Eingriffsbefugnissen,

    (Zurufe von der SPD: Gauweiler!) beginnt immer mehr Zustimmung zu finden.

    Man muß doch einmal in Ruhe über eine solche Strategie reden können. Es muß mit der ständigen Diffamierung dieses Maßnahmenkatalogs Schluß gemacht werden. Es muß Schluß gemacht werden mit der falschen Behauptung, die Forderung nach Aufklärung und die Forderung nach staatlichen Eingriffsbefugnissen seien unüberwindbare Gegensätze. Das Gegenteil ist richtig. Es sind zwei Glieder einer Gesamtkonzeption, die, wie ich meine, im Kampf gegen AIDS notwendig ist.
    Dabei besteht überhaupt kein Zweifel — daran hat auch Bayern nie einen Zweifel gelassen — , daß in dieser Gesamtkonzeption der Aufklärung die entscheidendste Bedeutung zukommen muß. Das ist völlig klar; darüber brauchen wir überhaupt nicht zu diskutieren.
    Wir müssen natürlich den Menschen sagen, wie sie sich infizieren können, welches die Infektionswege sind. Wir müssen sagen, wie furchtbar die Infektion mit dieser Krankheit ist. Und wir müssen den Menschen sagen, wie sie sich am besten vor der Infektion schützen können.

    (Gilges [SPD]: Ja! — Frau Conrad [SPD]: Einverstanden!)

    Wir müssen bei der Aufklärung den Menschen natürlich auch klarmachen, wie gefährlich die Krankheit ist, wie schnell man sich infizieren kann und wie weit die Infektion bereits fortgeschritten ist. Wir müssen von 100 000 Infizierten in der Bundesrepublik Deutschland ausgehen. Wir müssen ohne Wenn und Aber über die Übertragungswege informieren. Wir müssen auch sagen, daß es neben den Hauptübertragungswegen — dem Geschlechtsverkehr und dem gemeinsamen Benutzen von Bestecken intravenös Drogenabhängiger — den Übertragungsweg im Krankenhaus gibt, wie jetzt auch das Bundesgesundheitsministerium in einer Presseerklärung ausgeführt hat. Und es gibt auch den Übertragungsweg über Makrophagen. Es ist mir schon schleierhaft und für mich nicht mehr nachvollziehbar, mit welch einer arroganten Ignoranz Presseorgane glauben sich über diesen Übertragungsweg heute immer noch lustig machen zu
    können, nur weil die epidemiologische Bedeutung dieses Übertragungsweges nicht so groß ist wie bei den Hauptübertragungswegen. Aber demjenigen, den es getroffen hat, der auf diesem Weg infiziert worden ist, nützt der Hinweis, daß er durch einen Übertragungsweg, der epidemiologisch keinerlei Bedeutung hat, getroffen, infiziert worden ist, überhaupt nichts.
    Schließlich müssen wir den Menschen auch sagen, wie sie sich am besten schützen können. Hier reicht der Appell oder die Aufklärung mit „Safer Sex" allein überhaupt nicht, ganz abgesehen davon, daß dies eine sehr fragwürdige Wortwahl ist.
    Wir können die Epidemie — und ich befinde mich da in guter Übereinstimmung mit Frau Conrad — nicht mit der Propagierung von Kondomen bekämpfen. Die Propagierung von Kondomen mag in einem bestimmten Risikobereich richtig sein. Aber wer Kondome freiweg propagiert, propagiert im Grunde genommen die Promiskuität. Und die Promiskuität ist der Motor der Seuche, gerade im heterosexuellen Bereich. Das ist richtig, und daran können Sie nicht vorbei. Deshalb meine ich, Frau Conrad — Sie wissen genau, warum ich es sage; und ich sag's auch und lasse mich von Ihnen davon überhaupt nicht abhalten —,

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Sagen Sie es doch!)

    daß wir vor allen Dingen bei den Jugendlichen für die partnerschaftliche Treue werben müssen. Wir dürfen nicht das Argument gelten lassen, daß diese Wahrheit, Frau Conrad, bei der Jugend von heute nicht mehr ankomme. Das halte ich zum einen für falsch und zum anderen für unverantwortlich. Wir müssen den Jugendlichen klarmachen — und das geschieht in der Aufklärungsarbeit der Bundesregierung ja auch —, daß die partnerschaftliche Treue der erste und beste Weg ist, sich vor der Seuche zu schützen. Wer glaubt, Frau Conrad und Herr Gilges, dies lächerlich machen zu dürfen und lächerlich machen zu müssen, der handelt in hohem Maße verantwortungslos.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Bayerische Staatsregierung sieht Maßnahmen für die Betroffenen selbst vor. Sie bietet den freiwilligen Test an. Am 31. Dezember 1986 waren es 24 852 Personen, die sich dem freiwilligen Test unterzogen haben. Ein Jahr später — trotz bayerischer Maßnahmen und trotz Unkenrufen aus allen möglichen Richtungen der Bundesrepublik — waren es 62 333 Personen, die sich dem freiwilligen Test unterzogen haben, also fast dreimal so viel.
    Und die Bayerische Staatsregierung bietet auch den Kranken, wie ich meine, die beste Versorgung an. Es geht uns nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren, wie uns immer wieder nachgesagt wird, um Ausgrenzung, sondern um Hilfe für die Infizierten. Aber wir sind der Meinung, daß wir das Gesamtkonzept wahren, daß wir auch zu staatlichen Eingriffsbefugnissen gegenüber denen kommen müssen, die sich verantwortungslos verhalten.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Und wenn die Tests falsch sind?)




    Geis
    Es gibt, Herr Senator Fink, Menschen, die sich verantwortungslos verhalten. Und gegenüber diesem verantwortungslosen Verhalten muß man, muß der Staat eingreifen. Er darf sich davor, wie ich meine, nicht drücken.

    (Zuruf von der SPD: Gauweiler läßt grüßen!)

    Wir müssen natürlich auch einmal die Frage stellen, ob wir den Test bei bestimmten Personen nicht vorschreiben. Warum soll es eigentlich so furchtbar verkehrt sein, daß wir von den Prostituierten den Test verlangen? Wir verlangen ja sowieso, daß sie untersucht werden.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Ich verlange, daß die Bordelle geschlossen werden!)

    Warum sollen wir den Test von den Prostituierten nicht verlangen? Was ist da, meine sehr verehrten Damen und Herren, eine „wilde Gauweilerei"? Was ist daran verkehrt?

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Schließen Sie doch die Bordelle!)

    Ich halte all das für eine ziemliche Übertreibung und im Grunde genommen eigentlich für ein schamloses Gerede, das Sie hier vorbringen.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Lassen Sie einmal die Kerls testen, die in die Bordelle gehen!)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Bayerische Staatsregierung — —

    (Unruhe und anhaltende Zurufe von den GRÜNEN und der SPD)

    — Lassen Sie mich doch einmal reden. — Ich habe großen Respekt vor jedem

    (Erneuter Zuruf der Abg. Frau Unruh [GRÜNE] und weitere anhaltende Zurufe von den GRÜNEN und der SPD)

    — lassen Sie mich den Schlußsatz bringen —,

    (Dr. Blank [CDU/CSU]: Frau Präsidentin, können Sie ihr nicht einmal den „Saft" abdrehen?)

    der in dieser Frage anders argumentiert. Aber ich habe auch — und ich bitte Sie, mir das ebenso abzunehmen — großen Respekt vor dem Schritt der Bayerischen Staatsregierung, die mit genau demselben Verantwortungsbewußtsein, das Sie für sich in Anspruch nehmen, der Meinung ist, daß dies der richtige Schritt ist. Und die Entwicklung gibt ihr recht.
    Die Einsicht wächst in der Bevölkerung. Die Einsicht wächst auch bei den Bundesländern. NordrheinWestfalen hat den Anfang gemacht. Ich meine nur, wir müssen aufpassen, daß die Einsicht nicht zu spät kommt. Es ist, wie mir scheint, höchste Zeit, und wir haben eine große Verantwortung.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Schmidt (Nürnberg).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Renate Schmidt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen!
    Ich glaube, wir haben jetzt, wenige Jahre nach Erkennen der Immunschwäche AIDS, Anlaß, vor allen Dingen der Bevölkerung zu danken, die sich trotz Sensationsberichterstattung und trotz bayerischer Maßnahmen nicht zu Panik und Hysterie hat hinreißen lassen. Zu danken haben wir den Selbsthilfeorganisationen, insbesondere der AIDS-Hilfe, die mit Phantasie, Beharrlichkeit und unkonventionellen Mitteln erreicht hat, daß in einer der hauptbetroffenen Gruppen, bei den Homosexuellen, deutliche Verhaltensänderungen eingetreten sind, oder der Organisation der Pflegeeltern behinderter Kinder, die sich trotz Anfeindungen und Maßnahmen, die man bereits Verfolgung nennen kann — vor allem in Bayern — , nicht davon haben abbringen lassen, auch AIDS-infizierte Kinder in ihre Familien aufzunehmen.
    Wir sind auch mit der AIDS-Politik der Gesundheitsministerin im wesentlichen zufrieden, weil Frau Süssmuth trotz laufender und dauernder Querschüsse aus Bayern — ein Beispiel haben wir hier ja gerade mitbekommen — ihre Linie der Politik, die auch unsere ist, durchhält. Diese Linie heißt: Prävention durch Aufklärung.
    Wenn wir nun das Gesundheitsministerium loben, bedeutet das nicht, daß wir nicht auch Kritik zu äußern hätten. So erscheint uns die Zersplitterung der Zuständigkeiten — die Tatsache, daß sich z. B. mehrere Kommissionen der Bundesregierung unter unterschiedlicher Federführung mit der Meldepflicht befassen — genauso unbefriedigend wie die Tatsache, daß es immer noch kein abgestimmtes Konzept des Bundes und der Länder zur AIDS-Bekämpfung gibt. So bedauern wir — da gab es offensichtlich ein Mißverständnis zwischen Frau Conrad und Herrn Eimer, das inzwischen hoffentlich aufgeklärt ist — , daß es immer noch Schwierigkeiten in der Sozialversicherung gibt, insbesondere wenn es sich um drogenabhängige Infizierte handelt. So vermissen wir in den Aufklärungskampagnen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung — und da sind wir ganz auseinander, Herr Geis — häufig die notwendige deutliche Sprache, die uns z. B. die Schweizer vorgemacht haben. Das Wort „Kondom" bringt in der Bevölkerung wohl nur noch wenige zum Erröten,

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Beim DFB!)

    und es darf, vor allem wenn es die sicherste uns bekannte Methode außer sexueller Enthaltsamkeit oder lebenslanger Treue von nicht infizierten Partnern ist, in unseren Augen in Aufklärungskampagnen nicht fehlen.
    Wir bedauern vor allen Dingen, daß sich das Ministerium nicht nachdrücklich genug dafür eingesetzt hat, daß AB-Maßnahmen für AIDS-Beratungsstellen nach wie vor genehmigt werden, und daß das Ministerium bisher zu wenige Schritte unternommen und eingeleitet hat, um die Anschlußfinanzierung dieser Stellen zu sichern.
    Herr Staatssekretär, ich brauche Ihnen sicherlich nicht zu erläutern, was dieser Beschluß der Bundesanstalt, AB-Maßnahmen für AIDS-Beratung nicht mehr zu finanzieren, nicht nur für die Beratungsstellen der Selbsthilfeorganisationen und die Beratungsstellen



    Frau Schmidt (Nürnberg)

    der freien Wohlfahrtspflege, sondern auch für die Kommunen bedeutet.
    Diese alle sind nicht in der Lage, die ausgefallenen Mittel für Personal aus eigener Kraft aufzubringen. Damit ist das gesamte Aufklärungskonzept gefährdet, auch all das, was Sie in sinnvoller Weise an Modellprogrammen auf den Weg gebracht haben.
    Es dürfte wohl auch einmalig sein, daß das so ohne Vorankündigung geschehen ist und daß sich die Institutionen, die Kommunen und die Länder darauf nicht haben einstellen können. Dieser Beschluß ist mehr als unverständlich und wird nur dadurch erklärbar, daß die Bundesanstalt, bedingt durch andere Maßnahmen der Bundesregierung, auf Teufel komm raus sparen muß. Dies ist aber ein Sparen an der verkehrtesten Stelle. Wir werden dieses Sparen, wenn es dabei bleibt, teuer bezahlen müssen. In meiner Heimatstadt, in Nürnberg, entfallen dadurch z. B. ab April in einer einzigen AIDS-Beratungsstelle drei Stellen, und genauso sieht es landauf, landab aus.
    Wir befürchten auch, daß uns in diesem Dilemma ein Antrag für den Nachtragshaushalt nicht weiterhilft. Das dauert zu lange und verursacht juristische und Kompetenzschwierigkeiten.
    Wir halten aber die Intention dieses Antrages für richtig und fordern Sie auf, Herr Staatssekretär, mit dem Buchstaben g unseres Entschließungsantrages, für den wir getrennte Abstimmung beantragen, die Einflußmöglichkeiten der öffentlichen Körperschaften zu nutzen, diese Entscheidung der Bundesanstalt rückgängig zu machen, und außerdem dafür zu sorgen, die Anschlußfinanzierung dieser Stellen zu sichern. Eile ist in diesem Falle wirklich geboten. Wir können hier auch nicht überweisen. Wir müssen in diesem Punkte heute abstimmen, weil wir nicht Wochen und Monate warten dürfen, bis das durch die Ausschüsse gegangen ist.

    (Zustimmung bei den GRÜNEN)

    Nun zu den Anträgen. Herr Eimer, wir wollen den Ergebnissen der AIDS-Enquete-Kommission hier nicht vorgreifen, aber viele der Punkte, die wir angesprochen haben, sind Punkte, die eine Selbstverständlichkeit sind, bei denen Sie auch inhaltlich keine Schwierigkeiten haben, bei denen wir aber den Eindruck haben — die Rede von Herrn Geis bestärkt mich darin — , daß es ein so großer Konsens nicht mehr ist, daß der Konsens zwischen der FDP, der SPD und großen Teilen der CDU und der GRÜNEN nach wie vor besteht, daß aber die CSU-Abgeordneten hier anderer Meinung sind. Es ist legitim und richtig, zu fragen: Welche Unterstützung hat die Bundesregierung denn noch für ihre AIDS-Politik?
    Zum Inhalt der Anträge muß gesagt werden, daß manche dieser Punkte überhaupt nicht Bestandteil des Zwischenberichts der Enquete-Kommission sein werden

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    — Sie sagen: Sehr richtig! — , und zwar zwei wichtige Punkte, auch die Meldepflicht. Wir sind der Meinung, daß es unser Recht ist, zu fragen und, weil es da im Regelfall hier im Parlament Konsens gibt, auch darüber abstimmen zu lassen: Wie soll denn jetzt weiter
    verfahren werden, wo haben wir Handlungsaufträge für die Bundesregierung? Mit vielen dieser Punkte wird sich der Zwischenbericht nicht so detailliert befassen.
    Frau Wilms-Kegel, selbstverständlich spreche ich hier für die gesamte SPD, auch für Nordrhein-Westfalen. Mit Nordrhein-Westfalen sind unsere Anträge abgestimmt, und die Irritationen, die es gegeben hat, sind — ich sage es noch einmal — längst abgestellt, sowohl im Klinikum Aachen als auch beim Erlaß, den der Justizminister Nordrhein-Westfalens erlassen hat, der längst zurückgezogen ist. Wir sollten nicht auf ollen Kamellen immer weiter herumreiten.
    Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen, trotz dieser Kritikpunkte, die ich jetzt genannt habe, unterstützen wir die AIDS-Politik der Bundesregierung, weil es keine Alternative gibt, weil andere Politiken nicht nur verheerende gesundheitspolitische, sondern auch verheerende gesellschaftspolitische Auswirkungen hätten.
    Herrn Gauweilers Maßnahmenkataloge, Programme „gegen die nationale Dekadenz" und wie diese Produkte einer schwülstigen Phantasie noch alle heißen mögen, sind nicht nur sinnlos, sondern gefährlich. Mit deutlicher Anspielung auf den AIDS-Berater des Herrn Gauweiler hat — Herr Geis, vielleicht sollte man auch einmal zur Kenntnis nehmen, daß das nicht nur irgendwelche verantwortungslosen Presseorgane sind — z. B. Professor Gallo vor falschen Experten gewarnt und Berichte genannt, nach denen AIDS auch durch Küssen übertragen werde; solche Berichte sind unverantwortlich.
    Warum sind die bayerischen Maßnahmen und Vorhaben, Zwangstests, Meldepflicht, Einteilen der Menschen in Risikogruppen, Verteufelungen der Formen von Sexualität, die dem bayerischen Staatssekretär suspekt sind und es deshalb anderen auch sein müssen, und Absonderung infizierter Aufpasser so gefährlich?