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    Plenarprotokoll 11/71 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 71. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 14. April 1988 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Jung (Lörrach), Herkenrath und Reimann 4737 A Erweiterung der Tagesordnung 4737 A Abwicklung der Tagesordnung 4783 D Nachträgliche Überweisung dreier Gesetzentwürfe an den Ausschuß für Forschung und Technologie 4737 B Anteilnahme am Schicksal der von einem Akt der Luftpiraterie Betroffenen 4737 C Tagesordnungspunkt 2: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 11. Dezember 1987 zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und dem Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, der Italienischen Republik, dem Königreich der Niederlande und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland über Inspektionen in bezug auf den Vertrag zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Beseitigung ihrer Flugkörper mittlerer und kürzerer Reichweite (Drucksache 11/2033) Genscher, Bundesminister AA 4738 A Voigt (Frankfurt) SPD 4740 C Lamers CDU/CSU 4742 D Frau Kelly GRÜNE 4746 C Ronneburger FDP 4748 A Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD 4750 B Lowack CDU/CSU 4752 A Schily GRÜNE 4753 B Horn SPD 4754 B Dr. Wörner, Bundesminister BMVg 4756 A Tagesordnungspunkt 3: Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Hauff, Schäfer (Offenburg), Lennartz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Tschernobyl und die Folgen — Ein Jahr danach (Drucksachen 11/139, 11/755) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Daniels (Regensburg), Weiss (München), Frau Rust, Frau Wollny und der Fraktion DIE GRÜNEN: Baustopp für die Wiederaufarbeitungsanlage bei Wackersdorf (Drucksachen 11/260, 11/2121) Schäfer (Offenburg) SPD 4758 A Dr. Laufs CDU/CSU 4760 B Dr. Daniels (Regensburg) GRÜNE 4762 C Baum FDP 4763 C Frau Blunck SPD 4765 C Engelsberger CDU/CSU 4767 B Frau Wollny GRÜNE 4770 A II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 71. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. April 1988 Dr. Wörner, Bundesminister BMVg 4771D Frau Dr. Segall FDP 4773 B Jung (Düsseldorf) SPD 4774 B Dr. Friedrich CDU/CSU 4776 C Harries CDU/CSU 4778A Grüner, Parl. Staatssekretär BMU 4779 C Dr. Daniels (Regensburg) GRÜNE (Erklärung nach § 30 GO) 4781 C Namentliche Abstimmung 4782 A Ergebnis 4782 C Zusatztagesordnungspunkt 2: Aktuelle Stunde betr. Einstellung der Tiefflugübungen als Maßnahme zur Verringerung der Gefährdung der Bevölkerung Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE 4783D, 4789B Francke (Hamburg) CDU/CSU 4784 C Heistermann SPD 4785 C Dr. Hoyer FDP 4786 B Dr. Wörner, Bundesminister BMVg 4787B, 4792 C Bühler (Bruchsal) CDU/CSU 4789 D Müller (Pleisweiler) SPD 4790 D Baum FDP 4791 D Frau Hämmerle SPD 4793 A Zierer CDU/CSU 4794 A Müller (Düsseldorf) SPD 4794 D Gröbl, Parl. Staatssekretär BMU 4796 A Dr. Uelhoff CDU/CSU 4797 A Breuer CDU/CSU 4798 A Müller (Pleisweiler) SPD (Erklärung nach § 30 GO) 4798D Tagesordnungspunkt 4: Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Dritten Protokoll vom 12. Mai 1987 zur Änderung des Vertrages vom 27. Oktober 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland, der Französischen Republik und dem Großherzogtum Luxemburg über die Schiffbarmachung der Mosel (Drucksachen 11/1177, 11/1644) 4799A Tagesordnungspunkt 5: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Nr. 159 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 20. Juni 1983 über die berufliche Rehabilitation und die Beschäftigung der Behinderten (Drucksache 11/1953) 4799B Tagesordnungspunkt 6: Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Übereinkommen 157 über die Einrichtung eines internationalen Systems zur Wahrung der Rechte in der Sozialen Sicherheit sowie die von der Bundesregierung hierzu beschlossene Stellungnahme Empfehlung 167 betreffend die Einrichtung eines internationalen Systems zur Wahrung der Rechte in der Sozialen Sicherheit sowie die von der Bundesregierung hierzu beschlossene Stellungnahme (Drucksache 11/1621) 4799B Tagesordnungspunkt 7: Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Übereinkommen 158 über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber sowie die von der Bundesregierung hierzu beschlossene Stellungnahme Empfehlung 166 betreffend die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber sowie die von der Bundesregierung hierzu beschlossene Stellungnahme (Drucksache 11/1622) 4799 C Tagesordnungspunkt 8: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 64/432/EWG hinsichtlich der enzootischen Leukose der Rinder (Drucksachen 11/1707 Nr. 13, 11/1941) 4799 C Tagesordnungspunkt 9: a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Wilms-Kegel und der Fraktion DIE GRÜNEN: Bundesweite, rechtliche Koordinierung gegen bayerischen Alleingang bei der AIDS-Bekämpfung (Drucksache 11/1364) b) Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Jaunich, Frau Fuchs (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Durchführung der Beschlüsse des Deutschen Bundestages zur AIDS-Bekämpfung vom 13. November 1986 (Drucksachen 11/274, 11/1548) Frau Wilms-Kegel GRÜNE 4800A, 4807 D Dr. Voigt (Northeim) CDU/CSU 4801 B Frau Conrad SPD 4803 A Eimer (Fürth) FDP 4804 D Fink, Senator des Landes Berlin 4806 C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 71. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. April 1988 III Geis CDU/CSU 4809 B Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 4811B Frau Würfel FDP 4813 C Pfeifer, Parl. Staatssekretär BMJFFG 4815 A Frau Conrad SPD (Erklärung nach § 31 GO) 4816C Namentliche Abstimmung 4817 A Ergebnis 4822 D Tagesordnungspunkt 10: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die siebzehnte Anpassung der Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (KOV-Anpassungsgesetz 1988) (Drucksache 11/2042) Dr. Blüm, Bundesminister BMA 4817 B Frau Weiler SPD 4818A Louven CDU/CSU 4819B Frau Unruh GRÜNE 4820 B Heinrich FDP 4821 C Tagesordnungspunkt 11: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für das Post- und Fernmeldewesen: Grünbuch über die Entwicklung des gemeinsamen Marktes für Telekommunikationsdienstleistungen und Telekommunikationsgeräte (Drucksachen 11/930, 11/2014) Pfeffermann CDU/CSU 4824 A Bernrath SPD 4825 D Funke FDP 4827 B Dr. Briefs GRÜNE 4828 C Linsmeier CDU/CSU 4830 A Börnsen (Ritterhude) SPD 4831 C Tagesordnungspunkt 12: a) Erste Beratung des von der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Reform des Strafrechts (Drucksache 11/1471) b) Erste Beratung des von der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Straffreiheitsgesetzes 1987 (Drucksache 11/1472) Häfner GRÜNE 4833D, 4840 B Dr. Langner CDU/CSU 4834 D Wiefelspütz SPD 4835 D Kleinert (Hannover) FDP 4837B, 4842B Engelhard, Bundesminister BMJ 4839 A Dr. Hüsch CDU/CSU 4841 C Tagesordnungspunkt 13: a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Laufs, Carstensen (Nordstrand), Dörflinger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Baum, Frau Dr. Segall, Wolfgramm (Göttingen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Gewässerschutz und Pflanzenschutz (Drucksache 11/1135) b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Kiehm, Frau Blunck, Dr. Hauff, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Grundwasser- und Trinkwassergefährdung durch Pflanzenbehandlungsmittel (Drucksache 11/2082) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Garbe, Frau Flinner, Kreuzeder und der Fraktion DIE GRÜNEN: Schutz des Grund- und Trinkwassers vor Pestiziden (Drucksache 11/2109) Dr. Göhner CDU/CSU 4843 B Frau Blunck SPD 4845 B Bredehorn FDP 4846 D Frau Garbe GRÜNE 4848 A Frau Weyel SPD 4849 A Grüner, Parl. Staatssekretär BMU 4850 C Tagesordnungspunkt 17: Beratung des Berichts des Rechtsausschusses gemäß § 62 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu dem von der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur verfassungsrechtlichen Verankerung des Umweltschutzes als Grundrecht und als Staatsziel (Drucksachen 11/663, 11/2106) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Beratung des Berichts des Rechtsausschusses gemäß § 62 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu dem von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Sechsunddreißigsten Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Drucksachen 11/10, 11/2106) Häfner GRÜNE 4852 A Bachmaier SPD 4853 A Eylmann CDU/CSU 4853 D Kleinert (Hannover) FDP 4855 A Nächste Sitzung 4856 C IV Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 71. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. April 1988 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 4857* A Anlage 2 Entwicklung leichterer Bundeswehrhelme MdlAnfr 35, 36 08.04.88 Drs 11/2093 Dr. Abelein CDU/CSU SchrAntw PStSekr Würzbach BMVg 4857* C Anlage 3 Verbot der alliierten Luftkampfübungen und generelle Heraufsetzung der Mindestflughöhe über deutschem Boden MdlAnfr 37, 38 08.04.88 Drs 11/2093 Gerster (Worms) SPD SchrAntw PStSekr Würzbach BMVg 4858* B Anlage 4 Aussage des Bundesministeriums der Verteidigung über die Richtungsgebung abstürzender Flugzeuge im Tiefflug angesichts der Abstürze auf Gebäude; Gefahren im Falle eines Flugzeugabsturzes auf einen Atomwaffenbunker MdlAnfr 39, 40 08.04.88 Drs 11/2093 Dr. Mechtersheimer GRÜNE SchrAntw PStSekr Würzbach BMVg 4858* C Anlage 5 Größenordnung und Flugzeugtypen der von Skyguard-Radargeräten erfaßten Militärflugzeuge, die 1987 von der erlaubten Mindestflughöhe abgewichen sind MdlAnfr 41, 42 08.04.88 Drs 11/2093 Sielaff SPD SchrAntw PStSekr Würzbach BMVg 4858* D Anlage 6 Erfassung von Flugbewegungen und Verstößen der Bundesluftwaffe und der NATO-Luftstreitkräfte gegen Flugverkehrsbestimmungen durch Skyguard-Radargeräte 1987 MdlAnfr 43, 44 08.04.88 Drs 11/2093 Frau Dr. Götte SPD SchrAntw PStSekr Würzbach BMVg 4859* B Anlage 7 Neuverhandlung des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut im Falle der Nichtverminderung der Tiefflugübungen der alliierten Streitkräfte im Luftraum der Bundesrepublik Deutschland; Verfolgung von Verstößen gegen die Luftverkehrs-Ordnung 1985 bis 1987 MdlAnfr 45, 46 08.04.88 Drs 11/2093 Müller (Pleisweiler) SPD SchrAntw PStSekr Würzbach BMVg 4859* C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 71. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. April 1988 4737 71. Sitzung Bonn, den 14. April 1988 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Frau Dr. Adam-Schwaetzer 14. 4. Dr. Ahrens * 15. 4. Austermann 14. 4. Böhm (Melsungen) * 15. 4. Brandt 15. 4. Bühler (Bruchsal) 15. 4. Buschbom 15. 4. Daweke 14. 4. Dr. Dollinger 15. 4. Ebermann ** 15. 4. Erler ** 15. 4. Frau Fischer ** 15. 4. Frau Geiger ** 15. 4. Frau Dr. Hartenstein ** 15. 4. Heimann 15. 4. Helmrich 15. 4. Höpfinger 15. 4. Hörster 15. 4. Dr. Holtz ** 15. 4. Irmer ** 15. 4. Jansen 15. 4. Jung (Limburg) 15. 4. Kittelmann * 14. 4. Klein (München) 15. 4. Dr. Klejdzinski 15. 4. Dr.-Ing. Laermann 15. 4. Leonhart 14. 4. Lüder 15. 4. Dr. Mechtersheimer 15. 4. Meyer 14. 4. Dr. Müller * 15. 4. Möllemann 14. 4. Niegel 15. 4. Niggemeier 14. 4. Petersen 14. 4. Rawe 14. 4. Reddemann * 15. 4. Reimann 15. 4. Reuschenbach 15. 4. Frau Schilling 15. 4. Schulhoff 15. 4. Dr. Soell * 14. 4. Spilker 15. 4. Dr. Stercken ** 15. 4. Dr. Stoltenberg 15. 4. Frau Dr. Süssmuth 15. 4. Frau Trenz 14. 4. Verheugen 14. 4. Volmer 15. 4. Vosen 14. 4. Graf von Waldburg-Zeil 14. 4. Dr. Warnke 14. 4. Wischnewski 15. 4. Dr. de With 14. 4. Zeitler 14. 4. Dr. Zimmermann 14. 4. * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union ** für die Teilnahme an der 79. Interparlamentarischen Konferenz Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Würzbach auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Abelein (CDU/CSU) (Drucksache 11/2093 Fragen 35 und 36): Gibt es Überlegungen, den schweren Stahlhelm der Bundeswehr durch neue Entwicklungen zu ersetzen, z. B. durch einen Helm, wie er für die spanische Armee entwickelt wurde, der bei halbem Gewicht die doppelte Sicherheit aufweist? Gibt es bereits Truppenversuche mit unterschiedlichen Helmausführungen? Es ist geplant, den Stahlhelm der Bundeswehr durch einen neuen Gefechtshelm zu ersetzen. Ziel der Untersuchungen ist, ein optimales Verhältnis von Schutzwirkung und Gewicht des Helmes zu erreichen. Der eingeführte Stahlhelm der Bundeswehr aus hochwertigem Vergütungsstahl reicht in seiner Schutzleistung gegen Splitter nicht mehr aus. Mit dem Einsatz neuer Werkstoffe oder Werkstoffkombinationen und der Anwendung neuer Technologien wird zur Zeit ein neuer Gefechtshelm entwickelt, der erheblich besseren Schutz gegen Splitter und Geschosse bietet und den Forderungen der Streitkräfte gerecht wird. Die Marktbeobachtungen und vergleichenden Untersuchungen der Helmmodelle verschiedener Staaten, u. a. des amerikanischen, des isrealischen und auch des spanischen Helmes haben die Probleme der neuen Werkstoffe und deren Verarbeitungstechnik sowie die Notwendigkeit einer eigenen Entwicklung offenkundig gemacht und gezeigt, daß auch andere Streitkräfte mit ihren Entwicklungsergebnissen noch nicht zufrieden sind. Nach den gewonnenen Erkenntnissen wird die Entwicklung eines Gefechtshelmes für die Bundeswehr in zwei Zielrichtungen betrieben, und zwar - unter Beibehaltung des heutigen Helmgewichts einen höchstmöglichen Schutzgrad zu erreichen oder - unter weitgehender Gewichtseinsparung eine noch akzeptable Schutzleistung sicherzustellen. Sowohl mit Helmen aus verpreßten Kunststoffgeweben als auch mit Helmen aus der Materialkombination Stahl/Aramidgewebe kann eine beachtenswerte Kampfwertsteigerung erreicht werden. Die Untersuchungen haben aber ebenso deutlich gezeigt, daß ein ausreichender ballistischer Schutz mit leichten Kunststoffhelmen, wie sie von anderen Streitkräften teilweise schon benutzt werden, nicht erreichbar ist. Solche Helme sind nur auf den Schutz gegen kleine Splitter ausgelegt. Schwerere Splitter machen aber ein Bedrohungspotential von mindestens 20 aus. Bei Beschußprüfungen mit schwereren Normsplittern von 2,7 g (international üblich ist ein Normsplitter von 1,1 g) hatten diese Helme kaum noch eine Schutzwirkung, selbst bei geringerer Auftreffgeschwindigkeit. Es wäre deshalb unverantwortlich, die Schutzleistung des neuen Gefechtshelmes für die Bundeswehr nur auf den leichten 1,1 g Normsplitter auszulegen, weil dann schwerere Splitter und Geschosse unberücksichtigt blieben und tödliche Verletzungen in erheblichem Umfang in Kauf genommen werden müßten. 4858* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 71. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. April 1988 Der spanische Helm aus verpreßtem Aramidgewebe ist lediglich um ca. 20 % leichter als der Bundeswehrstahlhelm und in seiner Schutzleistung nur gegen kleine und leichte Splitter um ca. 40 % besser. Die Ergebnisse der Beschußprüfungen mit schweren Splittern und Geschossen liegen für diesen Helm noch nicht vor. Die Ergebnisse werden voraussichtlich aber nicht anders sein, als bei den vergleichenden Beschußprüfungen an den Kunststoffhelmen anderer Streitkräfte, mit denen das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung bereits begonnen hat und die nicht ermutigend sind. Mit der Entwicklung von Helmen aus der Materialkombination Stahl/Aramidgewebe befassen sich andere Staaten nicht, weil sie die Technik zur Herstellung eines hochwertigen Vergütungsstahls nicht beherrschen. Bei dem zur Zeit laufenden Truppenversuch mit dem neuen Bekleidungssystem werden auch Kunststoffhelme in zwei verschiedenen Formen und mit unterschiedlichen Innenausstattungen erprobt. Dabei sollen und können lediglich Erkenntnisse über Tragekomfort und Akzeptanz der beiden Helme gewonnen werden. Eine Entscheidung über das einzuführende Modell ist erst nach Abschluß der technischen Entwicklung einschließlich der Beschußprüfung (Ende 1988) und der abschließenden praktischen Erprobung möglich. Zur weiteren Information füge ich mein Schreiben vom 11. März 1988 an den Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses, Herrn Alfred Biehle, bei. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Würzbach auf die Fragen des Abgeordneten Gerster (Worms) (SPD) (Drucksache 11/2093 Fragen 37 und 38): Ist die Bundesregierung bereit, als Konsequenz der jüngsten Abstürze von Militärmaschinen der Alliierten, Luftkampfübungen über der Bundesrepublik Deutschland generell zu verbieten? Ist die Bundesregierung nunmehr bereit, eine generelle Heraufsetzung der Mindestflughöhe über der Bundesrepublik Deutschland gegenüber den deutschen und alliierten Luftstreitkräften durchzusetzen? Zu Frage 37: Über die Unfallabläufe und -ursachen liegen noch keine Ergebnisse vor. Deutsche Dienststellen sind in die Untersuchung eingeschaltet. Im übrigen beabsichtigt die Bundesregierung Luftkampfübungen auch in Räume über See zu verlegen. Zu Frage 38: Bei dem derzeitigen Untersuchungsstand ist kein ursächlicher Zusammenhang zwischen den geltenden Mindestflughöhen und den beiden Unfällen erkennbar. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Würzbach auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Mechtersheimer (GRÜNE) (Drucksache 11/2093 Fragen 39 und 40): Wie beurteilt die Bundesregierung die Stellungnahme des Bundesministeriums der Verteidigung vom 31. März 1988: „Einem Luftfahrzeug, das der Luftfahrzeugführer im Tiefflug aufgibt, dem kann man noch eine Richtung geben." angesichts zahlreicher Abstürze auf Gebäude, und worin liegt in diesem Zusammenhang der Unterschied etwa zwischen einem Wohnhaus und einem Atomkraftwerk? Welche Gefahren für die Bevölkerung können entstehen, wenn ein Flugzeug auf einen der rund 60 vergleichsweise schwach geschützten Atomwaffenbunker in der Bundesrepublik Deutschland stürzt, auch im Hinblick auf eine Freisetzung von Plutonium? Zu Frage 39: Die Luftfahrzeugbesatzungen versuchen bei Notfällen im Tiefflug, wenn immer möglich, vor dem Absturz die Richtung des Luftfahrzeuges so zu beeinflussen, daß Gebäude oder andere Objekte nicht gefährdet werden. Bei den wenigen und aufgrund der typischen Bauweise und der exponierten Lage eindeutig und frühzeitig erkennbaren Kernkraftwerken ist die Voraussetzung hierfür besser als bei anderer Infrastruktur. Ein großer Teil der Schäden an Gebäuden ist ferner nicht durch einen Direktabsturz auf Gebäude herbeigeführt worden, sondern von Flugzeugteilen, die nach dem Aufprall weggeschleudert wurden. Diese Teile würden die Außenhülle eines Reaktorgebäudes keinesfalls durchschlagen können. Ich erinnere in diesem Zusammenhang auch an die Luftfahrzeugbesatzungen, die bei dem Versuch, einen Absturz auf Wohngebäude zu vermeiden, ihr Leben ließen, weil sie ihren Rettungsausstieg so verzögerten, daß er nicht mehr oder nicht mehr rechtzeitig eingeleitet werden konnte. Zu Frage 40: Die Frage, ob eine nukleare Kettenreaktion durch eine äußerliche, mechanische Gewalteinwirkung wie etwa durch den Absturz eines Kampfflugzeuges auf ein Depot mit Atomsprengköpfen möglich ist, kann eindeutig mit einem „Nein" beantwortet werden. Obgleich angesichts der erforderlichen Geheimhaltung von Konstruktionsmerkmalen und daraus zu ziehender Schlußfolgerungen nicht auf Einzelheiten eingegangen werden kann, ist jedoch aufgrund allgemeiner physikalischer Gegebenheiten festzustellen, daß eine ungewollte atomare Detonation (z. B. durch äußere Gewalteinwirkung, Feuer o. ä.) ausgeschlossen ist. Insbesondere ist auszuschließen, daß es durch die Fehlfunktion einzelner Komponenten zur Auslösung einer nuklearen Kettenreaktion kommen kann. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Würzbach auf die Frage des Abgeordneten Sielaff (SPD) (Drucksache 11/2093 Fragen 41 und 42): Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 71. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. April 1988 4859* In welcher prozentualen Größenordnung wichen diejenigen Militärflugzeuge, die 1987 von Skyguard-Radargeräten erfaßt wurden, von der jeweils erlaubten Mindestflughöhe ab? Läßt sich bei denjenigen Fällen, in denen Militärpiloten die jeweils vorgeschriebene Mindestflughöhe unterschritten, eine prozentuale Aufschlüsselung nach Flugzeugtypen machen? Zu Frage 41: In 1 % der im Jahr 1987 bei Tiefflugüberwachungseinsätzen mit SKYGUARD erfaßten Flüge wurden Abweichungen von der Mindestflughöhe festgestellt. Zu Frage 42: Bei den Abweichungen von der Mindestflughöhe entfielen auf TORNADO 11,3 % F-4 13,9 % F-16 27,8 % F-18 0,9 % F-104 3,4 % Mirage 8,7 % F-111 0,9 % ALPHA JET 1,7 % A-10 11,3 % Harrier 5,2% Buccaneer 0,9 Jaguar 1,7 % G-91 0,9 % F-5 10,5 % Fouga 0,9 % Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Würzbach auf die Fragen der Abgeordneten Frau Dr. Götte (SPD) (Drucksache 11/2093 Fragen 43 und 44): Wie viele Flugbewegungen wurden 1987 von „Skyguard"- Radargeräten erfaßt, und wie viele Verstöße gegen Flugbetriebsbestimmungen wurden dabei ermittelt? Wie viele der 1987 registrierten Verstöße gegen Flugbetriebsbestimmungen resultierten dabei aus Geschwindigkeitsüberschreitungen oder Unterschreiten der Mindestflughöhe, und welches zahlenmäßige Verhältnis von Flugzeugen der Bundesluftwaffe zu den Luftstreitkräften der NATO-Partner wurde dabei ermittelt? Zu Frage 43: Im Jahre 1987 wurden bei Tiefflugüberwachungseinsätzen mit SKYGUARD 7 140 Flüge aufgezeichnet. Dabei wurden 120 Abweichungen von den Flugregeln festgestellt. Eine Aussage über die Zahl der Verstöße (schuldhafte Pflichtverletzung) kann noch nicht gemacht werden, da in Unigen Fällen die Ermittlungen noch andauern. Zu Frage 44: Die zulässige Höchstgeschwindigkeit wurde dabei in 1 Fall überschritten, die Mindestflughöhe in 71 Fällen unterschritten. 87 % der Abweichungen entfielen auf die Alliierten, 13 % auf Luftfahrzeuge der Bundeswehr. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Würzbach auf die Fragen des Abgeordneten Müller (Pleisweiler) (SPD) (Drucksache 10/2093 Fragen 45 und 46): Ist die Bundesregierung bereit, in Anwendung des Artikels 82 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut dieses Abkommen neu zu verhandeln, wenn die Alliierten von sich aus nicht bereit sind, ihre militärischen Tiefflugübungen im Luftraum der Bundesrepublik Deutschland zu vermindern? Wie viele Verstöße von Militärpiloten gegen die Luftverkehrsordnung sind in den Jahren 1985, 1986 und 1987 strafrechtlich bzw. ordnungswidrigkeitsrechtlich verfolgt worden? Zu Frage 45: Die Allierten haben in den letzten Jahren die Zahl und Dauer ihrer Tiefflugeinsätze über der Bundesrepublik Deutschland insgesamt deutlich reduziert. Der Anteil der Alliierten am Gesamttiefflugaufkommen über der Bundesrepublik Deutschland entspricht in etwa dem Verhältnis der im NATO-Kommandobereich Europa Mitte stationierten Luftstreitkräfte. Das Gesamttiefflugaufkommen liegt heute um etwa 1/4 unter dem von 1980. Zu Frage 46: Von der Bundesanstalt für Flugsicherung wurden 1985 in insgesamt 297 Fällen Verfahren wegen Verstößen gegen die Luftverkehrsordnung eingeleitet, davon 60 Strafverfahren. Gegen militärische Luftfahrzeugbesatzungen wurde dabei in 64 Fällen (einschließlich 14 Strafverfahren) ermittelt. 1986 wurde in insgesamt 404 Fällen eingeleitet (126 Strafverfahren), davon militärische Luftfahrzeuge in 85 Fällen (10 Strafverfahren). 1987 wurde in insgesamt 391 Fällen eingeleitet (58 Strafverfahren), davon militärische Luftfahrzeuge in 99 Fällen (16 Strafverfahren). Eine Aussage zu den abgeschlossenen Verfahren bzw. zu den Verfahren, in denen ein tatsächliches Verschulden festgestellt wurde, kann nicht gemacht werden. Darüber hinaus weise ich darauf hin, daß die Angaben Flüge im gesamten Luftraum umfassen.
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    Rede von Petra Karin Kelly


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90)

    Liebe Freunde und Freundinnen! In den Artikeln XI, XII und XIII des INF-Abkommens wird ein System von Inspektionen sowohl innerhalb der Grenzen des Territoriums der anderen Seite als auch in den Stationierungsländern vereinbart, ein Verbot der Störung technischer Kontrollmittel der anderen Seite sowie von Tarnmaßnahmen, die die vereinbarten Kontrollen erschweren würden, festgeschrieben und eine Sonderkontrollkommission gebildet, um Verstöße gegen die Vereinbarungen auszuschließen.
    Auch der Gesetzentwurf der Bundesregierung, von dem heute hier die Rede ist, dient dem Zweck, eine lückenlose Überwachung der im INF-Vertrag von beiden vertragschließenden Mächten eingegangenen Verpflichtungen zu ermöglichen. Diese gute Absicht, die wir voll unterstützen, kollidiert allerdings in gefährlicher Weise — so meine ich — mit den offensichtlichen Tatsachen.
    Pershing-II- und Cruise-Missiles-Verbände werden bis zum Abzug hundertprozentig einsatzbereit gehalten. Das Bedienungspersonal wird nicht automatisch abgezogen, und viele Einrichtungen, wie in Wüschheim, werden nicht unbrauchbar gemacht.
    Mit dem Übereinkommen vom 11. Dezember 1987 über die Inspektionen soll die Einhaltung des INF-Abkommens garantiert werden. Trotz aller hierzu festgelegten Details fehlt für mich leider die wichtigste Grundvoraussetzung, Herr Genscher. Denn die Vertragstexte enthalten keine Bestimmungen über die Entsorgung des in den Atomwaffen enthaltenen Plutoniums. Die verbreitete Annahme, das amerikanisch-sowjetische Abkommen über die Abschaffung von landgestützten Mittelstreckenraketen sehe auch die Vernichtung der entsprechenden nuklearen Gefechtsköpfe vor, ist irrig.
    Zwar werden die Trägersysteme und Abschußvorrichtungen unter Aufsicht der jeweils anderen Partei, Herr Genscher, „gesprengt, zermalmt, zerschnitten oder geteilt" und so unbrauchbar gemacht. Doch die Gefechtsköpfe mit ihren Zündanlagen nimmt der Vertrag aus. Jede Seite kann mit den Atomsprengköpfen anfangen, was sie will. Die Vertragsparteien können beliebig über die atomaren Gefechtsköpfe der Mittelstreckenraketen verfügen.
    Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages meint dazu — ich zitiere hier — :
    Die Vertragsparteien haben bewußt davon abgesehen, eine Vernichtung der Gefechtsköpfe zu vereinbaren. Insbesondere wäre das Problem der Verifikation kaum lösbar gewesen. Die Befolgung einer solchen Vereinbarung könnte nicht zuverlässig überprüft werden, zumal für Kurzstreckenwaffen und für strategische Waffensysteme weiterhin atomare Gefechtsköpfe hergestellt werden dürfen. Solange das erlaubt ist,



    Frau Kelly
    wäre eine Vereinbarung, atomare Gefechtsköpfe für andere Trägersysteme zu vernichten, gleichsam unsinnig.
    Das aber ist genau der Pferdefuß des ganzen komplizierten Kontrollsystems mit all seinen Inspektionen. Das, was in erster Linie zu kontrollieren wäre, entzieht sich offensichtlich jeder Kontrolle, Herr Genscher, weshalb man lieber von vornherein auf seine Beseitigung verzichtet.
    Während einer Reise in die Vereinigten Staaten vor wenigen Wochen erfuhr ich von der leidenschaftlichen Debatte im amerikanischen Kongreß zu dieser Problematik, auch zu diesen Bestimmungen, die wir heute diskutieren. Senator John Glenn aus Ohio sagte z. B. während einer Anhörung im Verteidigungsausschuß des Senats, er sei erschrocken, wie wenige es wüßten, auch in den europäischen Parlamenten, daß der INF-Vertrag und alle ihn begleitenden Abkommen nicht einen einzigen atomaren Sprengkopf beseitigen würden.

    (Voigt [Frankfurt] [SPD]: Der Senator Helms hat es gesagt!)

    Der amerikanische Verteidigungsminister Carlucci erklärte John Glenn gegenüber, daß dies auf amerikanische Veranlassung hin so vereinbart worden sei. In einer frühen Phase der Verhandlungen, fügte er hinzu, sei überlegt worden, die Sprengladungen zu demontieren, in ihre Komponenten zu zerlegen und das spaltbare Material auszusondern. Doch nach Aussagen Robert Barkers, Assistent von Carlucci, werden die Sprengköpfe nicht in ihre Bestandteile zerlegt, sondern als Ganzes wiederverwendet.
    Die Argumente Carluccis für die Wiederverwendung der INF-Gefechtsköpfe wurden immer abenteuerlicher, als er darauf verwies, daß das Energiedepartment — ich zitiere — aus Furcht vor möglichen Engpässen bei der Herstellung von neuem Plutonium in der 90er Jahren die Wiederverwendung der nuklearen Sprengköpfe empfehle. Als Beispiel, Herr Genscher: Pershing-II-Gefechtsköpfe für das Nachfolgesystem der Lance-Rakete und die Cruise-Missiles-Gefechtsköpfe für die seegestützten Marschflugkörper.
    Während wir uns hier über möglichst wirksame Inspektionen zur Verwirklichung des INF-Abkommens unterhalten, bleibt festzustellen, daß die Atomgefechtsköpfe der abgezogenen Raketen mit ihrem Plutonium auf neue, sogenannte modernisierte Waffensysteme wandern werden oder in den großen Plutoniumlagern der Supermächte auf eine Neuverwendung im Abschreckungssystem warten. Die am 8. Dezember 1987 geweckten Hoffnungen der Menschheit auf einen ersten, bescheidenen psychologischen Anfang bei der Verminderung der Atomkriegsgefahr werden, so meine ich, schwer enttäuscht.
    Nicht weniger schlimm ist es, daß, während wir uns hier den Kopf über Inspektionsdetails, über Befugnisse der Inspektoren und über die Anzahl der jährlichen Inspektionen den Kopf zerbrechen, die NATO, durch keine Inspektion gehindert, neue, als ,,Modernisierung" getarnte Aufrüstungsschritte beschließt. Ich meine, sie hat sie auch längst psychologisch vorbereitet. Ein Grund für diese Planungen ist auch die Absicht, während der Ratifizierungsdebatte die Kritiker des INF-Abkommens zu beruhigen. Welche Ironie liegt doch in der Tatsache, daß ein noch so bescheidener Abrüstungserfolg mit insgesamt mehr Rüstung auf atomarem, chemischem, wie wir jetzt hören, und konventionellem Gebiet erkauft werden muß. Dazu muß man nur noch Herrn Wörner anhören, der letzte Woche sehr deutlich gesagt hat, was er dazu meint.
    Ich stimme Dr. Leipold, Leiter der GreenpeaceKampagne für atomwaffenfreie Meere zu, wenn er feststellt:
    Das Abrüsten landgestützter Raketen wird dadurch entwertet, daß gleichzeitig die Bewaffnung zur See mit Interkontinentalraketen und Marschflugkörpern ausgebaut wird.
    Tatsächlich hat die internationale Abrüstungsdebatte die Nuklear-Armada auf den Ozeanen kaum berücksichtigt. Die Atommarinen der USA, der Sowjetunion, Großbritanniens, Frankreichs und Chinas verfügen über rund 16 000 Atomsprengköpfe. Trotz dieser Gefahr haben sie sich bisher allen Rüstungskontrollvereinbarungen entziehen können. Das ist um so unverständlicher, als die Raketen der Atom-U-Boote keine elektronischen Schlüssel besitzen, die von der politischen Führung kontrolliert werden könnten.
    Auch bei uns freilich wird — ganz im Gegensatz zu dem von dieser Debatte vermittelten Eindruck — mehr der ungebremsten Aufrüstung als ihrer Kontrolle und Eindämmung das Wort geredet. Sie, Herr Wörner, haben die Verstärkung der konventionellen Kampfkraft als unbedingt notwendig bezeichnet und erklärten in der „Süddeutschen" vom 12. April 1988 — ich zitiere — :
    Wer bei uns einen Modernisierungsverzicht fordert, fordert die einseitige Abrüstung.
    Herr Wörner, es ist keine einseitige Abrüstung, einen Modernisierungsverzicht zu fordern.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Was wir hier in Europa und in der Bundesrepublik haben, ist so viel, daß das Argument, wir würden entnuklearisiert, absolut falsch ist. Ich kann das nicht akzeptieren.
    Wenn der CDU-Militärstratege Lothar Rühl darauf verweist,

    (Voigt [Frankfurt] [SPD]: Der ist von der FDP!)

    daß Atomwaffen auf deutschem Boden langfristig unersetzlich sind,

    (Voigt [Frankfurt] [SPD]: Der ist in der FDP!)

    dann habe ich hierzu wirklich keine Antwort mehr.
    Das paßt zum Schluß gut zu der Erklärung der 16 NATO-Staats- und -Regierungschefs vom 3. März 1988, die NATO halte am Konzept der atomaren Abschreckung fest. — Im Westen also trotz Inspektionsgerede, Herr Genscher, noch immer nichts Neues, auch wenn man nun verharmlosend von einer abgestuften, differenzierten Abschreckung spricht.

    (Beifall bei den GRÜNEN sowie der Abg. Frau Fuchs [Verl] [SPD] — Lowack [CDU/ CSU]: Von den GRÜNEN auch nichts Neues!)






Rede von Dr. Philipp Jenninger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Ronneburger.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Uwe Ronneburger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir stehen mit der Debatte des heutigen Tages und mit dem Abkommen, um das es sich handelt, jenseits einer Schwelle, von der wir lange Jahre geglaubt haben, sie würde nicht überschreitbar sein. An diesen Punkt, an dem wir heute angekommen sind, Frau Kollegin Kelly, knüpfen sich Hoffnungen und Erwartungen auf weitere Schritte in dieser Richtung.

    (Zustimmung bei der FDP und der CDU/ CSU)

    Ich halte es für geradezu absurd und gefährlich, wenn diese Hoffnungen, die sich ja nicht auf unser Land beschränken, sondern in Ost und West geteilt werden, zerredet werden sollten.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Herr Kollege Voigt, ich stimme mit Ihnen darin überein, daß wir heute eine der wirklich seltenen Gelegenheiten haben, den Konsens im Hohen Hause festzustellen in einer Frage, die für die Zukunft unseres Landes, aber auch für die Zukunft Europas von entscheidender Bedeutung ist. Ich freue mich darüber, daß es so ist, wenn wir auch bei der Debatte darüber, welche Schritte nun weiterhin erfolgen müssen und wann und wie die Hoffnungen realisiert werden können, die sich an diesem Tag und an die damit sichtbar gewordene Entwicklung knüpfen, unterschiedliche Ansichten vertreten.
    Dialog und Kooperation, Herr Bundesaußenminister, das haben Sie heute morgen gesagt, müssen an die Stelle von Konfrontation treten. Ich ergänze das, indem ich sage: Unsere Aufgabe in der Bundesrepublik, im Bündnis, aber im Grunde genommen auch die Aufgabe in Ost und West wird es sein, nach gemeinsamen Interessen über die Grenzen hinweg zu suchen und sich Gedanken darüber zu machen, was im Interesse der Menschen in beiden Blöcken — wenn ich das einmal vereinfachend so sagen darf — liegen kann und muß.
    Herr Kollege Voigt, Sie haben gesagt, eine Gesamtkonzeption der NATO sei nicht vorhanden. Ich bestreite das. Natürlich haben wir eine Konzeption der NATO. Wir haben sie in der Vergangenheit gehabt. Aber wir haben sie jeweils weiterentwickelt. Ich glaube, die Aufgabe wird sein, unsere Gesamtkonzeption auf Grund der neuen Gegebenheiten neu zu entwickeln. Ich erinnere an die Entwicklung von der massiven Vergeltung zur flexiblen Antwort. Sicherlich kann die Strategie der NATO von den Entwicklungen, die sich jetzt abzeichnen, nicht unbeeinflußt bleiben.
    Die Frage, die sich heute auch auf Grund der Einlassungen der Opposition ergibt, ist nun tatsächlich die: Wie verfahren wir weiter? Wie werden wir dahin kommen, daß konventionelle Stabilität erreicht wird? Wie werden wir erreichen, daß chemische Waffen tatsächlich beseitigt, geächtet, nicht mehr hergestellt und dort, wo sie lagern, vernichtet werden?
    Der Vertrag, über den wir heute in einem Teilbereich, dem Teilbereich der Inspektionen, reden, der
    INF-Vertrag, ist tatsächlich der erste Abrüstungsvertrag, der zur Vernichtung von Kernwaffen führt, nicht nur zu ihrer Begrenzung, zur Vernichtung einer ganzen modernen Waffenkategorie. Er ist zugleich der erste Vertrag, der asymmetrische Abrüstung verlangt. Es ist der erste Vertrag, der durch umfassende Kontrollen und Verifikationsverfahren die Durchführung seiner Zielsetzungen regelt.
    Das gilt natürlich auch in bezug auf die Gefechtsköpfe, wenn ich atomare Waffen insgesamt sehe, Frau Kelly. Denn die entscheidende Frage ist doch, ob die Trägersysteme beseitigt und vernichtet werden. Was soll eigentlich die Vorstellung von einem Arsenal vorhandener atomarer Gefechtsköpfe, wenn auf der anderen Seite sichergestellt ist, daß die Trägersysteme nicht mehr vorhanden sind?
    Ich sage noch einmal: Zerreden wir nicht das, was sich hier an Hoffnungen abzeichnet!

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Nur, Herr Kollege Voigt, ich muß ganz ausdrücklich die Frage stellen: Dient eigentlich derjenige dem weiteren Fortschritt in diesem Zusammenhang, der im gegenwärtigen Zeitpunkt die Frage der Modernisierung atomarer Kurzstreckensysteme in Europa in den Mittelpunkt der Diskussion stellt?

    (Frau Fuchs [Verl] [SPD]: Wann hätten Sie es denn gern?)

    Ist das eine Frage, über die wir heute zu entscheiden haben?

    (Frau Fuchs [Verl] [SPD]: Sehr bald!) Ich will Ihnen dazu, Frau Kollegin Fuchs — —


    (Horn [SPD]: Das sagt doch der Verteidigungsminister. Das wissen Sie doch!)

    — Setzen Sie sich bitte mit jedem auseinander, Herr Kollege Horn, mit dem Sie wollen. Aber wenn Sie sich mit mir auseinandersetzen, dann setzen Sie sich mit meinen Argumenten auseinander. Darum möchte ich doch bitten.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Horn [SPD]: Aber ich will ja wissen, was diese Regierung eigentlich will, die Sie mittragen!)

    — Ich werde Ihnen sagen, was meine Auffassung und die Auffassung meiner Fraktion und damit die Auffassung der Regierung zu dieser Frage ist.

    (Lachen bei der SPD — Horn [SPD]: Da bin ich aber neugierig!)

    Sie haben heute morgen den Bundesaußenminister gehört. Wenn ich den Kollegen Voigt richtig verstanden habe, war er mit seinen Ausführungen einverstanden.

    (Voigt [Frankfurt] [SPD]: Nicht mit allen, aber mit vielen!)

    Aber wenn wir uns jetzt etwa über die Frage der
    Modernisierung unterhalten, dann möchte ich einmal



    Ronneburger
    zwei Zeiträume in unsere Überlegungen einbeziehen, die sich auf Grund der gegenwärtigen Vertragslage, vor der wir stehen, in die Zukunft hinein erstrecken. Es wird drei Jahre dauern, bis nach dem INF-Vertrag die letzte Mittelstreckenrakete beseitigt ist. Das heißt, es ist nicht so, daß von heute auf morgen eine Denuklearisierung stattfindet.
    Wir haben darüber hinaus die Aussage der USA-Regierung, daß die Lance-Raketen bis Mitte der 90er Jahre — so wörtlich bei den Konsultationen in Washington — einsatzbereit sein werden. Das heißt, wir haben einen Zeitraum vor uns, in dem wir uns auf das konzentrieren können, was sich in Wien abzeichnet und was dort verhandelt wird. Das Mandat zur Verhandlung über den Abbau konventioneller Rüstung scheint in diesem Jahr erreichbar zu sein.
    Wir haben Zeit, in die Zukunft hinein zu wirken, um auch bei den chemischen Waffen das zu erreichen, was wir ja gemeinsam wollen, nämlich ihre Ächtung, ihre Beseitigung und die Verhinderung jeder weiteren Produktion dieser Waffen. Nutzen wir doch diese Jahre, und reden wir in dem gegenwärtigen Zeitpunkt nicht über eine Modernisierung, von der ich befürchte, daß sie, wenn sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt stattfände — —

    (Horn [SPD]: Das müssen Sie an die Adresse der Regierung sagen!)

    — Lassen Sie mich bitte ausreden, Herr Kollege Horn. Sie können sich ja selbst zu Wort melden, wenn Sie dazu etwas zu sagen haben.

    (Horn [SPD]: Das tue ich ja nachher! Ich werde Ihnen auch die Adressen nennen!)

    Ich befürchte, daß ein Gerede — wie es ja nicht zuletzt der Vorsitzende Ihrer Fraktion aus den USA mitgebracht hat — über eine Modernisierung dieser Kurzstreckenwaffen

    (Voigt [Frankfurt] [SPD]: Das waren Informationen!)

    die Möglichkeiten des Abbaus von konventionellen und chemischen Waffen nicht erleichtert, sondern erschwert.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)