Rede von
Peter
Büchner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD-Bundestagsfraktion hat diese Aktuelle Stunde vor allen Dingen aus drei Gründen beantragt:
Erstens. Das Gutachten der sogenannten unabhängigen Sachverständigenkommission zur Prüfung des Gemeinnützigkeitsrechts hat bei den 250 000 gemeinnützigen Vereinen und Verbänden in der Bundesrepublik Deutschland Befürchtungen und Verunsicherungen ausgelöst, ja sogar Entsetzen hervorgerufen. Dafür trägt die Bundesregierung die Verantwortung. Sie hat diese Kommission eingesetzt, und sie hat diese Mitglieder berufen, entgegen allen Warnungen gerade solche Mitglieder, die sich durch sportfeindliche, vorurteilsbeladene Äußerungen schon vorher hervorgetan haben.
Zweitens. Das Ergebnis der langjährigen Beratungen ist weitgehend verheerend und stellt eine ernste Gefahr für das dem Gemeinwohl dienende Wirken der 64 000 Sportvereine und ihrer ehrenamtlichen Mitarbeiter dar.
Die Verwirklichung dieser Ratschläge würde den Niedergang des deutschen Sportvereinswesens bedeuten,
dessen Bürgerengagement weltweit als beispielhaft anerkannt wird. Die Empörung und die Proteste gegen dieses Machwerk sind nur allzu berechtigt und werden von der SPD nachdrücklich unterstützt.
Die Vereine und Verbände vermissen allerdings diese Unterstützung bei den Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU und der FDP, besonders bei denen, die im Sport Verantwortung tragen, auch die Unterstützung des CDU-Präsidiumsmitglieds und hessischen Ministerpräsidenten Wallmann, der als Präsident des Deutschen Turnerbundes figuriert.
Ich kann nur sagen: Raus aus den Büschen, meine
Damen und Herren, und hier klar Stellung bezogen!
Drittens. Wir fordern die Bundesregierung auf, durch eindeutige Zusagen heute eine Bestands- und Förderungsgarantie für das gemeinnützige Vereinswesen in unserer Gesellschaft zu geben.
Die bisherige widersprüchliche und vertrauensschädigende Politik der Regierung trifft besonders den Sport als die größte gesellschaftliche Organisation der Bundesrepublik. Es ist bezeichnend, daß bei der Beratung dieses Gutachtens in dieser Aktuellen Stunde der für den Sport verantwortliche Minister überhaupt nicht anwesend ist.
Wann wollen denn Sie, Herr Staatssekretär im Finanzministerium, eigentlich den vollständigen Text des Gutachtens endlich dem Parlament zuleiten? Wir warten nun schon drei Wochen darauf, nachdem Sie die Veröffentlichung aus wahltaktischen Gründen schon über die baden-württembergische Landtagswahl hinweg verzögert hatten.
In dieser Taktik sehen wir leider Vorboten für weitere Verschleppungen der dringend notwendigen Verbesserungen für den Sport. Für die SPD-Bundestagsfraktion erkläre ich: Die Tendenz und die wesentlichen Empfehlungen des Gutachtens, die bisher be-
Deutscher Bundestag — 1 L Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. April 1988 4717
Büchner
kannt wurden, sind mit den gesellschaftspolitischen Überzeugungen der SPD unvereinbar.
Wer den Sportvereinen und -verbänden bis auf die sozialen Bereiche die Gemeinnützigkeitsanerkennung und -förderung entziehen will, fordert den entschiedenen Widerstand der Sozialdemokraten heraus.
Wir wollen auch mit dem Instrument der Gemeinnützigkeit die gesellschaftliche Eigenverantwortung und Gestaltungsfreiheit der Vereine und der ehrenamtlichen Helfer fördern. Dies lassen wir nicht als Privatvergnügen herabwürdigen, meine Damen und Herren.
Wir fordern die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen auf: Unterlassen Sie alle weiteren Verzögerungsversuche! Lösen Sie endlich Ihre zahlreichen Versprechungen gegenüber dem Deutschen Sportbund und den 64 000 Sportvereinen ein! Tragen Sie dazu bei, daß schnellstens umfassende Steuererleichterungen und -vereinfachungen insbesondere für den gemeinnützigen Sport beschlossen werden! Mit einer Inaussichtstellung eventueller Beschlüsse für die Zeit um 1990 ist die SPD nicht einverstanden. Wir bestehen auf einer zügigen Beratung und auf einer positiven Beschlußfassung über unseren Antrag vom April 1987 auf Drucksache 11/124.
Die Bundesregierung muß übrigens auch erklären, wie sie die Zusage des Bundeskanzlers in der Regierungserklärung vom 18. März 1987 mit den Empfehlungen des Gutachtens in Einklang bringen will. Der Bundeskanzler sagte damals:
Wir wollen das ehrenamtliche Engagement stärken. Deshalb werden wir bestehende Diskriminierungen ehrenamtlich Tätiger auf der Grundlage der Ergebnisse der beim Bundesfinanzminister eingerichteten Sachverständigenkommission zum Gemeinnützigkeitsrecht beseitigen.
Ich sage Ihnen zum Schluß: Die Taktik, die Sie einschlagen, wird nicht aufgehen: daß Sie sich von sportfeindlichen Pseudoexperten ein Gutachten besorgen, das dann bei den Betroffenen Angst und Schrecken verbreitet, und Sie sich dann unter dem Motto „So schlimm wird das alles nicht" als der große Retter des deutschen Sports aufspielen. Distanzieren Sie sich von dem Gutachten! Hören Sie auf zu taktieren, und machen Sie endlich eine ordentliche Sportpolitik, damit dem erheblichen Schaden, den Sie in den letzten Jahren angerichtet haben, nicht noch weiterer hinzugefügt wird!