Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will versuchen, den Kollegen Singer noch zu übertreffen, was die Kürze angeht. Er hat den Sachverhalt eigentlich schon erschöpfend vorgetragen. Wir reparieren eine Panne. Dabei hatten wir uns das doch alles so schön ausgedacht. Wir meinten damals alle im Rechtsausschuß, wir würden den blinden Mitbürgerinnen und Mitbürgern, die einmal straffällig geworden sind, eine Wohltat erweisen. Wir fielen aus allen Wolken, als dann der geharnischte Protest der Verbände kam.
Die Lehre, die daraus zu ziehen ist, hat der Kollege Singer auch schon kundgetan. Wir sollten uns häufiger fragen — auch bei anderen Gelegenheiten —, ob wir mit unserem Bemühen, in allen möglichen Wechselfällen des Lebens Fürsorge zu gewähren, nicht manchmal etwas zu weit gehen. Es gibt andere Gebiete. Unsere Gesellschaft geht insbesondere mit älteren Mitbürgern zuweilen in einer Weise um, die die Menschenwürde zu tangieren Gefahr läuft.
Eine weitere Lehre, die wir aus dieser kleinen Panne vielleicht ziehen sollten, ist die, daß das Anhören von Verbänden zuweilen zwar lästig und auch zeitraubend, aber, wie dieser Fall zeigt, unverzichtbar ist. Hätten wir in diesem Falle die Verbände rechtzeitig angehört, könnten wir uns die Reparatur dieses Gesetzes ersparen.
Eine Schlußbemerkung: Ich möchte allseits Dank sagen dafür, daß es uns in so kurzer Zeit und vor allen Dingen in so guter Atmosphäre gelungen ist, diese Reparatur durchzuführen. Die Oppositionsparteien sind, wie es ihre Aufgabe ist, mit einem Änderungsentwurf vorgeprescht. Wir haben darüber, wie es den Regierungsparteien ziemt, noch etwas intensiver nachgedacht. Das hat dazu geführt, daß wir auch noch eine Regelung für unsere stummen und tauben Mitbürgerinnen und Mitbürger bei dieser Gelegenheit beschlossen haben. Die Diskussion hat nie irgendwelche Schwierigkeiten bereitet.
Bliebe noch die Frage: Woran hat es eigentlich gelegen, daß das so gut geklappt hat? Vielleicht daran, daß wir uns streng an der Sache orientiert haben und Erwägungen, die wir häufig leichthin als politische zu bezeichnen pflegen, außer acht gelassen haben. Zuweilen habe ich den Eindruck, daß wir dann, wenn wir in Diskussionen davon sprechen, etwas müsse auch politisch gesehen und gewertet werden, das Wort „politisch" als Synonym für „nicht an der Sache orientiert" benutzen.
Vielen Dank.