Rede von
Gerlinde
Hämmerle
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN begehrt in seinem ersten Absatz die Übernahme des Document Center in Berlin durch die Bundesrepublik Deutschland. Liebe Frau Kollegin Olms, wir stimmen diesem Teil des Antrags zu. Ich möchte mich hier nun nicht, wie Sie es getan haben, mit Behauptungen und auch mit Legenden und Mutmaßungen, die ich nicht beweisen kann, beschäftigen, sondern ich möchte mich auf Ihren Antrag beziehen.
Das Document Center untersteht bis heute — das wissen wir — dem amerikanischen Außenministerium und wurde — ich rufe dies in Erinnerung — 1947 in einer ehemaligen Abhörzentrale der Gestapo in Berlin-Zehlendorf eingerichtet. Es enthält — es ist wichtig, auch dies immer wieder zu sagen, weil man daran erkennen kann, wie hochinteressant und brisant dieses Material in der Tat ist — rund 30 Millionen Akten aus dem Dritten Reich, darunter etwa 60% der Personalakten der SS und der Waffen-SS. Dies allein sind schon insgesamt 600 000 Stück.
Den größten Teil der Unterlagen macht mit 10, 7 Millionen Akten die fast komplette Mitgliederkartei der NSDAP aus, die bei Kriegsende von amerikanischen Truppen in einer Papiermühle bei München gefunden wurde. Außerdem gibt es zahlreiche andere Akten über NS-Organisationen, die hier bereits angesprochen wurden. Ich möchte sie wegen der Kürze der Zeit nicht alle noch einmal aufführen.
Unsere Zustimmung zur Übernahme hat nicht nur damit etwas zu tun, daß im Februar dieses Jahres die ungeheuerliche Tatsache bekannt wurde, daß etwa 80 000 Akten aus dem Dokument Center verschwunden sind. Unsere Zustimmung zur Übernahme hängt auch damit zusammen, daß durch das am 6. Januar 1988 in Kraft getretene Bundesarchivgesetz die gesetzlichen Voraussetzungen zur Archivierung und Benutzung von Archivgut geschaffen wurden.
Frühere Verhandlungen zur Übernahme sind an allem möglichen gescheitert — das wissen wir —, aber nach meiner Information nicht zuletzt auch daran, daß die Amerikaner darauf bestanden und bestehen, alle Unterlagen auf Mikrofilme zu übertragen und dieses Unterfangen erst abschließen wollen. Es ist nicht abgeschlossen, und ich möchte hier an dieser Stelle sagen, daß die Bundesrepublik den USA bei einer Übernahme zusichern muß, daß sie auch unter deutscher Verwaltung des Archivguts die weitere Übernahme auf Mikrofilme durchführen können. Das Archiv wäre in der Verwaltung des Bundesarchivs endlich in adäquaten Händen. Die Akten sind nach dem jetzigen Stand nicht durchnumeriert. Jüngere Materialien werden ungekennzeichnet zu älteren dazugegeben. Wir versprechen uns von den Grundsätzen des Bundesarchivs und seiner Verwaltung sowie des Bundesarchivgesetzes hier doch auch eine wesentliche Ver-
besserung der äußeren Bedingungen, auch der Benutzungsbedingungen dieses Archivs.
Eine geordnete und übersichtliche Verwaltung
— davon bin ich überzeugt — würde auch dem skandalösen Verschwinden von Akten Einhalt gebieten, und es könnte nach meiner Ansicht so etwas nicht mehr vorkommen.