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    Plenarprotokoll 11/68 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 68. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 10. März 1988 Inhalt: Tagesordnungspunkt 22: Beratung des Antrags der Abgeordneten Müntefering, Conradi, Amling, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Die Wohnungsgemeinnützigkeit erhalten und stärken (Drucksache 11/1389) Müntefering SPD ......................4627 B Dr. -Ing. Kansy CDU/CSU................4629 C Frau Oesterle-Schwerin GRÜNE..........4633 A Grünbeck FDP..........................4634 D Jahn (Marburg) SPD....................4636 D Dr. Schneider, Bundesminister BMBau.. 4638 D Conradi SPD ..........................4641B Schulhoff CDU/CSU ....................4643 C Mischnick FDP (Erklärung nach § 30 GO) 4645 C Conradi SPD (Erklärung nach § 30 GO). 4645 D Abstimmung zu Tagesordnungspunkt 8: Gesetz zu dem Übereinkommen vom 10. April 1984 über den Beitritt der Republik Griechenland zu dem am 19. Juni 1980 in Rom zur Unterzeichnung aufgelegten Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Drucksachen 11/1611, 11/1951).............4646 A Tagesordnungspunkt 23: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Dr. Vollmer, Frau Olms und der Fraktion DIE GRÜNEN: Übernahme des Berliner Document Centers für NS-Akten durch die Bundesrepublik Deutschland (Drucksache 11/1926) Frau Olms GRÜNE......................4646 B Neumann (Bremen) CDU/CSU ..........4648 A Frau Hämmerle SPD....................4650 A Lüder FDP ............................4651C Dr. Waffenschmidt, Pari. Staatssekretär BMI ................. 4652 C Tagesordnungspunkt 24: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Teubner, Frau Oesterle-Schwerin und der Fraktion DIE GRÜNEN: Maßnahmen zur Einpassung der Einzelhandelsnutzung in das übergeordnete Gesamtsystem der städtischen Entwicklung (Drucksache 11/1645) Frau Teubner GRÜNE ..................4654 A Oswald CDU/CSU......................4655 D Scherrer SPD ..........................4657 C Grünbeck FDP..........................4659 B Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär BMWi... 4660 C Tagesordnungspunkt 25: a) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Frau Dr. Däubler-Gmelin, Bachmaier, Klein (Dieburg), Dr. Pick, Schmidt (München), Schütz, Singer, Stiegler, Wiefelspütz, Dr. de With, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung (§140 Abs. 1 Nr. 4 StPO) (Drucksachen 11/816, 11/1933)II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. März 1988 b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Nickels und der Fraktion DIE GRÜNEN: Keine Zwangsverteidiger für Blinde (Drucksachen 11/624, 11/1933) Singer SPD .............. 4662 C Eylmann CDU/CSU .......... 4663 C Frau Nickels GRÜNE.......... 4663 D Kleinert (Hannover) FDP ................4664 C Engelhard, Bundesminister BMJ..........4665 A Nächste Sitzung........................4665 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten.. 4666* ADeutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. März 1988 4627 68. Sitzung Bonn, den 10. März 1988 Beginn: 17. 30 Uhr
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    4666* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. März 1988 Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 11. 3. Andres 10. 3. Antretter * 10. 3. Bahr 11. 3. Becker (Nienberge) 11. 3. Dr. Blank 10. 3. Böhm (Melsungen) * * 10. 3. Frau Brahmst-Rock 11. 3. Buschhom 11. 3. Buschfort 11. 3. Dr. Dregger 10. 3. Frau Fuchs (Köln) 11. 3. Dr. Glotz 11. 3. Dr. Hauff 11. 3. Dr. Haussmann 11. 3. Frau Hensel 11. 3. Ibrügger 11. 3. Frau Karwatzki 10. 3. Frau Kelly 11. 3. Kiechle 11. 3. Klein (Dieburg) 11. 3. Klein (München) 11. 3. Koschnick * * * 11. 3. Lenzer * * 10. 3. Lintner 11. 3. Dr. Mertens (Bottrop) 10. 3. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Meyer 11. 3. Möllemann 10. 3. Müller (Schweinfurt) 11. 3. Oostergetelo 11. 3. Reddemann * 10. 3. Reimann 11. 3. Repnik 11. 3. Sauer (Salzgitter) * * * 11. 3. Seehofer 11. 3. Frau Schilling 11. 3. Schmidt (München) * * 10. 3. von Schmude 11. 3. Schreiber * * * 11. 3. Frau Simonis 11. 3. Dr. Spöri 11. 3. Frau Trenz 11. 3. Dr. Voss 10. 3. Dr. Waigel 11. 3. Wieczorek (Duisburg) 11. 3. Wilz 11. 3. Wischnewski 11. 3. Dr. de With 11. 3. Frau Wollny 11. 3. Dr. Zimmermann 11. 3. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union * * * für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Ellen Olms


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GRÜNE)

    Ja. Ein Name ist Götz Ali, ein Historiker aus Berlin.


    (Beifall bei den GRÜNEN - Dr. Hirsch [FDP]: Sie sagten „mehrere"! Können Sie noch welche nennen?)


    — Ich habe die Namen jetzt nicht parat, aber ich kann Sie Ihnen nachreichen. Einen Namen habe ich ja genannt.

    Die jahrzehntelange deutsch-amerikansiche Komplizenschaft in Sachen Document Center gründet sich zweitens auf die neue kollektive Nachkriegsidentität der westlichen Wertegemeinschaft, gekoppelt mit einer kollektiven Projektion von Schuld in Gestalt des alten und neuen Antikommunismus: Wirtschaftswunder und Kalter Krieg räumten die tatsächliche Auseinandersetzungen mit der jüngsten Geschichte beiseite. Wen wundert es da, daß die damalige Bundesregierung und die USA vor genau 30 Jahren vereinbarten, eine kritische Durchleuchtung der Vergangenheit zeitgenössischer Politiker, Unternehmer oder Künstler auszuschließen, daß nur Behörden und Gerichte Zugang zum Document Center hatten, „sofern ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht wird", so Hans-Jürgen Wischnewski am 2. März 1978? So ließen sich leichter Rentenansprüche von ehemaligen Mitgliedern der NSDAP oder der SS ermitteln, als daß noch lebendige Persönlichkeiten mit ihrer Vergangenheit kompromittiert würden.


    (Beifall bei den GRÜNEN)


    Nach 1967 wollten sich die USA des Document Centers entledigen, aber die bundesdeutschen Regierungen wollten nicht. Warum nicht, das enthüllten die SPD-Politiker Brandt und Dr. Vogel in erstaunenswerter Offenheit. Als die britische BBC vor zehn Jahren eine Sendung über das Document Center ausstrahlte und zu dem Schluß kam, daß ein Teil von Kriegsverbrechern im westdeutschen Nachkriegsstaat bis dato in ihren gesellschaftlichen Positionen unbehelligt geblieben sind, und als daraufhin der ehemalige SPD-Abgeordnete Karl-Heinz Hansen endlich den freien Zugang zu den Aktenbergen im Document Center forderte, trat der damalige SPD-Parteivorsitzende Willy Brandt auf die Bremse:

    Wir wären von allen guten Geistern verlassen, wenn wir jetzt anfangen würden, das, was vor 35 Jahren ein gewisses Ende gehabt hat, noch mal aufrollen zu wollen.

    Herr Vogel wollte damals den Behauptungen der BBC-Sendung „in sachlicher Form entgegentreten", und zwar „schon wegen der verheerenden internationalen Wirkungen, von den nationalen ganz zu schweigen", wie er von seinem ehemaligen Fraktionskollegen Hansen zitiert wird.

    So werden die Opfer des Faschismus, vor allem die über 6 Millionen europäischen Juden, zu nochmaligen Opfern gemacht: zunächst in den Vernichtungslagern des NS-Regimes, dann als Opfer der westdeutschen Staatsraison, wobei die internationale Reputier-

    lichkeit und der nationale Konsens des „Schwamm drüber" allemal wichtiger waren als die gesellschaftliche Auseinandersetzung und Durcharbeitung der Schuld.

    Durch die jüngsten Enthüllungen in der „Berliner Morgenpost" wissen wir, daß das Berliner Document Center ganz bewußt nie einer wissenschaftlichen systematischen Auswertung aller Unterlagen zugänglich gemacht wurde. Dafür haben sich andere dubiose Gestalten, Kaufleute und Schieber, vielleicht sogar eine Geheimorganisation, mit ein bißchen Geld bedienen können. Ein Londener Militaria-Händler aus der rechtsradikalen Szene bietet Orginalpapiere aus dem militärisch gut bewachten Document Center an. Deutsche Faschisten wie der Verleger Dr. Frey versuchten über den britischen Historiker David Irving und andere Personen, Unterlagen aus den Archiven des Document Center über bekannte Politiker dieses Landes zu beschaffen, um damit gegebenenfalls zu erpressen.

    Was alles aus diesen Archiven verschwunden ist, ließe sich jedoch rasch aufklären. Denn nach den Versicherungen des amerikanischen Außenministers Shultz und des US-Gesandten Gilmore sind alle gestohlenen Akten bereits auf Mikrofilm gespeichert. Wenn dem so ist, dann ließe sich rekonstruieren, also exakt feststellen, welche Akten gestohlen und verschoben wurden und ob sich darunter tatsächlich auch politisch höchst brisantes Material befindet. In diesem Zusammenhang ist es ein Skandal, daß die Staatsanwaltschaft nicht wegen Erpressung ermittelt. Denn das Volumen der Akten deutet in der Tat auf ein groß angelegtes Unternehmen, wie das ja unter anderem auch der stellvertretende US-Chefankläger im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozeß, Kempner, vermutet.

    Ich frage mich, warum nun auf einmal, nachdem die „Berliner Morgenpost" die Debatte um das Berliner Document Center angeschubst hatte, die Bundesregierung als Reaktion darauf prompt antwortete, man sei sich mit den amerikanischen Stellen über alle wesentlichen Fragen bei der Übergabe des Document Center in deutsche Hände einig. Dabei geht es nicht um das Gerangel um die angeblich noch nicht fertiggestellte Mikroverfilmung der Akten. Im Kern geht es um die Frage, wie das Document Center in aller Stille in deutsche Hand überführt werden kann, ohne daß es in vollem Umfang einer breiten Öffentlichkeit für Forschungszwecke zugänglich gemacht werden muß.

    Genau dieses Problem, die Sicherheitsverwahrung brisanter Akten zu gewährleisten, damit die Sicherheitsverwahrung für diejenigen erspart bleibt, die sie verdient hätten — so sinngemäß Karl-Heinz Hansen —, scheint nunmehr gelöst. Eine zentrale Rolle kommt dabei dem neuen Bundesarchivgesetz zu, das der notwendigen Transparenz bei der öffentlichen Zugänglichmachung der Akten aus dem Document Center Einhalt gebietet. Allzu Neugierige werden durch folgende Passage aus diesem Gesetz abgeschirmt:

    Die Benutzung ist nicht zulässig, soweit Grund zur Annahme besteht, daß das Wohl der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder ge-


    Frau Olms

    fährdet würde oder schutzwürdige Belange Dritter entgegenstehen...

    Außerdem wird der Bundesinnenminister im Einvernehmen mit dem Bundesverteidigungsminister ermächtigt, eine Benutzungsverordnung zu erlassen, die eine weitere Restriktion des freien Zugangs bedeuten würde.

    Für uns ist solch eine klammheimliche Entsorgung der jüngsten deutschen Geschichte nicht hinnehmbar. Die Übergabe des Berlin Document Center an deutsche Stellen, die wir befürworten, muß endlich, 43 Jahre nach dem Krieg, eine lückenlose Aufklärung über die NS-Gewaltherrschaft und die begangenen Verbrechen ermöglichen. Da darf es keine Einschränkungen und keine Tabus geben. Das ist das mindeste, was wir den Opfern des Naziterrors schuldig sind.


    (Beifall bei den GRÜNEN)




Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat Herr Abgeordneter Neumann (Bremen).


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Bernd Neumann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist schon eine erstaunliche Leistung, wie es Ihnen gelingt, Frau Kollegin Olms, innerhalb von zehn Minuten so viele wahrheitswidrige Dinge hier vom Podium aus zu verkünden.


    (Zuruf von der CDU/CSU: Leider wahr!)


    Ich hoffe nur, Sie haben sich das nicht selbst erarbeitet, sondern es sich aufschreiben lassen.


    (Frau Hämmerle [SPD]: Leider wahr!)


    Das, was Sie hier vorgetragen haben — ich werde das an einzelnen Dingen beweisen —, stimmt hinten und vorne nicht.

    Es ist sicherlich unbestritten, daß die 27 Millionen Akten aus der NS-Zeit, die seit dem Kriege im Document Center in Berlin unter Obhut der Amerikaner verwaltet werden, ein umfangreiches zusätzliches historisch wertvolles Quellenmaterial darstellen, das der weiteren Erforschung der Nazi-Zeit dient und dienen kann.

    Es ist auch eindeutig, daß dieses Material deutsches Archivgut im Sinne von § 2 Abs. 8 Bundesarchivgesetz ist und normalerweise unter die deutsche Obhut gehört. Deshalb fordert die CDU/CSU-Fraktion seit vielen Jahren, daß die Übergabe dieser Unterlagen von den Amerikanern an die deutschen Stellen erfolgt. Die Diskussion darüber ist alt und lang. Ich habe mir mal die Mühe gemacht, nachzuforschen und nachzufragen, warum, mit welchen Motiven, es jeweils zu keiner Übergabe kam.

    Das geht los im Jahre 1967. Da kamen Viermächteverhandlungen dazwischen, die das störten. Dann kündigte 1979 der damalige Innenminister Baum an, die Übergabe werde 1981 vollzogen. Die USA weigerten sich dann wieder. Es gelang auch nicht. Dann gab es eine Diskussion 1979/80. Es wurde sogar ein Entwurf eines Abkommens für die Übergabe vorgelegt, welcher heute im übrigen noch Gegenstand der Diskussion ist. Dann kamen finanzielle Argumente — wer soll die Kopien bezahlen? — dazu, mit dem Ergebnis, daß wir das Material heute immer noch nicht unter deutscher Obhut haben. Gott sei Dank

    sieht es aber nach dem neuesten Stand so aus, als könne dies bald passieren.

    Es ist geklärt, daß die Amerikaner wohl dazu bereit sind, diese Unterlagen zu übergeben. Sie behalten sich vor, von allen diesen Dokumenten, Kopien, Mikrofilme, zu behalten. Das Material ist bisher zu etwa 60% verfilmt; 40% stehen noch aus. Die Finanzierungsfrage ist geklärt. Das übernimmt die Bundesrepublik. Normalerweise könnte es jetzt losgehen. Die Verfilmung dauert aber angeblich noch weitere drei bis vier Jahre, so daß man realistisch davon ausgehen könnte, daß im Jahre 1992/93 die endgültige Übergabe erfolgt. Ich hoffe, daß das Argument der Amerikaner, man wolle sich mit den anderen Alliierten konsultieren, nicht ein Vorwand ist, dies erneut zu verzögern.

    Aus all dem geht, wenn man sich damit befaßt, Frau Kollegin Olms, hervor, daß, so sehr diese Verzögerung zu bedauern ist, sie keiner der bisherigen Bundesregierungen anzulasten ist und deshalb auch für parteipolitische Zwecke nicht verwertbar ist.


    (Dr. Hirsch [FDP]: Sehr wahr!)


    Die Vorwürfe, die Bundesregierungen — da waren ja mehrere beteiligt — seien an den Unterlagen aus dem amerikanischen Document Center über NSDAP-Mitglieder nicht interessiert und wollten, wie Sie auch gesagt haben, womöglich Personen des öffentlichen Lebens decken, die ehemalige Nazis waren, sind schon allein deshalb abwegig.

    Dieser Vorwurf ist auch aus einem anderen Grunde abwegig. Entgegen dem, was Sie gesagt haben — und ich komme gleich auf den entsprechenden Professor, den Sie genannt haben; da haben Sie den falschen gegriffen —, ist dieses Document Center seit Jahren für Wissenschaft und Forschung sowie behördliche Zwecke fast uneingeschränkt zugänglich.


    (Frau Olms [GRÜNE]: Behördliche Zwecke, ja!)


    Die Genehmigung für die ausländischen Bürger erfolgt durch die US-Seite. Es ist bekannt, daß das seit Jahren völlig problemlos erfolgt.


    (Frau Hämmerle [SPD]: Ja!)


    Insbesondere was die Amerikaner betrifft, ist es so, daß die Experten aus dem Simon-Wiesenthal-Center in Los Angeles, die daran natürlich interessiert sind, uneingeschränkten Zugang haben. In West-Berlin erfolgt die Genehmigung durch den Innensenator. Was die Mehrheit der interessierten deutschen Nutzer betrifft, erfolgt die Genehmigung auf Empfehlung des Bundesarchivs.

    Hier hat es — das ist nachweisbar — bei all den Begehren deutscher Wissenschaftler und Forscher, bei all den Begehren von deutscher Seite, Zugang zu bekommen, nie ernsthaft einen Problemfall gegeben, so daß praktisch immer auf Anforderung der Zugang genehmigt wurde. Allein im letzten Jahr, im Jahre 1987, sind 140 Wissenschaftler als Nutzer in Document Center in Berlin gewesen.

    Auch für die strafrechtliche Verfolgung — das klang ja bei Ihnen auch an —, für die Verfolgung strafrechtlich relevanter Momente ist das Document Cen-Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Marz 1988 4649

    Neumann (Bremen)


    ter uneingeschränkt zugänglich. Herr Penner hat das durch eine Zwischenfrage angemerkt. Die Zentralstelle zur Erfassung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg hat seit Jahren uneingeschränkten Zugang und hat das Material durchforstet. Die Äußerungen des jetzigen Leitenden Oberstaatsanwalts gehen dahin, daß für Ludwigsburg, weil alles durchgesehen worden ist, nichts mehr drin ist. In den 60er Jahren sind dort im Document Center reihenweise Gruppen von Staatsanwälten aus der Bundesrepublik gewesen und haben die Akten durchgesehen.

    Der Kollege Hirsch hat gesagt, Sie mögen einmal jemanden nennen, der Schwierigkeiten gehabt hat. Da nannten Sie in Ihrer Argumentationsnot — deswegen nehme ich an, daß Sie sich das nicht selbst erarbeitet haben, sondern haben aufschreiben lassen — einen Ihnen sehr nahestehenden Professor namens Götz Ali. Ich entnehme der „taz", die ja nicht der CDU nahesteht, vom 17. Februar 1988 unter der Überschrift „Der Zugang spielt nur am Rande eine Rolle" ein Zitat dieses Götz Ali, den Sie hier als Kronzeugen genannt haben. Er sagt:

    Die Schwierigkeiten des Zugangs des Berliner Document Center spielen nur am Rande eine Rolle. Das Problem ist: Es wird viel zu wenig genutzt, und das liegt auch an der Faulheit der Historiker.


    (Dr. Hirsch [FDP]: Hört! Hört!)


    Meine Damen und Herren, hier wird vor der deutschen Öffentlichkeit unter Hinweis auf einen solchen Professor ein Eindruck erweckt, der sich schon im Ansatz als falsch erweist. Sie sollten sich schämen, hier vor der Öffentlichkeit solche Darstellungen zu geben!


    (Dr. Hirsch [FDP]: Unglaublich! Typisch!)


    Das Fazit: Die von Ihnen vielfach — auch jetzt — erzeugte geheimnisumwitterte Legende, die bisherigen Zugangsregelungen hätten das Aufdecken von Verstrickungen führender Persönlichkeiten des heutigen öffentlichen Lebens oder gar von Straftaten unmöglich gemacht, ist unzutreffend. Die nach einer Übernahme des Document Center in deutsche Obhut geltenden Kriterien des Bundesarchivgesetzes werden ja heute praktisch schon angewandt.


    (Dr. Hirsch [FDP]: So ist es!)


    Trotzdem sollte, so finden wir, die Übernahme des Document Center vorangetrieben werden. Die kürzlichen Schlagzeilen über den Diebstahl von angeblich mehreren 10 000 Originaldokumenten aus dem DC machen deutlich, was möglich ist, wenn solch wertvolles Archivgut nicht professionell, sondern unzureichend betreut wird. Deutschen Stellen hierbei einen Vorwurf zu machen, ist nun wirklich völlig abwegig. Es ist nachweisbar, daß immer dann, wenn Verdachtsmomente aufkamen — und die kamen in der Regel beim Bundesarchiv auf —, dies sofort dem Innenministerium gemeldet wurde, das das ans Außenministerium weiterleitete, was wiederum dazu führte, daß über die Amerikaner die Staatsanwaltschaften in Berlin eingeschaltet wurden. Das ist nachweisbar. Da gibt es also überhaupt keine Vorwürfe, die den Vertretern

    der bundesdeutschen Behörden und der Bundesregierung zu machen wären.

    Auch ich finde diesen Diebstahl schlimm. Im Grunde ist es eine Schande, daß mit dem dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte solche Geschäfte gemacht werden.


    (Sehr richtig! bei der SPD)


    Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Berlin, Heinz Galinski, ist nicht ohne Grund beim amerikanischen Außenminister George Shultz und beim US-Botschafter Burt vorstellig geworden. Deshalb ist eine rückhaltlose Aufklärung des Falles unumgänglich.

    Lassen Sie mich unsere Position, die der CDU/CSU, zusammenfassen. Die CDU/CSU tritt für eine alsbaldige Übernahme der Akten des Document Center in deutsche Obhut ein, damit die dort lagernden umfangreichen Bestände professionell archiviert werden, um sie für Wissenschaft und Forschung sachverständig aufzubereiten und zu erhalten.

    Es ist sinnvoll, daß die Akten weiterhin in Berlin bleiben. Die Zuordnung dieses Archivs zum Bundesverwaltungsamt ist — lassen Sie mich das im Augenblick als meine persönliche Meinung hinzufügen — unter fachlichen Gesichtspunkten mit Fragezeichen zu versehen. Zweifelsfrei sind es Unterlagen, die dem Bundesarchiv gehören, das ja bereits Tausende von Akten aus der NS-Zeit hat, auch die Akten, die früher das Document Center hatte, die nicht personenbezogen waren. Wir wissen, daß dies keine sachpolitische Frage, sondern eine berlinpolitische Frage ist. Ich hoffe, daß wir, wenn der Antrag an den Innenausschuß überwiesen wird, noch einmal darüber reden können.

    Meine Damen und Herren, für die zu übernehmenden Akten gelten dann selbstverständlich die Kriterien, die das gerade verabschiedete Bundesarchivgesetz ausmachen, das die Urteile des Bundesverfassungsgerichts im Hinblick auf Daten- und Personenschutz optimal berücksichtigt. Die Forderung der GRÜNEN, diese Punkte für die Akten des Document Center rechtswidrig außer Kraft zu setzen, ist mir unverständlich, insbesondere wenn man bedenkt, meine Damen von den GRÜNEN, daß die GRÜNEN selbst bei der Verfolgung von Terroristen peinlich genau dem Datenschutz den Vorrang geben. Die im Document Center gespeicherten Millionen von Menschen, die zum Teil nicht mehr leben, waren nicht alle Nazi-Verbrecher, sondern vielfach auch einfache Mitläufer, Mitglieder von NS-Zwangsorganisationen, z. B. von Kammern und berufsständischen Verbänden. Von diesen Menschen sind in diesen Akten auch zum Teil sehr persönliche Fakten, was Gesundheit und andere Dinge betrifft, enthalten. Ich darf sagen, daß diese Fakten in dem Falle natürlich nicht von öffentlichem Interesse sind und des Persönlichkeitsschutzes bedürfen. Wir haben überhaupt kein Interesse, der Vertuschung von Schuld das Wort zu reden. Aber, meine Damen und Herren, es gibt nicht zweierlei Recht. Das neue Bundesarchivgesetz trägt den wichtigen grundrechtlichen Maximen ausgewogen Rechnung. Deshalb wird es auch auf die Akten des Document Center, die wir hoffentlich bald übernehmen, Anwendung finden.


    Neumann (Bremen)


    Vielen Dank.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)