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    Plenarprotokoll 11/68 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 68. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 10. März 1988 Inhalt: Tagesordnungspunkt 22: Beratung des Antrags der Abgeordneten Müntefering, Conradi, Amling, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Die Wohnungsgemeinnützigkeit erhalten und stärken (Drucksache 11/1389) Müntefering SPD ......................4627 B Dr. -Ing. Kansy CDU/CSU................4629 C Frau Oesterle-Schwerin GRÜNE..........4633 A Grünbeck FDP..........................4634 D Jahn (Marburg) SPD....................4636 D Dr. Schneider, Bundesminister BMBau.. 4638 D Conradi SPD ..........................4641B Schulhoff CDU/CSU ....................4643 C Mischnick FDP (Erklärung nach § 30 GO) 4645 C Conradi SPD (Erklärung nach § 30 GO). 4645 D Abstimmung zu Tagesordnungspunkt 8: Gesetz zu dem Übereinkommen vom 10. April 1984 über den Beitritt der Republik Griechenland zu dem am 19. Juni 1980 in Rom zur Unterzeichnung aufgelegten Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Drucksachen 11/1611, 11/1951).............4646 A Tagesordnungspunkt 23: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Dr. Vollmer, Frau Olms und der Fraktion DIE GRÜNEN: Übernahme des Berliner Document Centers für NS-Akten durch die Bundesrepublik Deutschland (Drucksache 11/1926) Frau Olms GRÜNE......................4646 B Neumann (Bremen) CDU/CSU ..........4648 A Frau Hämmerle SPD....................4650 A Lüder FDP ............................4651C Dr. Waffenschmidt, Pari. Staatssekretär BMI ................. 4652 C Tagesordnungspunkt 24: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Teubner, Frau Oesterle-Schwerin und der Fraktion DIE GRÜNEN: Maßnahmen zur Einpassung der Einzelhandelsnutzung in das übergeordnete Gesamtsystem der städtischen Entwicklung (Drucksache 11/1645) Frau Teubner GRÜNE ..................4654 A Oswald CDU/CSU......................4655 D Scherrer SPD ..........................4657 C Grünbeck FDP..........................4659 B Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär BMWi... 4660 C Tagesordnungspunkt 25: a) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Frau Dr. Däubler-Gmelin, Bachmaier, Klein (Dieburg), Dr. Pick, Schmidt (München), Schütz, Singer, Stiegler, Wiefelspütz, Dr. de With, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung (§140 Abs. 1 Nr. 4 StPO) (Drucksachen 11/816, 11/1933)II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. März 1988 b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Nickels und der Fraktion DIE GRÜNEN: Keine Zwangsverteidiger für Blinde (Drucksachen 11/624, 11/1933) Singer SPD .............. 4662 C Eylmann CDU/CSU .......... 4663 C Frau Nickels GRÜNE.......... 4663 D Kleinert (Hannover) FDP ................4664 C Engelhard, Bundesminister BMJ..........4665 A Nächste Sitzung........................4665 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten.. 4666* ADeutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. März 1988 4627 68. Sitzung Bonn, den 10. März 1988 Beginn: 17. 30 Uhr
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    4666* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. März 1988 Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 11. 3. Andres 10. 3. Antretter * 10. 3. Bahr 11. 3. Becker (Nienberge) 11. 3. Dr. Blank 10. 3. Böhm (Melsungen) * * 10. 3. Frau Brahmst-Rock 11. 3. Buschhom 11. 3. Buschfort 11. 3. Dr. Dregger 10. 3. Frau Fuchs (Köln) 11. 3. Dr. Glotz 11. 3. Dr. Hauff 11. 3. Dr. Haussmann 11. 3. Frau Hensel 11. 3. Ibrügger 11. 3. Frau Karwatzki 10. 3. Frau Kelly 11. 3. Kiechle 11. 3. Klein (Dieburg) 11. 3. Klein (München) 11. 3. Koschnick * * * 11. 3. Lenzer * * 10. 3. Lintner 11. 3. Dr. Mertens (Bottrop) 10. 3. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Meyer 11. 3. Möllemann 10. 3. Müller (Schweinfurt) 11. 3. Oostergetelo 11. 3. Reddemann * 10. 3. Reimann 11. 3. Repnik 11. 3. Sauer (Salzgitter) * * * 11. 3. Seehofer 11. 3. Frau Schilling 11. 3. Schmidt (München) * * 10. 3. von Schmude 11. 3. Schreiber * * * 11. 3. Frau Simonis 11. 3. Dr. Spöri 11. 3. Frau Trenz 11. 3. Dr. Voss 10. 3. Dr. Waigel 11. 3. Wieczorek (Duisburg) 11. 3. Wilz 11. 3. Wischnewski 11. 3. Dr. de With 11. 3. Frau Wollny 11. 3. Dr. Zimmermann 11. 3. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union * * * für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Franz Müntefering


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beraten ein Gesetz, bei dem Herr Stoltenberg federführend ist. Herr Stoltenberg ist nicht hier.


    (Zurufe von der SPD: Warum?)


    Wir beraten unter Protest hier weiter. Ich stelle noch einmal klar: Wir lassen uns in unserer parlamentarischen Arbeit nicht aufhalten. Doch es ist nicht in Ordnung, daß der Finanzminister, der dieses Gesetz, in dem wohnungs- und sozialpolitischer Sprengstoff sondergleichen steckt, angeleiert hat, nicht hier ist, wenn es im Parlament beraten wird.


    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)


    Man kann nur hoffen, daß er die Botschaft noch hört und hierherkommt solange hier noch debattiert wird.

    Die Millionen Mieter draußen, die davon betroffen sind, werden ja registrieren, wie wenig Herr Stoltenberg an dem interessiert ist, was er im Deutschen Bundestag beschließen lassen will.


    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN -Dr. Möller [CDU/CSU]: Ich denke, wir beraten einen Antrag der SPD und kein Gesetz!)


    Es geht bei diesem Aspekt des Steuerpakets darum, daß der Bundesfinanzminister den gemeinnützigen Wohnungsunternehmen und einem großen Teil der Genossenschaften ihren Status nehmen will. Das bedeutet, daß acht Millionen Mieter in ihrem Mieterschutz sofort oder mittelfristig beschränkt werden. Das bedeutet, daß Mieten steigen.


    (Widerspruch bei der CDU/CSU)


    Das bedeutet, daß die Versorgung der sozial Schwachen in den großen Städten noch weniger als bisher gewährleistet ist.

    Das ist der Gegenstand dieser Debatte. Deshalb gehört der Herr Bundesfinanzminister hierher.


    (Beifall bei der SPD)


    Was der Herr Finanzminister Stoltenberg plant, ist ein Affront gegen dieses Parlament. Wir haben vor knapp einem Jahr den Bericht des 3. Untersuchungsausschusses zur Kenntnis genommen und einvernehmlich festgestellt: Die Wohnungsgemeinnützigkeit ist ein wichtiges Gut; sie bleibt erforderlich; sie soll erhalten und novelliert werden. — Wenn ein Finanzminister ein knappes halbes Jahr, nachdem das Parlament dies festgestellt hat, das Aus für die Wohnungsgemeinnützigkeit in ein neues Gesetz schreibt, ist auch das ein Affront gegen dieses Haus. Und Sie stimmen dabei mit.


    (Beifall bei der SPD - Dr. -Ing. Kansy [CDU/ CSU]: Es steht doch gar nicht das Gesetz zur Diskussion, sondern ein Antrag von Ihnen!)


    Was Herr Stoltenberg, der Finanzminister, kühl plant, ist ein Wortbruch dieser Regierung und der Union. Der zuständige Bauminister und die CDU- und CSU-Landesregierungen und viele von Ihnen haben immer wieder den Fortbestand und die Weiterentwicklung der Gemeinnützigkeit gefordert. Herr Dr. Schneider, Herr Echternach, Herr Kansy und die


    Müntefering

    Herren Diepgen und Strauß und Späth, alle haben sich bis in die letzten Tage immer mit der festen und richtigen Überzeugung gemeldet: Wir brauchen die Gemeinnützigkeit weiterhin. Herr Dr. Schneider hat das besonders deutlich am 6. Oktober 1987 gesagt. Ich will das zitieren, was er da gesagt hat, weil es gut und richtig ist:


    (Dr. Möller [CDU/CSU]: Er ist ohnehin gut!)


    Eine rein fiskalische Beurteilung der Wohnungsgemeinnützigkeit greift zu kurz.

    Nun kommt ein Satz, den Herr Häfele für Herrn Stoltenberg sicher mitnimmt:

    Hier scheint es mir häufig bei den Kritikern der Steuerbefreiung an der nötigen Sachkunde über die Strukturen der Wohnungsmärkte zu fehlen.

    Das sagt der Bundesbauminister: Der Bundesfinanzminister weiß da wohl nicht so richtig Bescheid. Der Bundesbauminister hat ja recht.

    Was Herr Stoltenberg plant, ist in diesem Hause und auch in den Ländern und im Lande insgesamt bei Sachkennern nicht mehrheitsfähig. Der Bundesfinanzminister erzwingt, erpreßt in dem Steuerpaket, daß auch die hier im Hause, die es besser wissen — Herr Schneider, Herr Echternach, Herr Kansy und all die anderen — für die Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit stimmen. Er erpreßt das. Es ist nicht Ihre Überzeugung, da bin ich sicher. Sie sollten aufstehen und dagegen Sturm laufen!


    (Beifall bei der SPD)


    Was Herr Stoltenberg plant, ist ein Schlag gegen die Mieter. Fast eine Million der betroffenen Wohnungen unterliegen schon heute nur noch der gemeinnützigkeitsrechtlichen Bindung. Diese Wohnungen werden mit der Entscheidung gegen die Wohnungsgemeinnützigkeit in den freien Markt überführt, wie Sie das zu nennen belieben.

    Im Lande Nordrhein-Westfalen sind die Spielräume für Mieterhöhungen erfragt worden. Im Durchschnitt ist eine Mieterhöhung um 1 DM pro m2 pro Monat möglich. Der Erhöhungsspielraum zwischen den immer noch niedrigen Mieten der sozial- und gemeinnützigkeitsrechtlich gebundenen Wohnungen und den Mieten der Wohnungen auf dem freien Markt reicht von 1 DM bis zu 2, 89 DM. 1 DM bis 2, 89 DM Mieterhöhungsmöglichkeiten! Im ersten Jahr, meine Damen und Herren, kann um 30 % erhöht werden. Im vierten Jahr kann noch einmal um 30 % erhöht werden bis hin zur Vergleichsmiete. Das bedeutet: Es wird Mieterhöhungssprünge hohen Ausmaßes geben. Die Gefahr ist da. Sie verursachen sie mit diesem Gesetz.

    Was Herr Stoltenberg plant, ist unverantwortlich gegenüber den Städten; denn in den Bedarfsschwerpunkten ist die Versorgung, insbesondere der sozial Schwachen, längst noch nicht gewährleistet. Wenn die Möglichkeit des Zusammenwirkens, wie sie heute besteht, zwischen Städten und gemeinnützigen Unternehmen und Genossenschaften nicht mehr gegeben ist, wird die Versorgung noch schlechter werden. Sehen Sie sich an, was in München dazu gesagt worden ist. 80 000 Wohnungen sind von dem Gesetz betroffen. Das wird Mieterhöhungen bedeuten. Das wird

    aber auch bedeuten, daß insbesondere die sozial Schwachen noch schwerer als bisher in bedarfsgerechte Wohnungen zu vermitteln sind.

    Was Herr Stoltenberg plant, ist eine Frechheit gegenüber den Genossenschaften. Angeblich — so liest man es ja zunächst — sind die Genossenschaften von dieser Neuregelung ausgenommen. Aber dann kommt der Nachsatz: Sie sind nur insoweit ausgenommen, als sie nur Vermietungsgenossenschaften sind. Genossenschaften sind aber von ihrer Tradition her immer auch Wohnungsbaugenossenschaften. So hat die Wohnungsgenossenschaft einmal angefangen. Der ganze Gedanke beruht auf dem Neubau.


    (Zurufe von der CDU/CSU: Neue Heimat!)


    Deshalb ist es ganz wichtig, daß die Genossenschaften die Möglichkeit behalten, als Bauträger tätig zu bleiben. Deshalb ist es unredlich, wenn hier so getan wird, als ob die Genossenschaften ausgenommen seien. Auch die Genossenschaften und ihre Mieter sind von dem betroffen, was Herr Stoltenberg Ihnen unterschiebt.

    Was Herr Stoltenberg plant, ist eine Verschleuderung von Sozialvermögen. Das Bruttoanlagevermögen der betroffenen Unternehmen liegt bei 480 Milliarden DM. Das sind Wohnungen und alles, was dazugehört. Das ist quasi ein Stiftungsvermögen. Das ist ein Vermögen, das nur für Wohnen und für alles, was damit zusammenhängt, eingesetzt werden darf. Nun wird es freigegeben, wie Sie sagen. Das ist eine schöne „Freiheit". Es wird aus allen Bindungen freigegeben. Auch deshalb muß man gegen dieses Gesetz sein.

    Die Unternehmen werden die Mieten massiv erhöhen müssen,


    (Dr. -Ing. Kansy [CDU/CSU]: Quatsch!)


    weil sie überleben wollen. Denn wenn zustande kommt, was in dem Gesetz steht, daß beim Übergang in die neue Struktur, in die gemeinnützigkeitsfreie Zeit, der Buchwert besteuert wird, werden die Unternehmen, wenn sie überleben wollen, Mieten erhöhen. Sie werden überleben wollen. Damit werden die Mieter erneut zur Kasse gebeten werden.

    Wenn Ihnen nun all die gemeinnützigkeitsrechtlichen, die wohnungspolitischen und sozialpolitischen Argumente nicht eingehen, Herr Häfele und Herr Stoltenberg, dann ist auch noch festzustellen: Das, was Sie hier vorlegen, was Sie hier planen, ist eine Milchmädchenrechnung. Das ist ja nun wirklich das letzte, was einem Finanzminister passieren sollte. Es steht in dem Gesetz: Das bringt uns 100 Millionen DM, wenn die Steuerfreiheit entfällt. Es mag ja sein, daß es 100 Millionen DM bringt. Aber welche neuen Möglichkeiten für diese Unternehmen ergeben sich denn, wenn sie anschließend als freie Unternehmen alle steuerlichen Möglichkeiten wahrnehmen, bis hin zu der Berücksichtigung von Verlusten aus Vermietung und Verpachtung? Es wird beim Bund draufgezahlt, und es wird nicht gewonnen. Auch das wissen Sie. Deshalb ist es falsch, zu behaupten, das sei


    Müntefering

    ein Punkt, an dem die Steuerreform nun unbedingt festhalten müsse.


    (Zuruf von der CDU/CSU: Das macht die Neue Heimat doch über ihre Tochtergesellschaften!)


    Herr Stoltenberg hat wirklich Pech mit seinem Steuerpaket. Es ist nicht nur schlimm in seinen Konsequenzen, sondern es ist auch schlecht vorbereitet. Das hat ihm vorgestern der bayerische Ministerpräsident schriftlich gegeben. Der Ministerrat des Freistaates Bayern hat vorgestern festgestellt, „wegen der bei den Koalitionsverhandlungen nicht aufgezeigten, aber jetzt zutage getretenen Probleme" sei mindestens eine Verfahrensänderung erforderlich. Man erinnert sich: Das hatten wir in Sachen Quellensteuer ja schon einmal. Die bayerische Regierung bescheinigt dem Bundesfinanzminister, daß er bei den Koalitionsverhandlungen offensichtlich nicht ausreichend informiert hat und die Probleme, die mit dem verbunden sind, was er nun hier vorschlägt, nicht deutlich gemacht hat. Ich finde, das ist eine richtige Bewertung.

    Nun kommt die bayerische Staatsregierung zu dem Ergebnis:

    Die Streichung der Steuervergünstigung der Gemeinnützigen Wohnungsunternehmen und die Aufhebung des Wohnungsgemeinnützigkeits-rechts sollen zumindest aus dem Paket der Steuerreform 1990 herausgenommen werden.

    Gut so. Wörtlich heißt es weiter:

    Damit würden alle Beteiligten Zeit gewinnen, das Für und Wider einer Aufhebung des Wohnungs-gemeinnützigkeitsrechts einerseits und seiner Fortsetzung und Reform andererseits ohne Zeitdruck abzuwägen.


    (Beifall bei der SPD)


    Das Land Bayern sagt: Bundesregierung und Finanzminister, nehmt dieses Stück Wohnungspolitik aus diesem Gesetz heraus; es gehört nicht dahin. Dann werden die Fachleute, die etwas von Woh-nungs- und Städtebau und von Sozialpolitik verstehen, getrennt darüber reden, wie man mit diesem Thema weiter verfahren soll.

    Die SPD-Bundestagsfraktion begrüßt den Beschluß des Landes Bayern. Wir sind bereit, mit denen, die guten Willens sind, an einer Novellierung der Wohnungsgemeinnützigkeit und an deren Fortbestand und deren Stärkung zu arbeiten. Denn es ist im Interesse der betroffenen Menschen, der Mieter und aller sonstigen Betroffenen, erforderlich, daß wir die gemeinnützige Wohnungswirtschaft als Teil unserer Sozialpolitik und unserer Wohnungspolitik auch für die Zukunft behalten.

    Das ist nun die Einladung an Herrn Häfele, wenn schon Herr Stoltenberg nicht da ist: Er möge hierhinkommen und erklären: Jawohl, wir sind bereit; wir nehmen das heraus. — Dann werden wir von vorne anfangen, zu diskutieren, und sinnvolle Lösungen suchen.

    Herzlichen Dank.


    (Beifall bei der SPD)




Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kansy.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr.-Ing. Dietmar Kansy


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal bin ich dem Kollegen Jahn dankbar. Wir hatten als Wohnungsbaupolitiker noch nie so ein schönes Auditorium wie heute,


    (Zustimmung des Abg. Bohl [CDU/CSU])


    wenn ich auch eigentlich geglaubt habe, wir redeten über den SPD-Antrag „Die Wohnungsgemeinnützigkeit erhalten und stärken" und würden nicht eine polemische Wiederauflage der Mietendebatte des Winters 1982/83 veranstalten.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Meine Damen und Herren von der SPD, wenn Sie sagen, das gemeinnützige Verhalten der Wohnungsunternehmen sei in Gefahr, erwidere ich: Keiner hindert ja die Unternehmen, künftig weiter gemeinnütziges Verhalten zu zeigen.

    Richtig ist: Die Gemeinnützigkeit war in ihrer hundertjährigen Geschichte nie so sehr in Gefahr wie in der Zeit, in der Ihre Genossen im Aufsichtsrat und Vorstand der Neuen Heimat 300 000 Wohnungen an einen Bäcker namens Schiesser verscherbelt haben.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Deswegen, glaube ich, ist es schon ein starkes Stück, wenn ausgerechnet Sie sich hier zum Kritiker gemeinnütziger Unternehmen machen wollen, die eine neue Zukunft suchen.

    Meine Damen und Herren, die Diskussion um die Wohnungsgemeinnützigkeit ist viel älter als die Diskussion um die Steuerreform. Dies ist auch verständlich, denn die Ursprünge der Wohnungsgemeinnützigkeit liegen bereits ein ganzes und die gesetzlichen Grundlagen ein halbes Jahrhundert zurück.

    Während die ursprünglichen Ideen des gemeinschaftlichen Wohnens heute durchaus noch aktuelle Bedeutung haben, hat sich die Unternehmensstruktur vielfach so geändert, daß sie den ursprünglichen Ansätzen und auch den gesetzlichen Regelungen nicht mehr voll gerecht wird. Deswegen, Herr Kollege Müntefering, ist es doch nicht verwunderlich, daß es keine einzige politische Kraft — auch nicht die Sozialdemokraten im Fachausschuß —, keinen einzigen Fachgutachter und keinen einzigen Verband gibt, die die Auffassung vertreten würden, der Status quo könne oder müsse erhalten werden.


    (Beifall des Abg. Grünbeck [FDP])


    Das einzige, worüber wir streiten, ist die Gestaltung von Änderungen. Es geht also nicht um das Ob, sondern es geht um das Wie. Deswegen geht das, was Sie hier vorgetragen haben, an der Sachdiskussion vorbei.

    Wir hatten zunächst die Bund-Länder-Kommission „Wohnungsgemeinnützigkeit" der Bauminister. Diese hat, Herr Dr. Schneider, eine Beibehaltung der Wohnungsgemeinnützigkeit nach Novellierung empfohlen.

    Dann hatten wir vom Bundesfinanzminister eingesetzt Herr Staatssekretär Häfele, die Hofbauer-Kom-


    Dr. -Ing. Kansy

    mission. Diese hat eine Aufhebung der Wohnungsgemeinnützigkeit empfohlen.

    Dann hatten wir den Untersuchungsausschuß „Neue Heimat" — tatsächlich, Herr Müntefering —, der die Beibehaltung empfohlen hat, aber nach den schlimmen Erfahrungen mit der Neuen Heimat wesentliche Veränderungen des Gemeinnützigkeitsrechtes gefordert hat, insbesondere stärkere Kontrollen und stärkere Bindungen. Das ist wiederum von der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft selber als Status quo minus, also negativ in die Diskussion eingeführt worden.

    Nun sind tatsächlich die Ministerpräsidenten der Bundesländer einschließlich des Freistaates Bayern aus unterschiedlichen Gründen teils für, teils gegen die Wohnungsgemeinnützigkeit. Dann hat die gemeinnützige Wohnungswirtschaft selber mit der Vorlage eines Positionspapiers, genannt „Der lange Weg", ihrerseits eine Bestandsaufnahme gemacht und dabei nicht pro und kontra WGG-Novellierung Stellung genommen, sondern einige Eckpunkte aufgeführt. Um die Diskussion als Sachdebatte fortzuführen und nicht als polemische Auseinandersetzung, möchte ich Sie bitten, sich diese Eckpunkte vor Augen zu führen.

    Erstens — ich zitiere — sagt die gemeinnützige Wohnungswirtschaft:

    Wir fühlen uns keinen abstrakten Regelungen verpflichtet, die oft genug gar nicht sinnvoll und praktikabel sind, sondern den Menschen, denen wir Wohnung geben, sei es zur Miete, sei es zum Eigentum.


    (Zuruf des Abg. Jahn [Marburg] [SPD])


    Zweites Zitat: Die gemeinnützige Wohnungswirtschaft sagt, Herr Jahn:

    Die langfristige Vermietbarkeit unserer Wohnungsbestände ist unser erstes Interesse. Ihrer Erhaltung, Modernisierung und ständigen Verbesserung gilt in Zukunft ein Großteil unserer Anstrengung.

    Drittes Zitat:

    Wenn es zu einer Novellierung der Wohnungsgemeinnützigkeit kommt, sorgen Sie bitte dafür, daß die gesetzlichen Regelungen nicht zu einer Garrotte werden, die uns die Luft nimmt, die wir brauchen, unsere Aufgaben verantwortbar zu erfüllen.


    (Jahn [Marburg] [SPD]: Sie machen eine Guillotine daraus!)


    Nun muß ich ganz ehrlich bekennen: Ich wußte nicht, was eine Garrotte ist. Ich habe einmal in den Duden geguckt. Da steht, daß es aus dem Spanischen kommt und ein würgeschraubähnliches Halseisen bedeutet, mit dem in Spanien die Todesstrafe durch Erwürgen vollstreckt wurde.

    Welche Option haben wir als Politiker nun vor diesem Hintergrund? Wir können zunächst einmal den Vorstellungen der Bund-Länder-Kommission und des Untersuchungsausschusses „Neue Heimat" folgen und eine Novellierung vornehmen. Das ist eine reale Möglichkeit.

    Aber dies bedeutet u. a.: Erstens. Der heutige Wohnungsbestand der gemeinnützigen Gesellschaften wird alleinige Wohnungsreserve für Problemgruppen in der Zukunft mit der Gefahr einer Gettobildung, die wir in vielen Großstadtsiedlungen heute bereits beobachten können. Zweitens. Die Kommunen erhalten weitgehende Belegungsrechte, ohne letztlich unternehmerische Verantwortung übernehmen zu müssen. Drittens. Die Unternehmen dürfen künftig nur ein räumlich begrenztes Gebiet beackern und müssen gemeinnützige und nicht gemeinnützige Tätigkeiten trennen. In der Realität würde das für die heutigen Unternehmen eine Zerschlagung von Aufgaben bedeuten, die heute sinnvoll zusammengewachsen sind. Von zusätzlichen Kontroll- und Sanktionsmechanismen möchte ich gar nicht reden.

    Meine Damen und Herren, alles dies soll vor dem Hintergrund passieren, daß — was wohl allgemeiner Konsens ist — die Kostenmietenregelung bestehen bleibt und Nachsubventionierung nicht in Sicht ist, da sich der Bund auf Wunsch der Länder aus dem sozialen Wohnungsbau zurückzieht und auch keine Rechtsverpflichtung zur weiteren Mitwirkung hat, die Länder bisher nicht zu erkennen geben, daß sie zur Nachsubventionierung bereit sind, und für die Kommunen die Angelegenheit eine Kragenweite zu groß ist.

    Meine Damen und Herren, dies bedeutet betriebswirtschaftlich nichts anderes als einen programmierten Substanzverzehr bei den Unternehmen mit dem Ergebnis, daß sie ihre erklärten Ziele, angemessene Wohnungen zu angemessenen Preisen zu schaffen, nicht mehr wahrnehmen können. Genau das ist das System „Garrotte", wenn wir so weitermachen wie bisher, ohne uns der neuen Situation zu stellen.

    Was ist nun die andere Option? Die andere Option ist, den gemeinnützigen Wohnungsunternehmen mehr wirtschaftlichen Handlungsspielraum und damit allerdings auch Verantwortung zu übertragen. Sie können in die Lage versetzt werden, aktiver am Markt zu operieren und durch Befreiung von ursprünglich sinnvollen, heute hemmenden überbürokratischen Einflußnahmen auch wohnungspolitisch vernünftiger und sozial gerechter zu handeln, als das heute teilweise möglich ist.

    Dies bedeutet tatsächlich auch Steuerpflicht, aber, Herr Kollege Müntefering, überhaupt nicht automatisch Mieterhöhung.


    (Müntefering [SPD]: Das werden Sie ja sehen!)


    Denn die Höhe der Steuern hängt z. B. davon ab, wieviel in Neubau, Modernisierung und Erhaltung steuermindernd investiert wird. Dies ist jedoch auch im unmittelbaren Interesse der Mieter: je mehr Investitionen, je bessere Wohnqualität, um so niedriger die Steuern, um so besser für die Menschen, die in diesen Wohnungen wohnen.


    (Müntefering [SPD]: Das ist doch lebensfremd, was Sie da erzählen!)


    Ob allerdings die Rechnungen der Beamten im Bundesfinanzministerium richtig sind, wird die Zukunft erweisen. Keiner kann diese Rechnungen so oder so verifizieren. Sollte es jedoch stimmen, daß


    Dr. -Ing. Kansy

    30 Millionen DM — am Ende eines längeren Prozesses vielleicht sogar 100 Millionen DM — Steuern zu zahlen wären — jetzt hören Sie einmal genau zu, Herr Kollege Jahn, mit Ihren wüsten Beschuldigungen: Mietsteigerungen in Höhe von 1 DM pro Quadratmeter! — Wir haben derzeit 3, 4 Millionen Wohnungen bei den gemeinnützigen Wohnungsunternehmen. Wenn das mit den 30 Millionen DM mehr Steuern im Jahre 1990 stimmt, dann bedeutet das bei 3, 4 Millionen Mietwohnungen im Schnitt eine Mieterhöhung von 74 Pfennig pro Wohnung und Monat — ich sage ausdrücklich: im Schnitt — bzw. 1, 2 Pfennig pro Quadratmeter und Monat.


    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)


    Ich sage noch einmal: Falls dies mit diesen 30 Millionen DM stimmt. Wir aber müssen uns hier diese Polemik bezüglich unverantwortlicher Mieterhöhungen auf Grund dieser angeblichen Gesetzgebung anhören, obwohl bisher nur ein Referentenentwurf vorliegt.


    (Müntefering [SPD]: Ach nein!)


    Es ist noch nicht einmal eine Kabinettsvorlage, schon gar nicht eine, die das Parlament passiert hat.


    (Müntefering [SPD]: Ach! - Conradi [SPD]: Das ist echt stark! Deshalb waren Sie in der Beethovenhalle!)


    Meine Damen und Herren; ich bedauere wirklich sehr, daß Ihnen in dieser schwierigen Diskussion eine notwendige Änderung der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft zu gestalten nichts anderes einfällt, als wiederum den Mietern Angst zu machen.


    (Frau Oesterle-Schwerin [GRÜNE]: Die Mi-ter können vor Ihnen doch nur Angst haben!)


    Ich habe es bereits vorhin gesagt: Sie haben damit wirklich eine üble Tradition aufgenommen, die Sie im Winter 1982/83 hier schon einmal praktiziert haben. Damals ist Ihre Mietenlüge wie ein roter Ballon zerplatzt, und sie wird auch diesmal zerplatzen, wenn wir handeln und uns von Ihnen nicht ins Bockshorn jagen lassen.


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Gemeinnützige Wohnungswirtschaft ist weder eine Erfindung der Sozialdemokraten noch der CDU, noch einer anderen Partei, noch einer Bundesregierung. Gemeinnützige Wohnungsunternehmen gab es lange, bevor sich der Staat der Gemeinnützigkeit annahm, bevor er Steuerbefreiung gewährte und damit die Tätigkeit dieser Unternehmen auch staatlich honorierte.

    Ich frage mich wirklich: Wie kommen Sie vor diesem Hintergrund eigentlich dazu, diesen Unternehmen und Unternehmensführungen zu unterstellen, sie würden plötzlich aus wohnungspolitischen Wohltätern zu Mietenhaien, die nichts anderes im Sinn haben, als künftig die Mieter auszupressen? Das ist eine Verunglimpfung von 1 800 gemeinnützigen Wohnungsunternehmen,


    (Zurufe von der CDU/CSU — Müntefering [SPD]: Fragen Sie doch einmal die bayerische Staatsregierung!)


    die bis auf ein paar schräge Vögel — und der schrägste von allen war die Neue Heimat — über Jahrzehnte, ja ein ganzes Jahrhundert in diesem Lande wohltätig gewirkt haben.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen selbst schreiben in ihrer Positionsbeschreibung „Der lange Weg" — ich zitiere —:

    Die Genossenschaften

    — und das sind immerhin 1 200 von 1 800 Unternehmen —

    haben keine Mieter, sondern Mitglieder und Nutzer. Die industrieverbundenen Wohnungsunternehmen haben mit Stiftungskapital für Werksangehörige Wohnungen gebaut und vermietet.

    — Ich zitiere jetzt nur die gemeinnützige Wohnungswirtschaft.

    Bei ihnen spielt die Mitbestimmung der Betriebsräte und Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsräten bei der Vergabe und Mietpreisgestaltung eine erhebliche Rolle.

    — Ich zitiere immer noch:

    Die kommunalen Wohnungsunternehmen haben mit Stiftungsmitteln der Kommunen einen Versorgungsauftrag auf dieser Ebene zu erfüllen.

    Unsere Kollegen in den Kommunalparlamenten haben auch diesen Versorgungsauftrag zu erfüllen und brauchen nicht unbedingt bundesgesetzliche Regelungen, um dort vor Ort sozial zu sein.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)