Rede von
Hans A.
Engelhard
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Abgeordneter Knabe, zu dieser Frage habe ich noch keine Bemerkung gemacht, aber ich werde, was die Kostenfreiheit angeht, gleich nachher noch etwas sagen.
Meine Damen und Herren, eine solche Verbandsklage hätte eine tiefgreifende investitionshemmende Wirkung für nahezu alle Vorhaben der Wirtschaft, aber auch der staatlichen Fachplanung. Dies folgt nicht etwa daraus, daß man vor gerichtlichen Entscheidungen Angst haben müßte, daß man dieselben befürchten müßte; nein, die Befürchtung kommt ja daher: Wenn gegen alles und jedes von nahezu jeder Seite geklagt werden kann, dann treten Verzögerungen auf, dann ist eine Kostenkalkulation überhaupt nicht mehr möglich. Der Bau von Fabriken, Abfallbeseitigungsanlagen und Kläranlagen könnte ebenso verzögert werden wie etwa der unaufschiebbare und dringende Erweiterungsbau eines Krankenhauses, wenn es nur am Waldesrand liegt, von der Schwarzwaldklinik in diesem Zusammenhang gar nicht zu reden. Aber hier gibt es, wie wir wissen, natürlich dringende Vorhaben.
Da die Verwirklichung der Vorhaben letztlich vom Ergebnis der richterlichen Überprüfung abhängt, würde sich — auch dies ist ein ernstes Thema — die Verantwortung in vielen Fällen vollständig von der Verwaltung auf die Gerichtsebene verlagern. Hier liegt das wesentliche, auch verfassungsrechtliche Problem: Die Verantwortlichkeit des Parlaments für die Ausgestaltung des Umweltschutzes darf ebensowenig angetastet werden wie die ureigene Aufgabe der Exekutive, Entscheidungen des Gesetzgebers in die Praxis umzusetzen.
Aber den Gerichten muß die eigentliche und ihnen verfassungsrechtlich obliegende Aufgabe erhalten bleiben, den Individualrechtsschutz für jeden Bürger zu gewährleisten.
Die Einführung einer generellen Verbandsklage für Umweltschutzverbände würde auch zu einer schwerwiegenden Rechtsschutzeinbuße in allen anderen Bereichen führen. Die derzeitige Belastungssituation in der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist angespannt. Schon jetzt können Verfahren nicht immer in der gebotenen Kürze abgewickelt werden. Die Rückstände häufen sich.
Wenn die vorgeschlagene Regelung käme, hätte sie absehbar zur Folge, daß innerhalb kürzester Zeit eine Flut von Klagen die Gerichte überfluten würde. Das könnte zu einer Blockade des gegenwärtig bewährten Rechtsschutzsystems dann nicht nur im Umweltbereich, sondern für alle Bereiche führen, wo der Bürger den Rechtsschutz ebenso in Anspruch nehmen kann und eine klare rechtliche Antwort zu bekommen hat.
Ob die auf eine solche Verbandsklage hin ergangenen gerichtlichen Urteile dem Rechtsfrieden dienen, kann füglich bezweifelt werden; denn es ist ja bereits vom Herrn Kollegen Hüsch darauf hingewiesen worden, daß man in der politischen Auseinandersetzung, was das gute Recht ist, dazu greift, die Gerichte mit solchen Fragen zu beschäftigen. Nur, wenn man da nicht durchkommt, ist das Ende nicht erreicht, und man beginnt weiter mit anderen und leider nicht immer nur mit legalen Mitteln.
Wenn in diesem Zusammenhang das Stichwort „Startbahn West" fällt, dann stocke ich bereits, weil ich mich viel zu milde ausgedrückt habe. Die Auseinandersetzung, die dort bis in die jüngsten Tage hinein stattgefunden hat, sprengt ja jedes Maß dessen, was man hier mit milden Worten noch benennen könnte.