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ID1106509500

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    Plenarprotokoll 11/65 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 65. Sitzung Bonn, Freitag, den 4. März 1988 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 4469 A Zur Geschäftsordnung Weiss (München) GRÜNE 4469 B Bohl CDU/CSU 4469 C Jahn (Marburg) SPD 4469 D Tagesordnungspunkt 17: a) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundesbahngesetzes (Drucksache 11/1516) b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Frau Brahmst-Rock, Weiss (München) und der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Abbau der Wettbewerbsverzerrungen und zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der Deutschen Bundesbahn (Bundesbahnsanierungsgesetz) (Drucksache 11/1789) c) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Übernahme überhöhter Versorgungslasten (Drucksache 11/1515) d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Tillmann, Straßmeir, Dr. Pohlmeier, Kroll-Schlüter, Fischer (Hamburg), Pfeffermann, Jung (Limburg), Bauer, Rauen, Dr. Uelhoff, Haungs, Gerstein, Dr. Lammert, Dr. Jahn (Münster) und der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Ausbau des DB-Abschnitts Paderborn—Kassel (Drucksache 11/1690) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Vorhaben der Deutschen Bundesbahn, die Preise ab April 1988 zu erhöhen (Drucksache 11/1913) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 6: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Brahmst-Rock, Weiss (München) und der Fraktion DIE GRÜNEN: Erhalt der DBStrecke Wuppertal-Elberfeld—WuppertalCronenberg (Drucksache 11/1918) Haar SPD 4471A Dr. Jobst CDU/CSU 4472 D Weiss (München) GRÜNE 4476 D Kohn FDP 4478 C Dr. Warnke, Bundesminister BMV . . . 4480 B Bamberg SPD 4483 C Tillmann CDU/CSU 4485 A Ibrügger SPD 4486 A Tagesordnungspunkt 18: a) Erste Beratung des von der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Einsichtsrecht in Umweltakten (Akteneinsichtsrechtsgesetz) (Drucksache 11/1152) b) Erste Beratung des von der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung (Drucksache 11/1153) II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 65. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. März 1988 Frau Vennegerts GRÜNE 4488 A Dr. Blens CDU/CSU 4489 D Wartenberg (Berlin) SPD 4492 B Dr. Hirsch FDP 4494 B Häfner GRÜNE 4496 B Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . . 4498 C Dr. Hüsch CDU/CSU 4500 A Schütz SPD 4501 C Baum FDP 4503 C Engelhard, Bundesminister BMJ 4505 B Nächste Sitzung 4507 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 4508* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 4508* D Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 65. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. März 1988 4469 65. Sitzung Bonn, den 4. März 1988 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 4. 3. Andres 4. 3. Frau Beck-Oberdorf 4. 3. Becker (Nienberge) 4. 3. Dr. Biedenkopf 4. 3. Dr. von Bülow 4. 3. Frau Conrad 4. 3. Frau Dr, Däubler-Gmelin 4. 3. Dreßler 4. 3. Frau Eid 4. 3. Dr. Emmerlich 4. 3. Dr. Faltlhauser 4. 3. Dr. Feldmann 4. 3. Frau Fuchs (Köln) 4. 3. Francke (Hamburg) ** 4. 3. Gansel 4. 3. Gattermann 4. 3. Dr. Götz 4. 3. Grünbeck 4. 3. Haack (Extertal) 4. 3. Hasenfratz 4. 3. Dr. Hauchler 4. 3. Dr. Hauff 4. 3. Helmrich , 4. 3. Frau Hensel 4. 3. Dr. Hoffacker 4. 3. Kastning 4. 3. Kirschner 4. 3. Kittelmann 4. 3. Klein (Dieburg) 4. 3. Kroll-Schlüter 4. 3. Dr. -Ing. Laermann 4. 3. Klein (München) 4. 3. Lemmrich * 4. 3. Lowack 4. 3. Lüder 4. 3. Frau Dr. Martiny-Glotz 4. 3. Meyer 4. 3. Dr. Miltner 4. 3. Müller (Pleisweiler) 4. 3. Paintner 4. 3. Poß 4. 3. Repnik 4. 3. Reschke 4. 3. Reuschenbach 4. 3. Frau Roitzsch (Quickborn) 4. 3. Ronneburger ** 4. 3. Sauer (Salzgitter) **' 4. 3. Frau Schilling 4. 3. Schluckebier 4. 3. von Schmude 4. 3. Dr. Schneider (Nürnberg) 4. 3. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Schröer (Mülheim) 4. 3. Seehofer 4. 3. Seidenthal 4. 3. Stiegler 4. 3. Dr. Struck 4. 3. Susset 4. 3. Frau Dr. Vollmer 4. 3. Dr. Waigel 4. 3. Dr. Wernitz 4. 3. Wiefelspütz 4. 3. von der Wiesche 4. 3. Wilz 4. 3. Frau Dr. Wisniewski 4. 3. Wissmann 4. 3. Dr. de With 4. 3. Wüppesahl 4. 3. Zander 4. 3. Zierer *' 4. 3. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 26. Februar 1988 beschlossen, zu dem vom Deutschen Bundestag am 21. Januar 1988 verabschiedeten Ersten Gesetz zur Änderung des Pflichtversicherungsgesetzes einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen. Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu nachstehenden Vorlagen absieht: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/138 Nr. 1.3 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 11/883 Nr. 93 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß sie die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen haben: Haushaltsausschuß Drucksache 11/929 Nr. 2.4 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 11/1656 Nr. 3.4, 3.5, 3.7-3.13 Drucksache 11/1707 Nr. 3-12 Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Drucksache 11/1656 Nr. 3.37 Der Bundeskanzler hat mit Schreiben vom 2. März 1988 gemäß § 30 Abs. 4 des Bundesbahngesetzes den Nachtrag zum Wirtschaftsplan der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1987 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Der Wirtschaftsplan liegt im Parlamentsarchiv zur Einsicht aus.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Heinz Günther Hüsch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Nein, Herr Präsident, ich gestatte nicht. — Die Zulassung einer uneingeschränkten Verbandsklage verlagert die Ausführung der Gesetze auf die rechtsprechende Gewalt. Das widerspricht dem Prinzip der Gewaltenteilung, weil dann die richterliche Überprüfung zum Regelfall gemacht würde.
    Nicht zuletzt: Politische Entscheidungen sind von den politischen Gremien zu treffen. Die prinzipielle Verlagerung auf die Rechtsprechung nimmt den politischen Instanzen, insbesondere den Parlamenten, ihre politischen Rechte, zumindest mindert sie diese. Und das kann nicht im Geiste und im Sinne der Verfassung sein.
    Ohnehin ist die Verbandsklage als politisches Mittel zweifelhaft. Denn diejenigen, die die Verbandsklage als Mittel der Auseinandersetzung im Umweltrecht aus ihrer grundsätzlichen Einstellung heraus wollen und nutzen, geben sich häufig — manchmal in der Regel — nicht einmal mit den gerichtlichen Entscheidungen zufrieden. Wie der jahrelange Kampf um die Startbahn West am Flughafen Frankfurt beweist, ist die Autorität höchstrichterlicher Entscheidungen für die Gegner umweltrelevanter Entscheidungen keineswegs maßgeblich, sondern ihr eigener ideologisch-politischer Standort, der keine Staatsautorität respektiert und duldet.

    (Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Was hat das denn damit zu tun?)

    Eine Verbandsklage führt zu einer breitangelegten Unsicherheit gerade dort, wo Vertrauen in staatliches Handeln unverzichtbar ist. Verunsicherung und Unsi-



    Dr. Hüsch
    cherheit sind die Konsequenzen, nämlich dann, wenn jede behördliche Entscheidung von einer nichtbetroffenen Person und deshalb von einem nicht bestimmbaren Personenkreis angefochten werden könnte. Sowohl die persönlichen Investitionsentscheidungen, z. B. der Bau eines Eigenheimes, wie die gewerblichen und wirtschaftlichen Investitionsentscheidungen verlangen nach Rechtssicherheit und schneller Klärung.
    Wer dies aber durch die Einschaltung eines neuen klagenden Rechtsmittels oder Rechtsbehelfs in Zweifel zieht,

    (Zuruf der Abg. Frau Nickels [GRÜNE])

    schafft nicht die bessere Umwelt, Frau Nickels. Es ist Ihnen ja offensichtlich nicht klar geworden, was es bedeutet, wenn jemand ein Eigenheim bauen will und dann in einen jahrelangen Prozeß verwickelt wird.

    (Frau Nickels [GRÜNE]: Ich habe ein Eigenheim!)

    — Dann können Sie gut reden, wenn Sie es schon haben; dann brauchen Sie dafür nicht zu streiten.
    Wer dies also in Zweifel zieht, wie es Frau Nickels mit Ihrem Zwischenruf erneut beweist, schafft nicht bessere Umwelt, sondern Unklarheit.

    (Zuruf der Abg. Frau Nickels [GRÜNE])

    Sie schaffen persönliche Bedrängnis — das interessiert Sie offensichtlich nicht — und wirtschaftliche Behinderungen.

    (Stratmann [GRÜNE]: Reden wir über Bausparkassen? Oder was ist los?)

    Das gilt um so mehr, als nach dem Willen der GRÜNEN das Ganze für die Urheber noch nicht einmal kostenpflichtig sein soll, sondern kosten- und risikofrei werden soll. Hier wird die Willkür an die Stelle der Rechtssicherheit gesetzt.

    (Dr. Laufs [CDU/CSU]: So ist das!)

    Unser Staat beruht nicht zuletzt auf dem Prinzip der Gleichberechtigung. Eine Verbandsklage verletzt das Prinzip. Für die einen wird das Erfordernis der Betroffenheit verlangt; für die anderen wird dieses Erf ordernis aufgehoben. Das ist Ungleichheit vor dem Gesetz. Ein Parlament muß jedem Versuch, das bewährte Prinzip „Gleiches Recht für alle" auszuhöhlen von Anfang an entgegentreten.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Wie schön! Wort zum Sonntag!)

    In Wirklichkeit suchen deshalb die Antragsteller, wie auch der Zwischenruf von Frau Trude

    (Stratmann [GRÜNE]: Von wem?)

    Unruh beweist, ihre ideologischen Festlegungen, ihr Weltbild, ihr Bündel von Vorurteilen, für das sie eine parlamentarische Mehrheit nicht finden können, auf dem Weg der Einzelfallgestaltung dennoch durchzusetzen. Das tun sie, um zumindest ihren ideologischen Prinzipien dadurch Nachdruck zu verleihen,

    (Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Um Gottes willen! Jetzt ist aber Schluß!)

    daß sie mindestens durch risikolose prozessuale Handlungen Druck und Furcht auf die Verwaltungsbehörden ausüben.
    Dieser Form der nicht nutzvollen, zum Teil unnützen verunsichernden und verfassungsrechtlich bedenklichen Weltverbesserung wollen wir keine Hilfe leisten.
    Wir stimmen zwar der Überweisung der Gesetzentwürfe an die zuständigen Ausschüsse zu, kündigen aber eindeutig unser klares Nein zu diesen Absichten an.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Daß Sie überhaupt noch überweisen wollen, ist ja verwunderlich!)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schütz.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dietmar Schütz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich habe mich darauf vorbereitet, zur Verbandsklage etwas zu sagen. Lassen Sie mich zunächst zwei Vorbemerkungen machen.
    Ich war etwas enttäuscht, daß Sie, meine Damen und Herren von den GRÜNEN, eigentlich in der Sache zu Ihren Anträgen wenig argumentiert und nur allgemeine Reden gehalten haben. Diese allgemeinen Reden fielen Ihnen deswegen so leicht, weil eine Partei ohne Geschichte immer sagen kann, mit ihr kam das Licht in die Welt.

    (Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Das haben wir doch gar nicht gesagt!)

    Eine Partei wie wir mit einer langen Geschichte muß sich auch in den Stürmen der Geschichte beweisen. Wir haben zu Fragen des Umweltschutzes, etwa „Blauer Himmel über der Ruhr", schon massive Kampagnen geführt. Sie können nicht einfach sagen, wir sind die ersten. Sie waren bisher die letzten.
    Das Thema Verbandsklage kommt in der Politik, aber auch in der Rechtswissenschaft ins 20. Lebensjahr, ohne daß — Herr Hüsch hat es gerade wieder gesagt — auf Bundesebene irgend etwas geschieht. Das ist ein wahrlich nicht ermutigender Sachverhalt für alle naturschutzrechtlichen Belange.
    Die sozialdemokratischen Länder Bremen und Hamburg und auch das damals sozialdemokratisch regierte Land Hessen haben das eingeführt

    (Baum [FDP]: Auf Antrag der FDP!)

    und haben schon die ersten positiven Erfahrungen mit der Verbandsklage gemacht.

    (Frau Nickels [GRÜNE]: Und dieses Parlament in Bonn?)

    In diesem Parlament hier hat sich Herr Maihofer, Ihr Kollege von der FDP, das erste Mal 1974 für die Einführung der Verbandsklage eingesetzt. Nach einer längeren öffentlichen und wissenschaftlichen Diskussion wurde die Einführung dieser Klage von der alten sozialliberalen Regierung in der Regierungserklärung schon am 24. November 1980 angekündigt, leider ohne noch verwirklicht werden zu können.
    In der vorigen Wahlperiode hat sich neben meiner Fraktion und den GRÜNEN die FDP dafür ausgespro-



    Schütz
    chen, die Verbandsklage einzuführen, während der CDU/CSU-Vertreter damals noch keinen ausreichenden Überblick und keine ausreichende Erfahrung hatte, um die Verbandsklage einführen zu können. Herr Hüsch hat vorhin gesagt, er habe diese ausreichende Erfahrung und diesen ausreichenden Überblick immer noch nicht, und deswegen solle auch in dieser Wahlperiode die Verbandsklage nicht eingeführt werden.
    Ich meine, es gibt zahlreiche Argumente für die Einführung dieser Klage. Das für mich entscheidende Argument ist das immer noch festzustellende Vollzugs- und Implementierungsdefizit in der Verwaltung. Ich meine damit, daß vollzugsbedürftige Rechtssätze, insbesondere aus dem Bereich des Umweltrechts — darüber reden wir gerade — , von den Behörden nicht in ausreichendem Maße vollzogen werden oder daß bei Ausfüllung vorhandener Interpretations-und Entscheidungsspielräume Gesichtspunkte des Umweltschutzes entgegen den Absichten der jeweils anwendbaren Gesetze immer noch zuwenig Gewicht erhalten.
    Unser System des subjektiv-rechtlichen Rechtsschutzes, das die Klagebefugnis nur demjenigen einräumt, der in eigenen Rechten verletzt ist, führt dazu, daß beispielsweise der Betreiber eines Großkraftwerkes, das etwa in den Auwäldern des Rheins oder der Donau errichtet werden soll, selbstverständlich klagen kann, wenn er wegen einer befürchteten schweren Störung des Naturhaushaltes eine Errichtungsgenehmigung nicht erhält. Umgekehrt: Wenn diese Genehmigung erteilt wird, findet sich in der Regel kein Kläger, weil etwa die Auwälder im staatlichen Besitz sind, die Abstandsvorschriften eingehalten sind — das betrifft andere Eigentümer — und weil andere verletzte Individualinteressen nicht vorgebracht werden können.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    In diesem Beispiel sind die natur- und landschaftsschutzrechtlichen Normen erkennbar von eminent bedeutsamen öffentlichem Interesse. Wenn aber kein Kläger mit individueller Klagebefugnis auftreten kann, ist die Überprüfung durch ein Verwaltungsgericht auch dann nicht möglich, wenn etwa — weil berechtigte Zweifel an einer richtigen Rechtsanwendung bestehen — umfangreiche öffentliche Kampagnen in dieser Angelegenheit gelaufen sind. Eine mögliche fehlerhafte Verwaltungsentscheidung muß verwaltungsprozessual ungeprüft bleiben.
    Jedem Juristen ist diese Konstruktion klar. Vielen Bürgern sind die dargestellten Konsequenzen allerdings überhaupt nicht vermittelbar.

    (Sehr richtig! bei den GRÜNEN)

    Ein anderes rechtspolitisches Argument ist, daß die Einführung und damit auch Existenz der Verbandsklage bereits präventive Wirkung auf die Verwaltung haben. Benda hat das Bild der fleet in being benutzt. Die Flotte kann eben zuschlagen, wenn fehlerhafte Entwicklungen auftreten. Vorher hat sie aber wirksame Warnfunktion.
    Schließlich — das hat dann auch, meine ich, rechtsbefriedende Wirkung — ist die Einführung der Verbandsklage die logische Weiterentwicklung der Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte vor allem im Naturschutz.

    (Zustimmung bei den GRÜNEN)

    Gerade bei Großprojekten arbeiten die Bürger und Bürgerinitiativgruppen eng mit vielen anerkannten Naturschutzverbänden zusammen. Die Kenntnis, daß die umstrittene Realisierung eines Großprojektes nicht nur in einem Anhörungs- und Beteiligungsverfahren erörtert wird, sondern nach der abschließenden Entscheidung auch vor einem unabhängigen Verwaltungsgericht geprüft werden kann, trägt sicherlich mehr zur Akzeptanz des Verfahrens und auch zur Deeskalierung von Konflikten bei als viele andere Rechtsinstrumente.
    Von Gegnern der Verbandsklage wird angeführt — das hat Herr Hüsch auch gerade getan —, durch das Institut der Verbandsklage werde das Prinzip der Gewaltenteilung und der repräsentativen Demokratie in Frage gestellt; durch die Gewährung der altruistischen Verbandsklage werde auch in die Rechte des Parlaments oder der kommunalen Vertretungskörperschaften eingegriffen, vor allen Dingen auch in die Befugnisse der Verwaltung selbst. Ich meine, daß diese Einwände zu kurz greifen. Der Verband entscheidet beim Angriff gegen ein Handeln einer Verwaltungsbehörde in der Sache grundsätzlich nicht selbst, sondern löst durch Klageerhebung lediglich die Rechtskontrolle eines unabhängigen Gerichtes aus. Die Wahrung des öffentlichen Interesses, die nach dem Verfassungsauftrag in der Hand der Staatsgewalt liegt, wird nicht von gesellschaftlichen Gruppen selbst ausgeübt, sondern diese Gruppen haben lediglich das Recht, im öffentlichen Interesse eine Überprüfung bestimmter Verwaltungsentscheidungen zu erwirken.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Den Verwaltungsgerichten wird dabei nicht mehr abverlangt als das, was sie nach Anrufung durch klagebefugte Bürger bei objektiver Verletzung der subjektiven Rechte auch sonst zu leisten haben.
    Ein weiterer Einwand gegen die Verbandsklage ist — er wurde auch 1984 von der CDU/CSU vorgebracht, als darüber hier das letzte Mal diskutiert wurde; Herr Hüsch hat das heute wiederholt — , daß diese mißbraucht werden könne als Verzögerungs-, Verhinderungs- und — damals auch — Investitionshemmungsinstrument. Dieses Argument der Verzögerung und Verhinderung kennen wir seit Jahren. Es wird immer dann vorgebracht, wenn es um die Einführung von mehr Bürger- und Beteiligungsrechten geht.

    (Zuruf von den GRÜNEN: Richtig!)

    Dieses Argument war im Kern meines Erachtens immer falsch. Wir leben in einer auf Beteiligung und Mitwirkung angelegten Gesellschaft und müssen das auch im Parlament zur Kenntnis nehmen.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Ein Blick, meine Kolleginnen und Kollegen, in die Länder, in denen die Verbandsklage zulässig ist, zeigt, daß sie nicht zu einer Prozeßflut geführt hat, was Sie, Herr Hüsch, befürchten. Es ist im Gegenteil



    Schütz
    durchaus mit einer Entlastung der Gerichte zu rechnen, da z. B. Massenklagen überflüssig werden können. Die Präventivfunktion der Verbandsklage wird manches unnötige Verwaltungshandeln im Vorfeld zu mehr akzeptablen Entscheidungen transponieren.
    Um die befürchteten negativen Entwicklungen bei der Einführung der Verbandsklage in den Griff zu bekommen, muß die Diskussion darüber, an welcher Stelle z. B. die Verbandsklage geregelt werden soll und wie sie geregelt werden soll, noch sorgfältig geprüft werden. Der vorliegende Entwurf der GRÜNEN sieht eine Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung vor, obwohl diese — da stimme ich Ihnen zu — eine völlig andere Systematik hat. Meine Fraktion hat eine Gesetzesvorlage zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes vorgelegt und damit die Diskussion zur Änderung von Einzelgesetzen bei Einführung der Verbandsklage eröffnet. In der rechtspolitischen Diskussion gibt es darüber hinaus den Entwurf eines gesonderten Verbandsklagegesetzes. Ich kann wegen der Kürze der Zeit hier jetzt die Frage, wo die Verbandsklage geregelt werden soll, nicht sorgfältig diskutieren, auch nicht, wie die Klagebefugnis der Verbände im einzelnen ausgestattet werden soll. Wir werden das in den Ausschüssen tun.
    Der hier zur Diskussion stehende Vorschlag trifft im Kern meine Vorstellung, daß die nach § 29 Bundesnaturschutzgesetz anerkannten Verbände klagen dürfen. Wieso das Gericht darüber hinaus im Einzelverfahren weitere Verbände als klagebefugt festlegen kann, kann ich im Augenblick nicht übersehen. Ich übersehe nicht, wieso Sie das vorhaben.
    Wir müssen bei diesem Gesetz natürlich auch die Rechtsfragen diskutieren, ob einer Verbandsklage aufschiebende Wirkung zukommen soll oder ob es eine Ausschlußfrist für die Klage geben soll, um irgendwann Rechtspositionen als gewährt zu betrachten und den Rechtsfrieden eintreten zu lassen. Wir müssen auch noch darüber reden, ob Klagen von mehreren Verbänden nebeneinander eingeräumt werden können, wobei wir wissen, daß anerkannte Verbände durchaus nicht Bleichgelagerte Betrachtungsweisen haben.

    (Baum [FDP]: Richtig!)

    Sie stehen manchmal sehr kontrovers gegeneinander.
    Eines aber sollten wir abschließend aussprechen: daß wir uns nach den langen Jahren der Diskussion nachhaltig für die Einrichtung einer Verbandsklage aussprechen. Das Ob der Entscheidung sollte endlich klar sein, über das Wie sollten wir uns aber auch bald einig werden. Das alte Thema Verbandsklage muß von unserer Tagesordnung herunter. Dieses Recht muß den Verbänden endlich gewährt werden, wenn wir uns nicht zu Recht den Vorwurf gefallen lassen wollen, daß wir die Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte für die Naturschutzverbände auf halbem Wege stehen lassen.
    Ich will hier nicht mit Eichendorff schließen, sondern mit Schiller: Der Worte sind genug gewechselt, wir müssen jetzt die Verbandsklage haben.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)