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ID1105900600

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    Plenarprotokoll 11/59 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 59. Sitzung Bonn, Freitag, den 5. Februar 1988 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg Hinsken 4088 B Zusatztagesordnungspunkt 6: Aktuelle Stunde betr. Überlegungen der Bundesregierung, das Vorruhestandsgesetz am 31. Dezember 1988 auslaufen zu lassen Heyenn SPD 4083 B Müller (Wesseling) CDU/CSU 4084 B Hoss GRÜNE 4085 B Cronenberg (Arnsberg) FDP 4086 B Hinsken CDU/CSU 4087 B Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 4088 B Dr. Blüm, Bundesminister BMA 4089 A Reimann SPD 4091 A Schemken CDU/CSU 4091 D Frau Fuchs (Köln) SPD 4092 D Dr. Haussmann FDP 4094 A Doss CDU/CSU 4095 A Stratmann GRÜNE 4096 B Dr. Warrikoff CDU/CSU 4097 A Tagesordnungspunkt 20: a) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Die Zukunft Berlins zwischen Ost und West (Drucksache 11/1094) b) Beratung des Antrags des Abgeordneten Sellin und der Fraktion DIE GRÜNEN: Kürzung der Berlinförderung und Bildung eines Finanzfonds zur Verbesserung der ökonomischen, ökologischen und sozialen Situation der Stadt (Drucksache 11/1187 (neu)) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU und der FDP: Zur Berlin- und Deutschlandpolitik (Drucksache 11/1758) Heimann SPD 4098 B Dr. Schäuble, Bundesminister BK . . . 4102B Sellin GRÜNE 4105 C Lüder FDP 4108A Diepgen, Regierender Bürgermeister des Landes Berlin 4109D Dr. Mitzscherling SPD 4112A Kittelmann CDU/CSU 4115 A Dr. Sohns FDP 4117 D Tagesordnungspunkt 21: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Waffengesetzes (Drucksache 11/1556) Clemens CDU/CSU 4118D Graf SPD 4120A Dr. Hirsch FDP 4121D Frau Olms GRÜNE 4122D Spranger, Parl. Staatssekretär BMI . . . 4123 C Nächste Sitzung 4124D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 4125* A II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 59. Sitzung. Bonn, Freitag, den 5. Februar 1988 Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 4125* C Anlage 3 Sicherheitsvorkehrungen für Transportstrecken und Standorte defekter Castorbehälter MdlAnfr 18 29.01.88 Drs 11/1734 Frau Wollny GRÜNE ErgSchrAntw PStSekr Gröbl BMU . . . . 4125* D Anlage 4 Reise von Ministerpräsident Strauß als „Sonderbotschafter" des Bundeskanzlers nach Südafrika; Erfolg der Reise MdlAnfr 32, 33 29.01.88 Drs 11/1734 Schily GRÜNE SchrAntw StMin Dr. Stavenhagen BK . . 4126* A Anlage 5 Reise des Ministerpräsidenten Strauß in das südafrikanische Homeland Bophutatswana im Auftrag des Bundeskanzlers sowie Unter- richtung der angolanischen Regierung über das Treffen mit dem Führer der Widerstandsbewegung UNITA MdlAnfr 34, 35 29.01.88 Drs 11/1734 Verheugen SPD SchrAntw StMin Dr. Stavenhagen BK . . 4126* C Anlage 6 Beauftragung des Ministerpräsidenten Strauß mit einer Reise nach Südafrika durch den Bundeskanzler; Verlauf der Reise MdlAnfr 36, 37 29.01.88 Drs 11/1734 Büchler (Hof) SPD SchrAntw StMin Dr. Stavenhagen BK . . 4126* D Anlage 7 Beurteilung der außenpolitischen Lage Südafrikas und Besuch Namibias durch den bayerischen Ministerpräsidenten Strauß in Begleitung des südafrikanischen Außenministers MdlAnfr 38, 39 29.01.88 Drs 11/1734 Lutz SPD SchrAntw StMin Dr. Stavenhagen BK . . 4127* C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 59. Sitzung. Bonn, Freitag, den 5. Februar 1988 4083 59. Sitzung Bonn, den 5. Februar 1988 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Amling 5. 2. Frau Beck-Oberdorf 5.2. Brauer 5.2. Frau Dempwolf 5. 2. Dr. Dollinger 5. 2. Dr. Dregger 5. 2. Eylmann 5. 2. Frau Flinner 5. 2. Frau Garbe 5. 2. Gattermann 5.2. Dr. Geißler 5. 2. Dr. von Geldern 5. 2. Gerster (Worms) 5. 2. Grünbeck 5. 2. Hasenfratz 5. 2. Hedrich 5. 2. Freiherr Heereman von Zuydtwyck 5.2. Frau Dr. Hellwig 5. 2. Dr. h. c. Herkenrath 5. 2. Höffkes 5.2. Hoppe 5. 2. Ibrügger 5. 2. Kiechle 5. 2. Kißlinger 5. 2. Klein (München) 5. 2. Dr. Köhler (Wolfsburg) 5. 2. Kossendey 5. 2. Kreuzeder 5.2. Dr. Kunz (Weiden) 5. 2. Dr. Graf Lambsdorff 5. 2. Leonhart 5. 2. Louven 5.2. Lowack 5. 2. Frau Luuk 5. 2. Meyer 5.2. Mischnick 5.2. Dr. Müller * 5. 2. Pfeffermann 5. 2. Repnik 5. 2. Reschke 5. 2. Reuschenbach 5. 2. Ronneburger 5. 2. Roth 5. 2. Roth (Gießen) 5. 2. Rühe 5. 2. Dr. Rüttgers 5. 2. Frau Schilling 5. 2. Schluckebier 5. 2. Frau Schoppe 5. 2. Schütz 5. 2. Dr. Spöri 5. 2. Dr. Stoltenberg 5. 2. Frau Terborg 5. 2. Frau Dr. Timm 5. 2. Frau Traupe 5. 2. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Voigt (Frankfurt) ** 5. 2. Dr. Waffenschmidt 5. 2. Dr. Wernitz 5. 2. Wieczorek (Duisburg) 5. 2. Wiefelspütz 5. 2. Wischnewski 5.2. Dr. Wulff 5. 2. Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu nachstehenden Vorlagen absieht: Drucksachen 10/2123, 10/2124, 10/2126 Der Vorsitzende des Innenausschusses hat mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Drucksache 10/1991 Nr. 2 Drucksache 11/1656 Nr. 3.2 Anlage 3 Ergänzende Antwort des Parl. Staatssekretärs Gröbl auf die Zusatzfragen des Abgeordneten Dr. Lippelt (Hannover) (GRÜNE) zur Frage der Abgeordneten Frau Wollny (GRÜNE) (Drucksache 11/1734 Frage 18, 57. Sitzung, Seite 3944): Zu welchen spezifischen Standorten sollen gegebenenfalls defekte Castorbehalter gebracht werden, und welche Sicherheitsvorkehrungen gibt es hierfür entlang der spezifischen Transportstrecken und den jeweiligen Standorten? Wie von mir ausgeführt, ist es zutreffend, daß im Zwischenlager Gorleben Reparaturen an defekten Castorbehältern durchgeführt werden können und hierzu auch eine Genehmigung vorliegt. Reparaturen allerdings, die eine verstärkte Vorsorge gegen mögliche radiologische Belastungen erfordern, können im Zwischenlager nicht durchgeführt werden und müssen im Bedarfsfall in anderen kerntechnischen Anlagen nach Maßgabe einer Genehmigung nach § 7 oder § 9 Atomgesetz erfolgen. Entsprechende Genehmigungen haben beispielsweise die Kernkraftwerke Stade und Isar II; Beispiele von Kernkraftwerken, für die entsprechende Anträge gestellt wurden sind Würgassen, Brunsbüttel, Brokdorf und Emsland. Daneben sieht der Antrag auf Errichtung der Pilotkonditionierungsanlage in Gorleben die Möglichkeit vor, dort Behälter mit abgebrannten Brennelementen zu reparieren. 4126* Deutscher Bundestag — 1 1. Wahlperiode — 59. Sitzung. Bonn, Freitag, den 5. Februar 1988 Im übrigen werden im Zwischenlager Gorleben nur dann Behälter akzeptiert, wenn sichergestellt ist, daß diese z. B. für einen Reparaturfall, der im Zwischenlager nicht durchgeführt werden kann, in andere kerntechnische Anlagen aufgrund einer Genehmigung nach § '7 oder § 9 Atomgesetz verbracht werden können. " Anlage 4 Antwort des Staatsministers Dr. Stavenhagen auf die Frage des Abgeordneten Schily (GRÜNE) (Drucksache 11/1734 Fragen 32 und 33): Ist der Bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß als „Sonderbotschafter" von Bundeskanzler Kohl oder der gesamten Bundesregierung im Januar dieses Jahres nach Südafrika gereist, und sieht ihn die Bundesregierung besonders qualifiziert fur eine solche Mission, weil nach der von Strauß neuerlich bekräftigten Auffassung die Einführung des allgemeinen und gleichen Wahlrechts auch für die schwarze Bevölkerung von Südafrika ,,weder der Gerechtigkeit noch der Freiheit dient sondern dem Chaos den Weg bahnt"? Wie beurteilt die Bundesregierung den „Erfolg" der Südafrikareise von Ministerpräsident Strauß angesichts äufierst kritischer Stellungnahmen, nicht zuletzt aus Kreisen dei südafrikanischen Kirchen und Gewerkschaften (Generalsekretär des südafrikanischen Rates der Kirchen, Frank Chikane: Die Reise von Strauß habe bewirkt, „daß unsere Schmerzen und unser Leiden noch größer werden" laut Bericht Frankfurter Rundschau vorn 28. Januar 1988, Seite 11? Zu Frage 32: Der Bundeskanzler hat den bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß gebeten, nach Mosambik und Südafrika zu reisen, um hier in Gesprächen Chancen für eine friedliche Entwicklung der Region zu erkunden und wenn möglich auch einen Beitrag hierzu zu leisten. Der Bundeskanzler hat Ministerpräsident Strauß diese Mission auch deswegen übertragen, weil er wie wenige Politiker durch persönliches Ansehen und Sachkenntnis Einfluß auf die Regierung Südafrikas hat. Ohne Mitwirkung der südafrikanischen Regierung ist eine friedliche Lösung der inneren Konflikte Südafrikas nicht denkbar. Ministerpräsident Strauß hat sich auf Bitte des Bundeskanzlers hei der südafrikanischen Regierung intensiv um baldige Aufnahme des Dialogs zwischen allen politischen Kräften des Landes, um weiteren Abbau der Apartheid und um Freilassung der politischen Gefangenen bemüht. Zu Frage 33: Ziel der Südafrika-Politik der Bundesregierung ist es, zum Abbau der Konfrontation zwischen den Rassen beizutragen und den Dialog aller politischen Kräfte über die Zukunft des Landes zu fördern. In diesem Sinne hat der Bundeskanzler Ministerpräsident Strauß gebeten, seine Kontakte in der Republik Südafrika zu nutzen. Strauß hat sich dabei vor allem an die südafrikanische Regierung gewandt, weil diese über den Schlüssel verfügt, der schwarzen und farbigen Bevölkerungsmehrheit des Landes ihre gerechte Beteiligung an der politischen Willensbildung zu verschaffen. Logischerweise muß man vor allem mit denen sprechen, deren Politik man ändern will. Ministerpräsident Strauß hat der südafrikanischen Regierung die dringende Erwartung der Bundesregierung hinsichtlich der Entlassung von politischen Gefangenen, der Freisetzung von Mandela und der Öffnung zur Überwindung der Apartheid sehr deutlich gemacht. Ein erster Erfolg seines Einsatzes war die von der südafrikanischen Regierung zugestandene Entlassung einer Reihe politischer Gefangener. Anlage 5 Antwort des Staatsministers Dr. Stavenhagen auf die Fragen des Abgeordneten Verheugen (SPD) (Drucksache 11/1734 Fragen 34 und 35): Hat der Bundeskanzler den Bayerischen Ministerprasidenten Strauß beauftragt, das südafrikanische Homeland Bophutatswana zu besuchen und dort die Forderung nach voller Anerkennung der staatlichen Souveränität von Bophutatswana zu vertreten? Hat der Bundeskanzler dafür Sorge getragen, daß die Regierung der Volksrepublik Angola von dem Treffen des Bayerischen Ministerpräsidenten Strauß, der im :Auftrag des Bundeskanzlers in das südliche Afrika gereist war, mit dem Fuhrer der angolanischen Rebellenbewegung UNITA. Jonas Savimbi vorher unterrichtet wurde? Zu Frage 34: Nein. Der Besuch in Bophutatswana erfolgte nicht im Auftrag des Bundeskanzlers. Ministerpräsident Strauß selbst hat klargestellt, daß dieser Besuch seiner persönlichen Entscheidung entsprach. Zu Frage 35: Nein. Dieses Gespräch entsprach einem persönlichen Wunsch von Ministerpräsident Strauß. Es erfolgte nicht im Auftrag des Bundeskanzlers und war mit diesem nicht vorher abgestimmt. Anlage 6 Antwort des Staatsministers Dr. Stavenhagen auf die Fragen des Abgeordneten Büchler (Hof) (SPD) (Drucksache 11/1734 Fragen 36 und 37): Aus welchem Grunde hat der Bundeskanzler mit der Reise in das südliche Afrika den Bayerischen Ministerpräsidenten Strauß und nicht den Bundesaulienminister Genscher beauftragt? Wie beurteilt der Bundeskanzler Ergebnisse und Verlauf der Reise des Bayerischen Ministerpräsidenten Strauß im Hinblick auf clie Tatsache, daß die führenden Vertreter der weißen und schwarzen Opposition in Sudafrika sowie der südafrikanische Kirchenrat und die katholische Bischofskonferenz fur das südliche Afrika Begegnungen mit dem Beauftragten des Bundeskanzlers abgelehnt haben? Deutscher Bundestag — 1 1. Wahlperiode — 59. Sitzung. Bonn, Freitag, den 5. Februar 1988 4127 Zu Frage 36: Der Bundeskanzler hat Ministerpräsident Strauß nicht mit der Führung von Regierungsverhandlungen beauftragt. Ziel der Reise war vielmehr, Möglichkeiten zu erkunden, wie die Bundesregierung angesichts der sich verschlechternden Lage und der Zunahme der Gewalt bei der friedlichen Lösung der Konflikte des Südlichen Afrika hilfreich sein kann. Der bayerische Ministerpräsident Strauß verfügt im Südlichen Afrika über eine Reihe von Beziehungen und Kontakten, die der Bundeskanzler im Sinne der Friedenspolitik der Bundesregierung nutzen wollte. Zu Frage 37: Die Reise hat eine Reihe positiver Ansätze gebracht, die weiterverfolgt werden. Ministerpräsident Strauß hat insbesondere der Regierung Südafrikas, bei der der Schlüssel für die weitere Entwicklung der gesamten Region liegt, die Erwartungen der Bundesregierung für einen friedlichen Wandel verdeutlicht: Er hat die südafrikanische Regierung im direkten Gespräch auf die dringende Notwendigkeit eines umfassenden Abbaus der Apartheid, eines baldigen nationalen Dialogs mit allen politischen Kräften des Landes, der Überwindung von Gewalt und Gegengewalt und der Einhaltung der Menschenrechte hingewiesen. Er hat insbesondere versucht, die südafrikanische Regierung zu Fortschritten im Bereich der Menschenrechte zu bewegen. Ein unmittelbares Ergebnis war die von Südafrika zugesagte Freilassung einer Reihe von politischen Gefangenen. Anlage 7 Antwort des Staatsministers Dr. Stavenhagen auf die Fragen des Abgeordneten Lutz (SPD) (Drucksache 11/1734 Fragen 38 und 39): Hat der Bundeskanzler davon Kenntnis gehabt, daß der von ihm mit einer Reise in das südliche Afrika beauftragte Bayerische Ministerpräsident Strauß sich bei seinem Besuch in Namibia vorn Außenminister der illegal in Namibia anwesenden Nlacht Namibias, nämlich der Republik Südafrika. begleiten lassen würde? Teilt der Bundeskanzler die Auffassung, die der von ihm mit einer Reise nach Südafrika beauftragte Bayerische .Ministerpräsident Strauß vertreten hat, daß kein Land so unfair behandelt würde wie Südafrika? Zu Frage 38: Der Auftrag des Bundeskanzlers bezog sich nicht auf die Reise von Ministerpräsident Strauß nach Namibia, sondern ausdrücklich nur auf die Besuche in Mosambik und der Republik Südafrika. Bei dem Namibia-Besuch von Ministerpräsident Strauß handelte es sich daher um eine private Reise, bei der er über seine Begleitung in eigener Verantwortung zu entscheiden hatte. Zu Frage 39: Der bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß war vom Bundeskanzler beauftragt, in der Republik Südafrika Möglichkeiten zu sondieren, den Friedensprozeß und hier insbesondere den Dialog aller politischen Kräfte des Landes zu fördern. In diesem Zusammenhang ergibt sich für den Bundeskanzler kein Anlaß, Wertungen über das Verhältnis zwischen Südafrika und der übrigen Welt zu kommentieren.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Willi Hoss


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit den Vertretern der Regierungskoalition muß man mal Tacheles reden,

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    und zwar nicht nur hier in diesem Parlament, sondern auch draußen bei den Bürgern; denn wie Sie mit den Menschen draußen umgehen, nicht nur an Rhein und Ruhr — das gilt auch für Töne, die von diesem Pult aus
    in der vergangenen Debatte über Rhein und Ruhr zu hören waren — , ist geradezu ein Skandal. Die Vorgänge um den Vorruhestand arten dagegen schon in Zynismus aus, und die Art und Weise, wie Sie mit den älteren Bürgern, mit Arbeiterinnen und Arbeitern, mit Angestellten umgehen, ist nichts anders als ein zynisches Verhalten. Sie betrachten die alten Menschen als Manövriermasse.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Zurufe von der CDU/CSU und der FDP)

    Der Zynismus besteht in folgendem. In einer Situation anhaltender Arbeitslosigkeit auf hohem Niveau, bei noch zunehmender Arbeitslosigkeit, die für das nächste und übernächste Jahr prognostiziert ist, und bei nicht gelöster Jugendarbeitslosigkeit, die uns seit Jahren plagt — wir haben 464 000 Jugendarbeitslose bis 25 Jahre — lassen Sie eine Maßnahme fallen, die immerhin 130 000 älteren Mitbürgern, Arbeitnehmern, die Möglichkeit gegeben hat, aus dem Arbeitsleben herauszugehen, wodurch immerhin 70 000 Arbeitnehmer ein neues Arbeitsverhältnis finden konnten. Sie lassen das fallen, ohne ein anderes Konzept zu haben, und forcieren damit weitere Zehntausende von Arbeitslosen zusätzlich zu denen, die wir jetzt schon haben.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Damit wir uns richtig verstehen — Herr Müller, das geht an Ihre Adresse — : Wir haben den Vorruhestand nie als den Königsweg zum Abbau von Massenarbeitslosigkeit angesehen. Wir haben in der 84er Debatte unsere Bedenken deutlich formuliert. Aber wenn es wirklich so wäre, wie Sie es damals dargestellt haben, wenn der Vorruhestand das Mittel zum Abbau von Massenarbeitslosigkeit wäre, dann dürften Sie ihn heute nicht fallenlassen. In dem Moment, wo Sie ihn fallenlassen, zeigen Sie, daß dieses Mittel nicht taugt und daß es nicht den Erfolg gebracht hat, den Sie damals prognostizierten.
    Das Schlimme an Ihrer Politik besteht aber darin: Es ist nicht so, daß Sie kein Geld hätten, diese Vorruhestandsregelung weiterzuführen. Sie haben dieses Geld. Sie haben nur das Denken und Handeln für die kleinen Leute, für die sogenannten Objekte der Wirtschaftspolitik der Bosse, die den Profit höher halten als das Wohl und Wehe der Leute, aufgegeben.

    (Zurufe von der CDU/CSU und der FDP)

    — Ich will Ihnen das sagen. In Rheinhausen sagen Sie: Das ist Sache der Unternehmer; wir sind in einer freien Unternehmergesellschaft. In dieser Frage des Vorruhestands haben Sie das Sagen. Und Sie gehen mit den älteren Arbeitnehmern genauso um, was die Möglichkeit angeht, auch im nächsten und übernächsten Jahr aus dem Arbeitsleben auszuscheiden und damit neue Arbeitsplätze zu schaffen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Also doch!)

    — Ja; ich kann Ihnen das nachher sagen.
    Man muß Ihnen unter die Nase reiben, daß Sie Geld haben. Sie haben 1,2 Milliarden DM sofort für die Frühpensionierung von Offizieren bereitgestellt. Das sind 1 200 Personen. Dieses Geld hatten Sie anläßlich eines Beförderungsstaus sofort zur Hand, während Sie hier für die Fortführung des Vorruhestands zumindest



    Hoss
    für das nächste oder übernächste Jahr kein Geld zur Verfügung stellen, obwohl Sie Milliarden haben, um sie in den Weltraum zu schicken, und die Steuerreform zu finanzieren, die den Besserverdienenden hilft, die in Lohn und Arbeit stehen und ihr Brot verdienen können, nicht aber denen, denen geholfen werden muß, weil sie arbeitslos sind.
    Ich habe hier das, was Sie, Herr Blüm, 1984 zur Begründung vorgebracht haben:
    Es geht um die Arbeitslosen. Über allem Streit um die Mittel sollten wir heute und überhaupt in der Auseinandersetzung nicht vergessen, um wen es geht: um die Arbeitslosen.
    Das ist Ihre damalige Rede im Zeichen des moralischgeistigen Aufbruchs. Heute bleibt davon — trotz zunehmender Arbeitslosigkeit — nichts mehr übrig.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Wenn Sie etwas tun wollen, dann schaffen Sie nicht überhastet eine neue Kommission, die nur durch den Druck entstanden ist, der von draußen und in Ihrer Fraktion durch die Sozialausschüsse kommt, sondern lassen Sie den Vorruhestand so lange weiterlaufen, bis Sie eine gründliche, wirksame und überlegte Maßnahme treffen können. Das kann nur sein: Beseitigung der Massenarbeitslosigkeit durch Bereitstellung von Mitteln für den ökologischen Umbau, durch Arbeitszeitverkürzungen, durch den Abbau von Überstunden. Schon durch den Abbau der 1 Milliarde Überstunden, die wir fahren, könnte man 400 000 Arbeitsplätze schaffen.
    In diesem Sinn wünsche ich uns allen, daß wir zu richtigen Mitteln zum Abbau der Arbeitslosigkeit kommen.

    (Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)



Rede von Dr. Philipp Jenninger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Cronenberg.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dieter-Julius Cronenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die beschäftigungspolitische Wirkung einer Vorruhestandsregelung nach Muster der Bundesregierung tendiert gegen Null. Dieses Gesetz wird letztendlich dazu führen, daß unsere Älteren in den finanziell abgestuften Ruhestand geprügelt werden. Es läuft darauf hinaus, den Staat und die Vorruhestandsrentner in Anspruch zu nehmen, um die Betriebe von den Kosten der Sozialpläne zu entlasten. Diese Vorruhestandsregelung löst keines der drängenden beschäftigungspolitischen Probleme.
    Meine Damen und Herren, das sind nicht die Worte eines eiskalten Unternehmers, sondern das sind Zitate von Rudolf Dreßler und von Egon Lutz.

    (Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zurufe von der CDU/CSU: Pharisäer!)

    Wer diese Äußerungen kennt, muß sich fragen, ob der leidenschaftliche Einsatz der Sozialdemokraten für das Vorruhestandsgesetz nicht mehr taktisch bedingtes Theater denn echtes Anliegen ist.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Dreßler [SPD]: Das ist Unsinn, was Sie gesagt haben!)

    Warum wollen wir den Vorruhestand nicht verlängern?

    (Dreßler [SPD]: Alternativgesetz!)

    Erstens. Der Vorruhestand hat arbeitspolitisch nicht das gebracht, was wir und viele von Ihnen sich davon erhofft haben.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Also ist es entschieden?)

    Zweitens. Der Vorruhestand ist summa summarum eine teure Angelegenheit, besonders für kleine und mittlere Betriebe. Großbetriebe haben mit einer mißbräuchlichen Handhabung der 59er Regelung und den Zuschüssen der Bundesanstalt, finanziert von den Menschen, die in den kleinen und mittleren Betrieben arbeiten, diese Gelegenheiten benutzt, ihre Belegschaften zu durchforsten.

    (Beifall der Abg. Frau Unruh [GRÜNE])

    Drittens. Man hat uns eingeredet, der Vorruhestand sei eine Alternative zur Wochenarbeitszeitverkürzung. Heute muß ich feststellen: Da waren wir wohl ein wenig blauäugig. Man sollte auch nicht vergessen, daß sich der Vorruhestand noch bis 1992 bei der Bundesanstalt für Arbeit auswirkt. Im übrigen ist es ja niemandem verwehrt, Vorruhestandstarifverträge auch jetzt abzuschließen, wie es in diesen Tagen die Gewerkschaft HBV und Banken auch für die Zukunft unternehmen.
    Viertens. Die Befristung hatte ihren Sinn, zum einen, weil wir das Ergebnis bewerten wollten — ich habe das soeben getan — , zum anderen, weil uns der Vorruhestand damals als geeignetes Mittel zur Bekämpfung der überproportionalen Jugendarbeitslosigkeit erschien. Heute ist diese überproportionale Jugendarbeitslosigkeit nicht mehr vorhanden — Gott sei Dank!
    Fünftens. Wir wissen alle, daß wegen der langfristigen Stabilisierung der Alterssicherungssysteme die Menschen auf Dauer wieder länger werden arbeiten müssen.

    (Frau Schmidt [Nürnberg] [SPD]: Aha!)

    Wer jetzt den Vorruhestand über das Jahr 1990 hinaus verlängert, stellt die Weichen falsch, gibt falsche Signale. Auch Sie wissen, daß wir ab Mitte der 90er Jahre wieder länger arbeiten müssen.

    (Heyenn [SPD]: Verlängern wir doch erst mal bis 1990!)

    Damit werden aber wieder Besitzstände geschaffen, und damit wird zugleich deutlich, daß die seinerzeitige Befristung, verehrte Kollegen von der CDU/CSU, von Ihnen nicht so ernst genommen worden ist, wie wir Ihnen das geglaubt haben.
    Zu mehr Beschäftigung kommt man sicherlich durch Verteuerung des Faktors Arbeit. Das Gegenteil ist richtig. Dafür haben die Tarifpartner den Schlüssel in der Hand. Mehr Leistung bringt mehr Erfolg und



    Cronenberg (Arnsberg)

    damit mehr Arbeitsplätze. Nach diesem Rezept verfährt auch der Fraktionsvorsitzende der SPD. Selbst jetzt im Plenum arbeitet er. Er nimmt keinen Vorruhestand, er kennt keine 35-Stunden-Woche, keinen Mehrurlaub, und er gewährt auch ganz selbstverständlich diese Vergünstigungen seinen Mitarbeitern nicht. Der Fraktionsvorsitzende Vogel hat das richtige Rezept. Verweigern Sie dieses Rezept nicht der deutschen Wirtschaft!

    (Heiterkeit)