Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Dem Ausbau des Schienenschnellverkehrs in Europa kommt eine herausragende Bedeutung zu. Bisher lag das Schwergewicht der Aktivitäten sowohl bei uns als auch bei den Nachbarbahnen auf nationalem Gebiet. Unsere französischen Nachbarn sind zur Zeit dabei, eine zweite Strecke zu bauen. Auch bei uns kommt der Bau der Hochgeschwindigkeitsstrecken Mannheim—Stuttgart und Hannover—Würzburg zügig voran. Wenn alle Bauarbeiten abgeschlossen und die neu entwickelten ICE-Fahrzeuge beschafft sind, wird auch bei uns der entscheidende Durchbruch zum Schienenschnellverkehr erreicht werden können. Es kommt darauf an, international die Weichen zu stellen. Die einzelnen nationalen Hochgeschwindigkeitsstrecken müssen zu einem zusammenhängenden Ganzen verknüpft werden.
Mit der Entscheidung Englands und Frankreichs, die Schienennetze beider Länder durch einen Kanaltunnel miteinander zu verbinden, ist ein ganz gewichtiger Schritt getan. Frankreich wird außerdem eine Schnellverbindung zwischen Paris und dem Kanaltunnel bauen. Ein Anschluß Brüssels an diese Strecke ist so gut wie sicher.
Wir dürfen den Anschluß an diese Entwicklung nicht verpassen. Mit kleinen, kurzfristigen Maßnahmen, wie sie in dem vorliegenden Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN gefordert werden, ist das allerdings nicht zu erreichen, obwohl wir uns in der Position einig sind, daß es nicht nur Fernverbindungen sein dürfen, die weit in die Zukunft hinein bedacht und strukturell geplant werden müssen.
Notwendig ist eine durchgehende Schnellbahnverbindung von Paris bzw. London über Brüssel nach Köln, die durchgehend Geschwindigkeiten von 200 bis 300 km/h erlaubt. Nur so können die erforderlichen Fahrzeitverringerungen erreicht und die Einbeziehung der deutschen Waggonindustrie in die internationale Fahrzeugentwicklung auch für die Zukunft gewährleistet werden.
Auch unter strukturpolitischen Gesichtspunkten kommt der Schnellbahnverbindung Paris—BrüsselKöln eine ganz wichtige Bedeutung zu. Reisezeiten von zweieinhalb Stunden zwischen Köln und Paris sowie von etwa einer Stunde zwischen Köln und Brüssel erhöhen die Standortgunst der Städte an Rhein und Ruhr in entscheidendem Maße. Das gilt besonders für Neuansiedlungen in den Bereichen Handel und Dienstleistungen. Der Landtag Nordrhein-Westfalen hat in einem von allen Fraktionen einstimmig angenommenen Antrag mit Nachdruck darauf hingewiesen.
Angesichts der großen Probleme, vor denen der Ballungsraum Rhein/Ruhr steht, muß die Chance zur Aufwertung der Standortqualität, die der Schnellbahnanschluß an drei wichtige europäische Metropolen bietet, auf jeden Fall wahrgenommen werden.
Wichtige Impulse zur Bewältigung des notwendigen Strukturwandels dieses Raums würden damit gegeben.
Wir Sozialdemokraten begrüßen, daß angesichts der nachgewiesenen Rentabilität des Vorhabens notwendige und richtige Vorentscheidungen bereits eingeleitet und getroffen worden sind. Ich finde, weitere konkrete Schritte der Bundesregierung sind dabei unabdingbar. Wir alle wissen, daß die Finanzierung insbesondere des Abschnitts Lüttich—Aachen Schwierigkeiten bereitet. Die Bahnen selbst können das Problem nicht lösen, und man darf es — ein entsprechender Versuch ist gemacht worden — auch nicht auf sie verlagern. Diese Frage muß politisch entschieden und auf Regierungsebene geklärt werden.
Viel Zeit dazu bleibt nicht, da zunehmend auch Fakten geschaffen werden. Zögerliches Handeln auf unserer Seite erhöht die Gefahr, von wichtigen Entwicklungen abgekoppelt zu werden.
Bei der Beratung des vorliegenden Antrages im Ausschuß sollten wir diese Aspekte mit berücksichtigen. In einem gemeinsam zu formulierenden Entschließungsantrag, denke ich, sollten wir über die Fraktionsgrenzen hinweg gerade in dieser ganz wichtigen internationalen Frage der Bahnentwicklung zu gemeinsamen Positionen kommen können.
Oft wird eine vermeintliche Konkurrenz zwischen der Strecke Paris—Brüssel—Köln und der zur Zeit ebenfalls untersuchten Strecke Paris—SaarbrückenMannheim konstruiert. Das ist falsch, und das wäre auch schädlich.
Beide Vorhaben sind notwendig und haben unverzichtbare regionale Vorteile. Deswegen liegt mir daran festzustellen: Lediglich in zeitlicher Hinsicht besteht — bedingt durch die bereits gefallenen Vorentscheidungen — ein Unterschied zwischen beiden Vorhaben. Die Entscheidung über die Strecke LilleBrüssel—Köln sollte jetzt fallen. Geschieht das nicht, droht ein Abkoppeln der Bundesrepublik von wichtigen Entwicklungen. Die Entscheidung über die Strecke Pari s—Saarbrücken—Mannheim kann erst fallen, wenn die zur Zeit laufenden Untersuchungen abgeschlossen sind. Sobald das der Fall ist, werden wir Sozialdemokraten die notwendigen Initiativen zur Unterstützung dieser Verbindung ergreifen. Es ist deshalb gerechtfertigt, über beide Projekte getrennt zu entscheiden.
Ich danke Ihnen.