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ID1105307500

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    Plenarprotokoll 11/53 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 53. Sitzung Bonn, Freitag, den 15. Januar 1988 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 3709 A Zusatztagesordnungspunkt 6: Aktuelle Stunde betr. Erhöhung der Neuverschuldung im Bundeshaushalt 1988 — Realistische Darstellung der Lage der Bundesfinanzen Wieczorek (Duisburg) SPD 3709 B Dr. Dregger CDU/CSU 3710B Frau Vennegerts GRÜNE 3711B, 3716 C Dr. Weng (Gerlingen) FDP 3712B Dr. Spöri SPD 3713 B Spilker CDU/CSU 3714 B Gattermann FDP 3715 C Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . 3716D Dr. Apel SPD 3718D Carstens (Emstek) CDU/CSU 3719C Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi . 3720 C Esters SPD 3722 A Dr. Rose CDU/CSU 3722 D Schulhoff CDU/CSU 3723 D Zusatztagesordnungspunkt 7: Aussprache über die Vorfälle bei der Firma Nukem Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . . . 3725 A Dr. Wallmann, Ministerpräsident des Landes Hessen 3726 D Dr. Hauff SPD 3729 D Baum FDP 3731B Schily GRÜNE 3733 B Dr. Laufs CDU/CSU 3735 B Tagesordnungspunkt 23: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Arbeitszeitgesetzes (Drucksache 11/360) b) Erste Beratung des von der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Arbeitszeitgesetzes (Drucksache 11/1188) c) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Arbeitszeitgesetzes (Drucksache 11/1617) Dr. Blüm, Bundesminister BMA 3736 D Dreßler SPD 3739 A Louven CDU/CSU 3741 D Hoss GRÜNE 3744 B Heinrich FDP 3746 B Schreiner SPD 3748 A Müller (Wesseling) CDU/CSU 3750 B Frau Steinhauer SPD 3751 C Tagesordnungspunkt 24: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Brahmst-Rock, Weiss (München) und der Fraktion DIE GRÜNEN: Schnellbahnverbindung Köln—Paris (Drucksache 11/387 [neu]) Weiss (München) GRÜNE 3752 C Bauer CDU/CSU 3753 B Haar SPD 3754 A Kohn FDP 3754 D Nächste Sitzung 3755 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 3756* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 3756* B Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 53. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Januar 1988 3709 53. Sitzung Bonn, den 15. Januar 1988 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein ** 15. 1. Dr. Ahrens * 15. 1. Frau Beck-Oberdorf 15. 1. Frau Brahmst-Rock 15. 1. Dr. von Bülow 15. 1. Buschfort 15. 1. Carstensen (Nordstrand) 15. 1. Cronenberg (Arnsberg) 15. 1. Frau Dr. Däubler-Gmelin 15. 1. Egert 15. 1. Dr. Ehrenberg 15. 1. Frau Eid 15. 1. Engelsberger 15. 1. Eylmann 15. 1. Dr. Geißler 15. 1. Gerstein 15. 1. Grünbeck 15. 1. Grüner 15. 1. Grunenberg 15. 1. Dr. Haussmann 15. 1. Freiherr Heereman v. Zuydtwyck 15. 1. Frau Dr. Hellwig 15. 1. Frau Hoffmann (Soltau) 15. 1. Dr. Hüsch 15. 1. Ibrügger 15. 1. Dr. Köhler (Wolfsburg) 15. 1. Kreuzeder 15. 1. Dr. Kunz (Weiden) 15. 1. Lenzer * 15. 1. Lowack 15. 1. Dr. Mahlo 15. 1. Menzel 15. 1. Meyer 15. 1. Nelle 15. 1. Frau Pack * 15. 1. Petersen 15. 1. Reuschenbach 15. 1. Roth 15. 1. Frau Rust 15. 1. Schartz (Trier) 15. 1. Dr. Scheer * 15. 1. Frau Schilling 15. 1. Frau Schmidt-Bott 15. 1. Schmitz (Baesweiler) 15. 1. von Schmude 15. 1. Schröer (Mülheim) 15. 1. Schulze (Berlin) 15. 1. Stahl (Kempen) 15. 1. Stobbe 15. 1. Dr. Vondran 15. 1. Dr. Warnke 15. 1. Frau Dr. Wisniewski 15. 1. Wissmann 15. 1. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 18. Dezember 1987 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1988 (Haushaltsgesetz 1988) Achtes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern Gesetz zur Änderung des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Ladenschluß Gesetz zur finanziellen Sicherung der Künstlersozialversicherung Gesetz zur Verlängerung der Amtszeit der Jugendvertretungen in den Betrieben Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Mutter und Kind - Schutz des ungeborenen Lebens" Gesetz über die Sicherung und Nutzung von Archivgut des Bundes (Bundesarchivgesetz - BArchG) Gesetz über die zentrale Archivierung von Unterlagen aus dem Bereich des Kriegsfolgenrechts Gesetz zur Änderung des Bundespersonalvertretungsgesetzes Gesetz zur Änderung des Benzinbleigesetzes Gesetz über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Jahr 1988 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1988) Gesetz zu dem Zusatzabkommen vom 2. Oktober 1986 zum Abkommen vom 7. Januar 1976 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika über Soziale Sicherheit und zu der Zusatzvereinbarung vom 2. Oktober 1986 zur Vereinbarung vom 21. Juni 1978 zur Durchführung des Abkommens Gesetz zu dem Abkommen vom 14. November 1985 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kanada über Soziale Sicherheit und der Vereinbarung zur Durchführung des Abkommens sowie zu der Vereinbarung vom 14. Mai 1987 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung von Quebec über Soziale Sicherheit und der Durchführungsvereinbarung hierzu Gesetz zu dem Abkommen vom 4. November 1985 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über den Verzicht auf die Beglaubigung und über den Austausch von Personenstandsurkunden/Zivilstandsurkunden sowie über die Beschaffung von Ehefähigkeitszeugnissen Gesetz zu dem Abkommen vom 18. September 1985 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Argentinien über die Wehrpflicht von Doppelstaatern Gesetz zu dem Abkommen vom 10. Oktober 1985 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Dänemark über die Wehrpflicht deutsch-dänischer Doppelstaater Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 11/253 Nr. 1.2 Drucksache 11/561 Nr. 1.1, 1.2, 1.3 Drucksache 11/1107 Nr. 1.1 Drucksachen 11/552, 11/637 Finanzausschuß Drucksache 11/1107 Nr. 1.2 Ausschuß für Verkehr Drucksache 11/1107 Nr. 1.7 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß sie die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen haben: Innenausschuß Drucksache 10/5362 Nr. 18 Drucksache 11/929 Nr. 2.1 Haushaltsausschuß Drucksache 11/1450 Nr. 2.1 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 11/253 Nr. 2.4 Drucksache 11/561 Nr. 2.4 Drucksache 11/779 Nr. 2,21 Drucksache 11/1365 Nr. 3.1, 3.2 Drucksache 11/1450 Nr. 2.3, 2.4, 2.5, 2.6 Drucksache 11/1107 Nr. 2.2, 2.3, 2.4, 2.5, 2.6, 2.7 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/973 Nr. 2.7 bis 2.11 Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/1107 Nr. 2.10 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 11/883 Nr. 138
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Willi Hoss


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90)

    Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe hier nun für DIE GRÜNEN Gelegenheit, den vorgelegten Gesetzentwurf vorzustellen. Ich muß sagen, daß die Ähnlichkeiten zwischen dem von der Bundesregierung vorgelegten und unserem Entwurf nicht sehr groß sind und daß ich kaum Möglichkeiten sehe, den Entwurf der Bundesregierung so zu verändern, weil er grundsätzlich andere Positionen aufnimmt,

    (Dreßler [SPD]: Das ist wohl wahr!)

    so daß wir da in eine harte Auseinandersetzung kommen.

    (Dreßler [SPD]: Auch das ist wahr!)

    In Baden-Württemberg ist der Entwurf der Bundesregierung von der IG Metall bei einem Vergleich dahin charakterisiert worden, daß er schlimmer sei als die Regelung von 1938 in der Nazizeit. Ich lasse das für den formalen Vergleich gelten; darin stimme ich zu.
    Aber es sind zwei Vorbehalte zu machen. Die Nazis haben den Acht-Stunden-Tag 1938 eingeführt, um die Arbeiter zu gewinnen und einzustimmen, für sie in den Krieg zu ziehen. Zweitens haben die Nazis nie
    daran gedacht, das, was sie dort festgelegt haben, einzuhalten. Wir wissen, daß es schon 1939, 1940 den Zehn-Stunden-Tag und Zwangsarbeit und überhaupt keine Regelung zum Arbeiterschutz gab und daß die, die dagegen zu meckern versuchten, den Gestellungsbefehl bekamen und an die Front geschickt wurden. Das war damals die Realität.
    Aber beim formalen Vergleich gehe ich davon aus, daß der vorgelegte Entwurf der Bundesregierung, versetzt in die heutige Zeit, ein ganz schlimmer Entwurf ist, der die Situation — Herr Blüm, das werde ich Ihnen ganz sachlich zu erklären versuchen — verschlechtert,

    (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Wir haben doch keinen Arbeitskampf!)

    und zwar in wesentlichen Punkten.
    Der erste betrifft die Ausdehnung der Arbeitszeit. Sie geben die Möglichkeit, die Arbeitszeit auf 60 Stunden pro Woche auszudehnen. Sechsmal zehn Stunden erlauben Sie durch das Gesetz.

    (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Sagen Sie mal etwas zum Ausgleichszeitraum!)

    — Darauf komme ich zurück.
    Die Überstundenproblematik wird bei Ihnen überhaupt verschwiegen.

    (Dreßler [SPD]: Richtig!)

    Wenn Sie darauf eingehen, wird sie höchstens so behandelt, daß Sie noch mehr Überstunden ermöglichen, nämlich bis zu 60 Stunden in der Woche, wobei Sie sogar erreichen, daß Sie die Überstundenzuschläge wegmogeln, weil Sie da diesen Ausgleichszeitraum haben, über den Sie sagen, nach dem Gesetz müssen, wenn man es genau sieht, innerhalb von vier Monaten, durchschnittlich 48 Stunden erreicht sein.

    (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Acht-Stunden-Tag! Zur Wochenarbeitszeit sagen Sie gar nichts!)

    — Der Acht-Stunden-Tag? Ihr Gesetzentwurf, Herr Blüm, zeichnet sich dadurch aus, daß er bestimmte Dinge festschreibt und eine solche Menge von Ausnahmen und Regelungen offenläßt, daß Sie das sozusagen dem freien Spiel der Kräfte überlassen und sagen, das kann im Bereich der Tarifpolitik gemacht werden.

    (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Kann? Soll!)

    Mit der Ausdehnung der Arbeitszeit auf 60 Stunden in der Woche setzen Sie darauf, daß Sie den Rationalisierungseffekt in der Arbeitszeitgestaltung hier gesetzlich fixieren und damit eine Rationalisierung und ein Hinausdrücken von Arbeitnehmern aus der Produktion und den Verwaltungen bewirken, weil Sie damit den Rationalisierungsbestrebungen der Unternehmer entgegenkommen.

    (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Wenn ich einen AchtStunden-Tag habe, kann ich nicht auf 60 Stunden kommen! Mathematik!)

    Der zweite wesentliche Punkt ist, daß Sie die verfügbare Zeit des einzelnen Arbeitnehmers wegnehmen und unter die Interessen der Produktion und des Unternehmens stellen, indem Sie den geregelten Ar-



    Hoss
    beitstag und die Verläßlichkeit, daß jemand sagen kann, ich arbeite acht Stunden pro Tag und kann danach planen — Familie, Weiterbildung, Kultur —, wegnehmen und den Bedürfnissen der Produktion unterordnen, die — das gebe ich zu — vom Markt her wechselhaft und flexibel sind. Sie ordnen die Menschen diesen Bedürfnissen völlig unter.

    (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Den Bedürfnissen der Menschen! — Schily [GRÜNE]: Ausbeutung des Arbeitnehmers im gesetzlichen Rahmen!)

    Sie, Herr Louven, sagen, unsere Kritik am Entwurf der Bundesregierung baue darauf auf, daß wir am liebsten nicht mehr arbeiten möchten. Das dürfen Sie mir und unserer Fraktion nicht sagen. Wir kommen aus der Arbeitswelt; wir wissen das ganz genau und bringen die Erfahrungen, die wir von da haben, ein.
    Drittens. Die Schutzrechte der Arbeitnehmer werden zugunsten vermeintlicher Freiheitsräume aufgegeben. Nun, Herr Louven und Herr Blüm, bitte ich Sie, aufzupassen. Sie haben mit diesem Entwurf einen Autonomiebegriff und einen Freiheitsbegriff in die Debatte gebracht, indem Sie sagen: Der Gesetzgeber kann nicht alles festlegen; wir müssen das den Tarifpartnern überlassen.

    (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Richtig! Subsidiarität!)

    Aber wir kennen die Reihenfolge in der Rechtsordnung. Wir haben a) die Betriebsvereinbarungen — die gelten für den Betrieb und das, was dort ausgemacht wird — , b) den Tarifvertrag — der gilt für den Bereich — und c) das übergeordnete Gesetz.
    Sie erlauben im Gesetz die 60-Stunden-Woche und anderes und sagen: Die Tarifpartner können sich ja austoben.

    (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Wie kommen Sie beim Acht-Stunden-Tag auf eine 60-Stunden-Woche? Grundrechnen!)

    Aber die Frage der Überstunden und der Arbeitszeitgestaltung wird in den Betrieben entschieden. Das müßten Sie wissen, Herr Blüm, wenn Sie ein wenig Ahnung von Betrieben hätten; Sie waren schon lange nicht mehr dort. Wenn Sie sagen, da gebe es eine Gleichheit der Bedingungen, dann trifft das nicht zu.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Bei den Tarifverhandlungen haben wir die Möglichkeit zu streiken. Die Gewerkschaften können sagen: Wir stellen Forderungen, und wenn wir damit nicht durchkommen, dann wird hier gestreikt.

    (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Tarifvertrag geht vor Betriebsvereinbarung!)

    Herr Louven, im Betrieb sind die Betriebsräte und Personalräte gebunden. Sie haben keine Streikmöglichkeit; sie können nicht kämpfen; sie müssen die Einigungsstelle anrufen,

    (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Tarifvertrag geht vor! — Schily [GRÜNE]: Der Blüm muß sich mal wieder auf die Regierungsbank setzen, damit er zuhört!)

    und die Einigungsstelle — das kann ich nun hundertprozentig auf Grund von Verhandlungen sagen, bei denen ich dabei war — orientiert sich letztendlich am Gesetz. Das Gesetz ermöglicht 60 Stunden in der Woche, zehn Stunden pro Tag, und das sechsmal in der Woche.

    (Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

    Unser Entwurf steht dem völlig entgegen. Deswegen lehnen wir Ihren Autonomiebegriff, der im Grunde verlogen ist, Herr Blüm, ab. Wenn Sie es machen wollen, dann bringen Sie auch in Ihren Entwurf ein, daß das Streikrecht und das Kampfrecht in den Betrieben für Betriebsräte und für Belegschaften hergestellt wird, wenn es um die Gestaltung der betrieblichen Arbeitszeit oder um die Frage der Überstunden geht.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Unser Entwurf berücksichtigt — und das tun Sie überhaupt nicht — die wirtschaftliche Entwicklung, die mit immer größerer Unsicherheit vonstatten geht, und die Zunahme der Arbeitslosigkeit. Wir gehen davon aus, daß der Entwurf des Arbeitszeitgesetzes Maßnahmen enthalten muß, die dafür sorgen, daß Erleichterungen in den Betrieb hineinkommen und daß die Arbeitslosigkeit abgebaut wird.
    Wir sehen da im einzelnen Folgendes vor. Was die Frage der Überstunden angeht, wissen wir, daß zur Zeit bis zu 2 Milliarden Überstunden gefahren werden.

    (Louven [CDU/CSU]: In Wirklichkeit sind es weniger!)

    — Es gibt diesen Arbeitszeitreport von Nordrhein-Westfalen, der sogar von 2,1 Milliarden Überstunden ausgeht. Das entspricht, umgerechnet auf einen AchtStunden-Tag, 900 000 Arbeitsplätzen. Wenn es uns nur gelänge, einen Abbau von Überstunden um ein Drittel zu erreichen, könnten wir 300 000 Arbeitslose in den Arbeitsprozeß mit einbringen. Da ist der Gesetzgeber gefragt,

    (Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

    weil es in den vergangenen Jahren bisher nicht gelungen ist, den Abbau von Überstunden zu erreichen. Die Überstunden nehmen sogar noch tendenziell zu.
    Genauso schreiben wir, Herr Louven, die 40-Stunden-Woche fest. Wir wollen 40 Stunden in der Woche arbeiten — tariflich geregelt gibt es ja schon die 37-
    Stunden-Woche — und acht Stunden werktäglich von montags bis freitags, wobei wir den Samstag und den Sonntag als Tage nehmen, die nur im Ausnahmefall zur Arbeit verwendet werden dürfen, aber dazu gibt es ja genügend Ausnahmeregelungen.
    Wir wollen weiterhin Freistellungen erreichen. Wir wollen das militärische Arbeitszeitregime, das sich eingebürgert hat, abbauen und den Leuten Gelegenheit geben, sich für ihre eigenen Bedürfnisse aus dem Betrieb befreien zu können, was heute nicht möglich ist, und damit Luft machen, daß die Betriebe gezwungen sind, andere Leute einzustellen. Das soll z. B. für berufliche, wissenschaftliche und kulturelle Weiterbildung gelten. Wir wollen den persönlichen Hausarbeitstag für Mann und Frau und wir wollen, daß in einem Volumen von insgesamt 20 Tagen im Jahr für



    Hoss
    diesen Bereich bezahlte Freistellungen gewährt werden.
    Wir wollen auch, daß im Arbeitszeitgesetz geregelt ist — das ist bisher nicht der Fall, und Sie lassen das völlig außen vor —, daß Leute die Möglichkeit haben müssen, sich für Zeiten der Kindererziehung aus dem Betrieb zu befreien und sich beurlauben zu lassen, und zwar mit dem Anspruch, daß der Arbeitsplatz erhalten bleibt.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Schily [GRÜNE]: Das ist eine kinderfreundliche Politik! Daran kann sich Herr Blüm mal ein Beispiel nehmen!)

    Das können wir genauso handhaben — wenn Sie sagen, das, was ich vorschlüge, sei von vorgestern —wie bei der Bundeswehr. Da ist es auch möglich, daß die Leute für eineinhalb Jahre aus dem Betrieb mit Beibehaltung des Anspruches auf den Arbeitsplatz herausgezogen werden und daß sie nachher wieder zurückkommen können.
    So schlagen wir angesichts von Massenarbeitslosigkeit eine Reihe von Freistellungen vor, die ich jetzt aus Zeitgründen nicht im einzelnen darlegen kann.

    (Louven [CDU/CSU]: Sagen Sie doch mal, wer das bezahlen soll!)

    Zur Frage der Bezahlung. Das ist eine Frage, die ja auch schon bei der letzten Debatte, die wir 1984 und 1985 hatten, vorgetragen wurde. Man sagt, unsere Vorstellungen seien von vorgestern und nicht real. Wir haben differenzierte Vorschläge zur Finanzierung der Freistellungen für die abhängig Beschäftigten und verteilen die Kosten gleichmäßig.

    (Louven [CDU/CSU]: Auf wen?)

    Wir wollen Freistellungen, für die die Leute selber aufkommen, bei denen sie sich also selber auf eigene Kosten befreien können; wir wollen, daß die Unternehmen einen Teil der Kosten für bestimmte Freistellungen bezahlen; wir wollen, daß die Krankenversicherungen im Falle von plötzlicher Krankheit bezahlen und daß auch der Staat, also die öffentliche Hand, bestimmte Kosten übernimmt, z. B. für Kindererziehungszeiten, wo ein Sondergesetz zu schaffen ist. Wenn Arbeitszeit gesetzmäßig geregelt ist, soll man sich aus dem Betrieb befreien können, und die Lohnersatzleistungen sollen dann vom Bund bezahlt werden.
    Zum Schluß — meine Redezeit ist jetzt abgelaufen — kann ich Ihnen noch kurz sagen: Wenn wir die Mittel für die Ehesubventionierung streichen, dann gewinnen wir 23 Milliarden DM, mit denen z. B. die Lohnersatzleistungen für Kindererziehung finanziert werden können. Wir müssen die Dinge nur richtig anpacken, dann werden Sie auch richtig gelöst werden können.
    Danke schön.

    (Beifall bei den GRÜNEN)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Heinrich.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Ulrich Heinrich


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Übereinstimmung besteht sicherlich dar-
    über, daß die aus dem Jahre 1938 stammende Arbeitszeitordnung überarbeitet werden muß.

    (Louven [CDU/CSU]: Und dann hört es schon auf!)

    Und Übereinstimmung besteht bei uns, daß das, was hier im Entwurf vorliegt, selbstverständlich weitaus beer ist als das, was aus dem Jahre 1938 und den Jahren zuvor stammt und was wir hier überarbeiten. — Herr Kollege Hoss, Ihre Vergleiche waren fast eine Zumutung.
    Für uns muß sich ein Arbeitsgesetz heute an drei Kriterien orientieren: erstens an der Sicherstellung des notwendigen Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer und der Vermeidung von Überforderungen.
    Zweitens. Gesetzliche Regelungen müssen diesem Ziel dienen. Sie müssen auch so formuliert sein, daß die Flexibilität nicht auf der Strecke bleibt.
    Drittens. Bestehende Beschäftigungsverbote oder Beschäftigungseinschränkungen, die nicht mehr aus gesundheitlichen Gründen zu rechtfertigen sind, müssen gestrichen werden. Mit anderen Worten: Gesundheitsschutz — ja, in dem gebotenen Umfang, aber keine Gefährdung der Beschäftigung durch überzogene Arbeitszeitregelungen.
    Jedermann weiß, daß die Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt in der Bundesrepublik zu wünschen übrig läßt. Die Flexibilität des Arbeitsmarktes ist jedoch, so eine hochrangige OECD-Sachverständigengruppe, eine wichtige Voraussetzung für die Bewältigung des Strukturwandels. Änderungen der Arbeitszeit, so die gleiche Arbeitsgruppe, bieten nicht nur die Möglichkeit, individuelle Wünsche und wirtschaftliche Erfordernisse miteinander zu verbinden, sondern an ihnen zeigt sich auch die grundsätzliche Einstellung zur Flexibilität.
    Betrachtet man unter diesen Aspekten die vorliegenden Gesetzentwürfe der Opposition, so wird deutlich, daß nicht Flexibilität, sondern Reglementierung im Vordergrund steht. Schon in der vergangenen Legislaturperiode hat der Kollege Lutz von der SPD die im Gesetzenwurf der GRÜNEN versprochenen Freizeiten in eindringlicher Weise aufgelistet und ihre Feststellung, die Restkosten seien für die Wirtschaft und die öffentliche Hand vertretbar, mit den Worten kritisiert: Ein Gesetzentwurf, der ernstgenommen werden will, ist kein Polit-Happening. Fürwahr!
    Wenn Sie jetzt darüber hinaus noch Höchstgrenzen für die betriebsdurchschnittliche arbeitsgebundene Zeit, d. h. also Arbeitszeit plus Wegezeit plus Pausen etc., festlegen und in den Fällen, in denen dies überschritten wird, z. B. eine Absenkung der Betriebszeit fordern, dann schaffen Sie damit zusätzliche Beschäftigungshemmnisse, gerade für Pendler aus strukturschwachen Gebieten.

    (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Berücksichtigt man all diese Maßnahmen, so scheint die von Ihnen selbst errechnete Erhöhung von Lohnkosten der Unternehmen um etwa 3 noch zu niedrig. Was dies allerdings für die Beschäftigung bedeuten würde, sollten Sie eigentlich selbst abschätzen können. Mit anderen Worten: Ihr Entwurf stellt einen



    Heinrich
    weiteren Schritt auf dem Weg zur Abschaffung der Industriegesellschaft bei vollem Lohnausgleich dar.

    (Zuruf des Abg. Reimann [SPD])

    Ihre Aussagen, Herr Kollege Hoss, haben dies vorhin auch wieder deutlich unterstrichen.
    Auch der SPD-Gesetzentwurf ist von dem Gedanken staatlicher Reglementierung voll durchdrungen. Ihr Gesetzentwurf ist — dies muß man deutlich sagen — als ein Instrument genereller Arbeitszeitverkürzung anzusehen, so daß man Sie eigentlich fragen muß, warum Sie nicht gleich die 35- oder 30-StundenWoche gesetzlich einführen und Überstunden generell verbieten wollen.
    Bei der Realisierung Ihres Gesetzentwurfs hätte ich erhebliche Zweifel, ob beispielsweise

    (Schreiner [SPD]: Sie müssen die Kinderarbeit wieder einführen!)

    — der Zwischenruf zeigt ja, in welchem Zustand Sie argumentieren —

    (Heyenn [SPD]: Er hat sich konsequent in Ihre Argumentation hineinversetzt!)

    die sehr kurzfristigen Umbauarbeiten auf der „Queen Elizabeth" auf einer Bremer Werft, die mit bewundernswerter Qualität und auch Schnelligkeit durchgeführt wurden, zu realisieren gewesen wären.
    Was wäre denn die Konsequenz gewesen?

    (Reimann [SPD]: Sie wollen gesetzliche Verstöße legitimieren!)

    Der Auftrag wäre nicht nach Deutschland gegangen, die Beschäftigungslage an der Küste wäre noch schlechter geworden, Herr Kollege Heyenn.

    (Heyenn [SPD]: Man merkt, daß Sie mit der Küste nichts zu tun haben!)

    — In der Sensibilität der Beurteilung dieses Auftrags wahrscheinlich noch mehr als Sie, Herr Kollege.

    (Heyenn [SPD]: Ist Ihnen eigentlich bekannt, wieviel arbeitslose Werftarbeiter wir haben?)

    Man sollte bei der Überstundenproblematik auf sachgerechte Regelungen der Tarif- und Betriebspartner vertrauen — dahin gehören sie auch — und von gesetzgeberischen Maßnahmen absehen.
    Mit Sorgfalt wird man auch prüfen müssen, ob der vorliegende Regierungsentwurf praxisgerecht ist
    — darüber müssen wir uns noch unterhalten —, ob er den Besonderheiten beispielsweise der Montagebetriebe, der Medien, des Pressevertriebs und auch der freien Wohlfahrtspflege und anderer ausreichend Rechnung trägt.
    Was das Thema der Sonn- und Feiertagsarbeit angeht, so empfiehlt sich zur Information ein Blick nach Belgien. Auf Initiative der dortigen Sozialpartner hat nach meinen Informationen der belgische Gesetzgeber nach mehrjährigen Modellversuchen 1987 das Verbot der Sonn- und Feiertagsarbeit unter bestimmten Kautelen aufgehoben.

    (Frau Steinhauer [SPD]: Am besten rund um die Uhr!)

    Voraussetzung für diese Änderungen sind allerdings positive Beschäftigungseffekte.

    (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Wir wollen sonntags in die Kirche gehen!)

    — Darüber reden wir noch im Ausschuß, Herr Blüm.
    Vor diesem Hintergrund und auch im Hinblick auf die Koalitionsvereinbarung, die eine Überprüfung in der Frage der Maschinenlaufzeiten vorsieht, halte ich es für erwägenswert, ernsthaft über den Vorschlag des Bundesrats nachzudenken, für bestimmte Bereiche, insbesondere hochmechanisierte und hochtechnisierte Bereiche, Ausnahmen zuzulassen;

    (Reimann [SPD]: Den Maschinen zuliebe!)

    denn die Dauer der Nutzung von Maschinen ist in einer Reihe von Betrieben oder Branchen entscheidend für die internationale Wettbewerbsfähigkeit. Im internationalen Vergleich — dies hat der Sachverständigenrat in seinem Gutachten hervorgehoben — stecken in den niedrigen Maschinenlaufzeiten in der Bundesrepublik noch nennenswerte Reserven, um Produktionskosten zu drücken.
    Wir kennen natürlich auch die Stellungnahme der Kirchen, und wir werden uns auch mit dieser Stellungnahme ernsthaft auseinandersetzen.

    (Heyenn [SPD]: Und sie dann beiseite legen!)

    Noch ein Wort zum Thema Frauenarbeitsschutz. Der vorliegende Regierungsentwurf sieht den Abbau beschäftigungshemmender Vorschriften für Frauen dort vor,

    (Frau Steinhauer [SPD]: Ach du lieber Gott, das hat mir noch gefehlt!)

    wo sie aus Gesundheitsgründen nicht mehr gerechtfertigt sind, so z. B. im Bauhauptgewerbe. Dies ist übrigens eine alte Forderung der FDP.
    Was das Nachtarbeitsverbot für Arbeiterinnen angeht, so hat die Kollegin Adam-Schwaetzer schon früher an Hand konkreter Beispiele aufgezeigt, welche negativen Auswirkungen dieses Verbot für die Beschäftigung von Arbeiterinnen haben kann. Wir sind uns sicherlich darin einig, daß es so wenig Nachtarbeit wie möglich geben sollte. Nachtarbeit für weibliche Angestellte zuzulassen, für Arbeiterinnen aber nicht, dies überzeugt nicht. Deshalb sieht die Koalitionsvereinbarung auch zu Recht die Aufhebung des Nachtarbeitsverbots für Arbeiterinnen vor.
    Zusammenfassend ist zu bemerken: Die vorliegenden Gesetzentwürfe — auch der Regierungsentwurf — bedürfen gründlicher Beratung, wie wir das ja immer tun. Der notwendige Gesundheitsschutz muß sichergestellt werden, ohne daß eine überzogene Reglementierung Beschäftigungsmöglichkeiten verschüttet und die Flexibilität, von der wir letztendlich leben, über Gebühr beeinträchtigt wird.
    Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)