Rede:
ID1105306500

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Metadaten
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    Vokabeln: 8
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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 11/53 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 53. Sitzung Bonn, Freitag, den 15. Januar 1988 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 3709 A Zusatztagesordnungspunkt 6: Aktuelle Stunde betr. Erhöhung der Neuverschuldung im Bundeshaushalt 1988 — Realistische Darstellung der Lage der Bundesfinanzen Wieczorek (Duisburg) SPD 3709 B Dr. Dregger CDU/CSU 3710B Frau Vennegerts GRÜNE 3711B, 3716 C Dr. Weng (Gerlingen) FDP 3712B Dr. Spöri SPD 3713 B Spilker CDU/CSU 3714 B Gattermann FDP 3715 C Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . 3716D Dr. Apel SPD 3718D Carstens (Emstek) CDU/CSU 3719C Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi . 3720 C Esters SPD 3722 A Dr. Rose CDU/CSU 3722 D Schulhoff CDU/CSU 3723 D Zusatztagesordnungspunkt 7: Aussprache über die Vorfälle bei der Firma Nukem Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . . . 3725 A Dr. Wallmann, Ministerpräsident des Landes Hessen 3726 D Dr. Hauff SPD 3729 D Baum FDP 3731B Schily GRÜNE 3733 B Dr. Laufs CDU/CSU 3735 B Tagesordnungspunkt 23: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Arbeitszeitgesetzes (Drucksache 11/360) b) Erste Beratung des von der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Arbeitszeitgesetzes (Drucksache 11/1188) c) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Arbeitszeitgesetzes (Drucksache 11/1617) Dr. Blüm, Bundesminister BMA 3736 D Dreßler SPD 3739 A Louven CDU/CSU 3741 D Hoss GRÜNE 3744 B Heinrich FDP 3746 B Schreiner SPD 3748 A Müller (Wesseling) CDU/CSU 3750 B Frau Steinhauer SPD 3751 C Tagesordnungspunkt 24: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Brahmst-Rock, Weiss (München) und der Fraktion DIE GRÜNEN: Schnellbahnverbindung Köln—Paris (Drucksache 11/387 [neu]) Weiss (München) GRÜNE 3752 C Bauer CDU/CSU 3753 B Haar SPD 3754 A Kohn FDP 3754 D Nächste Sitzung 3755 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 3756* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 3756* B Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 53. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Januar 1988 3709 53. Sitzung Bonn, den 15. Januar 1988 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein ** 15. 1. Dr. Ahrens * 15. 1. Frau Beck-Oberdorf 15. 1. Frau Brahmst-Rock 15. 1. Dr. von Bülow 15. 1. Buschfort 15. 1. Carstensen (Nordstrand) 15. 1. Cronenberg (Arnsberg) 15. 1. Frau Dr. Däubler-Gmelin 15. 1. Egert 15. 1. Dr. Ehrenberg 15. 1. Frau Eid 15. 1. Engelsberger 15. 1. Eylmann 15. 1. Dr. Geißler 15. 1. Gerstein 15. 1. Grünbeck 15. 1. Grüner 15. 1. Grunenberg 15. 1. Dr. Haussmann 15. 1. Freiherr Heereman v. Zuydtwyck 15. 1. Frau Dr. Hellwig 15. 1. Frau Hoffmann (Soltau) 15. 1. Dr. Hüsch 15. 1. Ibrügger 15. 1. Dr. Köhler (Wolfsburg) 15. 1. Kreuzeder 15. 1. Dr. Kunz (Weiden) 15. 1. Lenzer * 15. 1. Lowack 15. 1. Dr. Mahlo 15. 1. Menzel 15. 1. Meyer 15. 1. Nelle 15. 1. Frau Pack * 15. 1. Petersen 15. 1. Reuschenbach 15. 1. Roth 15. 1. Frau Rust 15. 1. Schartz (Trier) 15. 1. Dr. Scheer * 15. 1. Frau Schilling 15. 1. Frau Schmidt-Bott 15. 1. Schmitz (Baesweiler) 15. 1. von Schmude 15. 1. Schröer (Mülheim) 15. 1. Schulze (Berlin) 15. 1. Stahl (Kempen) 15. 1. Stobbe 15. 1. Dr. Vondran 15. 1. Dr. Warnke 15. 1. Frau Dr. Wisniewski 15. 1. Wissmann 15. 1. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 18. Dezember 1987 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1988 (Haushaltsgesetz 1988) Achtes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern Gesetz zur Änderung des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Ladenschluß Gesetz zur finanziellen Sicherung der Künstlersozialversicherung Gesetz zur Verlängerung der Amtszeit der Jugendvertretungen in den Betrieben Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Mutter und Kind - Schutz des ungeborenen Lebens" Gesetz über die Sicherung und Nutzung von Archivgut des Bundes (Bundesarchivgesetz - BArchG) Gesetz über die zentrale Archivierung von Unterlagen aus dem Bereich des Kriegsfolgenrechts Gesetz zur Änderung des Bundespersonalvertretungsgesetzes Gesetz zur Änderung des Benzinbleigesetzes Gesetz über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Jahr 1988 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1988) Gesetz zu dem Zusatzabkommen vom 2. Oktober 1986 zum Abkommen vom 7. Januar 1976 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika über Soziale Sicherheit und zu der Zusatzvereinbarung vom 2. Oktober 1986 zur Vereinbarung vom 21. Juni 1978 zur Durchführung des Abkommens Gesetz zu dem Abkommen vom 14. November 1985 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kanada über Soziale Sicherheit und der Vereinbarung zur Durchführung des Abkommens sowie zu der Vereinbarung vom 14. Mai 1987 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung von Quebec über Soziale Sicherheit und der Durchführungsvereinbarung hierzu Gesetz zu dem Abkommen vom 4. November 1985 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über den Verzicht auf die Beglaubigung und über den Austausch von Personenstandsurkunden/Zivilstandsurkunden sowie über die Beschaffung von Ehefähigkeitszeugnissen Gesetz zu dem Abkommen vom 18. September 1985 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Argentinien über die Wehrpflicht von Doppelstaatern Gesetz zu dem Abkommen vom 10. Oktober 1985 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Dänemark über die Wehrpflicht deutsch-dänischer Doppelstaater Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 11/253 Nr. 1.2 Drucksache 11/561 Nr. 1.1, 1.2, 1.3 Drucksache 11/1107 Nr. 1.1 Drucksachen 11/552, 11/637 Finanzausschuß Drucksache 11/1107 Nr. 1.2 Ausschuß für Verkehr Drucksache 11/1107 Nr. 1.7 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß sie die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen haben: Innenausschuß Drucksache 10/5362 Nr. 18 Drucksache 11/929 Nr. 2.1 Haushaltsausschuß Drucksache 11/1450 Nr. 2.1 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 11/253 Nr. 2.4 Drucksache 11/561 Nr. 2.4 Drucksache 11/779 Nr. 2,21 Drucksache 11/1365 Nr. 3.1, 3.2 Drucksache 11/1450 Nr. 2.3, 2.4, 2.5, 2.6 Drucksache 11/1107 Nr. 2.2, 2.3, 2.4, 2.5, 2.6, 2.7 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/973 Nr. 2.7 bis 2.11 Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/1107 Nr. 2.10 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 11/883 Nr. 138
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Otto Schily


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Kollegin Hamm-Brücher, es ist sehr gut, daß Sie mir diese Frage stellen,

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    weil Sie mir damit Gelegenheit geben, ein wirklich bösartiges Argument, das ja auch häufig in der Öffentlichkeit einzuführen versucht wird, zu widerlegen. Sie wissen doch sehr genau, daß Joschka Fischer nicht die atomrechtliche Zuständigkeit im hessischen Kabinett hatte, daß er der erste gewesen ist, der sich um diese Hanauer Nuklearbetriebe intensiv gekümmert und die Schließung dieser Betriebe verlangt hat.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    und daß die hessische Koalition daran gescheitert ist, weil sich genau bei dieser Frage die Sozialdemokratie nicht entschließen konnte. Das sollten Sie zur Kenntnis nehmen, Frau Hamm-Brücher; das ist die Wahrheit.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Die GRÜNEN warnen seit Jahren vor den Gefahren der Atomindustrie. Wir haben die angebliche Supersicherheit von Atomreaktoren stets bestritten. Unsere Bedenken haben sich bestätigt. Wir haben erklärt, daß es kein verläßliches Konzept zur sicheren Entsorgung



    Schily
    des atomaren Mülls gibt. Unsere Auffassung hat sich bestätigt.
    Die Bundesregierung kann insoweit nichts als leere Versprechungen, unbegründete Hoffnungen und Illusionen bieten, deren Wert etwa so hoch anzusetzen ist, wie im Ablaßhandel das Angebot zur Vergebung der Sünden und der Seligkeit im Himmel.
    Die seltsame Logik, Herr Töpfer, es seien nun mal Atomkraftwerke vorhanden und atomarer Müll müsse in jedem Fall irgendwo sicher endgelagert werden, deshalb könne unbedenklich die weitere Produktion von atomarem Müll fortgesetzt werden, ist ja wohl alles andere als beruhigend. Was wäre denn von einer Feuerwehr zu halten, die uns verspricht, irgendwann einmal in fernerer Zukunft gebe es Wasser, um ein Flammenmeer zu löschen, aber einstweilen wird lustig tralalala noch Benzin ins Feuer geschüttet, damit es sich noch weiter ausbreiten kann? Eine solche Feuerwehr wäre wohl nicht die richtige Methode.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Diese Methode wird jedenfalls heute praktiziert.
    Es mutet makaber an, meine Damen und Herren, auch nach den Ausführungen von Herrn Baum, daß ausgerechnet heute angesichts dieser alarmierenden Nachrichten aus Hanau in Bayern in feierlicher Zeremonie die Betriebsgenehmigung für ein neues Atomkraftwerk Ohu II übergeben und neuer atomarer Müll produziert wird.

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

    Starrsinnig hält die Bundesregierung an der These fest, die Risiken der Atomenergie seien beherrschbar. Diese These, meine Damen und Herren, ist längst widerlegt. Die Sicherheitsmängel bei den Hanauer Nuklearfirmen und die skandalösen Vorkommnisse beweisen, daß die Behauptung, die Risiken der Atomenergie seien beherrschbar, eine Täuschung der Öffentlichkeit und bestenfalls eine Selbsttäuschung ist. Das einzige, was vielleicht das Wort „Beherrschbarkeit" gerechtfertigt erscheinen läßt: Die Bundesregierung erweist sich immer noch als weitgehend beherrschbar von den Imperativen der Atomindustrie; das ist der Sachverhalt.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Wie anders kann erklärt werden, daß die Bundesregierung immer noch an den Konzept der Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf und an dem Projekt des Schnellen Brüters in Kalkar festhält, mit denen das Gefährdungspotential an spaltbarem waffenfähigen Material beträchtlich erweitert wird?
    Geben Sie bitte endlich den Aberglauben auf, durch irgendwelche neuen Institutionen und durch irgendwelche organisatorischen Reparaturen könnten Sie dieses Gefährdungspotential in den Griff bekommen. Nicht die Schaffung neuer Stellen wird das Übel an der Wurzel packen; damit schaffen Sie nur neue Adressen für Bargeldkuverts.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Erinnern Sie sich daran, daß Sie die Warnungen der
    GRÜNEN vor der Weiterverbreitung von waffenfähigem Material in den Wind geschlagen haben! Sie ha-
    ben uns Panikmache, Sie haben uns Sensationslüsternheit und was nicht alles vorgeworfen. Und jetzt müssen Sie zugestehen, daß ein konkreter Verdacht eines Verstoßes gegen den Atomwaffensperrvertrag besteht.
    Meine Damen und Herren, lassen Sie uns doch einen Moment innehalten. Bemühen Sie doch einmal Ihre Vorstellungskraft und überdenken Sie, was es heißt, wenn sich der Verdacht bestätigt, daß waffenfähiges Material von oder über bundesdeutsche Atomfirmen nach Pakistan und Libyen exportiert worden ist, welche ungeheuerlichen historischen Dimensionen dabei im Spiel sind. Müssen dann nicht eigentlich alle bisherigen Maßnahmen der hessischen Landesregierung und der Bundesregierung verblassen, als unzureichend erscheinen? Wo ist denn eigentlich die bundesweite Fahndung?

    (Frau Nickels [GRÜNE]: Richtig!)

    Wo ist denn eigentlich ein wirklich energisches Vorgehen?

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

    Wo ist eine Vorkehrung gegen Verdunkelungsmaßnahmen? Interessanterweise sind ja all die Dinge, über die wir heute diskutieren, durch Quasi-Selbstanzeigen ans Licht gekommen. Das ist ja sehr interessant. Warum werden nicht alle Anlagen des Brennstoffkreislaufs, in denen waffenfähiges Material anfällt, sofort geschlossen und einer rigorosen Überprüfung unterzogen?

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Versiegelt werden muß das, alles muß durchforstet werden. Das Tohuwabohu, das dort herrscht, muß doch endlich aufgeräumt werden.
    Viele Fragen sind zu klären, sicherlich: Wer wußte was, wer wußte eigentlich was wann? Welche Gelder sind an wen geflossen? Diese ominösen 21 Millionen DM, wo kommen die denn eigentlich her? Aus wessen Taschen, aus welcher Kasse stammen sie?

    (Schmidbauer [CDU/CSU]: Und wo gehen sie hin, das ist die Frage!)

    — Und wo gehen sie hin, für welchen Zweck? Das ist doch wohl eine Frage, die sich hier besonders dramatisch stellt.
    Und wie ist es eigentlich zu verstehen, wenn z. B. 22 Kilo Plutonium einfach verschwinden? So etwas fällt offenbar gar nicht weiter auf; 22 Kilo Plutonium sind in einem Nuklearbetrieb einfach verschwunden.

    (Dr. Laufs [CDU/CSU]: Wo denn? — Baum [FDP]: Wo sind die verschwunden?)

    Zwei Fässer mit ungeklärtem Inhalt verschwinden bei Hanauer Nuklearbetrieben. Welche internationale kriminelle Bande, meine Damen und Herren, ist hier eigentlich am Werke, um waffenfähiges Material zu verschieben.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Meine Damen und Herren, Sie sind doch sonst mit
    dem Verdacht von kriminellen Vereinigungen und
    ähnlichen Vedächtigungen immer sehr schnell bei der



    Schily
    Hand. Jetzt wäre es einmal angebracht, jetzt machen Sie einmal von diesem Straftatbestand Gebrauch!

    (Beifall bei den GRÜNEN — Bohl [CDU/ CSU]: Sie sehen sich hier offensichtlich schon wieder als Verteidiger!)

    Meine Damen und Herren, Vertuschung, Verharmlosung, Beschönigung und Beschwichtigung müssen ein Ende haben. Zaghaftigkeit, politisches Larifari, wie wir es von der Bundesregierung gewohnt sind, ist nicht mehr gefragt, meine Damen und Herren. Die Legende von der friedlichen Nutzung der Kernenergie ist vorbei — ein für allemal!

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Wer Atomanlagen baut und betreibt, gefährdet den Frieden.

    (Bohl [CDU/CSU]: Das ist reinste Demagogie, die Sie hier betreiben! Richtiger jakobinischer Eifer, den Sie an den Tag legen!)

    Der einzig sichere Ausweg heißt deshalb: sofortiger Ausstieg aus der Atomenergie, Schluß mit dem Atomwahnsinn!

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Beginnen wir unverzüglich mit einem ökologischen Umbau der Energieversorgung.
    Ich danke Ihnen schön.

    (Anhaltender Beifall bei den GRÜNEN — Bohl [CDU/CSU]: Wo ist eigentlich der Ebermann? Der Ebermann fehlt leider! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU — Frau Unruh [GRÜNE]: Sparen Sie Ihre billigen Witze!)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Laufs.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Prof. Dr. Paul Laufs


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unsere tiefe Erregung gilt seit gestern dem Gerücht, dem Verdacht, daß gegen den Atomwaffensperrvertrag verstoßen und spaltbares Material von der Firma Transnuklear in außereuropäische Länder verbracht worden sein könnte. Dieser Verdacht wurde zur gleichen Zeit öffentlich diskutiert, als Unregelmäßigkeiten bei der Hanauer Firma Nukem bekannt wurden, die zum Einschreiten der staatlichen Aufsicht Anlaß gaben.
    Die Schmiergeld- und Bestechungsaffäre, die Falschdeklaration von Atommüllfässern, die neuen Zweifel an der Zuverlässigkeit der Geschäftsführung eines Nuklearbetriebs und dieser furchtbare Verdacht bilden den Hintergrund, vor dem ein gewaltiger Vertrauensschwund eintreten kann. Diese schubweisen Enthüllungen haben eine verheerende Wirkung auf die Bereitschaft der Menschen, die Risiken der modernen Industriegesellschaft als zumutbar zu akzeptieren.
    Diese Vorgänge sind auch der Nährboden für Spekulationen und Gerüchte. Wer Verantwortung trägt, kann nur den Stand der gesicherten Erkenntnisse zur Grundlage seiner Stellungnahmen und Entscheidungen machen.
    Es gibt zur Stunde eine Fülle an einfachen, bedrükkenden Fragen, aber einen Mangel an belastbaren Antworten. Wenn die SPD von der Spitze des Eisbergs spricht — Herr Kollege Hauff, Sie haben das dieser Tage getan —,

    (Dr. Hauff [SPD]: Herr Baum hier heute! — Zurufe von den GRÜNEN)

    haben wir Sie zu fragen: Haben Sie weiterreichende Informationen?

    (Bohl [CDU/CSU]: Sehr gute Frage!) Weshalb halten Sie diese Erkenntnisse zurück?


    (Bohl [CDU/CSU]: Sehr gute Frage!)

    Entweder machen Sie sich mitschuldig, oder Sie betreiben hier eine ganz und gar unverantwortliche, bösartige Kampagne.

    (Bohl [CDU/CSU]: So ist es! — Dr. Vogel [SPD]: Herr Baum hat das gesagt!)

    Der Bundesumweltminister und die hessische Landesregierung haben unverzüglich und mit der gebotenen Härte gehandelt. Wir wünschten uns, daß die frühere hessische Landesregierung Börner/Fischer, in deren Regierungszeit dies alles geschah, ebenso entschlossen Aufsicht geführt und gehandelt hätte.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die betroffene Industrie kann verlorenes Vertrauen nur wiedergewinnen, wenn auch sie selbst alle nur denkbaren Anstrengungen unternimmt, die Wahrheit ans Licht zu bringen.
    Die Berichte des Bundesumweltministers, des hessischen Umweltministers und anderer Vertreter von Ressorts gestern bei der Sondersitzung des Umweltausschusses lassen es naheliegend erscheinen, vorsichtig zu unterscheiden.
    Erstens. Es gibt keine Hinweise, daß die Firma Nukem etwas mit dem Verdacht eines Verstoßes gegen den Nichtverbreitungsvertrag zu tun hat. Es gibt auch keine Hinweise, daß spaltbares Material aus deutschen Anlagen abgezweigt und über Belgien ins Ausland verbracht worden ist. Es gibt keine Hinweise nach dem heutigen Erkenntnisstand.
    Zweitens. Die Unregelmäßigkeiten bei Nukem haben nichts mit der Entsorgungskonzeption der Bundesregierung zu tun. Nukem produziert Hochtemperaturbrennelemente und ist ein Versorgungsbetrieb. Der Entsorgungsnachweis wird dadurch nicht berührt.
    Drittens. Es gibt weiterhin keine Hinweise, daß durch radioaktive Strahlung Leben, Gesundheit und Umwelt gefährdet worden sind.

    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: Sie glauben es erst, wenn Sie unter der Erde liegen!)

    Diese Behauptung der SPD ist nach wie vor nicht belegt. Sie belegen diese Behauptung einfach nicht. Sie wiederholen sie immer; dadurch wird sie nicht richtig.

    (Zuruf der Abg. Frau Blunck [SPD])




    Dr. Laufs
    Ich brauche von meiner Kritik am Verhalten der Opposition, die ich hier vor zwei Tagen vorgetragen habe, kein Wort zurückzunehmen.

    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: Wiederholen Sie sie bitte!)

    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich weiter folgendes feststellen. Es ist absolut klar, daß die Zuverlässigkeit der Geschäftsführung in der Nuklearindustrie eine zentrale Voraussetzung für die Kernenergienutzung ist. Wir begrüßen das Vorhaben von Professor Töpfer, die Verflechtungen und gegenseitigen Abhängigkeiten der Unternehmen im Bereich des Kernbrennstoffkreislaufs und darüber hinaus im Bereich der Kernenergie insgesamt von außen durch ein international anerkanntes Wirtschaftsprüfungsinstitut gerade unter dem Aspekt der Zuverlässigkeit prüfen zu lassen.
    Es ist nicht auszuschließen, daß die notwendigen Untersuchungen auch in den internationalen Bereich ausgeweitet werden müssen. Wir brauchen zur Durchsetzung hoher Schutzziele und sicherheitstechnischer Maßnahmen ein enges gemeinsames Vorgehen mit unseren EG-Partnerländern. Die Wirksamkeit lückenloser Kontrollen durch die internationale Atomenergiebehörde und EURATOM gehört ebenfalls auf den Prüfstand.
    Es ist die Frage gestellt worden nach den Schwachstellen bei der internationalen Spaltflußkontrolle. Können Reste von Kernbrennstoffen in Abfällen mittels fortgeschrittener Aufbereitungsverfahren wie etwa des im Kernforschungszentrum Karlsruhe entwickelten Naßveraschungsverfahren in erheblicher Menge wiedergewonnen, abgezweigt werden? Diesen Fragen werden wir mit großem Ernst nachgehen. Die Technik läßt vieles zu.
    Deshalb haben die IAEO und EURATOM mit großer Sorgfalt geprüft, daß z. B. in der geplanten Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf in allen Bereichen die Umdeklaration und Abzweigung von Abfällen sicher ausgeschlossen und die internationale Kontrolle des spaltbaren Materials gewährleistet ist.

    (Zuruf von den GRÜNEN: Das ist unmöglich!)

    Es gibt schwachaktive Abfälle, die unbedeutende Spuren von Spaltstoffen enthalten und den Kontrollen nicht unterworfen sind. Ein Beispiel dafür sind diese 321 Fässer aus Belgien, die kleine Mengen von Plutonium enthalten.

    (Zuruf von der SPD: 200 mg!)

    Würde aus diesen Fässern das Abfallplutonium entzogen, würde man allerdings, hundert Prozent Ausbeute unterstellt, den Abfall aus 1,5 Millionen Fässern benötigen um ein Kilogramm Plutonium zu gewinnen. Das ist ja wohl nicht machbar, wie ich das schon in der letzten Debatte dargestellt habe.
    Meine Damen und Herren, die Frage des menschlichen Fehlverhaltens beschäftigt uns seit eh und je, wenn es um die friedliche Nutzung der Kernenergie geht. Der Risikofaktor Mensch steht im Mittelpunkt der Sicherheitsüberlegungen, wo große Gefahren für Mensch und Umwelt auftreten können. Nationale
    Vorschriften und Aufsicht sowie internationale Kontrollen ergänzen sich.
    Es ist uns bewußt und in diesen Wochen schmerzliche Erfahrung, daß ein Restrisiko bleibt. Es kann und muß weiter vermindert werden. Unsere offene demokratische Gesellschaft verfügt über sensible Instrumente zur Aufdeckung und Korrektur von Mißständen. Es ist unsere Pflicht, mit großem Ernst und Härte an der Bewältigung der schlimmen Vorkommnisse mitzuwirken. Ich bin sicher, daß uns dies wie in früheren Fällen voll gelingen wird.

    (Vosen [SPD]: Prinzip Hoffnung!) Ich bedanke mich.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)