Rede von
Dr.
Dieter
Spöri
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
— Ja, ich komme von Freiburg, — heute nacht um zwei.
Vor sieben Wochen hat die Koalition mit ihrer Mehrheit hier im Deutschen Bundestag den Haushaltsentwurf 1988 durchgesetzt. Schon damals war erkennbar, daß dieser Haushalt 1988 in wesentlichen Eckdaten und Positionen nichts mehr mit der wirtschaftlichen Realität in der Bundesrepublik zu tun hat. Ich habe Sie, Herr Bundesfinanzminister, in der abschließenden Debatte hier eindringlich darauf hingewiesen, daß insbesondere der Bundesbankgewinn, die europäischen Lasten und die Steuereinnahmen völlig unrealistisch angesetzt sind.
Herr Stoltenberg, Sie haben schon damals die faulen Punkte Ihres Zahlenwerks ganz genauso gut gekannt wie wir. Daß Sie diesen Deutschen Bundestag über die wahre Lage der Staatsfinanzen bewußt getäuscht haben, nur um Ihren finanzpolitischen Offenbarungseid noch ein paar Wochen hinauszuschieben, ist eine einmalige Verhöhnung des Königsrechts dieses Parlaments,
nämlich des Haushaltsrechts des Deutschen Bundestages. Dieser Täuschungsversuch war aber auch ein politisches Eigentor. Denn schon am 7. Januar hat Sie der Herr Bundeskanzler auf die Bundespressekonferenz geschickt, nur weil er nicht selbst das Scheitern Ihrer Finanzpolitik verkünden wollte. Aber dort haben Sie wieder nur die halbe Wahrheit gesagt. Sie rechnen weiter mit unrealistischen Wachstumsannahmen, unrealistischen Arbeitslosenzahlen und unrealistischen Steuereinnahmen. Sie sind bei 45 Milliarden DM Nettokredit und nicht bei nur 40 Milliarden DM. Sie wollen die bittere Wahrheit über die Lage der Staatsfinanzen weiter bis nach den Landtagswahlen in BadenWürttemberg und Schleswig-Holstein verschleiern. Es nützt Ihnen nichts, wenn Sie sich diese Wahrheit scheibchenweise von uns anringen lassen. Das Mißtrauen in Ihre Finanzpolitik wird in der Bevölkerung ständig größer.
Herr Stoltenberg, Sie als Finanzminister werden sicherlich in die Geschichte dieser Bundesrepublik eingehen, aber nicht — wie geplant — als solider Haushaltsvater, sondern als größter Schuldenmacher aller Zeiten.
Herr Dregger, das Schlimme daran ist: Sie finanzieren mit Ihrer Kreditexplosion nicht beschäftigungswirksame Investitionen,
sondern stopfen Löcher, die als Folge einer verfehlten Wirtschafts- und Finanzpolitik zusätzlich entstanden sind.
Sie finanzieren mit dieser Politik keine einzige Mark an zusätzlicher Nachfrage oder an Investitionen.
Herr Stoltenberg, Sie sind mit Ihrer Finanz- und Wirtschaftspolitik auf Grund gelaufen. Sie gehen in einen Abschwung mit einer einmaligen Rekordarbeitslosigkeit und Rekordverschuldung hinein. Sie haben in der Hochkonjunktur eine Scheinkonsolidierung mit Bundesbankgewinnen betrieben. Sie haben unsere finanziellen Reserven, die wir jetzt zur kon-
3714 Deutscher Bundestag — 1 1. Wahlperiode — 53. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Januar 1988
Dr. Spöri
junkturellen Stützung dringend bräuchten, völlig verbraucht, ja, überzogen. Deshalb greifen Sie jetzt zu Verbrauchsteuererhöhungen, obwohl Sie damit die lahme Konjunktur noch weiter abbremsen.
Aber auch diesmal, meine Damen und Herren, versucht der Bundesfinanzminister, die konkreten Mehrbelastungen bei den Verbrauchsteuern, seine steuerpolitischen Kröten, den Bürgern erst nach den Landtagswahlen dieses Jahres zu servieren. Das ist das gleiche plumpe Spiel wie im letzten Jahr.
Herr Stoltenberg, Sie leiten mit diesem Versteckspiel eigentlich nur die nächste Runde Ihrer Eigendemontage ein.
Herr Bundesfinanzminister, Ihre Finanz- und Steuerpolitik ist gescheitert. Herr Stoltenberg, ziehen Sie endlich die Konsequenzen! Überwinden Sie falsches Prestigedenken, überwinden Sie Selbstgerechtigkeit, machen Sie hier endlich einen ehrlichen Kassensturz. Lassen Sie uns gemeinsam den notwendigen Kurswechsel vollziehen.
— Hören Sie zu! Erstens: Reduzieren Sie das ruinöse Steuerpaket 1990 auf eine verkraftbare Größenordnung!
Zweitens: Konzentrieren Sie den dann vertretbaren steuerpolitischen Entlastungsspielraum auf eine konjunkturwirksame Entlastung der mittleren und der kleinen Einkommen. Drittens: Lassen Sie endlich die Hände von den Plänen zur Verbrauchsteuererhöhung; sie sind Gift für Konjunktur, Wachstum und Beschäftigung.
Danke schön.