Rede von
Charlotte
Garbe
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren und Damen! An mindestens 15 Standorten in der Bundesrepublik wird augenblicklich versucht, die Akzeptanz der Bevölkerung für den Bau einer Giftmüllverbrennungsanlage zu testen und zu gewinnen. Gegen diese kurzsichtige Beseitigungskonzeption unterstützen wir GRÜNEN die Bürgerinitiativen vor Ort in ihren Widerstandsaktionen.
Denn aus Erfahrung wissen wir, welche Dreckschleudern, welche untauglichen Giftmülldeponien und gefährlichen Endlager die Regierenden unseren Bürgern und Bürgerinnen bisher zumuten zu können meinten.
Wie meine Kollegin schon sagte: Natürlich verschließen wir nicht unsere Augen vor den Giftbergen unserer Industriegesellschaft. Jedoch wird es eine Zustimmung zu Giftmüllverbrennungsanlagen von uns nur dann geben, wenn entscheidende Schritte zur Müllvermeidung getan sind. Das bedeutet, es müssen Konzepte und Subventionsmaßnahmen zum sofortigen Vermeiden von Lackschlämmen, Galvanikschlämmen, chlorierten Kohlenwasserstoffen, Formsanden, Dünnsäuren und Dünnlaugen erarbeitet und umgesetzt werden. Alle diese Stoffe bräuchten heutzutage schon nicht mehr anzufallen und — wie man so beschönigend sagt — entsorgt zu werden u. a. auf Deponien, in Salzkavernen, in die Vorfluter usw.
Eine ebenso große Menge jetzt noch anfallender Giftstoffe könnte wiederverwertet werden. Wir GRÜNEN verlangen abfallarme Produktionsverfahren, Produktionsumstellungen und Produktionsverbote für krebserregende Stoffe.
Solche Maßnahmen müssen die Bundesregierung und die Länderregierungen ergreifen. Erst dann und nur dann halten wir GRÜNEN das Risiko und die Technik für verantwortbar, Giftmüllreste — Reste! —
und Altlasteninhalte unter den strengsten Umweltauflagen im Rahmen einer Reparatur- und Übergangstechnik zu verbrennen.
Meine Herren und Damen, die modernsten jetzt in der Bundesrepublik vorgeschlagenen Verbrennungsanlagen sind in ihrer Konzeption bereits über zehn Jahre alt. Die anderen existierenden Verbrennungsanlagen entsprechen dem Entwicklungsstand von 1973. Ich frage Sie hier im Hohe Hause, meine Herren und Damen: Würden Sie sich einen Wagen von 1973 zulegen, wenn es inzwischen bessere Modelle gibt? Sicherlich nicht.
Deshalb unsere Forderung in der geplanten TA Abfall für Sondermüllverbrennungsanlagen, folgende technische Auflagen festzuschreiben: Organische Kohlenstoffverbindungen dürfen nicht an die Umgebung abgegeben werden. Auch die Neubildung von z. B. Dioxinen im Abgas muß unterbunden sein. Anorganische Verbindungen dürfen höchstens in Größenordnungen emittiert werden, wie sie von bestgereinigten Kohlekraftwerken abgegeben werden. Ich nenne nur einige wichtige Kriterien, die wir im Detail dem Ausschuß noch vorlegen werden.
Zum Schluß noch eins: Herr Minister Töpfer, ich muß Ihnen den Vorwurf machen, daß Sie im folgenden Zusammenhang unsauber argumentieren, und für Sie, Herr Kollege Schmidbauer, gilt das auch: Sie ziehen durch die Lande und sagen den Leuten: Wer die Giftmüllverbrennung auf See nicht will, der muß mindestens zehn Verbrennungsanlagen an Land akzeptieren, sonst handele er unverantwortlich; SanktFlorians-Prinzip, „inkonsequent" hat der Kollege Baum gesagt usw. So versuchen Sie ja auch Umweltschützer, die wegen der Nordseeverschmutzung gegen die Seeverbrennung sind, auf Ihre Seite zu ziehen. Was Sie nicht sagen, aber mit Sicherheit wissen, ist, daß nur 5 bis 10 % der auf See verbrannten Gifte in Ihren Verbrennungsöfen an Land beseitigt werden könnten. Bei den hoch- und mittelchlorierten Abfällen funktionieren sie nämlich so nicht.
Herr Töpfer, ich muß Ihnen und dieser Regierung den Vorwurf machen: Wie mit dem Atommüll, so haben Sie uns auch in der Chemiemüllpolitik in eine Sackgasse gefahren. Sie sind immer noch nicht bereit, kräftig auf die Bremse zu treten, um aus dieser äußerst gefährlichen Situation wieder herauszukommen. Dazu aber im Ausschuß mehr.
Fürs Zuhören danke schön.