Rede von
Hans-Werner
Müller
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Nein, angesichts der Redezeit, die mir eingeräumt worden ist, gestatte ich keine Zwischenfrage.
Hier von einer Schuld des Bundeswirtschaftsministers zu sprechen, ist falsch. Ich habe mich genau sachkundig gemacht. Auch die Verlautbarungen in der „Saarbrücker Zeitung" und in der „FAZ" sind sachlich falsch. Das ist bereits richtiggestellt worden.
In der Stahlfraktion des saarländischen Landtages hat ein Vorstandsmitglied von Saarstahl schon vor Wochen angekündigt, daß eine Quotenverlängerung nicht möglich sei. Er hat sogar gesagt, man könne sich
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 50. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1987 3567
Müller
schon darauf einstellen. Wenn dann der saarländische Bundesratsminister — er sitzt hier auf der Bundesratsbank —, der Herr Hahn, im Landtag Vorwürfe erhebt, während Herr Bangemann in Brüssel noch verhandelt, dann ist das zumindest sehr merkwürdig, um nicht zu sagen „Hahnebüchen". Das möchte ich hier einmal ganz deutlich feststellen, weil es am 2. Dezember im Bundeswirtschaftsministerium ein Abstimmungsgespräch gegeben hat, in dem allen Beteiligten — auch den Bundesländern — diese schwierigen juristischen Fragen erklärt worden sind. Das Saarland war bei dieser Besprechung merkwürdigerweise nicht vertreten. Das sind die Fakten.
Man fragt sich schon, warum hier so nach dem Motto: „Haltet den Dieb! " gehandelt wird. Glaubt die saarländische Landesregierung, die ja 76 % der Eigentumsrechte besitzt, nicht mehr an die Zukunft des Unternehmens, und sucht sie den Schuldigen für ein eventuelles Scheitern ihrer Politik?
Was soll denn noch die Gründung einer Deutschen Stahl AG oder die Installierung eines Stahlausschusses, wenn man im Saarland schon mit zwei Unternehmen nicht klarkommt? Wie steht es denn mit der eigenen Rolle als Mehrheitseigner bei Saarstahl hinsichtlich der Zeitpläne, der Konzepte, der Prognosen in der Fusion mit der Dillinger Hütte, die ja überwiegend dem französischen Staat gehört, da die saarländische Regierung 1985 doch erklärt hat, sie brauche ein Jahr, um das alles klarzumachen? Für eine solche Fusion ist aber der politische Wille der Franzosen notwendig. Hier rächt sich der verbale Krieg von Lafontaine gegen die Franzosen, der die deutsch-französische Grenze als „Giftgrenze" bezeichnet hat und der Frankreich vorgeworfen hat, dort habe eine Atom-Mafia das Sagen. Das alles ist in diesem Zusammenhang anzusprechen.
Kein Mensch kann heute sagen, wie sich der französische Staatskonzern Sacilor letztlich verhält. Überall werden Stahlkapazitäten abgebaut, aber in Lothringen spricht man davon, daß Sacilor eine neue Walzstraße bauen will. Gibt das alles nicht zu denken? Wann hat denn die saarländische Regierung zum letztenmal mit der französischen Regierung gesprochen? Noch nie, seitdem diese Landesregierung im Amt ist.
Damit wären wir beim Problem der Ersatzarbeitsplätze. Hier gibt es kein Patentrezept. Das ist in dieser Debatte schon wiederholt angesprochen worden. Es gibt die klassischen Instrumente der Gemeinschaftsaufgabe, der Qualifizierung. Prognos hat jetzt dazu ein interessantes Gutachten vorgelegt. Aber auch der Bund — das sage ich hier in dieser Debatte ganz offen —
muß hier Anstrengungen unternehmen, und zwar bei der Vergabe nennenswerter Aufträge der Bundeswehr, der Bundespost mit Wertschöpfung, die man — natürlich unter Aufrechterhaltung des Wettbewerbes — in die krisengeschüttelten Regionen lenken kann. Ich denke aber auch an Direktinvestitionen auf den Gebieten Straßenbau, Lärmschutz und viele andere mehr. Da ist viel geschehen.
Dies alles sind unendlich wichtige Schritte. Genau so wichtig ist aber auch, daß, da der saarländische Arbeitsmarkt ja nicht nur Arbeitsplätze im Kohle- und Stahlbereich, sondern auch im Bauhandwerk und in der Verbrauchsgüterindustrie verliert, die politisch zu beeinflussenden Bedingungen positiv geändert werden. Leider ist das Saarland kein industriefreundlicher Standort mehr. Dies könnte die derzeitige Landesregierung im Klimatischen sehr wohl sehr bald ändern.
Wenn diese Debatte etwas bringen soll, meine Damen und Herren — das wäre mein Wunsch — , dann dies, daß wir Polemik unterlassen. Dann könnten wir die objektiven Widrigkeiten, von denen ich zu Beginn gesprochen habe, besser meistern.
Ich bedanke mich.