Rede von
Ottmar
Schreiner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Lambsdorff, Sie sind kein Heuchler. Sie reden eine offene Sprache. Aber die Offenheit, in der Sie soeben Ihr Arbeitnehmerbild dargestellt haben, läßt mich zutiefst erschrecken. Sie sprechen und denken in frühkapitalistischen Kategorien. Arbeitnehmer sind für Sie offenkundig reine Produktionsfaktoren. Ihnen scheint nie in den Sinn gekommen zu sein, daß Arbeitnehmer leidensfähige Menschen sein können.
Sie scheinen nie die Möglichkeit gehabt zu haben, mit Familien zu reden, denen der Vater arbeitslos geworden ist und die zu Hause nicht wissen, wie es weitergehen soll; mit Familien zu reden, die mit wenigen hundert Mark im Monat ihre Kinder ernähen sollen; mit Familien zu reden, die nach ihrer eigenen Überzeugung für den Rest des Lebens eine Lebensperspektive verloren haben.
Graf Lambsdorff, ich lade Sie herzlich ein: Kommen Sie zu mir in meinen Wahlkreis, einen Wahlkreis mit über 15 % Arbeitslosigkeit, ein Stahlrevier, ein Kohlerevier! Reden Sie mit den Betroffenen und stellen Sie sich dann hierher in den Bundestag! Dann werden Sie die Rede, die Sie soeben hier gehalten haben, vermutlich nicht wiederholen.
Die zweite Bemerkung. Es ist hier gegen die Forderung der IG Metall nach Vergesellschaftung und die Forderung nach einem Stahlverbund sehr viel polemisiert worden. Ich meine, es muß auch für die Regierungsfraktionen unerträglich sein, wie die ökonomische Macht mit der politischen Macht Schlitten gefahren ist und Schlitten fährt.
Wer regiert eigentlich diese Republik? Sind es einige Konzernbosse, die der Regierung auf der Nase herumtanzen? Und das ist nicht nur in Duisburg der Fall; Albrecht ist es um keine Spur besser ergangen.