Rede:
ID1105005500

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 7
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Herr: 1
    6. Abgeordnete: 1
    7. Schreiner.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 11/50 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 50. Sitzung Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1987 Inhalt: Eintritt des Abg. Dr. Mahlo in den Deutschen Bundestag 3545 C Erweiterung der Tagesordnung 3545 C Begrüßung einer Delegation aus der Volksrepublik Angola 3572 C Zusatztagesordnungspunkt 10: Aktuelle Stunde betr. Einhaltung des Beschlusses des Deutschen Bundestages für den Betrieb des Kraftwerks Buschhaus Reuter SPD 3531 B Dr. Laufs CDU/CSU 3532 C Brauer GRÜNE 3533C, 3539 B Baum FDP 3534 C Dr. Remmers, Minister des Landes Nieder- sachsen 3535 D Seidenthal SPD 3537 B Schmidbauer CDU/CSU 3538 B Harries CDU/CSU 3540 A Stahl (Kempen) SPD 3540 D Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . . 3541D Schäfer (Offenburg) SPD 3543 B Lattmann CDU/CSU 3544 B Tagesordnungspunkt 21: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Lage der deutschen Stahlindustrie zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Krise in der Eisen- und Stahlindustrie zu dem Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN: Sicherung der Stahlstandorte und der Arbeitsplätze in der Stahlindustrie und in den Stahlregionen (Drucksachen 11/402, 11/123, 11/398, 11/1305) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 11: Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Sicherung der Stahlstandorte und der Stahl-Arbeitsplätze: Umbau der Stahlindustrie und der Stahlregionen (Drucksache 11/1477) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 13: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Krise in der Eisen- und Stahlindustrie (Drucksache 11/1504) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkte: Antrag der Abgeordneten Frau Hillerich und der Fraktion DIE GRÜNEN: Sicherung des Stahlstandortes Duisburg-Rheinhausen (Drucksache 11/1522) Antrag der Fraktion der SPD: Solidarität mit den Beschäftigten in Duisburg-Rheinhausen (Drucksache 11/1524) Roth SPD 3546 A Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi . 3548 C Frau Hillerich GRÜNE 3552D, 3569 D II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 50. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1987 Dr. Blüm, Bundesminister BMA 3554 A Einert, Minister des Landes Nordrhein-Westfalen 3554 D Dr. Graf Lambsdorff FDP 3558 A Stratmann GRÜNE 3560C, 3569 C Dr. Vondran CDU/CSU 3562 B Schreiner SPD 3564 B Müller (Wadern) CDU/CSU 3566 A Kraus CDU/CSU 3567 C Dr. Lammert CDU/CSU 3569 A Tagesordnungspunkt 23: Aussprache zu Afghanistan in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 12: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP und der Fraktion DIE GRÜNEN: 8 Jahre Krieg in Afghanistan (Drucksache 11/1500) Dr. Todenhöfer CDU/CSU 3570 B Bindig SPD 3571A Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 3572 D Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE 3574 B Schäfer, Staatsminister AA 3575 C Dr. Holtz SPD 3577 A Nächste Sitzung 3578 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 3579* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 3579* D Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 50. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1987 3531 50. Sitzung Bonn, den 11. Dezember 1987 Beginn: 8.31 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 11. 12. Dr. Ahrens * 11. 12. Andres 11. 12. Antretter 11. 12. Bahr 11, 12. Frau Becker-Inglau 11. 12. Frau Beck-Oberdorf 11. 12. Bernrath 11. 12. Bindig 11. 12. Frau Blunck * 11. 12. Böhm (Melsungen) * 11. 12. Frau Brahmst-Rock 11. 12. Dr. Briefs 11. 12. Büchner (Speyer) * 11. 12. Dr. von Bülow 11. 12. Catenhusen 11. 12. Doss 11. 12. Ebermann 11. 12. Frau Fischer * 11. 12. Dr. Friedrich 11. 12. Frau Ganseforth 11. 12. Dr. Geißler 11. 12. Glos 11. 12. Dr. Glotz 11. 12. Grünbeck 11. 12. Dr. Grünewald 11. 12. Haack (Extertal) 11. 12. Dr. Hauchler 11. 12. Dr. Haussmann 11. 12. Frau Dr. Hellwig 11. 12. Frau Hoffmann (Soltau) 11. 12. Frau Hürland-Büning 11. 12. Kalb 11. 12. Kastning 11. 12. Frau Kelly 11. 12. Kiechle 11. 12. Kittelmann * 11. 12. Kolb 11. 12. Koschnick 11. 12. Kreuzeder 11. 12. Lemmrich * 11. 12. Lowack 11. 12. Frau Luuk * 11. 12. Dr. Mahlo 11. 12. Marschewski 11. 12. Frau Matthäus-Maier 11. 12. Dr. Mechtersheimer 11. 12. Dr. Mertens (Bottrop) 11. 12. Dr. Möller 11. 12. Dr. Müller * 11. 12. Dr. Neuling 11. 12. Frau Oesterle-Schwerin 11. 12. Oswald 11. 12. Petersen 11. 12. Rappe (Hildesheim) 11. 12. Rauen 11. 12. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarats Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Reuschenbach 11. 12. Roth 11. 12. Scharrenbroich 11. 12. Frau Schmidt (Nürnberg) 11. 12. von Schmude 11. 12. Schröer (Mülheim) 11. 12. Schütz 11. 12. Schulze (Berlin) 11. 12. Frau Seuster 11. 12. Dr. Spöri 11. 12. Dr, Struck 11. 12. Tietjen 11. 12. Tillmann 11. 12. Frau Dr. Timm * 11. 12. Frau Trenz 11. 12. Uldall 11. 12. Vahlberg 11. 12. Frau Vennegerts 11. 12. Dr. Warnke 11. 12. Wieczorek (Duisburg) 11. 12. Frau Wieczorek-Zeul 11. 12. Wissmann 11. 12. Würtz 11. 12. Dr. Zimmermann 11. 12. Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Die Fraktion DIE GRÜNEN hat mitgeteilt, daß sie ihren Gesetzentwurf - Änderung strafrechtlicher und strafprozessualer Regelungen bei Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen - Drucksache 11/1040 - und ihren Antrag - Nahrungsmittelhilfe an Äthiopien - Drucksache 11/1155 - zurückgezogen hat. Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu nachstehenden Vorlagen absieht: Drucksache 11/138 Nr. 1.3, 1.7 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß sie die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen haben: Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 11/1107 Nr. 2.2, 2.3, 2.4, 2.5, 2.6, 2.7 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/138 lfd. Nr. 3.52 bis 3.131 Drucksache 11/779 lfd. Nr. 2.24 bis 2.51 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 11/253 Nr. 2.27 Drucksache 11/439 Nr. 2.9 Drucksache 11/561 Nr. 2.14, 2.15 Drucksache 11/779 Nr. 2.52 Drucksache 11/883 Nr. 103 Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/883 Nr. 112 Ausschuß für Forschung und Technologie Drucksache 11/138 Nr. 3.157
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ruprecht Vondran


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heutige Stahldiskussion steht — wie könnte das anders sein — im Schatten von Rheinhausen.
    Wir haben im Vorfeld miteinander den Versuch gemacht, für diese Debatte eine gemeinsame Grundlage zu finden. Ich muß sagen: Gerade vor dem Hintergrund von Rheinhausen bedaure ich, daß uns das nicht gelungen ist. Ich sage ganz deutlich: Wer kein Herz aus Stein hat, fühlt mit denen, die in Sorge um die Zukunft ihrer Arbeitsplätze und ihrer Stadt leben.

    (Zustimmung bei der SPD — Schreiner [SPD]: Sagen Sie das mal dem Lambsdorff!)

    Aber, meine Damen und Herren — insbesondere von der Linken — , das ist zuwenig. Von Politikern muß man auch erwarten, daß sie den Blick für das Mögliche und die Kraft haben, das Notwendige zu tun.

    (Reimann [SPD]: Das letzte ist ganz wichtig!)

    Wer in diesen Tagen ins Feuer aufgewühlter Gefühle bläst, der wird seiner Verantwortung eben nicht gerecht.
    In diesem Zusammenhang möchte ich gerne etwas zu Ihnen sagen, Frau Hillerich. Sie haben gesagt, Herr Dr. Cromme habe sich als nicht zuständig für die Frankfurter Erklärung bezeichnet. Das kann der Wahrheit nicht entsprechen. Er war in Frankfurt dabei. Das Unternehmen hat nach dem Beschluß über Rheinhausen erklärt:
    Für den Fall, daß der Plan der Vorstände zum Tragen kommt, werden die erforderlichen Anpassungsmaßnahmen im Geist der Frankfurter Vereinbarung, d. h. ohne Massenentlassung abgewickelt.

    (Frau Hillerich [GRÜNE]: Es geht um neue Arbeitsplätze!)

    Sie haben hier ins Feuer geblasen. Dies ist die Wahrheit.
    Der Herr Minister Einert hat Vertragsbruch vorgeworfen. Auch zu Ihnen ein Wort, Herr Ministert Einert: Es ist nicht korrekt, wie Sie es dargestellt haben. Im Aufsichtsratsprotokoll des Unternehmens Krupp ist protokolliert, daß der Vorstandsbeschluß über einen Alleingang unter dem Vorbehalt steht, daß kein gemeinsames Konzept mit anderen Unternehmen zu finden ist. Unter diesem Vorbehalt ist das beschlossen worden. In einem mitbestimmten Aufsichtsrat ist das protokolliert worden. Auch das, was Sie hier gesagt haben, gehört unter die Kategorie „Ins Feuer blasen".
    Es ist schon schlimm, meine Damen und Herren, daß es die Industrie- und Handelskammer in Duisburg für notwendig hielt, „vor zügelloser Agitation zu warnen". Ich habe den Eindruck, daß die zügellose Agitation bis in den Deutschen Bundestag vorgedrungen ist.
    Aus einem zweiten Grund bedaure ich sehr, daß wir von Sprache und Inhalt her noch nicht zusammengefunden haben. Duisburg-Rheinhausen, aber auch Oberhausen, Hattingen, Sulzbach-Rosenberg sind Namen deutscher Städte, aber sie verkörpern auch ein europäisches Problem. In Brüssel dringen wir besser durch, wenn wir geschlossen in Erscheinung treten, und diesen Eindruck vermitteln wir jedenfalls heute nicht.

    (Roth [SPD]: Warum gibt es denn keine Stahlrunde? Sie könnten das doch beim Bundeskanzler fordern!)

    Damit bin ich bei der Bewertung, Herr Roth, des letzten Stahlministerrats. Ich setze mich gerade mit Ihnen auseinander, Herr Roth; Sie haben es noch gar nicht gemerkt.
    Die Ausgangslage hat der Bundeswirtschaftsminister in der Aktuellen Stunde ganz richtig beschrieben; er hat es heute noch einmal getan. Die EG-Kommission hat einen Vorschlag gemacht, der einen geradezu erschreckenden Mangel an Realitätssinn erkennen läßt. Abgesehen von zwei Erzeugnisbereichen, von Grobblech und von schweren Profilen, Gewicht ungefähr 10 % der deutschen Stahlproduktion, kann sie keine Krise mehr erkennen. Das Dokument, das die Brüsseler Kommission vorgelegt hat, macht deutlich: Die Verantwortlichen dort haben wirklich jede
    Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 50. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1987 3563
    Dr. Vondran
    Bodenhaftung verloren. Vor dem Hintergrund unserer heutigen Probleme stelle ich geradezu einen pathologischen Wirklichkeitsverlust fest.

    (Roth [SPD]: Ist der Beschuldigte aus der CDU ausgetreten? Hat Narjes ein Ausschlußverfahren bekommen?)

    Dazu würde ich gern ein Beispiel nennen. Die drei Weisen, von der EG-Kommission eingesetzt, haben in ihrem Gutachten, Abteilung Diagnose, kritisch angemerkt, daß es Staatsbanken gibt, die zur Deckung von Betriebsdefiziten verstaatlichter Unternehmen fast unbeschränkt Kredite geben. Ich zitiere wörtlich:
    Die betreffenden Banken, meist öffentliche Institute, scheinen sich um ihre Außenstände nicht zu sorgen. Zu gegebener Zeit darf man sich darauf gefaßt machen, daß um eine Gemeinschaftsablösung nachgesucht wird, die ohne Berücksichtigung der Kosten vergangener Fehler gewährt wird.
    Das war ein Auszug aus dem Gutachten der drei Weisen.
    Die drei Weisen berichten von Staatsunternehmen, wie der British Steel Corporation, die heute so sehr übersubventioniert sind, daß es — vor kurzem hatten sie noch schwere Anpassungsprobleme — derzeit keine Finanzierungssorgen mehr bei ihnen gibt. Sie treten in dem Wettbewerb an, ohne in ihren Produkten Finanzkosten rechnen zu müssen. Ich zitiere wieder wörtlich:
    Eine solche Situation verführt die Begünstigte, die British Steel Corporation, zu überzogenem Optimismus, enthebt sie sie doch in einzigartiger Weise der unmittelbaren Notwendigkeit, mit anderen Firmen Vereinbarungen über einen gemeinsamen Abbau von Kapazitäten zu treffen.
    Das ist nicht aus einem Protokoll der Wirtschaftsvereinigung Eisen- und Stahlindustrie entnommen, das ist aus dem Gutachten der drei Weisen, den offiziellen Gutachten der EG-Kommission, entnommen.

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    Ich könnte hier noch eine ganze Weile fortfahren. Es wird der Fall des italienischen Staatsunternehmens Finsider behandelt. Hier wird die Notwendigkeit betont, für — Zitat — „eine außerordentliche Beihilfe, welche einen Abbau der hohen Verschuldung ermöglicht, die dem Unternehmen gegenwärtig jede Hoffnung nimmt" .
    Was findet man davon nun in der Vorlage der Europäischen Kommission für den Ministerrat?

    (Dr. Unland [CDU/CSU]: Nichts!)

    — Sie haben richtig geraten und es richtig gesagt, Herr Kollege Unland: Nichts. Dieses Nichts, diese Leerstelle, diese Unterschlagung von Tatsachen ist das, was ich auch hier vor dem Deutschen Bundestag einen Skandal nennen möchte. Das ist die Ausgangslage, die der deutsche Bundeswirtschaftsminister vorfindet. Er hat völlig recht, er kann sie nur durch ein einstimmiges Votum des Ministerrats durchbrechen. Das aber ist nicht zu haben. Es gibt zwar in Brüssel, wie es heißt, keine manifeste Krise, aber es gibt dort manifeste Interessen. Wer die „Innereien" so etwas
    kennt, weiß, daß ich nicht gerade — um das locker zu formulieren — zum Fan-Club von Martin Bangemann gehöre. Wir haben schon ziemlich erbittert gestritten, und er dabei immer aus überlegener Position. Aber die Fairneß gebietet es, heute deutlich zu sagen: Der Bundeswirtschaftsminister hat in Brüssel am 8. Dezember hart und geschickt verhandelt. Er hat die Minister und die EG-Kommission in die Pflicht genommen, selbst für den notwendigen Kapazitätsabbau Sorge zu tragen. Er hat der deutschen Stahlindustrie auf diese Weise wieder Luft verschafft. Die Verhandlungsführung in dieser Runde, Herr Kollege Roth, verdient nicht die Häme, mit der Sie sie übergossen haben, sie verdient Unterstützung. Natürlich ist dies nur ein Etappenergebnis in einem schwierigen Rennen, nicht mehr und nicht weniger. Am 22. Dezember werden wir mehr über Erfolg und Mißerfolg wissen.
    Aber auch aus einem dritten Grund hätte ich mir heute gern Gemeinsamkeit gewünscht: Diejenigen, die sich so gern in die Robe der Ankläger werfen, leben gefährlich, sie treten dünnen Grund. Sie tun nämlich so, als habe die Stahlkrise mit dem Amtsantritt von Helmut Kohl begonnen. Die Stahlkrise ist, wie wir alle wissen, älter; sie geht ins 13. Jahr. 1975 begann der kräftezehrende Prozeß, der heute seine Wirkung, z. B. in Rheinhausen, zeigt.
    Es ist immer besser, vor den Reden zu rechnen, und das habe ich für Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, getan. Von den 100 Milliarden an Subventionen, die seit Beginn der Stahlkrise in benachbarten Ländern gewährt worden sind und die sich auf die deutschen Stahlunternehmen so zerstörerisch ausgewirkt haben, ist fast die Hälfte in der sozialliberalen Regierungszeit geflossen. 46 Milliarden von 100 Milliarden sind in der Zeit der Regierung Helmut Schmidt geflossen, und er und seine Mannschaft haben das nicht verhindern können. Es besteht aus meiner Sicht für die Opposition heute wenig Grund, so laut zu werden.
    Von den 100 000 Arbeitsplätzen — um auch davon zu reden —, die bisher als Folge der Wettbewerbsverzerrungen in Deutschland verlorengegangen sind, sind 56 000, also mehr als die Hälfte, in sozialliberaler Zeit vernichtet worden, um das Wort aufzunehmen, das so schlimm ist und das Sie trotzdem so häufig verwenden. Ich meine, auch das ist sicherlich kein Grund, das große Wort der Anklage zu sprechen. Sie wären meines Erachtens gut beraten, heute nicht so sehr ins Horn zu stoßen.
    Aber schließlich gibt es auch noch einen anderen Grund, aus dem man nur bedauern kann, daß wir im Deutschen Bundestag keine gemeinsame Basis gefunden haben. Wir täten nämlich gut daran, von hieraus ein Zeichen zu setzen, das ins Land ausstrahlt. Manche scheinen zu meinen, man brauche nur Geld in die Montanreviere zu pumpen oder die Unternehmen zu verpflichten, Ersatzarbeitsplätze zu schaffen, dann werde es dort wirtschaftlich wieder zu grünen beginnen. Das erscheint mir denn doch reichlich einfältig. Um neue Arbeitsplätze zu schaffen, braucht man nicht nur Geld, man braucht eine gesunde Vierermischung: Ideen, Geld, Zeit und unternehmerische Bereitschaft zum Risiko, die das alles zusam-
    3564 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 50. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1987
    Dr. Vondran
    menbindet und aus Ideen marktgängige Produkte macht.

    (Abg. Weiermann [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Pardon, ich möchte jetzt bitte fortfahren. Ich habe wenig Zeit und möchte im Zusammenhang vortragen. —

    (Reimann [SPD]: Wird doch nicht angerechnet!)

    Unternehmer kann man nicht kommandieren. Sie gehen dort zu Werke, wo sie ein Klima partnerschaftlicher Zusammenarbeit erwarten, und damit ist es eben nicht überall gut bestellt.
    Ich habe in Oberhausen dafür geworben, daß sich die dort ansässigen Großunternehmen mit Mittelständlern zusammenschließen, um jungen Unternehmen Starthilfe zu geben. Das war auch erfolgreich. „Neu-Oberhausen" heißt das so gegründete neue Unternehmen — ein Programmname, aber mit Tradition. Die SPD vor Ort hat das begrüßt. Als Grußadresse wurde dem neugeborenen Kind dann allerdings folgender Taufspruch gewidmet — ich zitiere aus der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" —:
    Man wird selbstverständlich darauf achten, daß nicht über diesen Weg entmenschlichende Arbeitsbedingungen Eingang finden oder erkämpfter sozialer Fortschritt in Frage gestellt wird.
    Ich frage: Welch verbogener Phantasie entspringt eigentlich ein solcher Satz?

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Was wird einem jungen Unternehmer, der sein Erspartes einsetzt und aufs Elternhaus die Hypothek nimmt, hier eigentlich unterstellt? Und wie wird er sich entscheiden? Ich hoffe, er macht nicht die Südfliege, wie man so leicht und locker sagt.
    Ich habe leider meine Redezeit erschöpft. Ich bedanke mich.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dr. Philipp Jenninger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schreiner.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Ottmar Schreiner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Lambsdorff, Sie sind kein Heuchler. Sie reden eine offene Sprache. Aber die Offenheit, in der Sie soeben Ihr Arbeitnehmerbild dargestellt haben, läßt mich zutiefst erschrecken. Sie sprechen und denken in frühkapitalistischen Kategorien. Arbeitnehmer sind für Sie offenkundig reine Produktionsfaktoren. Ihnen scheint nie in den Sinn gekommen zu sein, daß Arbeitnehmer leidensfähige Menschen sein können.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie scheinen nie die Möglichkeit gehabt zu haben, mit Familien zu reden, denen der Vater arbeitslos geworden ist und die zu Hause nicht wissen, wie es weitergehen soll; mit Familien zu reden, die mit wenigen hundert Mark im Monat ihre Kinder ernähen sollen; mit Familien zu reden, die nach ihrer eigenen Überzeugung für den Rest des Lebens eine Lebensperspektive verloren haben.

    (Dr. Graf Lambsdorff [FDP]: Habe ich ja gesagt!)

    Graf Lambsdorff, ich lade Sie herzlich ein: Kommen Sie zu mir in meinen Wahlkreis, einen Wahlkreis mit über 15 % Arbeitslosigkeit, ein Stahlrevier, ein Kohlerevier! Reden Sie mit den Betroffenen und stellen Sie sich dann hierher in den Bundestag! Dann werden Sie die Rede, die Sie soeben hier gehalten haben, vermutlich nicht wiederholen.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Stratmann [GRÜNE])

    Die zweite Bemerkung. Es ist hier gegen die Forderung der IG Metall nach Vergesellschaftung und die Forderung nach einem Stahlverbund sehr viel polemisiert worden. Ich meine, es muß auch für die Regierungsfraktionen unerträglich sein, wie die ökonomische Macht mit der politischen Macht Schlitten gefahren ist und Schlitten fährt.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Wer regiert eigentlich diese Republik? Sind es einige Konzernbosse, die der Regierung auf der Nase herumtanzen? Und das ist nicht nur in Duisburg der Fall; Albrecht ist es um keine Spur besser ergangen.

    (Zuruf des Abg. Seiters [CDU/CSU])