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ID1105004900

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 11/50 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 50. Sitzung Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1987 Inhalt: Eintritt des Abg. Dr. Mahlo in den Deutschen Bundestag 3545 C Erweiterung der Tagesordnung 3545 C Begrüßung einer Delegation aus der Volksrepublik Angola 3572 C Zusatztagesordnungspunkt 10: Aktuelle Stunde betr. Einhaltung des Beschlusses des Deutschen Bundestages für den Betrieb des Kraftwerks Buschhaus Reuter SPD 3531 B Dr. Laufs CDU/CSU 3532 C Brauer GRÜNE 3533C, 3539 B Baum FDP 3534 C Dr. Remmers, Minister des Landes Nieder- sachsen 3535 D Seidenthal SPD 3537 B Schmidbauer CDU/CSU 3538 B Harries CDU/CSU 3540 A Stahl (Kempen) SPD 3540 D Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . . 3541D Schäfer (Offenburg) SPD 3543 B Lattmann CDU/CSU 3544 B Tagesordnungspunkt 21: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Lage der deutschen Stahlindustrie zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Krise in der Eisen- und Stahlindustrie zu dem Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN: Sicherung der Stahlstandorte und der Arbeitsplätze in der Stahlindustrie und in den Stahlregionen (Drucksachen 11/402, 11/123, 11/398, 11/1305) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 11: Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Sicherung der Stahlstandorte und der Stahl-Arbeitsplätze: Umbau der Stahlindustrie und der Stahlregionen (Drucksache 11/1477) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 13: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Krise in der Eisen- und Stahlindustrie (Drucksache 11/1504) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkte: Antrag der Abgeordneten Frau Hillerich und der Fraktion DIE GRÜNEN: Sicherung des Stahlstandortes Duisburg-Rheinhausen (Drucksache 11/1522) Antrag der Fraktion der SPD: Solidarität mit den Beschäftigten in Duisburg-Rheinhausen (Drucksache 11/1524) Roth SPD 3546 A Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi . 3548 C Frau Hillerich GRÜNE 3552D, 3569 D II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 50. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1987 Dr. Blüm, Bundesminister BMA 3554 A Einert, Minister des Landes Nordrhein-Westfalen 3554 D Dr. Graf Lambsdorff FDP 3558 A Stratmann GRÜNE 3560C, 3569 C Dr. Vondran CDU/CSU 3562 B Schreiner SPD 3564 B Müller (Wadern) CDU/CSU 3566 A Kraus CDU/CSU 3567 C Dr. Lammert CDU/CSU 3569 A Tagesordnungspunkt 23: Aussprache zu Afghanistan in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 12: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP und der Fraktion DIE GRÜNEN: 8 Jahre Krieg in Afghanistan (Drucksache 11/1500) Dr. Todenhöfer CDU/CSU 3570 B Bindig SPD 3571A Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 3572 D Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE 3574 B Schäfer, Staatsminister AA 3575 C Dr. Holtz SPD 3577 A Nächste Sitzung 3578 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 3579* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 3579* D Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 50. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1987 3531 50. Sitzung Bonn, den 11. Dezember 1987 Beginn: 8.31 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 11. 12. Dr. Ahrens * 11. 12. Andres 11. 12. Antretter 11. 12. Bahr 11, 12. Frau Becker-Inglau 11. 12. Frau Beck-Oberdorf 11. 12. Bernrath 11. 12. Bindig 11. 12. Frau Blunck * 11. 12. Böhm (Melsungen) * 11. 12. Frau Brahmst-Rock 11. 12. Dr. Briefs 11. 12. Büchner (Speyer) * 11. 12. Dr. von Bülow 11. 12. Catenhusen 11. 12. Doss 11. 12. Ebermann 11. 12. Frau Fischer * 11. 12. Dr. Friedrich 11. 12. Frau Ganseforth 11. 12. Dr. Geißler 11. 12. Glos 11. 12. Dr. Glotz 11. 12. Grünbeck 11. 12. Dr. Grünewald 11. 12. Haack (Extertal) 11. 12. Dr. Hauchler 11. 12. Dr. Haussmann 11. 12. Frau Dr. Hellwig 11. 12. Frau Hoffmann (Soltau) 11. 12. Frau Hürland-Büning 11. 12. Kalb 11. 12. Kastning 11. 12. Frau Kelly 11. 12. Kiechle 11. 12. Kittelmann * 11. 12. Kolb 11. 12. Koschnick 11. 12. Kreuzeder 11. 12. Lemmrich * 11. 12. Lowack 11. 12. Frau Luuk * 11. 12. Dr. Mahlo 11. 12. Marschewski 11. 12. Frau Matthäus-Maier 11. 12. Dr. Mechtersheimer 11. 12. Dr. Mertens (Bottrop) 11. 12. Dr. Möller 11. 12. Dr. Müller * 11. 12. Dr. Neuling 11. 12. Frau Oesterle-Schwerin 11. 12. Oswald 11. 12. Petersen 11. 12. Rappe (Hildesheim) 11. 12. Rauen 11. 12. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarats Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Reuschenbach 11. 12. Roth 11. 12. Scharrenbroich 11. 12. Frau Schmidt (Nürnberg) 11. 12. von Schmude 11. 12. Schröer (Mülheim) 11. 12. Schütz 11. 12. Schulze (Berlin) 11. 12. Frau Seuster 11. 12. Dr. Spöri 11. 12. Dr, Struck 11. 12. Tietjen 11. 12. Tillmann 11. 12. Frau Dr. Timm * 11. 12. Frau Trenz 11. 12. Uldall 11. 12. Vahlberg 11. 12. Frau Vennegerts 11. 12. Dr. Warnke 11. 12. Wieczorek (Duisburg) 11. 12. Frau Wieczorek-Zeul 11. 12. Wissmann 11. 12. Würtz 11. 12. Dr. Zimmermann 11. 12. Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Die Fraktion DIE GRÜNEN hat mitgeteilt, daß sie ihren Gesetzentwurf - Änderung strafrechtlicher und strafprozessualer Regelungen bei Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen - Drucksache 11/1040 - und ihren Antrag - Nahrungsmittelhilfe an Äthiopien - Drucksache 11/1155 - zurückgezogen hat. Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu nachstehenden Vorlagen absieht: Drucksache 11/138 Nr. 1.3, 1.7 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß sie die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen haben: Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 11/1107 Nr. 2.2, 2.3, 2.4, 2.5, 2.6, 2.7 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/138 lfd. Nr. 3.52 bis 3.131 Drucksache 11/779 lfd. Nr. 2.24 bis 2.51 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 11/253 Nr. 2.27 Drucksache 11/439 Nr. 2.9 Drucksache 11/561 Nr. 2.14, 2.15 Drucksache 11/779 Nr. 2.52 Drucksache 11/883 Nr. 103 Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/883 Nr. 112 Ausschuß für Forschung und Technologie Drucksache 11/138 Nr. 3.157
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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Der Kollege Bangemann hat gestern morgen in einem WDR-Interview gesagt, daß die rechtliche Position gegenüber der Kommission nicht besonders stark wäre. Das mag wohl sein. Aber ich frage zurück: Wie ist von rechtlichen Positionen abgesehen unsere politische Position? Herr Bangemann hat gestern morgen in dem gleichen Rundfunkinterview, als er gefragt wurde, wie er denn seine Rolle bei dem notwendigen Kapazitätsabbau sehen würde, glatt geantwortet, das sei nicht Sache der Bundesregierung, dazu seien die Unternehmen aufgerufen. Ich habe fünf Minuten später ein Interview mit dem Vertreter der Wirtschaftsvereinigung Eisen und Stahl gehört, in dem er eine andere Position eingenommen hat, in dem er nämlich expressis verbis gesagt hat: Nach den Beschlüssen von Brüssel muß die Politik jetzt Verantwortung übernehmen.
    Ich bin einmal gespannt, zu welcher Entscheidung Sie sich durchringen werden, damit wir das, was wir brauchen, nämlich beides gemeinsam, soziale Abfederung und weitere Bewältigung des Strukturwandels, auch wirklich erreichen können. Ich fordere Sie nachdrücklich auf: Kommen Sie Ihrer Verantwortung auch in diesem Bereich nach, wie Sie Ihrer Verantwortung in anderen Fällen und in anderen Bundesländern nachgekommen sind!

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Otto Graf Lambsdorff.
3558 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 50. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1987

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    Rede von Dr. Graf Otto Lambsdorff


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! „Dies ist die Stunde der Heuchler" .

    (Stratmann [GRÜNE]: Dann müssen Sie doch nicht auch noch reden! — Weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

    So schrieb das „Handelsblatt" am vergangenen Montag in seinem Kommentar über die Vorgänge in Duisburg-Rheinhausen. In der Tat, meine Damen und Herren, ohne daß irgendeiner der auftretenden Redner irgendeine Legitimation und irgendeine Verantwortung hätte, hagelt es Zusicherungen an die Stahlarbeiter in Rheinhausen: „Wir verhindern die Schließung." Keiner, der so redet, bringt Aufträge mit, keiner deckt entstehende Verluste. Es geht um Stimmenfang, um Stimmungsmache, nicht zuletzt gegen die Bundesregierung.

    (Zuruf von der SPD: Keiner von Ihnen war da!)

    Die Sorge und Not der betroffenen Stahlarbeiter wird als Vehikel dafür gnadenlos mißbraucht.

    (Beckmann [FDP]: Sehr wahr!)

    Keiner denkt an die zwangsläufig eintretende weitere Verbitterung, an die Enttäuschung all derer, denen da Lösungen vorgegaukelt werden, die nicht erreichbar sind.
    Herr Einert, wenn Sie sagen, Politiker und Gewerkschaftsfunktionäre sollten die Wahrheit sagen, frage ich Sie: Warum sagen Sie und Ihre Kollegen den Stahlarbeitern in Rheinhausen nicht die Wahrheit? Ist es wahr, daß alle drei Stahlwerke in Duisburg nur zu 50 % ausgelastet sind? Ist es wahr, daß dieser Zustand, wenn er nicht geändert wird, alle drei Stahlwerke in die Pleite treiben muß? Ist es wahr, daß das Treibenlassen die Arbeitsplätze auch in Huckingen und in Ruhrort beseitigen wird? Ist es wahr, daß am Stahlstandort Duisburg auch nach Schließung der Hütte Rheinhausen keine Tonne Stahl weniger produziert wird als vorher? Ist es wahr, daß keine Regierung einen Stahlstandort garantieren kann, erst recht nicht in einem Ortsteil?
    Wenn aber das alles wahr ist, warum sagen diejenigen, die öffentliche Verantwortung tragen, dies nicht den betroffenen Stahlarbeitern?

    (Reimann [SPD]: Ist es wahr, daß es eine Vereinbarung gibt?)

    Da fährt Frau Fuchs, die Bundesgeschäftsführerin der SPD, nach Rheinhausen und wiederholt die hier schon diskutierte Unwahrheit, unter der Regierung Helmut Schmidt sei niemals ein ganzes Stahlwerk geschlossen worden. Die Wahrheit ist, daß Ende 1978 Neunkirchen an der Saar mit rund 5 000 Arbeitsplätzen gänzlich geschlossen wurde.

    (Vorsitz : Präsident Dr. Jenninger)

    Herr Einert, da preist Ihr Kollege, der Wirtschaftsminister Jochimsen, eine nationale Stahl-AG als Patentrezept an. Herr Steinkühler fordert die Vergesellschaftung. Das alles hatten wir schon 1980. Damals hat die Bundesregierung Helmut Schmidt richtig erkannt und erklärt, ein solcher Vorschlag stelle keine Lösung dar, Sozialisierung bringe keine Auftragstonne Stahl mehr.
    Meine Damen und Herren von der SPD, es wäre leicht, Ihnen an Hand der damaligen Vorgänge nachzuweisen, wie sich Ihre Sachpositionen mit dem Wechsel in die Opposition inhaltlich verändert haben. Was Sie 1980 für richtig und notwendig hielten, halten Sie heute für falsch.

    (Dr. Lammert [CDU/CSU]: Nein, das halten die nicht für falsch! Die tun nur so, als hielten sie es für falsch!)

    Meine Damen und Herren, das alles führt doch zu gar nichts. Sie wissen wie wir, daß die fortschreitende internationale Arbeitsteilung neue Stahlproduzenten in der Dritten Welt geschaffen hat. Die produzieren nicht selten auf Anlagen, die in Duisburg hergestellt worden sind. Auch das wissen Sie. Diese Produzenten exportieren nicht hierher — oder jedenfalls nicht sehr viel — , aber als Käufer für deutschen Stahl fallen sie aus, und zunehmend konkurrieren sie mit uns auf Drittmärkten. Das alles ist doch wahr!

    (Roth [SPD]: Sagen Sie doch etwas zur Montanregion-Initiative!)

    Verbunden mit einem weltweit rückläufigen Verbrauch von Stahl,

    (Roth [SPD]: Sagen Sie doch etwas zu den Ersatzarbeitsplätzen!)

    hat diese Entwicklung dazu geführt, daß wir weltweit und eben auch in der EG viel zu hohe Kapazitäten haben. Der Zwang zum Abbau besteht seit vielen Jahren, und ebenso lange wissen wir, daß Arbeitsplätze verlorengehen.

    (Roth [SPD]: Was ist Ihre Zukunftsinitiative?)

    — Warten Sie nur ab, Herr Roth, das kommt schon noch.
    Deshalb wurde 1980 mit Ihrer und unserer Zustimmung die manifeste Krise ausgerufen, das Quotensystem eingeführt und der Subventionskodex verabschiedet. Es ist ja richtig, daß wir die Seuche der europäischen Stahlsubventionen nicht haben erfolgreich bekämpfen können, zu unserer gemeinsamen Zeit mit der SPD nicht und zu unserer gemeinsamen Zeit mit der CDU/CSU leider auch nicht.
    Aber es grenzt doch an Verleumdung, wenn der nordrhein-westfälische Ministerpräsident hier in der Aktuellen Stunde des Bundestages den Zustand damit zu erklären versuchte, daß wir uns in der Europäischen Gemeinschaft angeblich um die Großbauern und nicht um den Stahl kümmerten. Die Wahrheit ist doch — Herr Rau und Herr Einert, Sie wissen das ganz genau — : Wir haben selber subventioniert, und zwar die Maxhütte und ARBED-Saar-Stahl. Wer im Glashaus sitzt, der kann auf andere wenig erfolgreich mit Steinen werfen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Roth [SPD]: Vorsteuerpauschale!)

    Der Bundeswirtschaftsminister, meine Damen und Herren, hat sein Bestes versucht; er hat das dargestellt. Die objektiven Schwierigkeiten, zu einstimmigen Entscheidungen im Ministerrat zu kommen, können Sie doch nicht durch einen Mehrheitsbeschluß des Deutschen Bundestages beseitigen, erst recht
    Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 50. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1987 3559
    Dr. Graf Lambsdorff
    nicht durch einen Mehrheitsbeschluß der SPD-Fraktion.

    (Beckmann [FDP]: Das erst recht nicht!)

    Meine Damen und Herren, wie kann aber den Betroffenen, den Stahlarbeitern, die jetzt ihre Arbeitsplätze verlieren, geholfen werden? Dies ist doch die Frage.

    (Zuruf von der SPD: Jetzt bin ich mal gespannt!)

    Jeder von uns weiß, daß mit den Mitteln des Bundes, des Landes, der Unternehmen und der EG etwa 85 % des Nettogehalts für diejenigen gesichert sind, die aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden müssen. Erlauben Sie mir die Bemerkung, meine Damen und Herren, daß viele andere Branchen neidvoll auf die Begünstigten in dieser Zwei-Klassen-Gesellschaft von Arbeitnehmern sehen. Nur bei Kohle und Stahl gibt es derart hervorragende Bedingungen. Manch anderer Arbeitnehmer, der seinen Arbeitsplatz, beim Bau oder in der Textilindustrie verliert, kann von solchen Möglichkeiten überhaupt nur träumen.
    Die Sozialpläne haben ja auch ihre negativen Folgen. Wie könnte es sonst zum zitierten Ausspruch eines Stahlarbeiters aus der Hütte Rheinhausen kommen : „Ich gehe nicht über den Rhein?" Das heißt, daß er nicht bereit ist, den Weg nach Ruhrort zu machen und einen Ersatzarbeitsplatz bei Thyssen anzutreten. Und das bei wenigen Kilometern Luftlinie. Wie könnte es sonst möglich sein, daß es einem mittelständischen Unternehmen verboten wurde, am Schwarzen Brett der Maxhütte Stellenausschreibungen aufzuhängen? Stimmt es, daß die IG Metall ihren Mitgliedern rät, lieber den Sozialplan als einen neuen Arbeitsplatz anzunehmen?
    Der Bundesarbeitsminister hat hier mitgeteilt — er hat es vorher ja auch schon öffentlich getan — : Bayer bietet 500 Arbeitsplätze in Krefeld-Uerdingen an.

    (Zuruf von der SPD: Das stimmt nicht!) Entfernung Rheinhausen—Uerdingen: 8 km.


    (Roth [SPD]: Das stimmt nur nicht! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Ich bin gespannt, wie viele der am Ende entlassenen Stahlarbeiter in Rheinhausen den Sozialplan vorziehen und wie viele in Uerdingen anfangen.

    (Abg. Dr. Schmude [FDP] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Herr Schmude, tut mir leid. Ihnen erlaube ich gerne jederzeit eine Zwischenfrage. Aber bei dieser zeitlichen Beschränkung der Redezeit, die ich bei diesem Problem für völlig unangemessen halte, kann ich Ihre Zwischenfrage nicht beantworten.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Noch wichtiger, meine Damen und Herren, als die soziale Absicherung ist doch die Frage nach den Ersatzarbeitsplätzen. Sie kennen die jüdische Lebensweisheit: Mit etwas Geld weint es sich leichter. Aber geweint wird eben doch. Es geht nicht nur um das Geld. Für die meisten unserer Mitbürger ist Arbeit Selbstbestätigung, gehört sie doch zur Sinnerfüllung des Lebens.
    Immer wieder erschallt der Ruf, die betroffenen Stahlunternehmen seien verpflichtet, Ersatzarbeitsplätze zur Verfügung zu stellen. In welcher Wirtschaftsordnung steht eigentlich geschrieben, daß jemand Arbeitsplätze zur Verfügung stellen muß, auch wenn sie sich für ihn wirtschaftlich nicht rechnen? Investitionen auch für Arbeitsplätze bleiben immer ein unternehmerischer Entschluß und bleiben immer das Eingehen eines Risikos. Eine Gesetzespflicht dafür gibt es nicht. Es gibt ja auch keine Haftung des Gesetzgebers für fehlgegangene Investitionen. Die kann es doch auch nicht geben.

    (Menzel [SPD]: Das heißt heuern und feuern!)

    Hier, Herr Einert, ist nun ein Problem, das Ihre Landesregierung angeht. Wir wissen seit langem, daß das gesamtwirtschaftliche Klima für die Auswahl von Investitionsstandorten von großer Bedeutung ist. Sehen Sie sich einmal unter diesem Aspekt an, was in diesen Tagen in Rheinhausen passiert. Das verdirbt auf lange Zeit hin den Industriestandort Duisburg-Rheinhausen, obwohl er doch aus vielen wirtschaftlichen Gründen positiv zu sehen ist. Die Rheinschiene bleibt ein guter Stahlstandort.

    (Roth [SPD]: Wer ist denn daran schuld? Wer hat denn diese rüde Methode gewählt? Wer hat denn provoziert? — Weitere Zurufe von der SPD)

    Es mag sehr erheiternd sein, Herr Roth, Fernsehaufnahmen und Zeitungsbilder von Arbeitnehmern zu sehen, die Aufsichtsratsbüros gestürmt haben. Aber ein Anreiz für künftige Investoren, in diese Gegend zu gehen, ist es eben nicht.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Roth [SPD]: Wer hat denn provoziert?)

    Es mag, meine Damen und Herren, sehr verständlich sein, wenn Brücken und Städte lahmgelegt werden; Verständnis kann man für vieles haben. Aber Investoren zieht man damit nicht an, schon gar nicht, Herr Einert, wenn sie im Rundfunk hören müssen, daß ein Reporter auf seine Anfrage bei der Polizei die Mitteilung bekommt, man habe von oben den Wink erhalten, das Sperren der Brücken nicht zu behindern. Wenn auf Demonstrationen Plakate mit der Aufschrift gezeigt werden: „Wenn Rheinhausen stirbt, dann stirbt auch Dr. Cromme", also der Vorstandsvorsitzende der Krupp-Stahl-AG, dann können Sie sich an den Knöpfen Ihres Anzuges abzählen, wie Investitionsentscheidungen für diese Landschaft ausfallen werden.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, was soll man dazu sagen, wenn ein Moderator des Westdeutschen Rundfunks allen Ernstes vorschlug, die Gemäldesammlung Thyssen/Bornemisza zu versteigern und den Erlös den Stahlarbeitern zur Verfügung zu stellen. Allerdings, Herr Einert, muß der nordrhein-westfälische Ministerpräsident ein ziemlich abgebrühtes Gemüt haben, wenn er ausgerechnet in diesen Tagen millionenschwere Angebote zur Übernahme der Sammlung Thyssen in das Land Nordrhein-Westfalen publiziert.
    3560 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 50. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1987
    Dr. Graf Lambsdorff
    Und alles dies mit der klammheimlichen Freude der Landesregierung. Diese Landesregierung schürt zur gleichen Zeit einen neuen ideologischen Schulstreit, und sie bringt es fertig, die private Hochschule aus Hagen-Herdecke nach Baden-Württemberg zu vertreiben.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, deren Leiter, Herr Schily — ich zitiere ihn gerne — hat den Unterschied klargemacht: Ihm sei in Baden-Württemberg ein Klima der Offenheit und Kreativität geboten worden, das es so in Düsseldorf nicht gebe. — Das eben ist es, woran der Investitionsstandort NRW leidet.
    Fazit: Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen wird mit ihrer Politik den Arbeitnehmern in Duisburg in puncto Ersatzarbeitsplätze nichts, aber auch gar nichts bieten können. Ihnen fällt nichts ein, als mehr Geld vom Bund zu fordern.

    (Reimann [SPD]: Was fällt euch denn ein?)

    Für die Stahlarbeiter in Duisburg gibt es von der Landesregierung kein Geld — so Herr Posser —, aber für den Ankauf der maroden Neuen Heimat haben Sie Geld, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Die Freien Demokraten sind für die Unterstützung der betroffenen Region, aber nicht für die Unterstützung Ihrer verfehlten Politik. Sie verjagen investitionsbereite Unternehmen aus dem Lande.
    Ein letzter Gesichtspunkt; ich muß das ganz kurz machen. Die Tarifvertragsparteien müssen sich endlich mit der Tatsache beschäftigen, daß in Oberhausen mit 20 % Arbeitslosigkeit ein mittlerer Beschäftigter der Metallindustrie im Monat effektiv mehrere hundert Mark mehr verdient als in Augsburg oder in Nürnberg. Wer, glauben Sie, geht an diesen Investitionsstandort mit diesen Personalkosten? Wir werden uns mit der Frage Investitionsstandort Bundesrepublik in Kürze sorgfältig und generell zu befassen haben. Aber es gibt auch innerhalb der Bundesrepublik gravierende Unterschiede mit schwerwiegenden Folgen für das Investitionsverhalten.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Die FDP, meine Damen und Herren, wird alles unterstützen, was den Betroffenen und ihren Familien hilft. Aber wir verlangen eine ehrliche, auch wenn sie bitter ist — und sie ist bitter —, und an den Tatsachen orientierte Analyse. Ohne sie kann es eine erfolgversprechende Therapie überhaupt nicht geben. Mit leeren Versprechungen, für die keiner von Ihnen gegenüber den Stahlarbeitern geradesteht und auch gar nicht geradestehen kann, weil Sie dazu nichts zu sagen haben und nichts bewegen können, ist es nicht getan.

    (Reimann [SPD]: Der Stillegungsbeschluß muß weg!)

    — „Der Stillegungsbeschluß muß weg!" Wer schafft den Stillegungsbeschluß weg?

    (Reimann [SPD]: Die haben gegen Vereinbarungen verstoßen!)

    Sie schaffen ihn nicht weg, und kein anderer schafft ihn weg. Sie erwecken Hoffnungen und Erwartungen, die Sie nicht erfüllen können, produzieren neue Enttäuschungen, verbittern die Leute weiter, anstatt ihnen eine zukunftsorientierte Politik anzubieten. Dazu sind Sie nicht fähig.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)