Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte alle Mitglieder des Hohen Hauses um Verständnis bitten, wenn der Kollege Bangemann und ich um 11 Uhr zur Kohlerunde gehen müssen, einer für Nordrhein-Westfalen wie für die Saar gleich wichtigen Veranstaltung, wie Sie sicher verstehen werden.
Ich denke, es sind ja auch genügend Worte gewechselt worden. Eine Wortarmut bezüglich der Lösung der Probleme ist nicht zu beklagen.
— Es kehre jeder vor seiner Tür. Worte sind genug gewechselt worden. Die Bundesregierung hat mit Taten geholfen.
Wir haben die Stahlindustrie mit 2,6 Milliarden DM unterstützt.
Wissen Sie, wenn Sie den Zwischenruf nicht gemacht hätten, käme ich gar nicht auf diese Art der Darstellung. Aber Tausende, Zehntausende von Stahlkochern an Rhein und Ruhr wissen, daß wir, die Bundesregierung, mit Kurzarbeiterregelungen und mit Montanunionshilfen sie vor der Entlassung bewahrt haben.
Ich finde, es bringt jetzt nichts, ständig darüber zu streiten, wer was macht. Laßt uns Zusammenarbeit organisieren! Diese gelingt allerdings nicht, indem die eine Seite Vorwürfe erhebt und dann die andere Seite um des lieben Friedens willen nickt. So geht es nicht. Laßt uns die Anstrengung machen, gemeinsame Lösungen zu finden!
Ich sage noch einmal: Die deutschen Stahlarbeiter brauchen eine faire Wettbewerbschance in Europa — das ist anders als die Lage im Kohlebergbau gestern; da ging es um unsere Energiesicherheit. Für faire Wettbewerbschancen kämpft die Bundesregierung. Der Kampf wird schwerer, wenn wir selber Vorwände liefern, unsere Subventionskritik in Brüssel um ihren Wert zu bringen. Wir müssen also selber eine saubere Weste haben.
Die Quotenregelung ist der Versuch einer geordneten Überführung in eine geordnete Marktwirtschaft. Wir brauchen Strukturwandel auch an Rhein und Ruhr. Zu produzieren, ohne daß Absatz dafür vorhanden ist, ist nicht nur sinnlose Arbeit, es macht ein Volk auch arm. In Planwirtschaften passiert es schon einmal, daß ohne Bedarf produziert wird; wir wollen für Bedarf produzieren. Deshalb brauchen wir einen Strukturwandel.
Die Bedingung — jedenfalls in einer Sozialen Marktwirtschaft — ist allerdings, daß dort, wo Altes abgebaut wird, Neues geschaffen wird, daß dieser Prozeß in der sozialen Balance bleibt und daß geprüft werden muß, was erhaltenswert ist.
Deshalb bin ich dafür, daß die Rechnungen noch einmal mit Betriebsräten, mit Gewerkschaften und von Krupp Stahl überprüft werden, alle Alternativen noch einmal ohne Verkrampfungen durchgerechnet werden. Es kann durchaus sein, daß die betriebswirtschaftlich beste Lösung volkswirtschaftlich vielleicht
die zweitbeste ist. Insofern bitte ich auch in die Überlegungen einzubringen, was wir einer Region, die es
schwer hat, schuldig sind.
Es bleibt dabei, daß wir solche Fragen am besten durch Zusammenarbeit lösen können. Ich mahne noch einmal, jetzt nicht alle Sicherungen durchbrennen zu lassen. Unser Ziel bleibt, Massenentlassungen zu verhindern, mit allen Kräften. Deshalb: Erhaltung des Erhaltenswerten, neue Arbeitsplätze schaffen, auch Übernahme in andere Unternehmen. Ich halte es für einen Solidaritätsbeitrag, wenn Bayer Leverkusen und wenn Henkel Stahlarbeiter übernehmen. Das ist ein Solidaritätsbeitrag, den man auch von anderen erwarten sollte.
— Lieber Kollege, lassen Sie mich im Zusammenhang darstellen.
Dann: Sozialpläne. Ich bleibe dabei: Niemand sollte der Versuchung anheimfallen, die Frankfurter Vereinbarung in Frage zu stellen oder zu zerreden. Sie ist das einzig sichere Netz, das wir haben. Sie sollte deshalb nicht aus parteipolitischem Neid, weil die Bundesregierung geholfen hat, diese Frankfurter Vereinbarung zustande zu bringen, jetzt relativiert werden. Ganz im Gegenteil: Sie muß von allen Seiten akzeptiert werden. Darin steht nämlich: Massenentlassungen vermeiden, neue Arbeitsplätze schaffen. Alle sind in der Verantwortung. Wir, der Bund, bekennen uns dazu, und zwar nicht nur wortreich — wie Sie immer sagen — , nein, das kostet uns 300 Millionen DM. Dazu stehen wir.
Ich bleibe dabei, daß auch das Land nicht an dieser Verunsicherung teilnehmen sollte. Es hat keinen Zweck, einmal zu sagen, Sie würden Sozialpläne nicht unterstützen, dann wieder zu sagen, Sie würden sie unterstützen, und dann zu sagen: vielleicht. Wir brauchen jetzt Klarheit.
Mein Beitrag richtet sich darauf, die Frankfurter Vereinbarung mit allen Kräften zu halten. Das heißt, neue Arbeitsplätze zu schaffen und Massenentlassungen zu verhindern. Ich bleibe auch dabei: Man wird den Arbeitsplatz nicht vor der Haustür finden, aber in der Heimat sollte er schon sein. Nordrhein-Westfalen ist kein Auswanderungsland. Deshalb unterstütze ich alle Bestrebungen, daß die Arbeitnehmer ihre Arbeitsplätze in ihrer Heimat behalten.