Rede von
Imma
Hillerich
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich nehme an, daß auch heute Kollegen des Rheinhausener Betriebsrates hier sind; ich begrüße sie herzlich.
Gestern haben Stahl- und Bergwerksbelegschaften aus dem ganzen Ruhrgebiet, Bauern vom Niederrhein und die ganze Duisburger Bevölkerung ihre Empö-
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 50. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1987 3553
Frau Hillerich
rung und Existenzangst in solidarischem Widerstand gegen die Standort- und Arbeitsplatzvernichtung der Montanunternehmen zum Ausdruck gebracht. In zwei Anträgen wurde gestern dieses Haus zur Solidarität mit diesem Widerstand aufgefordert. Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, haben zwanghafte parteipolitische Kleinlichkeit an den Tag gelegt, als Sie unseren Antrag abgelehnt haben.
Aber, Herr Minister Bangemann, Worte, wie wir sie gestern gehört haben und vorhin wieder hören konnten, mit denen der Kampf der Stahl- und Bergwerksarbeiter um ihre Arbeitsplätze und die solidarischen Aktionen der Rheinhausener und der Duisburger und der gesamten Ruhrgebietsbevölkerung als emotionsgeladene Stimmungsmache diffamiert werden, die das Investitionsklima verderbe, sind Menschenverachtung.
Da kämpfen Menschen um ihre menschenwürdige Existenz, statt sich schicksalsergeben in profitorientierte Unternehmensentscheidungen zu fügen. Auch Kampf und Widerstand gehören zur Würde dieser Menschen.
Sie, Herr Bangemann, und in der vorigen Woche auch Graf Lambsdorff machen ihnen es zum Vorwurf und gehen so weit, den kämpfenden Arbeitern und der Bevölkerung die Verantwortung für ihre bedrohte Zukunft zuzuschieben. Da wird sehr deutlich, auf wessen Seite Sie stehen. Es ist das bekannte zynische Muster: Opfer werden zu Tätern gemacht, um von den tatsächlich Verantwortlichen abzulenken.
Die Bundesregierung appelliert an die Stahlarbeitgeber, sie mögen doch zur Frankfurter Vereinbarung stehen, die neben dem Verzicht auf Massenentlassungen und im übrigen neben der Vereinbarung zum Kapazitäts- und Arbeitsplatzabbau auch die Schaffung neuer Arbeitsplätze vorsieht.
In der vergangenen Woche hatte ich Gelegenheit, auf einer Sondersitzung des Duisburger Altestenrats den Vorstandsvorsitzenden der Krupp Stahl AG, Dr. Cromme, nach der Einlösung seines Beitrags zum letztgenannten Teil der Frankfurter Erklärung zu fragen. Er erklärte sich schlicht und einfach für nicht zuständig, basta.
Brauchen Sie, Herr Minister Blüm, eigentlich noch mehr Beweise für die Folgenlosigkeit Ihrer Appelle und für die von den Stahlunternehmen explizit erklärte Verantwortungslosigkeit? Dies ist nicht erst seit dem „Schwarzen Donnerstag" vor 14 Tagen in Rheinhausen bekannt. Auch der IG Metall muß dies eigentlich schon vor der Frankfurter Vereinbarung bekannt gewesen sein.
Deswegen warnen wir GRÜNEN auch heute wieder davor, von Arbeitnehmerseite aus in die als „notwendige Strukturanpassungsmaßnahmen" salamitaktisch verbrämte Arbeitsplatzvernichtung durch Kapazitätsabbau einzuwilligen.
Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, können wir Ihrem Antrag zu Duisburg-Rheinhausen nicht zustimmen, sondern wir werden uns enthalten, weil wir dem in der Vereinbarung zwischen Gesamtbetriebsrat und Vorstand der Krupp Stahl AG ebenfalls enthaltenen Arbeitsplatzabbau nicht zustimmen können.
Bisher ist nicht gewährleistet, daß die Stahlunternehmen für die Schaffung neuer Arbeitsplätze von den Belegschaften und durch wirtschaftspolitische Maßnahmen wirklich in die Pflicht genommen werden können. Allerdings ist die derzeitige Wirtschaftspolitik in dieser Republik zu dieser offensichtlich notwendigen Inpflichtnahme der Konzerne auch nicht in der Lage. Am offensten hat diese Ohnmacht der Politik Herr Kollege Lammert in der vergangenen Woche in diesem Hause eingestanden, unter zustimmendem Beifall der Koalitionsfraktionen.
Ohnmächtig bleibt jede Wirtschaftspolitik, die der Investitionsfreiheit der Unternehmer freien Lauf läßt. Genau aus dieser bitteren Einsicht erwächst inzwischen immer lautstärker die Forderung nach Vergesellschaftung der Stahlindustrie.
Mit unserem stahlpolitischen Konzept zur Sicherung der Stahlstandorte und der Stahlarbeitsplätze, zum Umbau der Stahlindustrie und der Stahlregionen, das Ihnen als Antrag vorliegt, geben wir Schritte und Maßnahmen in dieser Richtung an. Einer der ersten Schritte ist die Einrichtung konzerninterner Beschäftigungsgesellschaften, die die soziale und ökologische Umstrukturierung der Stahlkonzerne vorantreiben und dadurch Arbeitsplätze sichern sollen.
Seit Monaten hat der Betriebsrat der Krupp Stahl AG in Rheinhausen an dieser Umstrukturierung gearbeitet. Zerstört wurde diese konstruktive Arbeit, die den dringend notwendigen sozialen und ökologischen Strukturwandel in Duisburg voranbringen sollte, durch die Stillegungsentscheidung des KruppStahl-Vorstands für das Stahlwerk in Rheinhausen.
Aus diesem Grunde möchte ich etwas in dem von mir eingebrachten Antrag korrigieren lassen. Ich zitiere kurz:
Der Deutsche Bundestag unterstützt die Maßnahmen zur Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen, wie sie in der Vereinbarung zwischen Gesamtbetriebsrat und Vorstand der Krupp Stahl AG festgelegt worden sind, und fordert den Vorstand der Krupp Stahl AG auf, seinen darin versprochenen Beitrag ohne Abstriche zu leisten.
Statt „erwartet" wird also formuliert „fordert auf".
Zerstört wurde die konstruktive Arbeit des Betriebsrats allerdings auch durch die fehlende politische Unterstützung von seiten der Wirtschaftspolitik dieser Bundesregierung. Die Ohnmacht der Belegschaften und der Politik gegenüber der profitorientierten Vernichtung von Stahlstandorten zu beenden, das ist notwendig, um den Umbau der Stahlindustrie sozial und ökologisch vertretbar zu gestalten, in Duisburg und an I allen anderen Stahlstandorten. Darauf zielen die Anträge, die von unserer Fraktion hier eingebracht werden.
3554 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 50. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1987
Frau Hillerich
Ich bitte Sie daher um Ihre Zustimmung.