Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Respekt vor diesem Hohen Hause sollte es uns gebieten, daß wir die Diskussion des Niedersächsischen Landtags hier nicht wiederholen. Wir sollten zunächst einmal nur festhalten — das hat die Anwesenheit meines Kollegen Remmers noch einmal unterstrichen —,
daß sich Herr Remmers aus dieser Verantwortung in gar keiner Weise herausstehlen will, sondern daß er Fehler, die passiert sind, als solche gekennzeichnet hat.
Ich meine, wenn wir der Politik einen Tort antun wollen, wird das hinterher immer als Beleg für eigene Schwäche genutzt. Ich meine allerdings: Derjenige, der politisch stark ist, kann auch sagen, daß er einen
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Bundesminister Dr. Töpfer
Fehler gemacht hat. Ich finde es sehr gut, daß Herr Remmers das getan hat.
Ich möchte in der Kürze dieser Aktuellen Stunde vier Punkte nennen, die für die Bundesregierung in diesem Zusammenhang von Bedeutung sind.
Erstens. Ich glaube, wir müssen alles tun, um zu vermeiden, daß aus diesem Ereignis heraus die Glaubwürdigkeit unserer Luftreinhaltepolitik in Frage gestellt wird. Das setzt voraus, daß mit aller Deutlichkeit und Klarheit aufgedeckt und nachvollzogen wird, was hier abgelaufen ist, und daß wir auch deutlich machen, daß die damit verbundene Zielsetzung, nämlich eine drastische Minderung der SO2Emissionen in diesem Raum, bis zur Stunde nicht verletzt worden ist; denn bis zur Stunde sind vom 1. Juli 1987 an 26 000 t SO2 emittiert worden;
35 000 t sind in dem Beschluß enthalten. Es wird dann, wie ich meine, eine wichtige Aufgabe sein, zu entscheiden, was zu tun ist, wenn diese 35 000 t etwa im März erreicht sind, unter Berücksichtigung der möglichen Rückführung in der Kapazität. Dabei ist hier allen bekannt, daß eine Untergrenze für die Kapazität durch die Wärmeversorgung des Werkes in Reinsdorf bestimmt wird.
Der zweite Punkt, der für uns bedeutsam ist: Es ist mit allem Nachdruck und mit allem Ernst darauf hinzuweisen, daß Umweltpolitik den Einsatz von High-Tech, von hoher Technologie, erforderlich macht.
— Herr Abgeordneter Stahl, ich weiß, daß Sie in dieser Richtung genauso mitdenken; ich habe mich über Ihre Rede durchaus gefreut. — Wir sollten über alle Parteigrenzen hinweg bei einer solchen Diskussion sehr viel mehr Bescheidenheit an den Tag legen. Wir sollten klarmachen, daß eine solche Großtechnologie in der Einführungsphase ihre Schwierigkeiten haben kann, ja, wahrscheinlich haben wird und daß wir von daher gesehen auch bis zu dieser Stunde — ich sage Ihnen das schon an dieser Stelle — in der Prognose über die Einsatzfähigkeit dieser Anlage in Buschhaus mit großer Vorsicht reden sollten — mit großer Vorsicht!
Denn wir wissen bis zur Stunde überhaupt noch nicht, wie diese Anlage reagiert, wenn wirklich Salzbraunkohle verfeuert wird.
Deswegen möchte ich an dieser Stelle noch einmal mit sehr, sehr großer Zurückhaltung sagen: Ich nehme mir nicht den Mund so voll, zu sagen, dann und dann läuft das; denn mit dem besten politischen Willen können wir keine technischen Probleme wegdiskutieren, sondern wir werden sie weiterhin untersuchen.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang eines ganz deutlich sagen: Wir sollten nicht mit dem Hinweis auf größere Probleme bei der Nutzung von Salzbraunkohle einige Kohlereviere gegeneinander ausspielen. Das ist für meine Begriffe der ganz falsche Weg.
Wenn wir der Überzeugung sind, daß wir diese Kohle nutzen sollen — ich komme darauf zurück; warten Sie ab, bevor Sie den Kopf schütteln; Sie werden ihn hinterher nicht mehr schütteln — , dann sind wir als ein Land mit hoher Technologie und viel Geld, das wir dafür einsetzen können, verpflichtet, eine solche verfahrensmäßig bekannte Anlage wie das WellmanLord-Verfahren an dieser Stelle wirklich zu nutzen und zu überprüfen, damit sie möglicherweise von anderen, die ebenfalls solche Braunkohle haben, hinterher genutzt werden kann.
Wir werden in wenigen Tagen eine Expertendelegation der DDR in Buschhaus haben, damit sie sich das Verfahren vor Ort ansehen können.
Denn die DDR hat Wellman-Lord-Verfahren gekauft und ist dabei, sie in Rummelsburg einzusetzen; sie arbeiten daran. Dann ist es gut und richtig, daß wir die DDR nach Buschhaus holen, um ihnen vor Ort vorzustellen, wie eine solche Anlage läuft, wo die Probleme sind, damit nicht andere noch einmal die Erfahrungen machen müssen, die wir bereits gemacht haben. Verantwortungsvolle Umweltpolitik besteht nicht darin, wegzutauchen, weil die Kohle problematisch ist, und zu sagen, dann machen wir das nicht, sondern sie besteht darin, mit bester, teurer Technik das durchzusetzen und zu zeigen, daß es geht, wie es geht und wie andere damit arbeiten können.
Ich glaube, wir haben ein Drittes aus diesem Vorgang zu lernen: Wir haben darauf aufmerksam zu machen, daß jede Maßnahme, die in diesem Hohen Hause beschlossen wird, immer in genauer Konsequenz im Vollzug mitbedacht werden muß. Ich bitte Sie ganz herzlich, sich daran zu erinnern, was wir an anderer Stelle im Zusammenhang mit Chemieunfällen gesagt haben: Es ist eine Sache, hier Verordnungen und Gesetze zu beschließen, eine zweite ist es, sie wirklich im Vollzug durchzubringen. Deswegen ist es sinnvoll und richtig, daß wir uns hier Gedanken darüber gemacht haben, ob wir externe Sachverständige in die Überprüfung mit einbinden wollen, ob wir nicht dazu kommen müssen, daß Verwaltungsvollzug auch von uns schon vorher mitbedacht wird und entsprechend erleichtert wird.
Ein Viertes ist natürlich festzuhalten, meine Damen und Herren: Es geht um erheblich viel Geld. Es geht um Geld, das aus Bundeskassen bewilligt worden ist. Ich will nur in Erinnerung rufen: Es sind insgesamt 140 Millionen DM für die Rauchgasentschwefelungsanlage bewilligt worden, 80 Millionen DM über das Bundesfinanzministerium und 60 Millionen DM über
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das Bundesumweltministerium auf dem Weg über das Umweltbundesamt. Ferner sind 120 Millionen DM mit zwei unterschiedlichen Begründungen für die Trokkenadditivmethode bewilligt worden. Es ist völlig klar und absolut notwendig, daß in Kenntnis der jetzt zuwachsenden Informationen überprüft wird, ob das, was in dem Vertrag angegeben ist, auch eingehalten worden ist oder nicht.
— Nein, sehen Sie, Herr Stahl, auch darüber sind wir uns doch wieder einig. Ich habe gesagt: Es ist zu überprüfen, ob diese Förderungsbedingung eingehalten worden ist oder nicht. Ich habe nirgends gesagt: Das Geld ist zurückzufordern. Ich habe vielmehr gesagt: Es ist dann zurückzufordern, wenn Förderungsbedingungen nicht eingehalten worden sind. Ich habe das gleiche bei Herrn Ministerpräsidenten Albrecht gelesen, und ich habe das gleiche gelesen bei meinem Kollegen Werner Remmers. Wir überprüfen das in der gebotenen Ernsthaftigkeit. Bundesfinanzministerium und Umweltbundesamt sind an die BKB herangetreten und haben um Aufklärung gebeten. Wir werden nach Kenntnis dieser Dinge darüber zu entscheiden haben.
Nur, meine Damen und Herren, eines sollte ganz klar sein: Nur deshalb, weil die Bundesregierung mit Mitteln in dieser gewaltigen Höhe dort gefördert hat, ist es möglich und wird es nach meiner Überzeugung möglich bleiben, auch den Menschen in diesem Raum Arbeitsplätze zu gewährleisten, ohne daß die Umwelt über Gebühr in Anspruch genommen wird.
Ich danke Ihnen sehr herzlich.