Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Fall Buschhaus ist von Anfang an ein umweltpolitischer Skandal gewesen. Er ist es auch heute, und er wird es noch in der nächsten Zeit sein,
ganz einfach deswegen, weil es die erklärte Absicht der niedersächsischen Landesregierung war, Buschhaus nur ohne Rauchgasentschwefelungsanlage betreiben zu wollen,
und das bei der schwefelreichsten Kohle, die es gibt. Die Begründung war ganz einfach: Die Kohle ist so schwefelreich; es wäre viel zu teuer, und außerdem gäbe es die Technik vielleicht noch nicht, also können wir das nicht verlangen. Man hat damit ganz bewußt schwerste Umweltschäden in Kauf genommen.
Erinnern wir uns einmal, was hier am 31. Juli 1984, als Sie alle aus den Ferien kommen mußten, passiert ist, weil die Bundesregierung einen nahezu einstimmigen Beschluß dieses Hauses einfach nicht umsetzen wollte
— und konnte, auch das! — und weil damit die Selbstachtung und das Ansehen von Ihnen allen mit auf dem Spiel standen.
3534 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 50. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1987
Brauer
Mit einem, wie wir heute wissen, unehrlichen Plan gelang es Finanzminister Stoltenberg und dem Ministerpräsidenten Niedersachsens, Ernst Albrecht, die CDU/CSU- und FDP-Mitglieder dieses Hauses so zu täuschen, daß sie glaubten, gerade die Inbetriebnahme von Buschhaus ohne Rauchgasentschwefelungsanlage wäre die Rettungsaktion für den Wald. Das gipfelte in der Aussage: Wer für den Wald ist, muß für Buschhaus sein. Dieser Plan war ein ganz bewußtes Täuschungsmanöver und hat zu schwersten Luftverseuchungen geführt. Wie sich jetzt zeigt, wurde noch nicht einmal dieser Plan eingehalten. Deswegen sind wir ja hier heute auch zusammengekommen.
Ich zähle Ihnen ganz kurz fünf dieser bewußten Täuschungen auf:
Erstens. Es wurde behauptet, der Schwefeldioxidausstoß würde sich sofort von 145 000 auf 120 000 t im Jahr verringern. Das war eindeutig falsch. Tatsächlich betrug damals der Schwefeldioxidausstoß 135 000 t — das ist erwiesen — , und zum anderen wurde er dann später von der niedersächsischen Landesregierung nur auf 125 000 t festgelegt. Schon in diesem Punkt gab es eine doppelte Täuschung.
Zweitens. Statt der Salzkohle sollte Normalbraunkohle verfeuert werden. Das Wort „normal" sollte suggerieren, daß es sich dabei um eine beherrschbare einfache Kohle handelte. Genau das ist falsch. Dort kommen 8 000 mg Schwefeldioxid pro Kubikmeter heraus. Das ist das Zwanzigfache des Grenzwertes. Die normale rheinische Braunkohle hat 1 500 bis 2 000 mg. Auch diese Kohle ist extrem schwefelreich.
Drittens. Für Buschhaus sollten vier alte Kessel in die Kaltreserve genommen werden. Es wurde wissentlich verschwiegen, daß sie ohnehin hätten stillgelegt werden müssen, weil nach der GroßfeuerungsAnlagenverordnung ihre Restnutzungsdauer schon längst abgelaufen war.
Viertens. Zwei weitere Kessel A und B sollten durch das Trockenadditivverfahren entschwefelt werden, wodurch 6 500 t reduziert werden sollten. Sie alle wissen, daß dieses Verfahren auch heute bei A und B überhaupt nicht funktioniert, daß im Durchschnitt 6 950 mg herauskommen, ja, daß im Mai sogar 10 000 herauskamen. Sie haben also dorthin Millionen Bundesmittel für eine Anlage gegeben, die überhaupt nicht funktioniert, die die Luft erheblich verpestet.
Fünftens. Die Entschwefelung sollte schon ein Jahr eher als gesetzlich vorgeschrieben in Betrieb genommen werden, nämlich zum 1. Juli 1987. In einer großen Feierstunde wurde sie von Ernst Albrecht mit einem Knopfdruck in Betrieb genommen. Ein Zeiger ging auf den Wert von 400 mg. Jetzt stellt sich heraus: Die Anlage funktionierte damals überhaupt nicht; sie funktioniert heute nicht; der Wert von 400 mg wird andauernd überschritten. Streckenweise war die Anlage total ausgeschaltet. 8 000 mg kommen heraus! Die beschlossenen 3 500 Jahrestonnen für das letzte Jahr sollen nach dem Willen von Ernst Albrecht weit überschritten werden; ja, er will sogar, daß praktisch erst mit dem vorgestrigen Tag mit dem Zählen begonnen wird.
Genau so, wie damals beim Sommertheater mit einem Plan getäuscht wurde, wurde auch bei der Inbetriebnahme wieder getäuscht. Die Glaubwürdigkeit und die Selbstachtung insbesondere der Mitglieder von CDU/CSU und FDP stehen damit auf dem Spiel. Es kann nicht ihr politischer Wille sein, daß hier mit über 300 Millionen DM die Nichteinhaltung eines Bundestagsbeschlusses und damit eine Luftvergiftung über die gesetzlich vorgeschriebenen Werte hinaus finanziert werden. Es kann nicht ihr politischer Wille gewesen sein, 300 Millionen DM einfach für eine gesetzliche Pflichtaufgabe an einen Betrieb zu geben, der dann noch nicht einmal die Werte einhält.