Rede von
Bernd
Reuter
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin gerne bereit anzufangen.
Ich darf feststellen: Wer den Umweltschutz ernst nimmt, muß sich hier anscheinend nicht um Detailfragen kümmern.
Meine Damen und Herren, es ist rund dreieinhalb Jahre her, daß sich der Deutsche Bundestag mit den Problemen des Kohlekraftwerks Buschhaus befassen mußte. Eine fast einstimmige Entschließung aller vier Fraktionen dieses Hauses vom 28. Juni 1984 wurde in einer Sondersitzung am 31. Juli 1984 wieder von der üblichen Koalitionsmehrheit aus CDU/CSU und FDP kassiert und durch eine eigene kabinettstreue Entschließung ersetzt, weil das Bundeskabinett nicht bereit war, diese gemeinsame Entschließung des Deutschen Bundestages zur Grundlage seines Handelns zu machen. Die vollmundigen Erklärungen der Experten Stoltenberg, Albrecht und Dregger in dieser Sondersitzung sind mir noch gut in Erinnerung. Nach Aussagen vom Ministerpräsident Albrecht werde Buschhaus nur nach Einbau der modernsten Rauchgasentschwefelungsanlage in Betrieb genommen. Dabei werde der Grenzwert von 400 Milligramm S02 je Kubikmeter Abgas in jedem Falle eingehalten.
Ich frage mich bei diesem Skandal: Was kann man eigentlich noch auf das Wort eines CDU-Ministerpräsidenten geben? Was sind denn Beschlüsse dieses Parlaments eigentlich noch wert, wenn sie wie hier in der Affäre Buschhaus einfach ignoriert werden, meine Damen und Herren?
Der gleiche Umweltminister Remmers, der vor wenigen Tagen von einem möglichen umweltpolitischen Skandal gesprochen hat, nannte diese Anlage bei der sogenannten Einweihung — oder was damals am 25. Juni 1987 stattfand — ein Symbol erfolgreicher Umweltpolitik. Heute, meine Damen und Herren, stehen wir in Buschhaus vor dem Symbol einer verfehlten Umweltpolitik. Die Verantwortung hierfür tragen die Herren Albrecht und Remmers.
Ich frage den hier anwesenden Umweltminister von Niedersachsen: Was für eine Phantomanlage hat denn Ihr Ministerpräsident am 25. Juni 1987 durch einen Knopfdruck an- oder auch nicht angeschaltet?
3532 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 50. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1987
Reuter
Hier rächt sich augenfällig die Sucht von Politikern, durch medienwirksame Schaueffekte der Öffentlichkeit etwas vorzugaukeln.
— Ihr Lachen beweist, meine Damen und Herren, daß Sie auch in dieser Richtung so denken.
Im privaten Bereich nennt man das, meine Damen und Herren, ein Täuschungsmanöver. Ich sage Ihnen: Wir brauchen in dieser Republik kein Vermummungsverbot, wir brauchen bei dieser Affäre ein Verdummungsverbot.
Ich frage den hier anwesenden Herrn Remmers: Wer hat denn nun eigentlich recht, Sie mit Ihrer Aussage, die Anlage sei seit Juni 1987 in Betrieb, oder der Ministerpräsident, der der staunenden Öffentlichkeit erklärte, die Anlage sei eigentlich noch gar nicht so recht in Betrieb? Auch soll es laut Herrn Albrecht innerhalb der Regierung unterschiedliche Auffassungen geben. Ich bin also wirklich gespannt, wie sich das auflöst.
Bei dieser Landesregierung weiß die Linke nicht, was die Rechte tut.
— Nein, da gibt es keine Linken. Da macht jeder, was er will, keiner was er soll, und alle machen mit. Das ist nämlich die Handlungsweise dieser Regierung.
Meine Damen und Herren, nun droht der Herr Remmers auch noch seinen Beamten Konsequenzen an, und der BKB sollen jetzt Rückzahlungsforderungen ins Haus stehen. Aber die einzig richtige Konsequenz, daß Herr Remmers und Herr Albrecht ihren Hut nehmen, wird nicht gezogen.
Auch der Bundesumweltminister Töpfer hat hier über Rückzahlungsforderungen nachgedacht. Es geht hier um die umweltpolitische Glaubwürdigkeit, und ich wollte gern einmal von Herrn Umweltminister Töpfer hören, wie er das eigentlich bewerkstelligen will,
ob er die Stillegung von Buschhaus will, ob er hier Arm in Arm mit den GRÜNEN die Stillegung fordert oder ob er bereit ist zu helfen. Das ist doch die zentrale Frage, die sich hier stellt. Es ist beschämend, daß eine solche Sache wiederum mit der Angst von über 3 000 Arbeitnehmern ausgetragen wird und man diesen Skandal zuläßt.
Meine Damen und Herren, was heute gefordert ist, was wir Sozialdemokraten seit geraumer Zeit fordern,
ist Arbeit und Umweltschutz und nicht: Arbeit anstatt Umweltschutz.