Rede von
Albert
Pfuhl
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, ich habe alle Redner ertragen; haben Sie Verständnis und ertragen Sie mich noch fünf Minuten.
Ich glaube, es ist notwendig, hier etwas zur Problematik des Mittelstandes zu sagen, denn die leichte Erhöhung des Mittelansatzes für kleine und mittlere Unternehmen im ERP-Wirtschaftsplan 1988, die wir ausdrücklich begrüßen, kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß diese Bundesregierung, die sich ja gerne als Gralshüter mittelständischer Interessen ausgibt, einen beispiellosen Kahlschlag in der Mittelstandsförderung durchgesetzt hat.
Nach ihrer eigenen Finanzplanung wird die Bundesregierung die Finanzmittel zur Förderung kleinerer und mittlerer Unternehmen von 1987 bis 1991 um über 55 % reduzieren. In diesem Zeitraum sollen die Finanzmittel von knapp 1,1 Milliarde DM auf 485 Millionen DM schrumpfen. Betroffen ist hier vor allem das Personalkostenzuschußprogramm, mit dem bisher rund 400 Millionen DM jährlich für Personalausgaben im Forschungs- und Entwicklungsbereich von kleinen und mittleren Unternehmen bereitgestellt wurden. Dieses Programm soll zum Ende dieses Jahres auslaufen. Ferner soll das Eigenkapitalhilfeprogramm zur Förderung von Existenzgründungen, welches etwa 110 Millionen DM jährlich beinhaltete, 1988 eingestellt werden.
Meine Damen und Herren, diese Förderprogramme, die von sozialdemokratisch geführten Regierungen eingeführt worden sind und die diese Bundesregierung jetzt abschaffen will, haben in der Vergangenheit nicht nur ganz erheblich zur Steigerung der Leistungsfähigkeit kleinerer und mittlerer Unternehmen beigetragen, sondern zugleich die Möglichkeit
eröffnet, zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen. Allein durch die vom Eigenkapitalhilfeprogramm initiierten Existenzgründungen sind rund 175 000 Dauerarbeitsplätze entstanden bzw. erhalten worden. Über 2 Milliarden DM jährliche Investitionen wurden durch diese Programme ausgelöst.
Meine Damen und Herren, es scheint mir absurd zu sein, daß diese zukunftsweisenden innovationsfördernden Programme von der Bundesregierung unter dem Vorwand des Subventionsabbaus zusammengestrichen werden, wenn geichzeitig in anderen Bereichen erhebliche Aufstockungen bei Subventionen erfolgen. Jeder weiß, wovon ich rede.
In der Steuerpolitik erleben wir das gleiche Spiel. Die von uns in Übereinstimmung mit allen Verbänden des mittelständischen Gewerbes nachdrücklich geforderte Einführung einer steuerfreien Investitionsrücklage — ich weiß, es gibt auch genügend Kollegen auf Regierungsseite, die mit mir der Meinung sind, daß man sie einführen sollte —, die die Kapitalgrundlage und die Investitionsfähigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen nachhaltig stärken würde, wird von dieser Bundesregierung rigoros abgelehnt. Statt dessen senkt sie den Körperschaftssteuersatz und den Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer.
Ich glaube, meine Damen und Herren, dies bringt für kleine und mittlere Selbständige überhaupt nichts. Die meisten von ihnen sind weder eine Körperschaft, noch gehören sie zu den Spitzenverdienern, die mehr als 260 000 DM zu versteuerndes Einkommen im Jahr erreichen. Nur 2 % aller Unternehmen, die Einkommensteuer zahlen, gehören zu dieser Gruppe.
Ein anderer Aspekt, der für kleine und mittlere Unternehmen von Bedeutung ist, ist die Tatsache der Steuerpolitik — mein Kollege Müller hat hier schon darauf hingewiesen — , daß sich die Einnahmeverluste bei den Gemeinden direkt auch in deren Investitionsmöglichkeiten und sich damit auch wieder negativ auf die kleinen Handwerks- und Handelsbetriebe innerhalb der Gemeinde auswirken.
Ich möchte es mir ersparen, dies weiter auszuführen, möchte aber noch auf eines hinweisen. Wir alle rechnen damit, daß die Mehrwertsteuer erhöht wird.
— Ja, ja. — Und da wird argumentiert: nicht für den Bundeshaushalt, sondern um in Europa die Kosten zu decken. Liebe Freunde, was soll das? Letztendlich muß der Steuerzahler es bezahlen, und dies wirkt sich auch auf die kleinen und die mittleren Unternehmen negativ aus. Eine Verstärkung und Stabilisierung der Binnennachfrage, die gerade für die kleinen Unternehmen im Handwerk, im Handel, im örtlichen Gewerbe ausschlaggebend ist, wird damit nicht erreicht.
Das gleiche gilt im übrigen auch für die hochtrabend als Maßnahmen zur Stärkung des Wachstums angekündigten Programme dieser Bundesregierung, die im Grunde nur Miniaturen sind. Diese halbherzigen Initiativen reichen bei weitem nicht aus. Wir müs-
3520 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987
Pfuhl
sen mehr tun, um gerade dem Mittelstand, dem selbständigen Mittelstand, in unserer Republik zu helfen.
Herzlichen Dank.