Rede von
Peter
Sellin
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GRÜNE)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie darauf hinweisen, daß in der Beschlußempfehlung ein kleiner sachlicher Fehler ist. Darin steht: bei zwei Gegenstimmen von Mitgliedern der Fraktion DIE GRÜNEN. Von der Opposition waren aber nur zwei Abgeordnete da, nämlich Herr Müller und ich. Wir haben beide dagegengestimmt. Deswegen ist für mich jetzt auch verwunderlich, daß die SPD diesem Plan zustimmen will. Vielleicht sollte von der SPD erst noch einmal klargestellt werden, warum sie ihre Meinung ändert. Sie möchten aber bitte die Beschlußempfehlung ändern, weil das — das ergibt
sich auch aus der Anwesenheitsliste — ein sachlicher Fehler ist.
Der zur Beschlußfassung vorgelegte ERP-Wirtschaftsplan 1988 mit einem Darlehensvolumen von 4,35 Milliarden DM ist durch die konjunkturell bedingten Beschlüsse der Bundesregierung vom 2. Dezember 1987 zur Stärkung des quantitativen Wirtschaftswachstums bereits überholt. Über den ERP-Wirtschaftsplan hinaus soll die Kreditanstalt für Wiederaufbau in den Jahren 1988, 1989 und 1990 zinsgünstige Investitionsdarlehen in Höhe von 21 Milliarden DM bereitstellen. Davon werden 15 Milliarden DM für kommunale Investitionen vorgesehen. Pro Jahr stehen also 7 Milliarden DM zusätzliche Darlehensangebote über diesen ERP-Plan 1988 hinaus zur Verfügung.
Diesem ganzen Instrumentarium von ERP-Plan und Kreditanstalt für Wiederaufbau ist gemeinsam, daß mit der Methode zinsgünstiger Darlehen Rahmenbedingungen für Finanzierungsvorhaben feilgeboten werden. Diese Methode mag bei privaten Unternehmen greifen, die sowieso Investitionen planen und durchführen müssen. Die Unternehmen werden 2 Zinsvergünstigung gegenüber dem üblichen Marktzins immer gerne mitnehmen, und es ist schon verwunderlich, wenn behauptet wird, es gebe dort keine Mitnahmeeffekte. Zusätzliche Absatzmärkte sind jedoch tendenziell nicht in Sicht, so daß Rationalisierungsinvestitionen vorrangig gefördert werden, die keine Beschäftigungseffekte, allenfalls negative, mit sich bringen werden.
Methodisch anders wirken die Auflagen z. B. der Technischen Anleitung Luft, die kleinere und mittlere Unternehmen zwingen werden, fristgerecht Investitionen zur Emissionsverringerung vorzunehmen. Diese zielgerichtete Investitionsförderung wird von uns politisch tendenziell gestützt, obwohl die Technische Anleitung Luft unzulängliche Grenzwerte und Fristen enthält. Trotzdem ist das erst einmal ein Fortschritt. Dabei sollten die Förderungskriterien auf Energiesparinvestionen bei integrierter Emissionsminderung von industriellen Maschinen und Anlagen zugespitzt werden. Reine Filtertechnologien ohne Energiespareffekte sollten weniger stark präferenziert werden.
Es ist politisch schon fatal, daß der hier vorgelegte ERP-Wirtschaftsplan eine Kürzung um 300 Millionen DM im Rahmen der drei ERP-Umweltschutzprogramme — das sind das Luftprogramm, das Abwasserprogramm und das Abfallprogramm — auf 1,05 Milliarden DM vorsieht. Dieses politische Signal in Kombination mit der Streichung des § 7 d des Einkommensteuergesetzes im Rahmen der Finanzierung der Steuerreform ist skandalös. Der § 7 d des Einkommensteuergesetzes hat Umweltschutzinvestitionen in Höhe von 3,82 Milliarden DM 1985 durch erhöhte Absetzungen steuerlich begünstigt. Steuereinnahmeausfälle nach Schätzung der Bundesregierung in Höhe von 700 Millionen DM bewirkte der § 7 d des Einkommensteuergesetzes zur Förderung von Umweltschutzinvestitionen. Und dies wollen Sie streichen? Das ist eine Konterkarierung von Umweltschutzinvestitionen, die gefördert werden sollen.
3518 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987
Sellin
Die Finanzierung der Steuerreform entzieht also kleinen und mittleren Unternehmen Steuervergünstigungen, die eben gerade an relativ sinnvolle Maßnahmen gebunden waren. Die Wirkung der Steuerreform gegenüber den Städten und Gemeinden ist noch schärfer zu kritisieren, da sie den Kommunen Steuereinnahmen überproportional entziehen. Die Investitionsfähigkeit der Städte und Gemeinden wird stark eingeschränkt. Es ist deshalb ein finanzpolitischer Widerspruch, daß jetzt über den ERP-Plan und die Kreditanstalt für Wiederaufbau zusätzliche Darlehen von Kommunen aufgenommen werden können. Kommunen mit bereits hoher Verschuldung können es sich gar nicht leisten, zusätzliche Darlehen für ökologisch sinnvolle und beschäftigungswirksame Investitionen aufzunehmen, da sie die Darlehen und die laufenden Kosten nicht aus dem Kommunaletat tragen können. Man denke nur an die Vergangenheit, als die Kommunen Schwimmbäder, Sporthallen usw. gebaut haben. Die Zinslastquoten in den Etats der Kommunen sind gerade in den Krisenregionen, wie z. B. im Ruhrgebiet, in Bremen, in Hamburg, im Saarland, bereits so hoch, daß das angebotene Darlehensprogramm nicht abgefragt werden kann, wo es doch besonders dringlich wäre, um den industriellen Umbau strukturpolitisch auch finanzieren zu können. Demgegenüber können bereits wohlhabende Kommunen, die sich häufig z. B. in Baden-Württemberg und Bayern finden, diese zusätzlichen Gemeindeinvestitionsmittel abrufen.
Der Nord-Süd-Gegensatz in der industriepolitischen Entwicklung in der Bundesrepublik ist kein Gegenstand des ERP-Plans bzw. des Programms der Kreditanstalt für Wiederaufbau.
Das ERP-Gemeindeprogramm fördert angeblich den sogenannten Wohn- und Freizeitwert, z. B. Fußgängerzonen inklusive Parkhausbau. Der Schwerpunkt des Gemeindeprogramms liegt nicht auf ökologisch orientierten Investitionsvorhaben. Ich zähle einmal einige auf: Altlastenbeseitigung, Energiesparinvestitionen, Grüntangentenbau und Förderung von Energiesparinvestitionen in öffentlichen Gebäuden. Das ERP-Programm für die Gemeinden enthält keine ausgewiesenen ökologischen Kriterien.
Ich will einmal ein weiteres Programm herausgreifen, bei dem Sie noch Aufstockungen fordern, und zwar die Förderung des Exports in Entwicklungsländer. Es ist festzustellen, daß dort auch Großanlagen gefördert werden und daß Sie insbesondere die Subventionierung des Exports in Schwellenländer präferieren und nicht etwa angepaßte Technologien zugunsten von Entwicklungsländern, die tatsächlich angepaßte Technologien gebrauchen könnten. Über dieses Programm wird eine Exportförderung für Großunternehmen abgewickelt, die es generell gar nicht nötig haben, diese Exportförderung zu bekommen.
Das ERP-Programm kann zur Förderung des industriellen Umbaus der Industriegesellschaft ökologisch und sozial sinnvoll ausgestaltet werden. So wie es aber hier vorliegt, erzielt es genau diese Wirkung nicht. Die GRÜNEN lehnen deswegen diesen vorgelegten ERP-Wirtschaftsplan ab.