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    Plenarprotokoll 11/49 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 49. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987 Inhalt: Nachruf auf das verstorbene Mitglied des Deutschen Bundestages Dr. h. c. Peter Lorenz 3399 A Erweiterung und Abwicklung der Tagesordnung 3399C, 3440 D Absetzung des Punktes 20a von der Tagesordnung 3400 A Tagesordnungspunkt 16: a) Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Die Einheitliche Akte muß ein Erfolg werden: Die Reform der Strukturfonds (Drucksachen 11/929 Nr. 2.3, 11/1209) c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Die Einheitliche Akte muß ein Erfolg werden: Mitteilung der Kommission über die Haushaltsdisziplin (Drucksachen 11/929 Nr. 2.2, 11/1211) d) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Die Einheitliche Akte muß ein Erfolg werden: Zweite Änderung des Vorschlags für eine Verordnung (EGKS — EWG — EURATOM) des Rates zur Änderung der Haushaltsordnung vom 21. Dezember 1977 für den Haushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften (Drucksachen 11/929 Nr. 2.5, 11/1212) e) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Sitzung des Europäischen Rates am 29./30. Juni 1987 in Brüssel (Drucksachen 11/523, 11/1293) Dr. Kohl, Bundeskanzler 3400 C Dr. Vogel SPD 3406 D Rühe CDU/CSU 3412D Dr. Mechtersheimer GRÜNE 3418D Mischnick FDP 3421 B Frau Wieczorek-Zeul SPD 3424 B Frau Geiger CDU/CSU 3427 A Frau Beer GRÜNE 3429 C Genscher, Bundesminister AA 3432 B Dr. Spöri SPD 3435 D Bohl CDU/CSU 3438 C Erler SPD 3441A Lintner CDU/CSU 3442 C Frau Flinner GRÜNE 3444 B Frau Würfel FDP 3445 D Dr. Gautier SPD 3447 B Vogel (Ennepetal) CDU/CSU 3449 C Brück SPD 3451A Becker (Nienberge) SPD (zur GO) 3452 B Seiters CDU/CSU (zur GO) 3452 C Kleinert (Marburg) GRÜNE (zur GO) 3452 D II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10, Dezember 1987 Namentliche Abstimmung 3454 A Ergebnis 3482 D Tagesordnungspunkt 17: a) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Kohlevorrangpolitik (Drucksache 11/958) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Verordnung der Bundesregierung Zustimmungsbedürftige Verordnung über den Prozentsatz der Ausgleichsabgabe nach dem Dritten Verstromungsgesetz für das Jahr 1988 (Drucksachen 11/1350, 11/1446) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Beratung des Antrags des Abgeordneten Stratmann und der Fraktion DIE GRÜNEN: Umbaukonzept für die heimische Steinkohle (Drucksache 11/1476) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Beratung des Antrags der Abgeordneten Gerstein, Wissmann, Dr. Lammert, Müller (Wadern) und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Frau Dr. Adam-Schwaetzer, Baum, Beckmann, Dr. Graf Lambsdorff, Dr. Hirsch, Dr. Hoyer, Dr.-Ing. Laermann, Möllemann, Frau Würfel und der Fraktion der FDP: Förderung der deutschen Steinkohle (Drucksache 11/1485) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Solidarität mit dem Widerstand der Bergleute und Stahlarbeiter gegen Arbeitsplatz- und Standortvernichtung (Drucksache 11/1511) Meyer SPD 3455 B Gerstein CDU/CSU 3458 C Stratmann GRÜNE 3460 C Beckmann FDP 3463 A Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 3464 C Lafontaine, Ministerpräsident des Saarlandes 3468A, 3478 C Schreiber CDU/CSU 3472 A Jung (Düsseldorf) SPD 3473 D Dr. Blüm, Bundesminister BMA 3475A, 3478 D Hinsken CDU/CSU 3476 B Dr. Lammert CDU/CSU 3479 A Namentliche Abstimmungen 3479D, 3480A Ergebnisse 3484B, 3485 D Tagesordnungspunkt 18: Erste Beratung des von der Abgeordneten Frau Beck-Oberdorf und der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Finanzierung empfängnisverhütender Mittel durch die Krankenkassen (Drucksache 11/597) Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 3480 D Frau Verhülsdonk CDU/CSU 3488 A Kirschner CDU/CSU 3489 B Frau Würfel FDP 3490 C Vogt, Parl. Staatssekretär BMA 3491 C Tagesordnungspunkt 19: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Verteidigungsausschusses zu der Unterrichtung durch den Wehrbeauftragten: Jahresbericht 1986 (Drucksachen 11/42, 11/1131) Weiskirch, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages 3492 A Heistermann SPD 3494 B Breuer CDU/CSU 3498 A Frau Schilling GRÜNE 3501 B Nolting FDP 3503 C Leidinger SPD 3505 D Dr. Wörner, Bundesminister BMVg 3509 B Leidinger SPD (Erklärung nach § 30 GO) 3512B Vizepräsident Cronenberg 3510D, 3512 C Tagesordnungspunkt 22: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Jahr 1988 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1988) (Drucksachen 11/1000, 11/1431) Niegel CDU/CSU 3512D, 3520A Müller (Pleisweiler) SPD 3514 B Funke FDP 3516B Sellin GRÜNE 3517 B Dr. von Wartenberg, Parl. Staatssekretär BMWi 3518 C Pfuhl SPD 3519 B Tagesordnungspunkt 20 b: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Ernährungssicherung in Hungerregionen (Drucksachen 11/946, 11/1501) in Verbindung mit Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987 III Zusatztagesordnungspunkt 9: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP und der Fraktion DIE GRÜNEN: Ernährungssituation in Äthiopien (Drucksache 11/1482) Höffkes CDU/CSU 3520 C Frau Eid GRÜNE 3521 D Frau Folz-Steinacker FDP 3523 D Großmann SPD 3525 C Dr. Köhler, Parl. Staatssekretär BMZ 3527 A Nächste Sitzung 3528 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 3529* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987 3399 49. Sitzung Bonn, den 10. Dezember 1987 Beginn: 9.01 Uhr
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    Berichtigung 48. Sitzung, Seite IV, linke Spalte: Statt „ZusFr Frau Bulmahn GRÜNE" ist „ZusFr Frau Bulmahn SPD" zu lesen. Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 11. 12. Dr. Ahrens * 11. 12. Andres 11. 12. Bahr 11. 12. Frau Becker-Inglau 11. 12. Frau Beck-Oberdorf 11. 12. Frau Blunck * 11. 12. Böhm (Melsungen) * 11. 12. Frau Brahmst-Rock 11. 12. Brandt 10. 12. Dr. Briefs 11. 12. Büchner (Speyer) * 11. 12. Dr. von Bülow 11. 12. Frau Fischer * 11. 12. Dr. Friedrich 11. 12. Frau Ganseforth 11. 12. Dr. von Geldern 10. 12. Glos 11. 12. Dr. Glotz 11. 12. Grünbeck 11. 12. Haack (Extertal) 11. 12. Frau Dr. Hellwig 11. 12. Frau Hoffmann (Soltau) 11. 12. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarats Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Frau Hürland-Büning 11. 12. Jaunich 10. 12. Frau Kelly 11. 12. Kittelmann * 11. 12. Kolb 11. 12. Kreuzeder 11. 12. Lemmrich * 11. 12. Frau Luuk * 11. 12. Dr. Mahlo 11. 12. Marschewski 11. 12. Dr. Mertens (Bottrop) 11. 12. Dr. Möller 11. 12. Dr. Müller * 11. 12. Dr. Neuling 11. 12. Frau Oesterle-Schwerin 11. 12. Frau Olms 11. 12. Oswald 11. 12. Petersen 11. 12. Poß 10. 12. Rauen 11. 12. Dr. Schmude 10. 12. von Schmude 11. 12. Schröer (Mülheim) 10. 12. Schulze (Berlin) 11. 12. Frau Seuster 11. 12. Frau Dr. Timm * 11. 12. Frau Trenz 11. 12. Frau Vennegerts 11. 12. Dr. Warnke 11. 12. Wieczorek (Duisburg) 11. 12. Würtz 11. 12.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Lorenz Niegel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Rechtzeitig vor Jahresende liegt uns der neue ERP-Wirtschaftsplan 1988 zur endgültigen Beschlußfassung vor. Erstmals umfaßt dieser Plan über 5 Milliarden DM, und zwar erstmals in der 40jährigen Geschichte dieses Planes, dessen Jubiläum wir in diesem Jahr feiern konnten.
    Ich möchte betonen, daß die ERP-Programme ein langfristig angelegtes Förderinstrument zugunsten begrenzter Schwerpunktbereiche unserer Wirtschaft und der Kommunen sind. Es kommt daher darauf an, kontinuierlich und dabei möglichst in angemessenem wachsenden Umfang ERP-Investitionsdarlehen an-
    Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987 3513
    Niegel
    zubieten. Das Zinsaufkommen aus diesen Darlehen ermöglicht dieses Wachstum und in diesem Rahmen auch die Aufnahme von Kreditmarktmitteln, die dann zur Programmfinanzierung auf die günstigen ERP-Zinsen verbilligt werden müssen.
    In den Himmel aber können die Bäume nicht wachsen. Insbesondere darf es nicht dahin kommen, daß der Programmzuwachs nur noch aus zusätzlichen Kreditaufnahmen finanziert wird oder daß gar der Zinsaufwand für aufgenommene Fremdmittel die Zinseinnahmen übersteigt. Daß dies nicht geschieht, darüber wacht in gutem Einvernehmen mit dem Bundeswirtschaftsminister der ERP-Unterausschuß unseres Wirtschaftsausschusses.
    Ich wollte in diesem Zusammenhang an die Bundesregierung die Frage stellen — wahrscheinlich können Sie sie heute nicht beantworten — : Wie wird es künftig sein, wenn die Quellensteuer möglicherweise eingeführt wird? Wie wird sich das dann auf die weitere Entwicklung des ERP-Plans auswirken, wenn Erträge aus dem ERP-Vermögen oder auch Erträge aus den Hauptleihinstituten dann zumindest der 10 %igen pauschalierten Quellensteuer unterliegen? Ich bitte in diesem Zusammenhang, die Sache dahin gehend zu prüfen, daß auf das ERP-Sondervermögen keine negativen Auswirkungen zukommen.
    Pläne, die ERP-Förderung zur Ankurbelung um jährlich 10 Milliarden DM aufzustocken, wie man die jetzt wieder zu hören bekommt, sind unter seriösen Finanzierungsgesichtspunkten schlankweg utopisch. Bei einem Auszahlungsbedarf von gut 5 Milliarden DM sind jetzt schon rund 20 % durch neue Kreditaufnahmen zu finanzieren.
    Der ERP-Unterausschuß aber betätigt sich keineswegs nur als haushaltsmäßiger Bremser. Er will auch, daß die Finanzierungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind. So begrüße ich es als sein Vorsitzender besonders, daß im Entwurf des neuen Wirtschaftsplans das Zusagevolumen nicht einfach um die ausdrücklich auf die Jahre 1986 und 1987 begrenzte Sonderaufstokkung reduziert wurde, sondern daß Kürzungen, wenn sie nicht vermeidbar waren — wovon ich ausgegangen bin — , möglichst klein gehalten wurden. Wenn man bei den Beratungen gewußt hätte, daß es auf drei Jahre ein Sonderprogramm mit der KfW von 15 Milliarden DM geben soll, dann hätte man natürlich die vorgenommene Kürzung nicht hinnehmen müssen; man hätte einen anderen Weg finden können.
    Außerdem dränge ich darauf, die ERP-Mittel weitestgehend für kleine und mittlere Unternehmen einzusetzen. Ich meine, die Bundesregierung sollte immer wieder an diese Vorgabe erinnert werden;

    (Pfuhl [SPD]: Richtig!)

    denn nur mit seiner Breitenwirkung für den Mittelstand kann der ERP-Fonds effizient eingesetzt werden. Gelangen die Mittel an Großunternehmen oder werden sie für große kommunale Müllverbrennungsanlagen, für umfangreiche Kanalisationsprojekte oder für Schiffsverklappungen eingesetzt, sind sie für einige wenige Fälle schnell verbraucht.
    Deshalb ist es richtig, daß von den 4,5 Milliarden DM, die der Planentwurf einschließlich der neuen
    Verpflichtungsermächtigungen für 1988 als Zusagevolumen vorsieht, 2,3 Milliarden DM für den Mittelstand bestimmt sind, und zwar können hieraus Investitionsdarlehen bis zu 300 000 DM zu einem Zinssatz von 5,5 % im Bundesgebiet,

    (Schily [GRÜNE]: Es ist ja faszinierend, was Sie sagen!)

    im Zonenrandgebiet von 4,5 % und in Berlin von 3,5 % gegeben werden, dazu eine Laufzeit bis zu 15 Jahren, und zwar: erstens Existenzgründer oder Unternehmer, die in einer Gründungsphase von drei Jahren weiter investieren wollen; zweitens Unternehmer, die Betriebe in den Gewerbe- oder Industriegebieten der Gemeinden errichten oder erweitern wollen, und solche, die auf Grund behördlicher Maßnahmen, z. B. öffentlicher Baumaßnahmen oder Umweltschutzauflagen, ihren bisherigen Standort verlagern müssen; drittens Unternehmer, die in den Fördergebieten der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" investieren wollen, wozu auch die Stahl- und die Werftstandorte sowie das Zonenrandgebiet gehören. In allen drei Fällen wird im übrigen für Vorhaben im Zonenrandgebiet ein Zinsvorsprung von 1 % eingeräumt, das heißt, dort kosten — wie ich schon sagte — die Darlehen 4,5 %. Wie die anhaltend starke Nachfrage in diesen drei Förderbereichen zeigt, sind die ERP-Mittel mit großem Multiplikatoreffekt hier richtig eingesetzt.
    Sehr zu begrüßen ist, daß auch an der Umweltschutzförderung des ERP-Vermögens der Mittelstand zunehmend partizipiert. Die Nachfrage steigt hier weiter, so daß im kommenden Jahr der auf 420 Millionen DM stark erhöhte Ansatz für Luftreinhalteinvestitionen mittlerer Unternehmen in Betracht kommt. Dabei werden selbstverständlich nicht nur Filter gefördert, sondern auch Einrichtungen oder Anlagen, die den Schadstoffausstoß von vornherein vermeiden.
    Der Darlehensbetrag ist in diesem Programm nicht generell begrenzt. Er sollte aber nicht mehr als fünf Millionen DM betragen. Ich halte es auch für richtig, daß zugunsten der Luftreinhaltung die Programme Abwasser und Abfall geringer dotiert wurden. Hier sollte man die Mittel ebenfalls auf den mittleren Unternehmensbereich konzentrieren, was insbesondere für die Abfallwiederverwendung gilt.
    Auch ein ernstes Wort dazu: Kein Verständnis hätte ich dafür, wenn z. B. an potente Konzernunternehmen zwecks betrieblicher Abfallbeseitigung 40 bis 50 Millionen DM ERP-Mittel kämen.

    (Sehr richtig! und Hört! Hört! bei der SPD)

    Für ERP-Umweltschutzdarlehen gilt ein entsprechender Vorzugszins im ganzen Bundesgebiet von 5 %. Zonenrand und Berlin werden durch Dotationen in entsprechender Weise präferenziert.
    Das jetzt in der Diskussion stehende 5-MilliardenProgramm, Kreditangebot für Gemeinden, wird sich an dem ERP-Zins orientieren. Kommunale Umweltschutzinvestitionen gehören zu den Schwerpunkten dieser Finanzierungshilfe. Nachfragen, die mit den ERP-Darlehen nicht gedeckt werden können, finden hier also zusätzliche Mittel. Dieser Aspekt der neuen Maßnahmen — unter dem Tagesordnungspunkt ERP
    3514 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987
    Niegel
    sollten wir uns darauf beschränken — ist besonders erfreulich.
    Noch ein Punkt zum ERP: Die mit rund 700 Millionen DM ausgestattete Förderung von Investitionen in Berlin reicht vom Umfang her aus. Kleine und mittlere Unternehmen fragen etwa ein Drittel dieses Volumens nach.
    Meine Damen und Herren, ich möchte abschließend den Mitarbeitern des ERP-Referats im Wirtschaftsministerium und vor allem auch den drei Hauptleihinstituten — der Kreditanstalt für Wiederaufbau, der Deutschen Ausgleichsbank und der Berliner Industriebank — recht herzlich dafür danken, daß sie sozusagen als Gerüst für den ERP-Wirtschaftsplan zur Verfügung stehen. Ich hoffe und wünsche, daß die Wirtschaft und die Kommunen von dem Programm 1988 regen Gebrauch machen.
    Wir haben den ERP-Wirtschaftsplanentwurf 1988 unter allen diesen Gesichtspunkten im ERP-Unterausschuß und im Wirtschaftsausschuß eingehend beraten. Dieser schlägt mit überwiegender Mehrheit seine Annahme in zweiter und dritter Lesung vor. In diesem Sinne sollten wir den Plan heute verabschieden.
    Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Müller (Pleisweiler).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Albrecht Müller


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus dem ERP-Sondervermögen werden 1988 eine Reihe von vernünftigen Aufgaben finanziert. Herr Niegel hat sie genannt; ich brauche sie nicht noch einmal aufzuzählen. Wir befürworten die Existenz und die Aufgaben des ERP-Sondervermögens, aber wir bedauern, daß die Koalition nicht mehr aus diesem Instrument macht; denn in einem anderen Sinn als unmittelbar nach dem Krieg haben wir auch heute wieder viel aufzubauen.
    Uns bedrückt Massenarbeitslosigkeit. Wir müssen die wirtschaftliche Lebensfähigkeit von Regionen, die vom Strukturwandel hart betroffen sind, in einem anderen Sinne wieder aufbauen. Wir müssen die in 30, 40 Jahren stark strapazierte Umwelt sanieren. Deshalb stört uns an dem vorgelegten Haushalt, daß die möglichen Investitionszulagen für den Umweltschutz um 300 Millionen zusammengestrichen worden sind. Das Gegenteil wäre nötig und richtig gewesen.
    Alleine über die Deutsche Ausgleichsbank könnten in den nächsten drei Jahren zusätzlich fast 4 Milliarden DM finanziert werden für nützliche Investitionen in den Umweltschutz und damit auch zur Verringerung der Arbeitslosigkeit.
    Wir bedauern sehr, daß Sie nicht einmal den Versuch gemacht haben, das ERP-Programm dem gestiegenen Bedarf anzupassen. Wir hätten erwartet, daß Sie den ERP-Wirtschaftsplan — nicht nur nachträglich, wie Herr Niegel das jetzt erwähnt hat — in ein Gesamtkonzept für 1988 und die Jahre danach eingebaut hätten, in ein Gesamtkonzept für mehr Beschäftigung und für qualitatives Wachstum.
    Angesichts der kritischen wirtschaftlichen Lage können wir diesen ERP-Haushalt nämlich nicht isoliert betrachten. Er steht im Zusammenhang mit dem, was die Bundesregierung an Maßnahmen am 2. Dezember vorgelegt hat, an halbherzigen Maßnahmen. Er muß sich messen lassen an unserem Sofortprogramm für Arbeit, Umwelt und Investitionen vom 1. Dezember dieses Jahres. Wir Sozialdemokraten wollen in den nächsten Jahren ein öffentliches und privates Investitionsvolumen von zusätzlich 40 bis 50 Milliarden DM mobilisieren und schlagen zu diesem Zweck ein weitgefächertes Paket von Anreizen und Maßnahmen vor.
    Das Umweltprogramm der mit dem ERP-Sondervermögen verbundenen Kreditanstalten soll um 10 Milliarden DM jährlich aufgestockt werden. Damit diese Mittel auch von jenen Städten und Gemeinden wahrgenommen werden, in deren Bereich Investitionen besonders notwendig sind, müssen wir diese Gemeinden aber von den Kosten der Massenarbeitslosigkeit entlasten.

    (Beifall bei der SPD)

    Der Widersinn des Programms der Bundesregierung vom 2. Dezember liegt in folgendem: Die Bundesregierung streut Zinssubventionen aus, die von den starken Gemeinden mitgenommen werden könnten, und die anderen gehen leer aus, werden sogar noch mehr gebeutelt dadurch, daß ihnen die Steuerreform zusätzliche Mindereinnahmen auflastet.
    Diese Widersprüchlichkeit ist gestern im Wirtschaftsausschuß sogar von Kollegen der Koalition eingestanden worden, allerdings ohne das heilsame Versprechen der Besserung.
    Wir fordern in unserem Sofortprogramm weiter, die Bundesmittel für Städtebauförderung und Dorferneuerung aufzustocken, und wir verlangen, endlich eine steuerfreie Investitionsrücklage für kleinere und mittlere Unternehmen einzuführen.
    Das sind einige Teile aus unserer Antwort auf die kritische wirtschaftliche Lage. Wir haben damit bei Fachleuten und anderen — bei Verbänden und Gewerkschaften — Zustimmung gefunden.
    Die Bundesregierung hingegen hat auf ihre Vorschläge hin herbe Kritik einstecken müssen. Ihnen schallt konzertiertes Hohngelächter entgegen, schreibt die „Wirtschaftswoche", die ja der Koalition nicht allzu fern steht. Das ist mit Recht so.
    Die Vorschläge vom 2. Dezember sind zusammengeschustert und offensichtlich keine fachlich qualifzierte Antwort auf die Schwierigkeiten, in denen unser Land und die Weltwirtschaft stecken. Niemand kann ganu sagen, was aus der Krise auf den Finanzmärkten folgen wird. Aber wir wissen genau: Die Risiken sind hoch. Wir wissen: Aus diesen finanziellen Turbulenzen können auch reale Folgen für viele Menschen abgeleitet werden.
    Wir wissen vor allem, daß seit Jahren zwei gesamtwirtschaftliche Ziele gröblichst verletzt sind. Das muß man im Kontext mit dem sehen, was heute getan wird, also auch im Kontext mit diesem ERP-Programm. Über 2,2 Millionen Menschen sind arbeitslos, und das außenwirtschaftliche Gleichgewicht in unserem Land
    Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987 3515
    Müller (Pleisweiler)

    und in der Welt ist gröblichst verletzt. Dieses außenwirtschaftliche Ungleichgewicht hat seinen Ausdruck in der Krise der Devisen- und Finanzmärkte gefunden.
    Spätestens ab dem 19. Oktober hätte eine Bundesregierung die Pflicht gehabt, wenigstens ein effizientes Krisenmanagement zu betreiben. Nichts geschieht. Im Gegenteil, der zuständige Staatssekretär — nicht der Parlamentarische Staatssekretär, sondern der beamtete Staatssekretär — erklärte gestern im Wirtschaftsausschuß, die Welt sei vor dem 19. Oktober, dem ersten Schwarzen Montag, realwirtschaftlich in Ordnung gewesen. Man merke: Bei 2,2 Millionen Arbeitslosen und einem massiven außenwirtschaftlichen Ungleichgewicht ist die Welt der Zuständigen realwirtschaftlich in Ordnung! Das muß man sich wirklich merken.
    Da nimmt es nicht wunder, daß der Herr Bundeskanzler fünf Wochen nach dem ersten Schwarzen Montag im ZDF erklärt, jetzt sei rasches Handeln notwendig. Das war fünf Wochen später. Und dann geschieht auch nichts Gescheites.
    Viele von uns treibt die Sorge um die Folgen dieser Untätigkeit für die Betriebe und die Menschen um. Wir fragen uns: Woher kommt dieser Mangel an Verantwortungsbereitschaft? Ist es böser Wille, oder ist es Mangel an Sachkompetenz?
    Mir scheint, es fehlt den heute handelnden Personen am Durchblick, und was ihnen fehlt, ersetzen sie dann durch Ideologie. Die von den heute Regierenden bestimmte wirtschaftspolitische Diskussion ist voller Vorurteile. Ich will an einigen Beispielen aufzeigen, wie tief das Niveau der öffentlichen Argumentation gesunken ist.
    Beispiel eins: Die Koalition erzählt uns seit langem: Die Gewinne von heute sind die Investitionen von morgen. Das klingt gut, ist aber dennoch eine Halbwahrheit. Denn jeder Handwerker, jeder Unternehmer weiß aus eigener Erfahrung: Er investiert dann in neue Maschinen, wenn er erwarten kann, daß die damit zusätzlich produzierten Güter auch verkauft werden können. Technisch gesprochen: Die Investitionsbereitschaft hängt von der Absatz- und Gewinnerwartung mindestens so sehr ab wie von den angehäuften Gewinnen.
    Beispiel zwei: Die Koalition hat die Leistungsbilanzüberschüsse unserer Volkswirtschaft als große Erfolge gefeiert. „D-Mark — super!" hieß es in einer CDU-Wahlkampfzeitung vom Januar 1987. Schon als diese geschrieben wurde, konnte man wissen: Die im schwachen Dollarkurs zum Ausdruck kommenden außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte werden irgendwann auf uns zurückschlagen. Der Zusammenbruch der Devisen- und Aktienmärkte ist demnach auch die direkte Folge dieser massiven Ungleichgewichte. Nebenbei: Weil das so ist, fehlt mir auch jedes Verständnis für die heute in einem Interview des Vorsitzenden des Sachverständigenrates geäußerte Meinung, man könne ruhig warten, bis der Dollar auf 1,50 DM gesunken ist, und habe dann noch Zeit genug, in der Binnenkonjunktur dagegenzuhalten.
    Beispiel drei für das niedrige Niveau Ihrer Argumentation: Die Koalition erwartet von einer Verlängerung der Ladenschlußzeiten Wachstumsimpulse. An dieser Parole ist eigentlich nur der Mut bewundernswert, sie geäußert zu haben. Denn den meisten Menschen in unserem Land fehlt es nicht an Zeit einzukaufen, es fehlt ihnen an Geld.
    Beispiel vier: Die wohl bedeutendste Schwäche der Diskussion wird da sichtbar, wo es um die Breite der Instrumente der Wirtschaftspolitik geht. Seit Jahren wiederholen die Koalitionspartner nahezu gebetsmühlenhaft den Glaubenssatz, Beschäftigungsprogramme brächten nichts. Dieser Glaube hat blind gemacht für die praktischen Erfahrungen. Wir wissen das vom Zukunftsinvestitionsprogramm, und mehrere Ihnen mehr als uns nahestehende Institute haben auch vorgerechnet, wieviel Arbeitsplätze in jener Zeit geschaffen worden sind.
    Weil nun nicht sein kann, was nicht sein darf, haben die meisten Wirtschaftssprecher der Koalition in der Haushaltsdebatte der vorletzten Woche weiterhin gegen beschäftigungspolitische Maßnahmen polemisiert. Wenige Tage später hat dann die Bundesregierung ihr wenn auch halbherziges Progrämmchen beschlossen. Herr Stoltenberg und Herr Bangemann mußten allerlei sprachliche Verrenkungen anstellen, um diesen Bruch zwischen Propaganda und praktischer Politik nicht offen sichtbar werden zu lassen.
    Für unser Land ist wichtig, daß sich die Koalition aus der Gefangenschaft ihrer eigenen Ideologien und falscher Wirtschaftstheorien befreit. Wir Sozialdemokraten wünschen uns zum Neuen Jahr eine Art von Perestrojka in der amtlichen Wirtschaftspolitik.

    (Frau Roitzsch [Quickborn] [CDU/CSU): Was

    ist das denn, Herr Müller?)
    — Das ist z. B. eine Offenheit für die Breite der wirtschaftspolitischen Instrumente.

    (Niegel [CDU/CSU]: Perestrojka heißt Umwandlung, Glasnost ist Offenheit!)

    — Ja, das ist klar. Das ist auch der Umbau hin zu einer breiteren Nutzung der Instrumente, und das ist der Umbau hin zu einem bewußten, geplanten und sinnvollen Einsatz der möglichen Instrumente in der Wirtschaftspolitik.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich appelliere an Sie deshalb, das endlich zu begreifen und endlich Schluß zu machen mit dieser Ideologisierung. Es muß Schluß sein mit einem theoretischen Schulstreit, weil wir uns das in der jetzigen Situation wirklich nicht mehr leisten können.
    Unser Land hat es nötig, aus diesem Jammertal wirtschaftspolitischer Inkompetenz herauszukommen, in dem wir heute sind. Sie werden das Vertrauen in die Wirtschaftspolitik auch nicht wiedergewinnen, wenn Sie nicht endlich bald ein deutliches Zeichen einer solchen Offenheit und einer Neuorientierung der Wirtschaftspolitik setzen. Die Bundesregierung muß klar erkennen, daß sie einen solchen Neuanfang machen muß.
    Wenn es darum geht, Arbeitsplätze zu sichern, sind wir Sozialdemokraten zur Zusammenarbeit bereit. Trotz unseres Bedauerns darüber, daß Sie diesen ERP-Wirtschaftsplan der kritischen wirtschaftlichen Lage,
    3516 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987
    Müller (Pleisweiler)

    in der wir sind — ich habe vorhin gesagt, er gehört in ein solches Gesamtpaket — , nicht voll nutzen, stellen wir unsere Bedenken zurück und stimmen diesem ERP-Wirtschaftsplan zu, weil wir ihn in seinen Instrumenten und Zielsetzungen für richtig halten. Aber wir tun das, Herr von Wartenberg, unter dem Vorbehalt und in der Erwartung, daß Sie in den wenigen Wochen, die Ihnen bis zur Verabschiedung des Jahreswirtschaftsberichts noch bleiben, begreifen: Es muß mehr getan werden für die Beschäftigung in den Betrieben und der Menschen in unserem Lande. Zu tun gibt es genug.

    (Beifall bei der SPD)