Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Rechtzeitig vor Jahresende liegt uns der neue ERP-Wirtschaftsplan 1988 zur endgültigen Beschlußfassung vor. Erstmals umfaßt dieser Plan über 5 Milliarden DM, und zwar erstmals in der 40jährigen Geschichte dieses Planes, dessen Jubiläum wir in diesem Jahr feiern konnten.
Ich möchte betonen, daß die ERP-Programme ein langfristig angelegtes Förderinstrument zugunsten begrenzter Schwerpunktbereiche unserer Wirtschaft und der Kommunen sind. Es kommt daher darauf an, kontinuierlich und dabei möglichst in angemessenem wachsenden Umfang ERP-Investitionsdarlehen an-
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zubieten. Das Zinsaufkommen aus diesen Darlehen ermöglicht dieses Wachstum und in diesem Rahmen auch die Aufnahme von Kreditmarktmitteln, die dann zur Programmfinanzierung auf die günstigen ERP-Zinsen verbilligt werden müssen.
In den Himmel aber können die Bäume nicht wachsen. Insbesondere darf es nicht dahin kommen, daß der Programmzuwachs nur noch aus zusätzlichen Kreditaufnahmen finanziert wird oder daß gar der Zinsaufwand für aufgenommene Fremdmittel die Zinseinnahmen übersteigt. Daß dies nicht geschieht, darüber wacht in gutem Einvernehmen mit dem Bundeswirtschaftsminister der ERP-Unterausschuß unseres Wirtschaftsausschusses.
Ich wollte in diesem Zusammenhang an die Bundesregierung die Frage stellen — wahrscheinlich können Sie sie heute nicht beantworten — : Wie wird es künftig sein, wenn die Quellensteuer möglicherweise eingeführt wird? Wie wird sich das dann auf die weitere Entwicklung des ERP-Plans auswirken, wenn Erträge aus dem ERP-Vermögen oder auch Erträge aus den Hauptleihinstituten dann zumindest der 10 %igen pauschalierten Quellensteuer unterliegen? Ich bitte in diesem Zusammenhang, die Sache dahin gehend zu prüfen, daß auf das ERP-Sondervermögen keine negativen Auswirkungen zukommen.
Pläne, die ERP-Förderung zur Ankurbelung um jährlich 10 Milliarden DM aufzustocken, wie man die jetzt wieder zu hören bekommt, sind unter seriösen Finanzierungsgesichtspunkten schlankweg utopisch. Bei einem Auszahlungsbedarf von gut 5 Milliarden DM sind jetzt schon rund 20 % durch neue Kreditaufnahmen zu finanzieren.
Der ERP-Unterausschuß aber betätigt sich keineswegs nur als haushaltsmäßiger Bremser. Er will auch, daß die Finanzierungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind. So begrüße ich es als sein Vorsitzender besonders, daß im Entwurf des neuen Wirtschaftsplans das Zusagevolumen nicht einfach um die ausdrücklich auf die Jahre 1986 und 1987 begrenzte Sonderaufstokkung reduziert wurde, sondern daß Kürzungen, wenn sie nicht vermeidbar waren — wovon ich ausgegangen bin — , möglichst klein gehalten wurden. Wenn man bei den Beratungen gewußt hätte, daß es auf drei Jahre ein Sonderprogramm mit der KfW von 15 Milliarden DM geben soll, dann hätte man natürlich die vorgenommene Kürzung nicht hinnehmen müssen; man hätte einen anderen Weg finden können.
Außerdem dränge ich darauf, die ERP-Mittel weitestgehend für kleine und mittlere Unternehmen einzusetzen. Ich meine, die Bundesregierung sollte immer wieder an diese Vorgabe erinnert werden;
denn nur mit seiner Breitenwirkung für den Mittelstand kann der ERP-Fonds effizient eingesetzt werden. Gelangen die Mittel an Großunternehmen oder werden sie für große kommunale Müllverbrennungsanlagen, für umfangreiche Kanalisationsprojekte oder für Schiffsverklappungen eingesetzt, sind sie für einige wenige Fälle schnell verbraucht.
Deshalb ist es richtig, daß von den 4,5 Milliarden DM, die der Planentwurf einschließlich der neuen
Verpflichtungsermächtigungen für 1988 als Zusagevolumen vorsieht, 2,3 Milliarden DM für den Mittelstand bestimmt sind, und zwar können hieraus Investitionsdarlehen bis zu 300 000 DM zu einem Zinssatz von 5,5 % im Bundesgebiet,
im Zonenrandgebiet von 4,5 % und in Berlin von 3,5 % gegeben werden, dazu eine Laufzeit bis zu 15 Jahren, und zwar: erstens Existenzgründer oder Unternehmer, die in einer Gründungsphase von drei Jahren weiter investieren wollen; zweitens Unternehmer, die Betriebe in den Gewerbe- oder Industriegebieten der Gemeinden errichten oder erweitern wollen, und solche, die auf Grund behördlicher Maßnahmen, z. B. öffentlicher Baumaßnahmen oder Umweltschutzauflagen, ihren bisherigen Standort verlagern müssen; drittens Unternehmer, die in den Fördergebieten der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" investieren wollen, wozu auch die Stahl- und die Werftstandorte sowie das Zonenrandgebiet gehören. In allen drei Fällen wird im übrigen für Vorhaben im Zonenrandgebiet ein Zinsvorsprung von 1 % eingeräumt, das heißt, dort kosten — wie ich schon sagte — die Darlehen 4,5 %. Wie die anhaltend starke Nachfrage in diesen drei Förderbereichen zeigt, sind die ERP-Mittel mit großem Multiplikatoreffekt hier richtig eingesetzt.
Sehr zu begrüßen ist, daß auch an der Umweltschutzförderung des ERP-Vermögens der Mittelstand zunehmend partizipiert. Die Nachfrage steigt hier weiter, so daß im kommenden Jahr der auf 420 Millionen DM stark erhöhte Ansatz für Luftreinhalteinvestitionen mittlerer Unternehmen in Betracht kommt. Dabei werden selbstverständlich nicht nur Filter gefördert, sondern auch Einrichtungen oder Anlagen, die den Schadstoffausstoß von vornherein vermeiden.
Der Darlehensbetrag ist in diesem Programm nicht generell begrenzt. Er sollte aber nicht mehr als fünf Millionen DM betragen. Ich halte es auch für richtig, daß zugunsten der Luftreinhaltung die Programme Abwasser und Abfall geringer dotiert wurden. Hier sollte man die Mittel ebenfalls auf den mittleren Unternehmensbereich konzentrieren, was insbesondere für die Abfallwiederverwendung gilt.
Auch ein ernstes Wort dazu: Kein Verständnis hätte ich dafür, wenn z. B. an potente Konzernunternehmen zwecks betrieblicher Abfallbeseitigung 40 bis 50 Millionen DM ERP-Mittel kämen.
Für ERP-Umweltschutzdarlehen gilt ein entsprechender Vorzugszins im ganzen Bundesgebiet von 5 %. Zonenrand und Berlin werden durch Dotationen in entsprechender Weise präferenziert.
Das jetzt in der Diskussion stehende 5-MilliardenProgramm, Kreditangebot für Gemeinden, wird sich an dem ERP-Zins orientieren. Kommunale Umweltschutzinvestitionen gehören zu den Schwerpunkten dieser Finanzierungshilfe. Nachfragen, die mit den ERP-Darlehen nicht gedeckt werden können, finden hier also zusätzliche Mittel. Dieser Aspekt der neuen Maßnahmen — unter dem Tagesordnungspunkt ERP
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sollten wir uns darauf beschränken — ist besonders erfreulich.
Noch ein Punkt zum ERP: Die mit rund 700 Millionen DM ausgestattete Förderung von Investitionen in Berlin reicht vom Umfang her aus. Kleine und mittlere Unternehmen fragen etwa ein Drittel dieses Volumens nach.
Meine Damen und Herren, ich möchte abschließend den Mitarbeitern des ERP-Referats im Wirtschaftsministerium und vor allem auch den drei Hauptleihinstituten — der Kreditanstalt für Wiederaufbau, der Deutschen Ausgleichsbank und der Berliner Industriebank — recht herzlich dafür danken, daß sie sozusagen als Gerüst für den ERP-Wirtschaftsplan zur Verfügung stehen. Ich hoffe und wünsche, daß die Wirtschaft und die Kommunen von dem Programm 1988 regen Gebrauch machen.
Wir haben den ERP-Wirtschaftsplanentwurf 1988 unter allen diesen Gesichtspunkten im ERP-Unterausschuß und im Wirtschaftsausschuß eingehend beraten. Dieser schlägt mit überwiegender Mehrheit seine Annahme in zweiter und dritter Lesung vor. In diesem Sinne sollten wir den Plan heute verabschieden.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.