Rede von
Dr.
Manfred
Wörner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Unsere Soldaten dienen dem Frieden. Sie schützen die Freiheit, auch die Freiheit einer unabhängigen Rechtsprechung. Ich sage nur: Wo kämen wir hin, wenn jedermann straflos diese Soldaten als Schwerstverbrecher beschimpfen dürfte? Wir werden jedenfalls nicht zulassen, daß die Soldaten der Bundeswehr ins Abseits gestellt werden.
Und ich frage mich: Wo bleibt der Aufschrei der Medien? Wo bleibt der Aufschrei der öffentlichen und der veröffentlichten Meinung? Stellen Sie sich einmal vor, das wäre in Frankreich, in Großbritannien oder in den Vereinigten Staaten von Amerika oder auch in der Schweiz passiert! Ich kann nur sagen: Wir dürfen nicht zulassen, daß das etwa Schule macht.
— Wir hoffen sehr darauf, ja ich sage: ich vertraue darauf, daß die Revisionsinstanz dies korrigieren wird.
Meine Damen und Herren, gerade deshalb, weil spektakuläre Einzelfälle nicht im Mittelpunkt des Berichts stehen, fällt es leichter, sich auf drei wichtige Felder zu konzentrieren,
in denen gehandelt wurde, und in denen weiterer Handlungsbedarf besteht. Das Wichtigste ist für mich ein Klima der Kameradschaft und der Menschlichkeit in den Streitkräften. Der Wehrbeauftragte hat festgestellt, daß Grundrechtsverletzungen nicht zur Tagesordnung der Bundeswehr gehören. Nur drei Prozent — das wurde schon gesagt — der Eingaben befassen sich damit. Ich lege größten Wert darauf, daß unsere jungen Soldaten die Rechte, die sie verteidigen, in den Streitkräften selbst erleben. Deshalb habe ich die Ausbildung in der Menschenführung verstärken lassen. Deshalb habe ich den Ausbildungsgang der Offiziere ändern lassen. Deshalb habe ich Ausbildungshilfen erarbeiten lassen. Deshalb wurde das Beurteilungssystem geändert. Deshalb habe ich alle Verantwortlichen angewiesen, bei der Auswahl von Führern und Unterführern den Fähigkeiten zur Menschenführung besonderes Gewicht zu geben.
Wir brauchen Vorgesetzte, die sich ihren Soldaten persönlich stellen, auch wenn dies manchmal unbequem ist. Wir brauchen Vorgesetzte, die gesprächsbereit und für Anliegen und Fragen ihrer Untergebenen offen sind. Es geht darum, unseren jungen Soldaten den Sinn ihres Dienstes nicht nur mit Worten zu erklären, sondern Tag für Tag im Alltag erleben zu lassen.
Ich habe im übrigen durchaus den Eindruck, daß unsere Soldaten ihre Rechte kennen und selbstbewußt wahrnehmen. Die Eingaben an den Wehrbeauftragten, zum Teil natürlich auch als Folge unserer intensiven Aufklärungsarbeit, sprechen nicht zuletzt für dieses Selbstbewußtsein.
Das zweite wichtige Handlungsfeld ist eine fordernde Ausbildung für unsere jungen Soldaten.
Besondes wichtig ist für mich das dritte, die Fürsorge und die soziale Verantwortung für unsere Soldaten und ihre Familien. Hier hat die Regierungskoalition auch in Zeiten knapper Kassen Zeichen gesetzt. Hier nur einige Beispiele: Wir haben den Wehrsold, das Weihnachts- und das Entlassungsgeld dreimal erhöht. Wir haben die Unterhaltssicherheitsleistungen ganz deutlich angehoben.
Wir haben die Berufsförderung verbessert und unterstützen auch Wehrpflichtige bei der Arbeitssuche. Wir haben die Zeitsoldaten gegen Arbeitslosigkeit versichert. Wir haben die finanziellen Leistungen im Reisekosten- und Umzugskostenrecht deutlich angehoben und damit die Folgelasten von Versetzungen gemildert. Wir haben Jahr für Jahr zusätzliche Planstellen für Soldaten zur Milderung des Verwendungsstaus und zur Wahrnehmung neuer Aufgaben entgegen dem sonstigen Trend im öffentlichen Dienst bereitgestellt. Wir haben Stellenbörsen zur Vermittlung ausscheidender Zeitsoldaten bei den Wehrbereichsverwaltungen eingerichtet. Nicht zuletzt haben wir die Zahl der Zeitsoldaten Jahr für Jahr erhöht, 14 000 zusätzliche Unteroffiziere gewonnen.
Insgesamt ist der Anteil der Personalausgaben in den Haushalten von Jahr zu Jahr angewachsen. Das macht den Schwerpunkt unseres Handelns besonders deutlich.
Nun haben Sie, Herr Kollege Leidinger, die Bundeswehrplanung angesprochen. Ich hatte gestern im Verteidigungsausschuß begründet, warum diese Planungskonferenz nicht etwa abgesagt, sondern auf einen anderen Termin verschoben wurde. Sie werden es dem Bundesminister der Verteidigung nicht verübeln können, daß er wartet, bis sein Planungsbeauftragter, der Generalinspekteur der Bundeswehr, zugegen ist, wenn er Entscheidungen trifft, die für das ganze nächste Jahr und das nächste Jahrzehnt von entscheidender Bedeutung sind. Ich jedenfalls lasse mich hier nicht unter Zeitdruck setzen.
Noch ein Wort zur Dienstzeitbelastung. Sie entsteht nicht durch normalen Garnisonsdienst, sondern durch Wach- und Bereitschaftsdienste, Übungen, Übungsplatzaufenthalte, durch Seefahrt und Ausbildung im Ausland. Mit der 40-Stunden-Woche, wenn Sie sie gesetzlich festlegen, haben Sie gar nichts erreicht. Das wissen Sie so gut wie ich. Im übrigen frage ich Sie, wenn das so ist, warum sich meine Vorgänger, die Herren Schmidt, Leber, Apel, warum sich alle geweigert haben,
3512 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1987
Bundesminister Dr. Wörner
mit guten Gründen, die 40-Stunden-Woche per Gesetz als Dienstzeitregelung zu verankern. Wir haben mit der Verringerung von Übungen und Übungsplatzaufenthalten, Änderungen im Übungsrhythmus, Verringerung der Tage auf See, Änderungen beim Schichtdienst und ähnlichem mehr die Dienstzeitbelastung bereits abgesenkt. Wir werden weitermachen, wir streben planbare Freizeit an, und der Grundsatz gilt: Erst muß der Versuch gemacht werden, Dienstzeit zu senken — das ist das Wichtigste — , planbare Freizeit einzuführen und den Rest dann individuell und gerechter finanziell zu vergüten. Diese geplante Neuregelung, Herr Wehrbeauftragter, ist nicht nur vorbereitet, sie wird in Kraft gesetzt werden, und ich hoffe sehr, daß sie dann auch gerecht beurteilt wird. Der Beirat für innere Führung hat dies anerkannt, unserer beabsichtigten Neuregelung ausdrücklich zugestimmt, und ich kann nur sagen: Die Polemik, die von einem bestimmten Verband gegen diese Regelung entfacht wird, hat mit der Wirklichkeit dieser Regelung nichts zu tun.
Herr Wehrbeauftragter, zum Schluß möchte ich Ihnen und Ihren Mitarbeitern ausdrücklich danken. Innere Führung und die Beachtung der Menschenrechte ist unser gemeinsamer Auftrag. Wir versuchen, ihm gerecht zu werden, und ich bin sicher, daß Sie und wir alle bei diesem Versuch die Unterstützung des Parlaments finden werden.
Schönen Dank.